Wann wenn nicht jetzt

Die erste Kurzreise nach dem Verkauf des Wohnmobils, ohne Wehmut. Es ist Zeit für einen Neuanfang – und für neue Ziele. Die Hütten auf dem Campingplatz Flügger Strand auf Fehmarn waren alle belegt, die Wohnung in Wustrow, in der wir schon einmal ein paar Tage verbracht haben, und das Hotel auf Norderney mit seiner tollen Saunalandschaft einfach zu teuer. Aber ich bin reif für die Insel – und dieses Wochenende ist das einzige, das in unseren Zeitrahmen passt. Wenn nicht an diesem Wochenende, dann gar nicht mehr, bevor mein Mann gen Norden aufbricht, um Nordlichter zu jagen.

Wir buchen ein Zimmer in einem Hotel bei Burg auf Fehmarn, an der Ostküste der Insel. Das erweist sich als gut ausgestattetes Apartment, von dessen Balkon ich sogar einen Zipfel Meer sehen kann, morgens äsen vor unserem Fenster die Rehe.

Gerade mal 200 Meter Luftlinie sind es zum Strand, der hier allerdings steiniger ist als an der Westküste der Insel, steiler und durch einen schmalen Baumstreifen von den Feldern abgetrennt. Zu Fuß braucht man etwa fünf Minuten. Etwas weiter ist es bis zum Waldpavillon, in dem wir am ersten Abend essen: Mir gefällt vor allem der Blick aufs Wasser, mein Mann ist von der Fischplatte begeistert, die wir uns teilen und die auch mir gut schmeckt.

Wald und Wasser im Morgenlicht
Wald und Wasser im Morgenlicht.

Am nächsten Morgen Regen, doch der hört gegen Mittag auf. Gerade richtig für eine Fahrt nach Burg. Das ist viel größer und touristischer, als ich es in Erinnerung habe. Aber in 20 Jahren seit unserem letzten Besuch hat sich wahrscheinlich viel geändert. Es gibt ganz viele Läden und ich entdecke eine kleine, aber sehr gut sortierte Buchhandlung. Bei drei Büchern kann ich nicht widerstehen, aber es hätten auch mehr sein können. Lag’s am Angebot oder daran, dass ich ruhiger, entspannter war, als in den letzten Wochen und Monaten, in denen ich nur wenig gelesen habe.

Die Sauna haben wir abends für uns allein – sie sieht aus wie neu, obwohl sie schon ein paar Jahre alt ist. Gut gepflegt oder wenig benutzt – oder beides. Ich probiere sämtliche Duschprogramme aus. Der (warme) tropische Regen ist mein Favorit, gefolgt vom kühlen Frühlings- und vom etwas heftigeren sibirischem Regen.

Am nächsten Tag spazieren wir am Meer entlang, Richtung Norden. Der Strand: sicher kein Touristentraum, steinig, ziemlich naturbelassen und fast menschenleer. Mir gefällt’s.

Naturkunst am Strand
Naturkunst am Strand …
Kunsthandwerk auf der Steilküste
… und Kunsthandwerk am Küstenweg.

Einige Steine erinnern mich an die Moeraki Boulders in Neuseeland – und daran, dass ich dort vor fast zwei Jahren die Nachricht bekommen habe, dass Albert, ein Sportfreund aus meiner Jugend, gestorben ist. Ganz plötzlich – mit 62. Er war nicht krank, im Gegenteil. Er war fit, nahm immer noch an Leichtathletik-Wettkämpfen teil. Wenn ich an der Mosel war, habe ich manchmal mit ihm trainiert. Er hatte sich wenig verändert – äußerlich und wie mir bei unseren kurzen Begegnungen schien, auch charakterlich: Er war irgendwie immer noch der Junge von früher, forever young. Und jetzt tot. Und ich? Ich habe in den letzten Monaten zu viel gearbeitet, zu wenig gelebt. Zeit, etwas zu ändern.

Moeraki Boulders en miniature
Moeraki Boulders en miniature – in memoriam Albert Z.

Wir entdecken einen Campingplatz, direkt auf der Steilküste, die ideale Location, um Nordlichter zu fotografieren, wenn sie denn mal in Deutschland zu sehen sind. Wir haben zwar kein Wohnmobil mehr, aber eine niedliche Miethütte und einige Mietwohnwagen stehen direkt in der ersten Reihe. Ich entdecke einen Ort, an den ich mich flüchten kann, den aufzusuchen mir der Autor des neu gekauften Buchs empfiehlt. Ich gehe am nächsten Morgen, am letzten auf Fehmarn, noch einmal alleine hin. Ich genieße den Blick aufs Meer, die Stille, die Weite. Himmel und Wasser verschmelzen im gleißenden Licht der aufgehenden Sonne. Ich tauche ein und bin sicher: Ich komme wieder.

Zwischen Himmel und Wasser
Zwischen Himmel und Wasser.