Campen mit Meerblick

Papier ist geduldig, die moderne Variante, Websites, auch. Auf der Website sah der Campingplatz, den ich für unseren Kurzurlaub ausgesucht hatte, gut aus. Und der Name Strandcamping war verheißungsvoll: Ich träumte von einem Stellplatz direkt am Strand, mit Blick aufs Wasser, den ich im Alltag vermisse und von dem ich eigentlich nicht genug bekommen kann. Mindestens ebenso lockte mich die Strandsauna – und die Aussicht, mich nach dem Schwitzen in der Ostsee abkühlen zu können.

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Nicht abkühlen, sondern Tai Chi am Strand. Copyright: Utz Schmidtko.

Aber vor Ort sah dann alles anders aus: Dass die Parzellen nach einer Regenperiode teilweise unter Wasser standen, hätte mir nichts ausgemacht. Viel schlimmer war, dass das Meer zwar nahe, aber leider nicht zu sehen war. Denn der Campingplatz liegt hinter einem hohen Deich. Aus gutem Grund. Denn vor allem im Herbst und Winter tost und braust es an der Westküste Fehmarns sicher heftig. Ich möchte jedoch im Urlaub aufs Wasser sehen.

Und auch die Strandsauna lag eben nicht am Strand, sondern hinterm Deich. Direkt im Kurhaus, vor dem bei meiner kurzen Besichtigung junge Männer Bier tranken und Tischtennis spielten. Die Vorstellung, auf dem Weg zum Wasser nur mit Bademantel bekleidet an ihnen und an der Strandbar vorbei zu müssen, begeisterte mich nicht wirklich.

So sind wir nach einer kurzen Besichtigungstour wieder auf dem Campingplatz Flügger Strand gelandet, auf der gleichen Parzelle wie im vergangenen Jahr, nur durch einen breiten Dünenstreifen und einen schmalen Strand vom Meer getrennt. Mit Meerblick vom Aufwachen bis zum Einschlafen.

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Sonnenuntergang am Flügger Strand (Fotot: Utz Schmidtko).

Und eine Sauna gibt es auch. Die konnten wir mieten und hatten sie ganz für uns allein. Direkt am Strand liegt sie zwar auch nicht, aber außer uns waren nur wenige Gäste auf dem Campingplatz. Und die Kleiderordnung unter Camper ist ohnehin eher lässig. Deshalb hätte es sicher niemand gestört, wenn ich zwischen den Wohnwagen durch zum Strand gelaufen wäre und ins kalte Wasser gesprungen wäre. Das werde ich beim nächsten Mal tun, denn ich bin ganz sicher: Wir kommen wieder.

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Diesmal leider nicht geöffnet und nur hinter Gittern – der Leuchtturm

Fehmarn – Besser spät als nie

Manchmal frage ich, warum ich manches erst so spät für mich entdeckt habe. Die Herrenhäuser Gärten beispielsweise, die ich zum ersten Mal besucht habe, als ich schon ein paar Jahre bei Hannover lebte. Seitdem habe ich eine Dauerkarte und gehe oft hin, wenn ich in Hannover bin. Oder Fehmarn. Dabei ist die Ostsee-Insel angeblich die sonnenreichste Insel Deutschlands. Campingplätze gibt es zwar nicht gerade wie Sand am Meer, aber doch sehr viele. Und auch die Entfernung ist einigermaßen akzeptabel. Ohne Stau braucht man von zu Hause aus nur etwa drei Stunden.

Trotzdem haben wir Fehmarn bislang im wahrsten Sinne des Wortes immer links liegen gelassen. Wenn wir ans Meer wollten, sind wir meist vor Lübeck gen Osten abgebogen, um auf den Darß zu fahren. Vielleicht lag‘s daran, dass unser erster und bis dato einziger Fehmarn-Aufenthalt nicht wirklich gelungen war: Der Campingplatz hatte uns trotz fünf Sternen nicht wirklich gefallen. Das gemietete Mobilheim war dunkel, ohne Blick aufs Meer, das Wetter durchwachsen. Und zu allem Überfluss quälte unsere Tochter eine schmerzhafte Augenentzündung, sodass wir fast nach Hause gefahren wären. Kurz: Der Urlaub damals stand offenbar unter keinem guten Stern, vielleicht waren wir einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.

Der erste Eindruck ist ja bekanntlich oft entscheidend. Und so dauerte es rund 20 Jahre, bis wir einen zweiten Versuch wagten: zu einer anderen Zeit, diesmal im Frühjahr, an einem anderen Ort, auf dem Campingplatz Flügger Strand. Bekannte, die den Platz seit Jahren kennen, hatten ihn uns empfohlen.

Aus dem Auto
Das Meer immer im Blick
Vor dem Womo DSC_0523
Im Vorgarten

Zu Recht: So eine schöne Aussicht hatten wir auf noch keinem Camping- oder Stellplatz in Deutschland. Wir standen in der ersten Reihe, direkt in den Dünen. Rund um die Uhr konnte ich vom Wohnmobil aus das Meer sehen. Auch das Wetter spielte drei Tage lang mit: Es war so, wie die Meteorolügen es vorhergesagt hatten: Die Sonne schien den ganzen Tag, ehe sie abends wie ein roter Feuerball im Meer versank, bestaunt von uns und anderen Campinggästen, die sich dazu am Strand einfanden. Es war faszinierend zu sehen, wie dieses Schauspiel (fast) alle in seinen Bann zog.

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Beeindruckendes Schauspiel: Sonnenuntergang auf Fehmarn (Foto: Utz Schmidtko)

Tagsüber war der Strand oft fast menschenleer, bei unseren Strandspaziergängen trafen wir nur wenige. Nur ein paar Angler standen immer am Strand oder gelegentlich auch bis zur Brust im Wasser. Bemerkenswert war die Ruhe. Obwohl rund um uns alle Stellplätze belegt waren und manche Dauercamper das lange Wochenende nutzten, um ihre Wohnwagen für die bevorstehende Campingsaison fit zu machen, war es still, sehr still. Meist hörte man nur das Branden der Wellen an den Strand und das Brausen des Winds, der uns kräftig um die Ohren blies.

Keine Frage, der Platz ist ideal für eine kleine (digitale) Auszeit zwischendurch. Die mobilen Daten funktionierten auf meinem Smartphone nicht, WLAN gibt es zwar auf dem Campingplatz, aber wir wollten keins. Drei Tage ohne Internet, ohne E-Mails und Computer. Aufs Meer sehen statt fernsehen. Lesen (fast 700 Seiten, „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante und „Fluch des Schlangenmenschen“ von Foe Rodens, beide Bücher haben mir sehr gut gefallen), schreiben (wieder mal per Hand), fotografieren und malen. Ich bin wieder mal gelaufen (fast schmerzfrei), 162 Stufen hoch auf den Flügger Leuchtturm gestiegen, habe Tai Chi am Strand geübt und die Seele baumeln lassen. Nur gebadet habe ich nicht, obwohl ich das eigentlich wollte. Denn das Wasser war zwar glasklar und verlockend, aber so kalt, dass mir schon meine Füße fast abgefroren sind, als ich ein bisschen durchs Wasser watete.

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Flügger Leuchtturm von unten …
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… und Blick von oben auf die Fehmarnsundbrücke

Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ich werde es nachholen, wenn wir das nächste Mal nach Fehmarn fahren. Das wird sicher nicht wieder 20 Jahre dauern. Denn Fehmarn hat das Zeug, meine deutsche Lieblingsinsel zu werden.

PS: Für alle, die es genauer wissen wollen: Die Sanitäranlagen sind modern, sehr gepflegt und sehr sauber, das Essen im Restaurant Dünenhaus bei Annette war prima (wir konnten auf der Terrasse essen), der Service sehr freundlich: Dass wir am Abreisetag bis abends bleiben wollten, um den Stau um Hamburg zu umgehen, war kein Problem. So macht Camping Spaß.