Jungfernfahrt

Ist es das, was ich will? Das habe ich mich gefragt, als wir bei unserer ersten Fahrt mit dem Wohnmobil auf dem Stellplatz in Cuxhaven Döse ankamen. Hier waren wir mit dem alten Wohnmobil oft – von Hannover bis nach Cuxhaven ist es nicht weit und die Nordsee liegt nur ein paar Meter entfernt direkt hinterm Deich. Obwohl es mitten in der Woche war und die Ferien in Niedersachsen vorbei, waren wir nicht die einzigen, die ein paar Tage am Meer verbringen wollten: Der Platz war mit rund 50 Wohnmobilen fast voll besetzt. Keine Frage: Wohnmobilurlaub liegt im Trend. Einsame Stellplätze in schöner Umgebung sind  zumindest wohl in Deutschland eine absolute Ausnahme.

Auf dem Messeplatz in Döse standen die Wohnmobile dicht an dicht: Jedes Grundstück auf Zeit ist vielleicht gerade mal 20 Quadratmeter groß. Kleiner als unser Wohnzimmer zu Hause. Und trotzdem ist es erstaunlich ruhig. Alle nehmen Rücksicht. Keine Laubbläser, keine Rasenmäher, keine laute Musik. Man nimmt Rücksicht, es gibt keinen Streit zwischen den Nachbarn auf Zeit. Vielleicht sieht man im Urlaubsmodus einfach manches entspannter. Und wenn man sich nicht spontan mag und über den nicht vorhandenen Zaun ins Gespräch kommt, geht man sich aus dem Weg. Anders als mit den richtigen Nachbarn zu Haue müssen auf dem Camping- oder Stellplatz keine grundsätzlichen Fragen geklärt, keine Claims abgesteckt werden. Notfalls zieht man einfach weiter, in die nächste Reihe oder an den nächsten Ort.

Unser Wohnmobil ist das kleinste auf dem Stellplatz; neben seinen großen Nachbarn wirkt es winzig. Aber wir haben uns bewusst für den kleinsten Kastenwagen entschieden – und nehmen dafür weniger Platz und natürlich auch ein bisschen weniger Komfort in Kauf. Zum einen, weil Verbrauch, Emissionen und diverse Gebühren, zum Beispiel auf Fähren, niedriger sind als bei größeren Wohnmobilen. Zum anderen ist das Wohnmobil unser einziges Auto: Wir steigen im Alltag ganz aufs Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel um – der Umwelt, aber auch unserem Geldbeutel zuliebe. Das Wohnmobil werden wir nur gelegentlich nutzen, zum Beispiel für Großeinkäufe. Und dann ist es einfacher, mit einem „nur“ 5,50 Meter langen Gefährt einen Parkplatz zu finden.

Außerdem ist unser Grundstück zu klein für ein ganz großes Wohnmobil. Schon unser Tiny-Womo passt gerade so durch das Hoftor, das Einparken unter dem Carport ist Millimeterarbeit – die Fahrertür lässt dort nicht mehr öffnen. Ein längerer Wagen mit komfortableren Längsbetten im Heck hätte nicht nur den Unterstand für unsere Fahrräder, sondern auch den Zugang zu unserem Komposthaufen vollends blockiert.

Unser Mini-Wohnmobil bringt es nicht einmal auf 10 Quadratmeter Wohnfläche – weniger als mein kleines Arbeitszimmer zu Hause. Doch das Zusammenleben auf engstem Raum funktioniert erstaunlich gut. Ich mag das reduzierte Leben in unserem Schlaf-Wohn-Arbeits-Klo, es ist eine Art Minimalismus auf Zeit.

Ich bin, ich gestehe es, eine notorische Sammlerin: Es fällt mir schwer, mich von Dingen zu trennen, die ich eigentlich nicht (mehr) brauche. Im Wohnmobil komme ich notgedrungen mit viel weniger aus. Außerdem lebe ich gesünder. Ich verbringe weniger Zeit am Computer und sehe, weil wir keinen Fernseher an Bord haben, überhaupt nicht fern. Ich lese mehr als zu Hause und ich bewege mich sehr viel mehr. Ich gehe viel spazieren, meist am Meer entlang oder bei Ebbe durchs Watt.

Am Wasser kann ich mich einfach nicht sattsehen. Und auch nicht an den Sonnenauf- und -untergängen. Ich sehe die Sonne abends im Westen untergehen – über Neuwerk, der Insel, die man bei Ebbe auch zu Fuß erreichen. Ein paar Stunden später sehe ich sie im Osten, über der Elbmündung und der Kugelbake wieder aufgehen.

Es sind fast magische Momente, die sich in meine Seele einbrennen, von denen ich lange zehre. Und wenn ich mich auch manchmal frage, ob ich wirklich dicht an dicht mit anderen Wohnmobilen auf einem Parkplatz oder auf einem recht engen Campingplatz stehen möchte, dann lautet in diesen Augenblicken die klare Antwort ja.

Eine geschenkter Sonntag

Man kann planen, so viel man will, es kommt immer anders. Oder unverhofft kommt oft. Dass das stimmt, kann ich nur bestätigen. Ich mag es, wenn alles nach Plan verläuft – und bin doch Spezialistin darin, Pläne über den Haufen zu werfen. Meist eher unfreiwillig. Manchmal denke ich, irgendeine (höhere) Macht wartet nur darauf, dass ich einen Termin in meinen Terminkalender eintrage – um dann etwas dagegen zu unternehmen.

Vor ein paar Tagen beispielsweise. Dass ich am Dienstag zu meiner Mutter an die Mosel fahren wollte, war lange geplant – der Termin genau eingepasst zwischen Korrekturterminen von zwei Zeitschriften, für die ich arbeite. Doch weil wir mit der ersten Zeitschrift früher fertig waren als vorgesehen, disponierte ich um, wollte schon am Montag  fahren. Ich hatte gerade meine Mutter informiert und wollte die Fahrkarte buchen, als der Anruf kam: Eine Frau, die ich  interviewen sollte, hatte ausgerechnet am Montagnachmittag für mich Zeit. Alles auf Anfang, zurück auf Los. Sprich: zum ursprünglichen Reisetermin. Wie gut, dass ich inzwischen 60 bin und eine Bahncard 50 für Senioren habe und deshalb flexibel bin.

Doch manchmal ist es gut, wenn Pläne sich ändern. Der unverhofft freie Sonntag und der halbfreie Montag bescherten mir einen wunderschönen Sonn(en)tag am Meer – mit strahlend blauem Himmel, Sonne satt, langen Spaziergängen am Strand und im Watt, Füßen im Sand. Selbst der Wind hatte ein Einsehen und blies an diesem geschenkten Frühlingstag ausnahmsweise nicht.

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Am Meer – Füße im Sand (Fotos: Utz Schmidtko

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Körbe am Strand

Und so konnten wir in der Sonne sitzen, Latte Macchiato und Eis im Strandcafé von Döse und einen Fischteller im vielleicht besten Fischimbiss in und um Cuxhaven genießen.

Nur das Meer machte mal wieder, was es wollte: Es war wieder einmal nicht da, als wir kamen, und schon wieder weg, als wir am Montag wieder nach  Hause fuhren. Doch das war laut Tidenkalender genau nach Plan.