Gemeinsam lesen

„In der Stadtbibliothek feiert am 23. April der Silent Book Club®, Premiere. Wollen wir da zusammen hin?“, fragte mich eine Schreibfreundin per WhatsApp. Ich hatte noch nie von diesem Club gehört, aber weil ich Bücher, Bibliotheken und die Stille mag, gefiel mir die Idee. Ich hatte mich auch noch nie mit anderen getroffen, um gemeinsam zu lesen. Aber von unseren Schreibtreffs weiß ich, wie inspirierend es ist, (gelegentlich) gemeinsam zu schreiben. Ein Versuch lohnte sich also allemal.

Bevor ich losfuhr, fragte ich natürlich das allwissende Netz: Erfunden habe den Silent Book Clubs® zwei Frauen aus den USA (https://silentbook.club/pages/about-us): Guinevere de la Mare und Laura Gluhanich trafen sich zunächst mit FreundInnen zum Lesen, gründeten 2012 in San Francisco den ersten Club – und machten daraus ein ehrenamtliches Franchise (deshalb die Trademark hinter dem Namen). Inzwischen gibt es mehr als 500 Ableger in mehr als 50 Ländern – seit gestern auch in Hannover.

„Das Konzept ist wunderbar zwanglos“, beschreibt Sofie Bauer, die Initiatorin des hannoverschen Silent Book Clubs®, auf der Website der Stadtbibliothek die Vorzüge (https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Bildung/Bibliotheken-Archive/Stadtbibliothek-Hannover/Veranstaltungen/Silent-Book-Club-Hannover). Lesebegeisterte Menschen treffen sich an einem öffentlichen Ort, in einem Café, einem Kulturzentrum, einem Buchladen oder wie in Hannover in einer Bibliothek, um zu lesen – gemeinsam mit anderen, aber doch jedeR für sich. „Mir wird nicht vorgeschrieben, was ich lesen soll. Ich muss mein Buch nicht akribisch analysieren und mich darüber austauschen. Ich brauche nicht einmal mit den anderen Teilnehmenden sprechen, wenn ich das nicht möchte. Es gibt keinen Druck, nur die Freude am Lesen und die Gesellschaft von Gleichgesinnten.“

Das kommt mir sehr entgegen. Ich habe Buchklubs und Lesekreise bislang immer gemieden, obwohl ich gerne und recht viel lese. Aber ich habe keine Lust, in großer Runde darüber zu diskutieren, was der Dichter oder die Dichterin sagen will oder wollte.

Offenbar geht es nicht nur mir so. Mehr als 30 Lesebegeisterte kamen am Nachmittag des Internationalen Tag des Buches in die Stadtbibliothek, die Sofie Bauers Initiative unterstützt. Nicht alle fanden in dem Kreativraum Platz. Männer (fünf) waren klar in der Minderheit; sehr erstaunt war ich, wie viele junge Leute sich für das zwanglose, aber gemeinsame Lesen interessierten. Bei den Jüngeren ist offenbar – eine Corona-Nachwirkung? – das Bedürfnis nach sozialen Kontakte sehr groß. Das merkten wir auch, als wir nach der Vorstellungsrunde ausschwärmten, um uns irgendwo in der Stadtbibliothek einen gemütlichen Platz zum Lesen zu suchen. Die schönsten Plätze waren belegt. Martina Baade, Bibliothekarin in der Stadtbibliothek Hannover, hatte uns gewarnt: Viele AbiturientInnen kommen zurzeit in die Bibliothek, um sich dort auf die Abiturprüfungen vorzubereiten. Co-Learning liegt also offenbar ebenso im Trend wie Co-Reading.

Einen anderen Grund für das große Interesse an den Silent Book Clubs® nennt Michael Knoche, Mitglied des Pen-Zentrums Deutschland und von 1991 bis 2016 Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, in seinem Blogbeitrag „Gemeinsam alleine im Silent Book Club“ (https://biblio.hypotheses.org/1871). „Neben der Zwanglosigkeit scheint für sie (die Silent Book Clubs, Ergänzung von mir, ew) zu sprechen, dass man die Lesezeit explizit in den durchgetakteten eigenen Wochenrhythmus einbauen muss. Es gibt einen ‚Lesetermin‘, den man in den Kalender einträgt, und einen Treffpunkt, den man dafür aufsuchen muss. Die Verbindlichkeit bedeutet für viele Teilnehmer, darunter Mütter mit kleinen Kindern, einen willkommenen Anstoß zum Lesen.“ Auch das ist wie beim Schreibtreff: Frau nimmt sich durch die Verabredung Zeit zum Lesen, die im Alltag oft nicht bleibt.  

Bücher stapelweise. Viel Lesestoff für die gemeinsame Lesestunde

Beim Vorstellen der mitgebrachten Bücher vor Beginn der Lesestunde zeigte sich, dass bei vielen TeilnehmerInnen Fantasyromane hoch im Kurs stehen. Ich lese zurzeit gerade den Essayband „Freiheiten“ von Zadie Smith. Doch weil ich den ganzen Tag unterwegs war und das 500-seitige Buch ziemlich schwer ist, hatte ich morgens „Das Lesen und das Schreiben“, die literarische Autobiografie des englischen Nobelpreisträgers Sir Vidiadhar Surajprasad Naipaul, aus dem Regal gezogen und nutzte die Gelegenheit, sie noch einmal zu lesen.

In der Abschlussrunde konnten alle, die es wollten, noch einmal kurz über ihr Buch, über ihre Erfahrungen in der Lesestunde und mit anderen TeilnehmerInnen sprechen. Nur still weiterlesen kann man in Hannovers Silent Book Club nicht. Denn die Stadtbibliothek schließt um 19 Uhr, eine halbe Stunde nach dem Ende der Lesezeit.

So blieb mir genug Zeit, auf dem Weg zum Bahnhof in eine Buchhandlung zu gehen und mir zum Internationalen Tag des Buches selbst ein Buch zu schenken: Annette Hagemanns „Katalog der Kiefermäuler“. Ich hatte Annettes Lesung am vergangenen Freitag verpasst, jetzt lese ich ihre Gedichte und Notate still für mich und reise mit ihr u. a. nach Venedig und in die Bibliothek von Babylon.

Übrigens: Das nächste Treffen des Silent Book Clubs® Hannover ist am 23. Mai, wieder ab 17 Uhr in der Stadtbibliothek.

Gelesene Bücher 2023

Wann habe ich eigentlich angefangen, jedes Jahr die Bücher zu zählen, die ich gelesen habe, und ihre Titel zu notieren? Die ersten (erhaltenen) Anfänge meiner Bücherlisten reichen ins Jahr 2015 zurück: Damals habe ich mir in Lissabon ein „Diário de leitura“, also ein Büchertagebuch, gekauft. Der erste Eintrag war im Februar 2015 Pascal Merciers „Nachtzug nach Lissabon“. Der Roman war lange Zeit eines meiner Lieblingsbücher und natürlich begleitete er mich auch bei unserem Kurzurlaub in Lissabon. Wahrscheinlich hatte ich mir das Reiseziel überhaupt nur oder hauptsächlich wegen dieses Buchs ausgesucht.

Natürlich war ich wie auch der Protagonist des Romans, der Lateinlehrer Raimund Gregorius, in der Livraria Bertrand, der ältesten durchgehend betriebenen Buchhandlung der Welt. Als ich dort das Büchertagebuch entdeckte, konnte ich nicht widerstehen. Regelmäßig habe ich allerdings erst seit 2020 die gelesenen Bücher eingetragen. Im vergangenen wie auch in diesem Jahr haben mich dann die Blogbeiträge von Christof Herrmann (https://www.einfachbewusst.de/2023/12/gelesen-buecher-2023/) animiert, meine eigene Leseliste zu veröffentlichen.

Ich lese etwa 50 bis 60 Bücher jährlich, im vergangenen Jahr waren es genau 60. Da ich die Listen nicht ganz zuverlässig führe, sind es möglicherweise sogar einige mehr. Außerdem fehlen Bücher, die ich noch nicht ganz zu Ende gelesen habe, im vergangenen Jahr zum Beispiel Siri Hustvedts Essayband „Mütter, Väter und Täter“.

Mein Ziel, jede Woche ein Buch zu lesen, habe ich also übertroffen. Ich habe mit Max Frisch meinen früheren Lieblingsautor wiederentdeckt. Die „Entwürfe zu einem Berliner Tagebuch“ haben mich so beeindruckt, dass ich auch „Die Entwürfe zu einem dritten Tagebuch“ angefangen und im neuen Jahr schon zu Ende gelesen habe. Außerdem liegt Montauk neben meinem Bett. Und ich habe einige AutorInnen neu entdeckt, die ich bislang nicht kannte. Besonders berührt haben mich die Bücher von Alba de Cespedes, Angelika Klüssendorf und Bernardine Evaristo.

Ich bin, ich habe es schon einmal geschrieben, eine unstrukturierte Leserin (https://timetoflyblog.com/die-unstrukturierte-leserin): Viele Bücher entdecke ich mehr oder weniger zufällig, zum Beispiel im Freihandbestand der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover, in den Neuerwerbslisten und in den Regalen der Bücherei in Großburgwedel, in Buchhandlungen oder als Hinweis in anderen Büchern. Bestsellerlisten interessieren mich wenig, mehr als auf die Kritiken und Empfehlungen verschiedener Kulturseiten und -sendungen vertraue ich auf die Tipps meiner (Schreib)Freundinnen.

Apropos Rezensionen und Empfehlungen: Nicole Seifert stellte bei der Recherche für ihr Buch „Frauenliteratur: Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“* fest, dass im April 2018 auf den Literaturseiten von FAZ und Süddeutscher Zeitung jeden Monat 47 Bücher von Autoren, aber nur 16 von Autorinnen besprochen wurden (Nicole Seifert, S, 34f).

Die Studie #frauenzählen, bei der im März 2018 in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock 2.036 Rezensionen und Literaturkritiken in 69 deutschen Medienformaten ausgewertet wurden, kam zu einem ähnlichen, repräsentativen Ergebnis: „Auf jedes besprochene Werk einer Autorin kommen zwei Werke eines Autors (…). Männer sind damit doppelt so häufig vertreten“ – und zwar quer durch alle Mediengattungen. „In Wochenzeitschriften werden Autoren noch etwas stärker präsentiert (70%); allein bei Frauenzeitschriften kehren sich die Verhältnisse um: 64% der rezensierten Werke sind von Autorinnen verfasst“ (Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb, Seite 8, http://www.frauenzählen.de/studie_downloads.html). Ob sich daran inzwischen etwas geändert hat? Ich glaube kaum. Denn der Fortschritt ist bekanntlich eine Schnecke – und manchmal geht es auch nach einem Schritt nach vorn zwei Schritte zurück.

So musste ich in Nicole Seiferts Buch lesen, „dass wir in der Schule praktisch ausschließlich männliche Autoren lasen“ und dass ihr „in acht Jahren Gymnasium inklusiver Deutsch-Leistungskurs in den späten Achtziger- und frühen NeunzigerJahren  … mit Annette von Droste-Hülshoff nur eine einzige Autorin“ begegnete. Meine Tochter hat ein paar Jahre später das gleiche Gymnasium besucht. Vielleicht hätte ich mich doch mehr darum kümmern sollen, was sie gelesen und gelernt hat – oder besser gesagt was nicht.

Wie gut und fortschrittlich meine eigenen Deutsch- und GeschichtslehrerInnen an der Realschule in Neumagen und am Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier waren, wurde mir bei der Lektüre von Nicole Seiferts Buch wieder einmal bewusst: Ich selbst habe in dem Jahr Mittlere Reife gemacht, in dem Nicole Seifert geboren wurde. Und natürlich standen in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren vorwiegend Autoren auf dem Lehrplan. Aber wir haben im Unterricht neben der schon damals obligatorischen Judenbuche von Annette von Droste-Hülshoff auch Gedichte von Ina Seidel, Elisabeth Langgässer, Nelly Sachs, Marie Luise Kaschnitz und Ingeborg Bachmann gelesen. Und das „Tagebuch der Anne Frank“ und „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers waren wenn nicht Unterrichtslektüre so doch dringende Lektüreempfehlungen. Vielen Dank nachträglich an Hermann Erschens, Dr. Elisabeth Becker und Dieter Schulz. Sie haben sicher großen Anteil daran, dass ich immer noch eine leidenschaftliche, wenn auch unstrukturierte Leserin bin – mit einem Faible für von Büchern, die von Frauen geschrieben wurden, wie ein Blick auf die unten stehende Liste der gelesenen Bücher zeigt.

Übrigens: „Frauenliteratur: Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“ erscheint im Februar als Taschenbuch. Gespannt bin ich auch auf Nicole Seiferts neues Buch „Einige Herren sagten etwas dazu“, in dem sie die Geschichte der Gruppe 47 aus der Perspektive der Autorinnen erzählt. Es erscheint ebenfalls im Februar im Verlag Kiepenheuer & Witsch.

*Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung.

Gelesene Bücher 2023

  1. Elke Heidenreich: Ihr glücklichen Augen
  2. Elizabeth Strout: O William
  3. Dörte Hansen: Zur See
  4. Linda Bostöm Knausgard: Oktoberkind
  5. Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter
  6. Felicitas Hoppe 17° fieber
  7. Alex Schulmann: Verbrenn all meine Briefe
  8. Monika Peetz: Sommerschwestern I
  9. Kristin Valla: Haus überm Fjord
  10. Bonnie Garmus Eine Frage der Chemie
  11. Auszeit Storys
  12. Renate Strobl: Ein Raum für mich
  13. Kerri Maher: Die Buchhändlerin von Paris
  14. Christine Schünemann: Schreiben
  15. Christiane Palm-Hoffmeister: FrauenZimmerSchreiben
  16. Tomas Tromströmer: Lebenserinnerungen
  17. Richard Ford: wie wir schreiben wollen Essays
  18. Virginia Woolf: Ein Zimmer für sich allein
  19. Isabel Allende: Violetta
  20. Dora Heldt: Drei Frauen und ein falsches Leben
  21. Helga Schubert: Der heutige Tag
  22. Anne Gesthuysen: Mädelsabend
  23. Anne Gesthuysen: Wir sind doch Schwestern
  24. Kirsten Hannah: Winterschwestern
  25. Barbara Bronnen: Stadt der Tagebücher
  26. Raynor Winn: Wilde Stille
  27. Marie Luise Kaschnitz: Steht noch dahin
  28. Bernardine Evaristo: Mädchen, Frau etc
  29. Bernardine Evaristo Manifesto
  30. Christoph Hein: Unterm Staub der Zeit
  31. Ewald Arenz: Die Liebe an miesen Tagen
  32. Donna Leon: Wie die Saat, so die Ernte
  33. Christiane Wünsche: Wir sehen uns zu Hause
  34. Deborah Levy: Ein eigenes Haus
  35. Monika Peetz, Sommerschwestern, teil 2
  36. Robert Seethaler: Café ohne Namen
  37. Bettina Storks:  Die Poesie der Liebe
  38. Emily Pine: Botschaften an mich selbst
  39. Judith Herrmann: Wir hätten uns alles gesagt
  40. Judith Hermann: Letti Park
  41. Daniel Schreiber: Zuhause
  42. Nina George: Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
  43. Heike Abidi: Scheißegal, ich mach das jetzt
  44. Cornwall Geschichten
  45. Merian Reiseführer Cornwall
  46. Anja Schreiber: Entfessle dein Selbst durch Journaling
  47. Meike Moshammer: Auszeit in Wanderstiefeln
  48. Susanna Tamaro: Ein denkendes Herz
  49. Ann Patchet: Aus Liebe zum Buch
  50. Susanna Tamaro: Geh wohin dein Herz dich trägt
  51. Volker Weidermann: Mann am Meer
  52. Sylvie Schenk: Maman
  53. Elke Vesper: Jetzt erst recht
  54. Max Frisch: Entwürfe zu einem Berliner Journal
  55. Thomas Mann: Tonio Kröger
  56. Alba de Cespedes: Das verbotene Notizbuch
  57. Angelika Klüssendorf: Risse
  58. Angelika Klüssendorf: Das Mädchen
  59. Susanna Tamaro: Die Demut im Blick
  60. Brigitte Giraud: Schnell leben

Jahresrückblog 2024

Und noch einmal Reinhard Mey. Sein Lied „Einundsiebzigeinhalb“ passt nicht nur zur Halbzeitbilanz, sondern auch zum Jahresrückblog am Ende des Jahres. „Was ist aus all dem geworden, was ich mir am Neujahrsmorgen, ganz fest vorgenommen hab?“ Oder, um den König aus Hermann van Veens Musical die Ente Kwak zu zitieren: „Ist es schon wieder so weit?“

Ja, wieder Silvester: Zeit, Bilanz zu ziehen, zurück, aber auch ein wenig nach vorne zu schauen. Zu diesem Jahresrückblog hat mich Judith Peters gleichnamige Aktion inspiriert – allerdings habe ich ihre Vor- und Ratschläge meinen Bedürfnissen entsprechend modifiziert. So habe ich den Beitrag nicht wie die anderen Teilnehmerinnen am 20. Dezember veröffentlicht. Zum einen, weil ich am Morgen dieses Tages zu einer Untersuchung im Krankenhaus war. Zum anderen nutze ich meinen Blog nicht beruflich, er ist rein privat. Und weil ich zwischen den Jahren weder Urlaub noch eine Auszeit vom Bloggen mache, stelle ich diesen Beitrag am letzten Tag des Jahres online.

Leben

Im vergangenen Jahr hat sich für mich einiges geändert. Ich bin seit Ende 2022 Rentnerin, seit Mitte 2023 nehme ich keine Schreibaufträge mehr an. 40 Jahre Lohnschreiberei sind genug. Ich habe gerne und viel gearbeitet – zeitweise wahrscheinlich zu viel. Und oft habe ich es nicht geschafft, das Leben zu genießen. Zu groß war mein Perfektionismus, zu groß die Angst, Aufträge dauerhaft zu verlieren, wenn ich einmal nein sage. Aber jetzt ist Zeit für das Leben nach der Arbeit – und für die Dinge, die ich gerne tue. Wann, wenn nicht jetzt? Denn wer weiß, wie viel Zeit noch bleibt.

Schreiben und lesen

Ich schreibe gerne, und natürlich werde ich weiter schreiben. Blogbeiträge zum Beispiel. In diesem Jahr habe ich nur 51 veröffentlicht, im nächsten Jahr sollen es ein paar mehr werden. Außerdem möchte ich Essays schreiben und mich an Gedichte wagen. Noch beschränke ich mich meist darauf, Letztere zu lesen – vor dem Einschlafen schlage ich oft den Conrady auf, der neben meinem Bett steht. Oder ich lese mich mit dem lyrischen Kalender durchs Jahr.

Apropos lesen: Ein Leben ohne Bücher kann ich mir nicht vorstellen. 60 habe ich in diesem Jahr gelesen – mehr als eins jede Woche. Die Liste der gelesenen Bücher werde ich in den nächsten Tagen in einem Extra-Beitrag posten.

Kunst

Ich liebe Bücher, seit ich lesen kann. Und ich schreibe, seit ich vor fast 50 Jahren Anne Franks Tagebuch zum ersten Mal gelesen habe. Gezeichnet habe ich dagegen nie. Doch jetzt möchte ich es endlich lernen, möchte mehr Farbe in mein Leben bringen. Deshalb habe ich im November mit einem privaten Zeichenkurs angefangen – und ich habe mir wieder einmal fest vorgenommen, im nächsten Jahr mehr zu zeichnen. Vielleicht klappt es ja in meinem neu eingerichteten Schreib-/Malzimmer, in dem ich nicht nur viel Platz, sondern auch viel Licht habe.

Zu der vorläufig letzten Umräumaktion in unserem Haus haben mich die verschiedenen Atelierspaziergänge angeregt, an denen ich in diesem Jahr teilgenommen habe. Ich bin eine Kunstbanausin, aber ich liebe es, Blicke hinter die Kulissen zu werfen und zu sehen, wie und in welcher Umgebung Kunst entsteht.

Außerdem habe ich viele Museen, Ausstellungen und Galerien besucht. Ein Highlight war sicher das Tate in Saint Ives, nicht nur wegen der Bilder im Museum, sondern auch wegen des tollen Blicks aus dem Museum aufs Meer. Sehr gut gefallen haben mir auch die Ausstellungen von Ilon Wikland und Volker Kriegel im Museum Wilhelm Busch. Und die Ausstellung „Nach Italien“ im Landesmuseum hat dazu geführt, dass wir unsere Reisepläne geändert haben und im Frühjahr statt nach Portugal in die Toskana gefahren sind.

Ganz stolz bin ich auf die erste Ausstellung meiner Tochter: Noch bis April sind im Unternehmerinnenzentrum in Hannover Tier-, Natur- und Landschaftsfotos von ihren Reisen und Wanderungen zu sehen.

Reisen

Gereist bin ich im zu Ende gehenden Jahr viel, nicht nur, aber auch dank des 49-Euro-Tickets. Dass es später kam als angekündigt, habe ich den PolitikerInnen längst verziehen, zumindest solange sie es nicht wieder abschaffen. Und auch daran, dass ich bei Kontrollen keine Karte, sondern mein Smartphone vorzeigen muss, habe ich mich inzwischen gewöhnt.

Durch das Ticket bin ich viel mobiler geworden. Ich kann einfach irgendwohin fahren, umweltfreundlich und preiswert. Auf diese Weise habe ich verschiedene Städte erkundet, die schon lange auf meiner To-visit-Liste standen, Wolfenbüttel zum Beispiel, Bad Gandersheim oder Lübeck. Außerdem bin ich jetzt oft in Hannover – gehe ins Museum, in die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, in die Herrenhäuser Gärten oder an den Maschsee. Und manchmal wandere ich ziellos durch die Straßen und lerne die Stadt kennen, in deren Nähe ich seit mehr als drei Jahrzehnten lebe.

Neben den kurzen Fahrten gab es natürlich auch die großen und kleinen Reisen mit dem Wohnmobil. Anders als geplant sind wir nicht nach Portugal und Skandinavien gefahren, sondern nach Italien und England. Aber das ist ja der Vorteil dieser Art des Reisens: Man kann spontan entscheiden, wohin die Reise geht. Man kann bleiben, wo es einem gefällt, und weiterziehen, wenn man oder frau mag. Und oft ist der Weg das Ziel.

Wann immer es geht, schaue ich mir unterwegs Gärten an, nicht selten sind sie besondere Highlights auf den Reisen. So waren der Giardino Bardini und der Giardino delle Roses meine Lieblingsorte in Florenz. In Saint Ives hat mir der Skulpturengarten von Barbara Hepworth sehr gut gefallen und nach Saint Austell sind wir nur wegen der Lost Gardens of Heligan gefahren.

Gewandert bin ich auch, wenn auch nicht so viel, wie ich eigentlich wollte. Immerhin bin ich auf den Calmont bei Ediger-Eller gestiegen, bin zum ersten Mal in den Alpen und auf dem South West Coast Path in Cornwall gewandert. Beides schmeckt nach mehr. Den Hexenstieg habe ich leider auch in diesem Jahr nicht geschafft. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der Harz liegt ja quasi vor der Tür und ist zudem auch eine ideale Übungsstrecke für Wanderungen aller Art  

Dank meines Fitnesstrackers weiß ich übrigens genau, wie viel ich in diesem Jahr gegangen bin: Es waren durchschnittlich 9.852 Schritte am Tag, also 3.595.980 insgesamt. Das Ziel 10.000 Schritte täglich habe ich also verfehlt, wenn auch nur knapp verfehlt.  

Omas gegen rechts

Seit einiger Zeit beteilige ich mich an Aktionen der Omas gegen rechts. Denn in Zeiten wie diesen genügt es meiner Meinung nach nicht mehr, gegen Antisemitismus und rechtsradikale Parteien zu sein, die unsere Demokratie gefährden – man muss es auch zeigen.

Dass Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder bedroht werden, dass sie Angst haben müssen, mit einer Kippa auf die Straße zu gehen oder in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen, macht mich nicht nur wütend, sondern erfüllt mich mit Scham. Und die politische Entwicklung in Deutschland, Europa und der Welt macht mir zunehmend Angst. Immer öfter denke ich an Martin Niemöllers Worte (https://martin-niemoeller-stiftung.de/martin-niemoeller/als-sie-die-kommunisten-holten):

„Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.“

Von 1937 bis 1945 war Niemöller in Gefängnissen und Konzentrationslagern eingesperrt. Sein Schicksal sollte uns mahnen, rechtzeitig aufzustehen und zu verhindern, dass hierzulande die Höckes, Chrupallas und Weidels an die Macht kommen, unsere Freiheit aushöhlen oder gar abschaffen.

Lieblings-Posts

Nennt eure „drei liebsten eigenen Blogartikel des Jahres“, empfiehlt Judith Peters den TeilnehmerInnen des Jahresrückblogs. Ich musste nicht lange nachdenken. Den Beitrag „Nie wieder ist jetzt“ habe ich nach einer Mahnwache vor dem Holocaust Mahnmal auf dem Opernplatz in Hannover geschrieben. Wir wollten am 9. November, am 85. Jahrestag der Pogromnacht von 1938, nicht nur an die Holocaust-Opfer, sondern auch an die Opfer des Massakers der Hamas in Israel erinnern. Und wir wollten ein Zeichen setzen – gegen den wachsenden Antisemitismus in Deutschland und in vielen anderen Ländern (https://timetoflyblog.com/nie-wieder-ist-jetzt).

Die beiden anderen Beiträge gehören eng zusammen: der Text über die Stadt der Tagebücher (https://timetoflyblog.com/die-stadt-der-tagebuecher) und der Beitrag über Orlando Orlandi Posti. Der junge Italiener, dessen Briefe aus dem Gefängnis im Tagebucharchiv von Pieve Santo Stefano aufbewahrt werden, wurde 1944 von den Nazis in den Adreatinischen Höhlen ermordet (https://timetoflyblog.com/in-memorian-orlando-orlandi-posti).

So etwas darf nie wieder passieren. Nie wieder ist jetzt.

Die unstrukturierte Leserin

Ich lese gern – und recht viel. Wenn die Statistiken nicht lügen, deutlich mehr als der Durchschnitts-Deutsche, wie immer er oder sie aussehen mag. Nach einer Umfrage des Stern aus dem Jahr 2015 lesen nämlich nur 27 Prozent mehr als zehn Bücher jährlich, 14 Prozent lesen gar keine Bücher. 39 Prozent der Befragten lesen bis zu fünf Bücher, (https://www.presseportal.de/pm/6329/2969695) – so viele liegen meist neben meinem Bett, weil ich parallel mehrere Bücher lese (und weil ich die gelesenen Bücher nicht immer sofort wegräume. Aber das ist ein anderes Thema).

Welche Bücher ich – vollständig – gelesen habe, notiere ich unter anderem in meinem Büchertagebuch. Das habe ich vor Jahren in der Livraria Bertrand in Lissabon gekauft, die angeblich die älteste Buchhandlung der Welt sein soll. 58 Bücher stehen bis jetzt in diesem Jahr auf meiner Gelesen-Liste. Und weil ich zwar Listen liebe, sie aber leider nicht sehr akribisch führe, sind es wahrscheinlich sogar ein paar mehr. Mein selbst gestecktes Jahresziel – ein Buch pro Woche – habe ich in diesem Jahr schon erreicht.

Belesen, wie manche jetzt vielleicht mutmaßen, bin ich aber nicht. Denn Duden online und Googles Deutsche Wörterbuch definieren „belesen“ als „durch vieles Lesen reich an [literarischen] Kenntnissen“. Ich habe, wenn überhaupt, nur ein gesundes Halbwissen. Und obwohl ich in meinem früheren Leben Germanistik studiert habe, kenne ich nicht einmal die Klassiker der Weltliteratur.

So bin ich bei „Ulysses“ von James Joyce ebenso wie bei Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ nie über die ersten 50 Seiten hinausgekommen. Die Bibel und Homers Ilias – ebenfalls Must-Reads für wirklich belesene Menschen – habe ich nur auszugsweise gelesen. Und die Lektüre von Buddenbrooks und Goethes Wahlverwandtschaften liegt so lange zurück, dass es schon fast verjährt ist.

Im Studium habe ich mich noch brav durch diverse Literaturlisten gelesen, seit ich der Uni den Rücken gekehrt habe und auch dem Schuldienst erfolgreich aus dem Weg gegangen bin, bin ich eine unstrukturierte Leserin. Ich lese just for fun.

Ich lese, was mir mehr oder weniger zufällig in die Finger fällt oder vor besser vor die Augen kommt. Bestsellerlisten interessieren mich bei der Auswahl meiner Lektüre eigentlich gar nicht, die Empfehlungen verschiedener Kulturseiten und -sendungen nur bedingt. Viele Bücher finde ich auf der Neuerscheinungsliste der örtlichen Bücherei und warte dann geduldig, bis ich an der Reihe bin: Helga Schuberts „Vom Aufstehen“ zum Beispiel oder „Die Unsterblichen“ von Axel Schumann. Manchmal frage ich das Bücherei-Team, ob ein Buch, das ich gerne lesen würde, nicht auch für andere LeserInnen interessant wäre. Und manchmal überzeugen meine Buchwünsche die Mitarbeiterinnen und sie kaufen das Buch für die Bücherei (vielen Dank für beides). Beispielsweise Gabriele von Arnims „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“. Das Buch, in dem Sie über das Zusammenleben mit ihrem pflegebedürftigen Mann schreibt, hat mich sehr berührt, vielleicht auch, weil ich es zu einer Zeit gelesen habe, als eine Freundin und ein Freund schwer krank waren.

Wenn ich in eine Buchhandlung gehe, komme ich meist mit einem neuen Buch heraus. Aber ich entdecke auch oft Bücher wieder, die seit Jahren in meinem Bücherschrank stehen. Manchmal springen mich die Titel an. Oder besser gesagt sie schreien: „Lies mich“ – weil sie gerade (wieder) zu meinem Leben passen. Zum Beispiel Rainer Maria Rilkes „Du musst dein Leben ändern“, „Auszeit“ von Anja Meulenbelt oder „Ein sanfter Tod“ von Simone de Beauvoir.

Manchmal führt mich ein Buch auf einen Pfad, dem ich dann lesend folge: Nachdem ich Antonio Iturbos „Bibliothekarin von Auschwitz“ gelesen habe, habe ich mir Dita Kraus Memoiren „Ein aufgeschobenes Leben: Kindheit im Konzentrationslager – Neuanfang in Israel“ ausgeliehen. Dita Kraus war noch ein Teenager, als sie im sogenannten „Familienlager“ des Venichtungslagers Birkenau die Bücher vor den Nazis versteckte. Sie wurde von Birkenau zunächst nach Auschwitz und dann ins KZ Bergen-Belsen deportiert. Dort hielten die Nazis auch Anne Frank und Renata Laqueur gefangen; Anne Frank wurde dort ermordet. Renta Laqueur überlebte. Ihre Tagebücher stehen in meinem Bücherregal, und natürlich habe ich noch einmal in sie hineingelesen. 

Oft verlasse ich mich bei der Auswahl der Bücher auf Empfehlungen von Freundinnen und Bekannten – und werde nur selten enttäuscht: Tante Martl von Ursula März hat mir eine Bekannte empfohlen und ausgeliehen; Nevermore von Cécile Wajsbrot habe ich mir selbst gekauft, nachdem eine Bücherfrau aus unserer Regionalgruppe es erwähnt hat. Jetzt liegt es auf dem Stapel der zu lesenden Bücher, der seinen Platz in einem meiner Bücherregale hat.

Ein Buch, das schon lange – ungelesen – in meinem Bücherregal steht, hat es jetzt auch auf diesen Stapel geschafft: „Der Zauberberg“ von Thomas Mann. Ein Bekannter hat mir den Zauberberg ans Herz gelegt, weil es eines seiner Lieblingsbücher ist. Dass er es schon mehrmals gelesen hat, hat mich beeindruckt, immerhin hat das Buch fast tausend Seiten. Ich gebe dem Klassiker also noch eine Chance – und vielleicht ist die Vorweihnachtszeit der richtige Zeitpunkt für einen Roman, der in den Schweizer Bergen spielt und in dem ein Schneetraum zu den Höhepunkten zählen soll.

PS: Auch dieser Blogbeitrag hat mich zu einem Buch geführt: Als ich über den Text und über den Titel nachdachte, kam mir Alan Bennett „Die souveräne Leserin“ in den Sinn. Ich kannte das Buch nicht, habe es mir gekauft und kann es nur empfehlen. Natürlich ohne Gewähr, denn anders als die Queen, die Heldin des Buches, bin ich keine souveräne, sondern nur eine unstrukturierte Leserin. .

 

P

Evas Schreibzimmer

Ich habe meine Arbeitszimmer umgeräumt. Nicht zum ersten Mal; mein Mann behauptet, mein Schreibtisch hätte schon in fast jedem Raum unseres Hauses gestanden. Geschrieben und gearbeitet habe ich eigentlich in jedem Zimmer – sogar in der Küche und im Bad. Außerdem benutze ich vom Frühjahr bis weit in den Herbst hinein gerne den Wintergarten als Außenbüro, im Sommer außerdem den Garten und die Terrasse.

Schreiben am Teich

Ich bin also bei der Wahl meiner Schreibplätze recht flexibel – ich kann überall schreiben, wo Platz für meinen Laptop, meine Notizbücher und meine Unterlagen ist. Aber ich brauche eine feste Schreibbasis – einen kreativen Zufluchtsort sozusagen.

Ich habe, welch ein Luxus, zwei Arbeitszimmer: Einen halben Tag habe ich gebraucht, um das kleinere Arbeits- zum Schreibzimmer umzufunktionieren. Um mehr Platz für die Bücher zu haben, die ich beim Schreiben brauche oder gerne um mich habe, mussten zwei kleine Kommoden zwei zusätzlichen Bücherregalen weichen. Weit länger als das Möbelrücken hat allerdings das Umräumen der Bücher gedauert. Außerdem habe ich – längst überfällig – bei der Gelegenheit ganze Papierberge entsorgt, die sich in diversen Ordnern und Schränken angesammelt haben. Würde man Vorher-nachher-Bilder des Arbeitszimmers vergleichen, wäre kaum ein Unterschied zu sehen.

Das liegt sicher auch daran, dass mein neues Schreibzimmer klein ist – es ist das kleinste Zimmer im ganzen Haus: Gerade einmal neun Quadratmeter ist die Grundfläche groß, Dachschrägen ein fest eingebautes Sideboard und mehrere hohe Bücherregale, die nur an den beiden geraden Wänden Platz haben, schränken die Gestaltungsmöglichkeiten zusätzlich ein.

Das Zimmer ist zwar klein, aber es hat zwei Fenster – eines an der Ost-, das andere an der Südseite des Hauses. So kann ich die Sonne von morgens bis abends sehen, wenn sie denn scheint. Das ist wichtig, denn ich brauche Licht, um mich beim Arbeiten wohlzufühlen, Tageslicht, wenn möglich, im Winter, wenn es morgens spät hell und früh wieder dunkel wird, helfen (Duft)Kerzen und Lichterketten. Selbst Wasser kann ich aus meinem Schreibzimmerfenster sehen – auch wenn die riesige Pfütze auf dem Garagendach der Nachbarn nur ein unvollkommener Ersatz für den Blick aufs Wasser ist, der für mich zu einem idealen Schreibort gehört. Doch sie ist wesentlich größer als unsere Gartenteiche – vielleicht frage ich die Nachbarn im nächsten Sommer, ob ich dort ein paar Pflanzen aufstellen oder eine Quietscheente schwimmen lassen darf, damit echtes Seefeeling aufkommt.

Auch mein Schreibtisch muss hell sein – und im Gegensatz zum Zimmer möglichst groß: Der Versuch, einem kleinen dunklen Tisch und einen ebenso dunklen Sekretär zur Schreibecke umzufunktionieren, ist kläglich gescheitert. Dort kann ich meine Morgenseiten, Tagebuch oder Mails schreiben, für meine Artikel, Blogbeiträge und andere Schreibprojekte brauche ich mehr Platz, um meine (Notiz-)Bücher und diverse Unterlagen auszubreiten (So aufgeräumt wie auf dem ersten Foto bleibt mein Schreibtisch leider in der Regel nicht lange, meist setzt sich das Chaos durch).

Korrektur- und Layoutarbeiten erledige ich künftig in meinem zweiten Arbeitszimmer. Deshalb habe ich den Monitor, den ich nur für diese Arbeiten nutze, dorthin umgesiedelt. Ohne ihn ist der Tisch von zwei Seiten „beschreibbar“ – ein Stehhocker, der unter dem Tisch verschwindet, wenn er nicht gebraucht wird, macht es möglich. Manchmal hilft ja ein Perspektivwechsel, um Dinge klarer zu sehen, Denk- oder Schreibblockaden zu überwinden oder die Kreativität zu verbessern.

Ohne Monitor ist auf dem Schreibtisch mehr Platz

Davon war Walt Disney überzeugt. Er soll für verschiedene Arbeiten (mindestens) drei verschiedene Arbeitsräume bzw. Arbeitsplätze genutzt haben: Im ersten (Raum des Träumers) ließ er seiner Fantasie freien Lauf, im zweiten (Raum des Realisten) setzte er seine Ideen um, entwickelte Konzepte und entwarf Projektskizzen, um seine Ideen umzusetzen. Im dritten (Raum des Kritikers) überprüfte Walt Disney seine Vorhaben und verbesserte sie. Die Walt-Disney-Methode lässt sich auch in einem Raum umsetzen; mehr darüber zum Beispiel unter https://karrierebibel.de/disney-methode/ und unter https://de.wikipedia.org/wiki/Walt-Disney-Methode

Weil auch in der kleinsten Hütte Platz ist, habe ich also gleich noch einen dritten Arbeitsplatz geschaffen. Im Stehen zu Arbeiten tut sicher meinem Rücken und vielleicht auch meiner Kreativität gut. Das hoffe ich auch von der kleinen Stereoanlage, die den Platz des Monitors eingenommen hat. Denn mit Musik geht ja angeblich alles besser, manchmal auch das Schreiben.

Schreibplatz Nr. 3

Weihnacht – Buchnacht

Ich habe gestern Nacht – wie schon an vielen Heiligen Abenden zuvor – eine isländische Tradition gepflegt, die ich zugegebenerweise bis vor drei Tagen noch nicht kannte. Jólabókaflóð heißt sie, und für all die, die wie ich nicht so gut Isländisch sprechen, übersetze ich das Wort: Es bedeutet Weihnachts-Bücherflut.

In Island ist es Brauch, an Weihnachten Bücher zu verschenken. Die 13 Weihnachtskerle, die in Island die Geschenke bringen, müssen also eine ganze Menge schleppen. Den Weihnachtsabend verbringen die Isländer angeblich dann meist lesend. Auch ich habe gestern Abend noch lange gelesen. Denn wie für die Isländer gilt auch für mich: Weihnachten ohne Bücher und ohne Lesen ist kein richtiges Weihnachten.

Schon als Kind habe ich mir zu Weihnachten immer Bücher gewünscht – und auch immer mindestens eins bekommen. Mehr Bücher gab es nur selten, weil meine Eltern nicht viel Geld hatten – und Bücher damals noch recht teuer waren. Preiswerte Taschenbücher für Kinder gab es in Deutschland damals noch nicht – oder meine Eltern kannten sie nicht.

Das geschenkte Buch hatte ich meist schon am Heiligen Abend ausgelesen, spätestens aber am ersten Weihnachtsfeiertag. Und dann begann eine endlos lange Zeit ohne neue Bücher, die mindestens bis Ostern, manchmal aber auch bis zum Geburtstag im November dauerte. Zeitweise half die Pfarrbücherei im Ort über die bücherlose Zeit. Die war erst endgültig zu Ende, als ich nach der zehnten Klasse aufs Gymnasium wechselte und in Trier nicht nur Stadtbücherei und Stadtbibliothek, sondern auch preiswertere Taschenbücher entdeckte. Mein Taschengeld und das Geld, das ich mir in den Ferien verdiente, habe ich zum großen Teil in Bücher investiert. Wie viele ich seither gekauft habe, weiß ich nicht – es sind gewiss Tausende.

Seit einigen Jahren versuche ich, weniger Bücher zu kaufen. Aber weil Weihnachten ohne Bücher gar nicht geht, verfalle ich im Dezember meist in einen Bücherkaufrausch. In diesem Jahr habe ich gut ein Dutzend Bücher verschenkt. Das eine oder andere Buch habe ich mir selbst geschenkt, weil ich mich gerade in Zeiten wie diesen weder auf das Christkind und den Weihnachtsmann noch auf die 13 Weihnachtskerle verlassen möchte.

Eines der von mir bestellten Bücher liegt leider noch in der Buchhandlung, nur ein paar Hundert Meter von hier entfernt, aber mindestens bis Mitte Januar nicht erreichbar. Denn die Buchhandlung vor Ort ist wegen des Lockdowns geschlossen ist und liefert leider keine Bücher aus – sorry Foe. Doch ich habe rechtzeitig für Ersatz gesorgt. Damit mir und dir der Lesestoff nicht ausgeht. Frohe Weihnachten!

Mehr über die Weihnachts-Bücherflut unter https://wasliestdu.de/magazin/2016/jolabokaflod-warum-die-alljaehrliche-buecherflut-islands-eine-der-schoensten und unter https://www.dw.com/de/verr%C3%BCckte-tradition-allweihnachtliche-b%C3%BCcherflut-in-island/a-51785341

Von Bücherschränken und sprechenden Büchern

Eigentlich habe ich meine Bücher(kauf)sucht inzwischen ganz gut im Griff: Die Bücherei Burgwedel ist sehr gut sortiert, in der Niedersächsischen Landesbibliothek in Hannover kann frau unbeschränkt ausleihen. Aber Büchereien und Bibliotheken waren wegen Corona wochenlang geschlossen. Und so habe ich einen Rückfall erlitten. Letzte Woche habe ich an einem Tag drei Bücher gekauft – und damit mein selbst gesetztes Limit weit überschritten.

Das erste habe ich in meiner Lieblingsbuchhandlung gefunden, die leider – oder mit Blick auf meinen Kontostand Gott sei Dank – nicht in meinem Wohnort, sondern in Hannover liegt. Wenn ich in der Nähe bin, gehe ich fast immer zu Annabee – und fast immer raunen mir mehrere Bücher zu: „Kauf mich, kauf mich.“ Auch diesmal habe ich die Bitte eines Buchs erfüllt – schließlich soll man kleine Buchhandlungen ja unterstützen, vor allem in Zeiten wie diesen. Auf dem Nachhauseweg hat mir dann eine Bekannte Buch Nummer 2 empfohlen. Und weil ich mir vorgenommen habe, wichtige Dinge nicht mehr aufzuschieben, habe ich es sofort in der Buchhandlung in Burgwedel bestellt. Im Briefkasten lag schließlich Buch Nr. 3. Ich hatte es Anfang der Woche online gekauft – nein, nicht bei dem Händler mit dem großen A, sondern bei einem modernen Antiquariat.

Die Stimmen in meinem Kopf – aufgedruckt auf meinem neuen Sweatshirt

Ja, ich kaufe viele Bücher secondhand – zum einen, weil ich sie mir neu nicht leisten kann: Vor allem Bildbände sprengen mein Budget bei Weitem. Zum anderen finde ich es gut und richtig, aussortierten Büchern ein zweites Lesen zu schenken.

Das tue ich mit meinen Büchern auch – nicht ganz freiwillig. Denn der Platz in meinen Bücherregalen wird knapp. Und so sortiere ich für jedes gekaufte Buch ein gelesenes aus. Bücher in der Papiertonne zu entsorgen, bringe ich nur selten übers Herz. Viele bringe ich stattdessen in die Krankenhausbücherei. Doch die ist zurzeit ebenso wie die städtische Bücherei geschlossen. Wann dort der nächste Bücherflohmarkt stattfindet, steht in den Sternen. Doch zum Glück gibt es ja auch in Burgwedel einen Bücherschrank. Der ist rund um die Uhr geöffnet und abends sogar beleuchtet.

Burgwedeler Bücher-Box von außen …

Das Prinzip der öffentlichen Bücherschränke ist einfach: Man oder frau stellt ausgelesene und ausgeliebte Bücher hinein. Wer will, darf sie mitnehmen; ob er/sie die Bücher nur ausleiht, sie behält, wieder zurückbringt oder andere Bücher dafür hinstellt, entscheidet jedeR selbst.

Ich liebe Bücherschränke. Wie an Buchhandlungen kann ich an ihnen nicht vorbeigehen, ohne darin zu stöbern – meist werde ich fündig und nehme Bücher mit. Und natürlich stelle ich immer wieder Bücher hinein.

Wie gut ein Bücherschrank ist, hängt nicht nur von den Buchspenderinnen und -spendern ab, sondern auch von den Menschen, die sich um die Bücherschränke kümmern. Vielen Dank allen, die das – ehrenamtlich – tun!

In Burgwedel klappt das ausgezeichnet, dank des Teams von printeffect, dem Copyshop im Mitteldorf. Besitzerin Edda Wilkening hat eine alte Telefonzelle im Ruhrgebiet gefunden, nach Burgwedel geholt, vor ihrem Laden aufgestellt und zur wetterfesten Bücher-Box umfunktioniert. Ein Aufdruck erinnert potenzielle Spenderinnen und Spender daran, dass ein Bücherschrank eben keine Altpapiertonne ist. Vergammelte Bücher werden aussortiert und entsorgt – und wenn Zeit ist, ordnet das Team um Edda Wilkening die Bücher sogar nach Rubriken.

… und von innen

NutzerInnen wie mich freut’s. Ich war letzte Woche übrigens ganz tapfer und habe mich gleich von sechs Büchern getrennt, obwohl ich nur drei gekauft hatte. Allerdings standen mehrere Bücher in der Box, die mir zuflüsterten: „Nimm mich.“ Zwei habe ich erhört.

Eine Karte der Bücherschränke in Deutschland gibt es auf dem Blog von Tobias Zeisig unter https://www.lesestunden.de/karte-oeffentlicher-buecherschraenke/

2019 einhalb

Zugegeben, der Titel ist geklaut. Oder doch zumindest angelehnt an einen Song von Reinhard Mey, den ich früher gern gehört habe. „71 ein halb“ heißt das Lied und es geht weiter „… was ist aus all dem geworden, was ich mir am Neujahrsmorgen ganz fest vorgenommen hab?“.

Das Jahr ist halb vorbei (ok, schon seit drei Tagen, aber ich habe es einfach nicht geschafft, den Text vorher zu bearbeiten) – Zeit also für eine Zwischenbilanz. Und weil ich gerade diesen Blogbeitrag schreibe, fange ich mit dem Bloggen an – und mit der guten Nachricht. Ich hatte mir vorgenommen, jede Woche einen Blogbeitrag zu schreiben oder zumindest vier jeden Monat. Das ist mir gelungen. All denjenigen, die nur timetofly kennen und jetzt verwundert nachzählen, kann ich die Differenz erklären: Mit meiner Blogpartnerin Foe beschreibe und betreibe ich seit einiger Zeit einen zweiten Blog: https://chaosgaertnerinnen.de/ Wir bloggen dort über Gärten – über unsere eigenen und über fremde. Ich freue mich, wenn ihr hineinschaut und/oder den Blog abonniert – natürlich kostenlos.

Mit meinen anderen Schreibprojekten hinke ich dagegen hoffnungslos hinterher, was sicher auch daran liegt, dass ich auch ein anderes Vorhaben nicht umgesetzt habe: Ich arbeite immer noch zu viel, wenn auch nicht so viel zu viel wie meine Freundin Sabine. Aber ab September wird alles besser. Dann will ich mir auch die Zeit für die Wanderung nehmen, die auf meiner Vorhabenliste steht. Meinen Plan, die Alpen zu Fuß zu überqueren, habe ich zwar wieder um ein Jahr verschoben, weil ich mich alleine nicht traue und die Gruppenwanderungen, die für mich in Frage kommen, einfach nicht in meinen Terminkalender passen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und es gibt ja auch noch andere schöne und vielleicht nicht ganz so anspruchsvolle Strecken.

Zeit für einen richtigen Urlaub hatte ich in diesem Jahr noch nicht, dafür gönne ich mir kleine Auszeiten zwischendurch: Zwei oder drei Tage bei meiner Freundin, eine Fahrt ans Steinhuder Meer, eine Wanderung im Harz oder auch nur abends eine kurze Fahrt an den Würmsee. Der ist ja eigentlich nur ein flacher Tümpel, aber wenn ich auf dem Steg oder auf der Bank sitze, sehe ich das nicht – außer wenn die drei Fischreiher ganz in der Nähe und nicht mal bis zu den Waden im Wasser stehen. Was mich zu der Frage führt: Haben Reiher Waden?

Mit dem Morgenritual, das ich am Anfang des Jahres begonnen habe (https://timetoflyblog.com/2019/01/08/same-procedure-every-day/), tue ich mich zugegebenermaßen schwer: Die Morgenseiten schreibe ich eigentlich immer – und freue mich zurzeit jeden Morgen darüber, dass ich von meinem Platz auf der Empore die Sonne hinter den Bäumen hervorkommen sehe. Yoga verschiebe ich meist auf später, bis die Sonne um die Nachbarhäuser herumgewandert ist und in den Garten scheint. Denn ich übe meist draußen  – und da ist es mir ganz früh am Morgen noch zu kalt. Dass Yoga dann manchmal ausfällt, ist die Kehrseite der Medaille.

Auch andere gute Vorsätze sind leider nur Vorsätze geblieben. Ich bewege mich immer noch zu wenig (gut, alles ist relativ) und ich trinke immer noch zu viel Kaffee. Mein Keyboard habe ich kürzlich wieder weggeräumt, weil ich seit Monaten kein einziges Mal geübt habe. Immerhin male ich manchmal, keine richtigen Bilder zwar, aber die kleinen Kritzeleien in mein Tagebuch und in mein Skizzenbuch machen mir viel Spaß – und mein Leben bunter. Was will ich mehr?

Mehr Zeit zum Lesen. Leider habe ich es habe auch nicht geschafft, jede Woche ein Buch zu lesen. Immerhin 20 Bücher waren es seit Anfang des Jahres gelesen und dabei zwei neue Autorinnen (wieder)entdeckt. Meg Wolitzer kannte ich noch gar nicht, von Elizabeth Strout hatte ich irgendwann ein Buch gelesen, das mir nicht besonders gefallen hat. Jetzt habe ich es wiedergelesen – und war so begeistert, dass ich es mir kaufen musste.

Ambitioniert hat eine gute Bekannte meine Lesepläne genannt – und sie hatte recht: Es war zu ambitioniert – typisch für mich. Ich nehme mir oft zu viel vor. Das soll sich ändern, und deshalb starte ich ohne (neue) gute Vorsätze in das zweite Halbjahr. Und wünsche mir das, was Reinhard Mey gewünscht hat: „eine gute zweite Halbzeit und ein gutes altes Jahr“.

Fast zu schön …

Achtsamkeit für meine eigenen Bedürfnisse zählt nicht gerade zu meinen Stärken. Dafür habe ich eine Schwäche für Ratgeber, die, wie mein Mann behauptet, nur die Autoren reich und glücklich machen – und für schöne Bücher.

Deshalb konnte ich nicht widerstehen, als ich gestern in einer Buchhandlung das Achtsamkeitsjournal von Elena Brower entdeckt habe. Natürlich habe ich wie so oft nicht sofort entschieden. Ich bin nämlich auch nicht besonders gut darin, das zu tun, was mir gut tut. Ich ging also zu meinem Termin und kam dann wieder, wie magisch angezogen von den Farben und den einfachen Formen: Ich musste es einfach haben.  Reingelesen habe ich, ganz gegen meine Buch-Kauf-Gewohnheiten, nicht. Und als ich dann zur Bushaltestelle gegangen bin, das Buch unter meinem Mantel versteckt, um es vor dem Regen zu schützen, habe ich mich ein bisschen wie Gollum aus Herr der Ringe gefühlt: my precious.

Ob ich in dem Journal meine Wünsche, Ziele und anderes auflisten werde, das mir helfen soll, mutiger, sanfter, ausdauernder und stärker zu werden, bezweifle ich. Denn  ich gehöre zwar nicht zu den Menschen, die es für ein Sakrileg halten, in Büchern einzelne Zeilen oder ganze Passagen zu unter- und anzustreichen und eigene Gedanken zu notieren. Aber dieses Journal ist (fast) zu schön, um darin zu schreiben. Trotzdem hilft es mir, meine Kreativität zu wecken und Dinge auszuprobieren – wenn vielleicht auch etwas anders als von der Autorin und vom Verlag geplant.

entdecke dich
Do it yourself – vom Journal ins eigene Tagebuch

Das Buch liegt auf meinem Schreibtisch und erinnert mich daran, dass ich mein Leben und auch mein Tagebuch bunter gestalten, dass ich anders, achtsamer leben möchte. Diesen guten Vorsatz vergesse ich im Alltag allzu oft. Immer wieder schlage ich das Journal auf, blättere darin und freue mich daran. Sicher noch lange. Und das ist mehr, als man von vielen anderen Ratgebern, die halb oder ungelesen in meinen Regalen stehen, sagen kann.

Elena Brower: entdecke dich. Das Achtsamkeits-Journal. Irsiana Verlag, München, 2018

 

Vom großen A und kleinen Buchhandlungen

Ja, ich oute mich als Amazon-Fan. Das ist bei „echten“ Bücherfans ziemlch verpönt. Bei Amazon bestellen geht bei vielen gar nicht. Als neulich eine Bücherfrau im Netzwerk  einen Buchtipp mit einem Link zu dem, dessen Namen nicht genannt werden darf, verschickte, gab es heftige Diskussionen. Natürlich ist manches am großen A problematisch: vor allem, wenn kleine Buchhandlungen schließen müssen, weil  immer mehr Kunden ihre Bücher beim großen Bruder online ordern. Dass Amazon in Deutschland keine Steuern zahlt, finde ich zum K… Und auch die Konditionen für Verlage, Bezahlung und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter sollen besch… sein.

Aber wo in der Buchbranche sind sie das nicht? Wer Bücher schreibt, übersetzt oder lektoriert, erreicht oft nicht einmal den Mindestlohn. Auch BuchhändlerInnen gehören nicht zu den GroßverdienerInnen. Und was die Arbeitsbedingungen angeht: Eine Buchhändlerin, die seit Jahrzehnten eine Filiale einer Buchhandlung leitete, erzählte einmal, dass ihr Chef sie nicht ein einziges Mal für den Besuch der Buchmesse freigestellt habe. Von der Übernahme der Kosten ganz zu schweigen.

Kunden können sich indes über das große A kaum beklagen: Der Service ist wirklich gut. Gibt es mal Schwierigkeiten, rufen die Mitarbeiter auf Wunsch sofort zurück oder kümmern sich notfalls um eine Ersatzlieferung. Das ist bei meiner Stammbuchhandlung leider nicht immer so. Und obwohl ich dort seit Jahren für mehrere Hundert Euro jährlich Bücher bestelle und kaufe, kennen die meisten Verkäuferinnen  nicht einmal meinen Namen.

Tante Emma XXL

Wer wie ich in einer kleinen Stadt wohnt oder wirklich jwd auf dem Land  weiß die Bestellung auf Knopfdruck besonders zu schätzen. Sie erspart umständliche und zeitaufwendige Fahrerei. Dass man beim großen A längst nicht nur Bücher, sondern fast alles kaufen kann, ist für Leute wie mich ein unschätzbares Plus. Online-Shopping und die schöne neue Bezahlwelt sind mir nämlich nicht wirklich geheuer; dass ich mich in allen möglichen Shops immer wieder neu registrieren soll, ist mir ein Greuel. Irgendwie ist der einstige Online-Buchhändler längst ein riesengroßer Tante-Emma-Laden, in dem es alles gibt.

Hat schon mal jemand versucht, ein Farbband  für eine elektrische Schreibmaschine zu besorgen. Als meine Mutter das vorletzte Mal ein Farbband brauchte, bin ich knapp 40 Kilometer nach Trier gefahren (one way). Und obwohl ich vorher im Büro- und Schreibwarenladen angerufen hatte (ja, haben wir, kommen Sie vorbei), musste ich dann eine Schnitzeljagd durch alle drei Filialen machen. Natürlich habe ich den gesamten Vorrat (drei) aufgekauft. Doch auch der war irgendwann aufgebraucht. Beim nächsten Mal hieß es: Müssen wir bestellen, ist in zwei Wochen da. Doch da war ich längst wieder abgereist. Amazon lieferte am übernächsten Tag frei Haus. (Von den Spezialisten, bei denen ich Papier und andere Büromaterialien ordere und die mir unaufgefordert Kataloge ins Haus senden, hatte übrigens keiner mehr das Farbband im Programm.) Und als ich bei meinem letzten Moselbesuch mein Handy-Ladegerät vergessen hatte und  für einen Artikel ein Buch brauchte, war das Problem ebenfalls am nächsten Tag behoben, ohne lange Fahrzeiten.

Koexistenz

Ja – ich gebe es zu: Ich kaufe auch Bücher bei Amazon – vor allem antiquarische, die ich mir zum Normalpreis nicht leisten könnte, nicht kaufen würde oder die es im Buchhandel nicht mehr gibt. Oder ich verschicke über den Online-Buchhändler Bücher an Leute, die irgendwo anders wohnen. Die werden dann nämlich pünktlich geliefert – und ich spare Porto und Verpackung. Und wenn’s nicht gefällt, geht’s einfach zurück.

Die meisten Bücher kaufe ich allerdings nach wie vor im Buchladen. Denn ich liebe Buchhandlungen, komme kaum an einer vorbei und nur selten raus, ohne etwas gekauft zu haben. Ich glaube übrigens nicht, dass das große A Schuld am Untergang des Buchhandels ist. Im Gegenteil: Ich bin überzeugt davon, dass Buchhandlungen vom großen Online-Bruder profitieren (können). Der merkt sich nämlich, für was ich mich interessiert und was ich gekauft habe (brave new world, big brother is watching you) – und empfiehlt mir andere, ähnliche Bücher. Und wenn ich ein Buch zu einem bestimmten Thema brauche, verschaffe ich mir meist bei dem, dessen Name nicht genannt werden darf, einen Überblick über das Angebot. Der Schwarm (sprich die LeserInnen) weiß oft mehr als die  BuchhändlerInnen – die können angesichts unendlich vieler Neuerscheinungen die meisten Bücher gar nicht mehr kennen. Oft bestelle ich das ausgewählte Buch dann allerdings bei meinem Buchhändler vor Ort. Amazon verkraftet’s und meinen Buchhändler freut’s.  Manchmal sogar doppelt. Denn wenn ich das Buch dann abhole, entdecke ich oft ein anderes, das ich ebenfalls unbedingt brauche und kaufe. Denn bei Büchern kann ich nur selten widerstehen.