Kultur pur

So viel geballte Kultur in einer Woche gönne ich mir selten bis nie: am Mittwoch Kino im Amtshof in Burgwedel, am Samstagabend Mittwochstheater in Hannover-Linden und dazwischen drei Ausstellungen in drei verschiedenen Museen.

Zufall oder nicht: Sowohl der Film, den ich am Mittwoch gesehen habe, als auch das Theaterstück am Samstagabend spielen in Frankreich: „Das Beste kommt noch“ erzählt die Geschichte von zwei sehr ungleichen Freunden. Als einer unheilbar an Krebs erkrankt, möchten die beiden möglichst viel der noch verbleibenden Zeit miteinander verbringen. Sie reisen zusammen in die Vergangenheit und tun, mehr um dem anderen einen Gefallen zu tun als aus Überzeugung, auch Dinge, vor denen sie sich bislang gedrückt haben. Und weil der Kranke meint, nicht er, sondern sein Freund sei todkrank, kommt es zu einigen Missverständnissen.

„Alles was sie wollen“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière habe ich mir mit einer Schreibfreundin angesehen. Im Mittelpunkt des Stücks steht die berühmte Schriftstellerin Lucie Arnaud, die kurz vor der Premiere ihres neuen Theaterstücks noch kein einziges Wort geschrieben hat.

Schreibblockaden kenne ich, im Mittwochstheater war ich bislang noch nie. Aber mein erster Besuch war sicher nicht mein letzter. Denn die Atmosphäre in dem alten Haus auf dem Lindener Berg gefällt mir: Es erinnert mich ein bisschen an das Unterhaus in Mainz, in dem ich als Studentin – also vor fast 100 Jahren – öfter gewesen bin. Und vielleicht sind die beiden Abstecher nach Frankreich ein Zeichen, dass ich meine Französischkenntnisse aus Realschulzeiten wieder aufbessern sollte. Eine Vokabelbox „Französisch Grundwortschatz“ habe ich letztens vor der Altpapiersammlung gerettet.

Vor der Vorstellung habe ich mir die Doppelausstellung des britischen Malers und Bildhauers Glenn Brown im Landes- und im Sprengel Museum angesehen. Es ist im Übrigen die erste gemeinsame Ausstellung der beiden Museen, die fast direkte Nachbarn sind.

Für die Dauer der Ausstellung – also bis zum 18. Juni – hat Glenn Brown die Kunstsammlungen beider Häuser um 50 eigene Werke erweitert. Die meisten seiner Bilder und Skulpturen wurden bewusst zwischen denen anderer Maler und Bildhauer platziert. Denn Glenn Brown ist, so heißt es in der Pressemitteilung, „bekannt für die Verwendung von kunsthistorischen Referenzen in seinen Gemälden“. Und in einem Interview sagte der Künstler: „Mein Gehirn wurde von anderen Künstlern geformt, sie leben alle in mir. Und ich bin untrennbar mit der Kunstgeschichte verbunden. Alles gehört zusammen.“ Nachzulesen im Ausstellungskatalog.

Ich kannte Glenn Brown und seine Werke bislang nicht – und er wird wohl auch nicht mein Lieblingsmaler. Aber seine Technik und seine Farben haben mich beeindruckt, er erzeugt „in altmeisterlicher Manier mit dünnen, wirbelnden Pinselstrichen … eine fast fotografisch anmutende Oberfläche“. Mein Lieblingswerk ist allerdings kein Bild, sondern eine Skulptur, deren Titel ich mir leider nicht gemerkt habe. Aber da ich ja eine Museumscard habe, werde ich „the real thing“ sicher noch ein zweites Mal besuchen, so wie ich auch ein zweites Mal „Nach Italien“ (https://timetoflyblog.com/nach-italien) gegangen bin. Die Ausstellung, die zur Reise in den Süden einlädt, wurde nämlich bis August verlängert.

Die erste Ausstellung, die ich in der vergangenen Woche besucht habe, war ebenfalls eine Doppelausstellung. Im Museum für Karikatur und Zeichenkunst Wilhelm Busch sind zwei Ausstellungen von insgesamt drei Zeichnern zu sehen. Alles erlaubt“ heißt der Titel des Ausstellungsparts von Achim Greser und Heribert Lenz, die gemeinsam Karikaturen für große deutsche Zeitungen zeichnen.Seit ihrer Zeit bei der Titanic haben Greser & Lenz nach und nach einen gemeinsamen Zeichenstil entwickelt, der inzwischen kaum mehr Rückschlüsse erlaubt, welche Zeichnung von welchem der beiden Zeichner stammt“, ist in der Pressemitteilung des Museums zu lesen. Mir gefallen die Karikaturen sehr gut, spannend finde ich aber auch die ausgestellten Leserbriefe, die zeigen, „welchen Anfeindungen Karikaturist*innen auch in unserer vermeintlich offenen Gesellschaft mitunter ausgesetzt sind“.

Mit den Bildern von Günter Mattei tue ich mich schwerer. Vor allem mit den Tierbildern, ein Schwerpunkt seines Ausstellungsteils „Kommst du“, kann ich wenig anfangen. Aber die Geschmäcker sind eben verschieden, bekanntlich ist ja – um bei Tierbildern zu bleiben – „Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall“.

Gelohnt hat sich der Besuch im Wilhelm Busch Museum trotzdem. Und auch die Ausstellung werde ich mir sicher noch ein zweites Mal ansehen.

Film ab

Durchschnittlich 1,5 mal im Jahr geht – rein statistisch – jede/r Bundesbürger/in jährlich ins Kino, meldete das Statistische Bundesamt, das jetzt DESTATIS heißt, Ende Januar. Ich liege deutlich über dem Durchschnitt.

Seit Anfang des Jahres habe ich mir bereits fünf Filme angesehen. Ich tue also etwas fürs Wohlergehen der Filmbranche.

Die ersten beiden Film erzählten die Geschichte der Schriftstellerinnen Astrid Lindgren und  Colette. Auch bei Film Nummer drei stand eine Frau im Mittelpunkt – die Frau eines erfolgreichen Schriftstellers. Sie tat, was auch Colette am Anfang getan hatte: Sie schrieb  Bücher, die ihr Mann unter seinem Namen veröffentlichte. Während sich aber Colette Anfang des 20. Jahrhunderts befreite und eine erfolgreiche Schriftstellerin wurde, gelingt das Joan Castleman im Roman nicht: Sie bleibt im Schatten ihres Mannes, opfert ihm die eigene Karriere, das eigene Talentt. Wie oft ist das früher geschehen, wie oft geschieht das heute noch.

Nachdem ich den Film „Die Frau des Nobelpreisträgers“ gesehen habe, habe ich auch den Roman von Meg Wolitzer gelesen – und so eine Autorin entdeckt, die ich bisher nicht kannte.

Die Autobiographie von Hape Kerkeling werde ich sicher nicht lesen. Aber der Film: „Der Junge muss an die frische Luft“ hat mich und alle, denen ich ihn empfohlen habe, begeistert. Schon allein wegen der tollen Schauspieler, allen voran Julius Weckauf, der den kleinen Hape spielt. Ein Film, in dem Lachen und Weinen ganz nah beieinander liegen, in einem Säckchen sind, wie es früher bei uns hieß.

Und nach vier überzeugenden Filmen war da noch Film Nummer 5. Kein Spiel-, sondern ein Dokumentarfilm: Ein Mann wandert 700 km durch den Harz und filmt sich und die Landschaft dabei. Eine gute Idee eigentlich, aber gut gedacht ist ja bekanntlich das Gegenteil von gut gemacht. Eine Werbung für den Harz war der Film meiner Meinung nach nicht. Das lag vielleicht auch daran, dass es auf der Tour gefühlt fast immer regnete. Aber Freunde, die fast alle Strecken selbst gewandert sind, behaupten, sie hätten auf ihren Touren bessere Aufnahmen gemacht und schönere Stellen gefunden als die gezeigten.

Ein Ereignis war der Kinobesuch trotzdem, denn so einen Ansturm habe ich selten erlebt. Vor dem Kino bildete sich schon eine dreiviertel Stunde vor Beginn eine Schlange, die vom Eingang im Hinterhof bis zur Straße reichte. So etwas habe ich zuletzt bei der Rocky Horror Picture Show in meiner Studentenzeit in den Siebzigern erlebt. Wer keine Karte reserviert hatte, musste draußen bleiben. Und als der Film mit Verspätung um viertel nach sieben startete, standen draußen noch immer Leute Schlange, die sich Karten für die Zusatzvorstellung am Sonntag sichern wollten. Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet, hätte ich zumindest einen der Wartenden glücklich gemacht, ihm meine Karte verkauft und vielleicht ganz nebenbei eine neue Karriere als Schwarzmarkthändlerin gestartet.