Bahnfahren Teil 2: Von Gutscheinen, Servicecentern und anderen Unannehmlichkeiten

Die Bahn ist unpünktlich. Nicht immer, aber oft. Wenn ich beispielsweise von Trier nach Hannover fahre, komme ich oft eine Stunde später an als geplant. Wenn ich sie dann freundlich an meine Fahrgastrechte erinnere, bedauert Nicole Bahrmann, Leiterin im Servicecenter Fahrgastrechte, die mir entstandenen Unannehmlichkeiten und beteiligt sich netterweise an meinen Fahrtkosten. Meist erstattet sie mir 25 % des gezahlten Fahrpreises, Mal überweist sie mir das Geld, manchmal – wenn ich nicht aufpasse, welche Erstattungsart ich ankreuze – schickt sie mir einen Gutschein. Und damit fängt dann die eigentliche Geschichte an.

Ein paar Mal versuche ich, den Gutschein beim Kauf einer Fahrkarte im Internet einzulösen, doch jedes Mal scheitere ich kläglich. Egal, ob ich per Direktüberweisung, per Bankeinzug, mit meiner Kreditkarte oder mit paypal zahlen möchte – Immer bekomme ich die Antwort, dass gerade bei dieser Bezahlart der sechsstellige Code nicht gilt. Einen anderen Code oder eine andere Bezahlart gibt es leider nicht.

Der Mitarbeiter am Servicetelefon, dem ich mein Leid klage, versteht mein Problem, aber weiterhelfen kann er mir nicht. Immerhin verspricht er, das Problem an die IT-Abteilung weiter zu melden. Doch die haben verständlicherweise wichtigeres zu tun als sich um sechsstellige Buchstabencodes zu kümmern: Drei Monate später akzeptiert das System meinen Code immer noch nicht. Damit der Gutschein nicht verfällt, beschließe ich, ihn am Bahnhof einzulösen.

Ich fahre mit dem Bus von Biebrich nach Wiesbaden Hauptbahnhof. Mit Fahrkarte aus dem Internet hätte ich den Zug um 9 Uhr 5 noch erreicht. Hätte. Stattdessen stehe ich kurz nach neun vor dem Automaten, der die Nummern an all diejenigen vergibt, die ihre Fahrkarten nicht am Automaten oder im Internet, sondern bei richtigen Menschen kaufen möchten. Das hat die Bahn offenbar nicht so gerne, deshalb sind auch nur zwei der fünf Schalter besetzt. Meine Nummer verheißt nichts Gutes: N 1095. Der Bildschirm zeigt die aktuelle Nummer N 1067. Fast 30 Nummern trennen mich von meiner Fahrkarte und der Gutschrift von 17,89 Euro.

Die Mitarbeiterin an Schalter 1 braucht zuerst eine Auszeit: Als sie einen Kunden bedient hat, verschwindet sie und kommt erst nach fünf Minuten wieder. Ihre Kollegin an Schalter drei hat offenbar nur besonders schwere Fälle oder sie ist besonders langsam: in mehr als einer halben Stunde bedient sie gerade mal drei Kunden – mich eingeschlossen.

Die Mitarbeiterin am Schalter eins ist schneller. Sie kommt wieder, verkauft eine Fahrkarte – um dann wieder zu verschwinden. Zur Freude aller, die mit mir warten, taucht ein junger Mann auf, doch ehe er den ersten Kunden bedienen kann, muss sein Arbeitsplatz vorbereitet werden: Das tut er sehr sorgfältig; er faltete mehrere Blätter, einzeln, versteht sich, damit die Ecken wirklich übereinander liegen. Und ganz kollegial bereitet er auch noch den Arbeitsplatz des Kollegen an Schalter zwei vor, der irgendwann seinen Dienst beginnen muss. Nachdem auch er noch einmal hinter den Kulissen verschwunden ist, ist er endlich einsatzbereit. Trotzdem geht alles viel schneller als befürchtet. Nicht weil ein plötzlicher Energieschub die drei Bahnmitarbeiter erfasst, nein, zu vielen Nummern, die aufgerufen werden, gibt es keine Kunden mehr. Sie haben aufgegeben, sind verschwunden, sitzen (hoffentlich) längst in ihren Zügen, haben ihre Fahrkarten am Automaten gekauft oder fahren schwarz.

Kurz vor zehn bin auch ich an der Reihe. Bedächtig gibt die Mitarbeiterin den Code ein – und siehe da: es funktioniert. Ich bekomme meine Fahrkarte, meine Gutschrift und erreiche sogar noch meinen Zug.

Während ich das – im Zug sitzend – schreibe, gibt es einen unplanmäßigen Halt. Wegen eines Feuerwehreinsatzes ist der S-Bahntunnel gesperrt, wann es weitergeht, kann der freundliche Schaffner am Lautsprecher nicht sagen. Wenig später verrät er uns, dass der Zug nach Wiesbaden zurückfährt und empfiehlt allen, die nach Frankfurt zum Hauptbahnhof wollen, in Höchst auszusteigen und mit der Straßenbahn weiterzufahren. Dass die Straßenbahn nicht vor dem Bahnhof hält, sondern dass man zunächst eine Viertelstunde durch Höchst laufen muss, verrät er nicht. Auf diese Weise lerne ich wenigstens Frankfurt Höchst kennen. Danke, Bahn. Zwei junge Frauen machen sich mit mir auf die Suche, als wir die Haltestelle endlich gefunden haben, wartet die Straßenbahn. Leider habe ich kein Ticket – und leider möchte der freundliche Kiosk-Besitzer mir kein Einzelticket verkaufen. Eine Monatskarte gerne, aber die brauche ich nicht. Ich möchte nicht wiederkommen! Der erste Automat, an dem ich es versuche, verlangt für eine Einzelkarte mehr als 90 Euro. Der zweite nimmt schließlich mein letztes Kleingeld an.

Wenn ein ganzer Zug in eine Straßenbahn evakuiert wird, wird’s eng. Statt gemütlich in der S-Bahn sitzend fahre ich dann stehend, wie eine Ölsardine eingezwängt, Richtung Hauptbahnhof. Natürlich braucht die Straßenbahn doppelt so lang wie die S-Bahn, Grüne Welle für Öffis gibt es in Frankfurt offenbar nicht, wir halten nicht nur an gefühlt 100 Haltestellen, sondern an mindestens ebenso vielen Ampeln. Kurz vor elf sind wir endlich da, ich hetze durch die Halle und erreiche den Zug nach Hannover gerade noch, eine Stunde später als geplant.

Im Zug ziehe ich Bilanz: Gelohnt hat sich die Aktion nicht wirklich. Rund sechs Euro für Bus und Straßenbahntickets, zwei Stunden Verspätung. Ich werde Frau Bahrmann wieder mal an meine Fahrgastrechte erinnern müssen und sie freundlich auffordern, mir auch das Straßenbahn-Ticket zu erstatten. Und diesmal werde ich genau darauf achten, wo ich das Kreuz machen. Denn vom Fahrkartenverkauf am Schalter habe ich vorerst genug.

Von Smartphones, Akkus und anderen Versprechen

Ich habe auch ein Smartphone. Das ist nichts Besonderes, alle haben eins, sogar meine Physiotherapeutin, obwohl sie mit moderner IT wenig am Hut hat. Dass sie ihre Mails nur sehr sporadisch abruft, weiß ich aus Erfahrung, ebenso, dass sie ihre Termine ganz klassisch in einen Kalender einträgt. Vielleicht hört sie mit ihrem Smartphone Musik, wenn sie mit dem Fahrrad zu ihrer Praxis fährt. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie damit nur telefoniert.

Telefonieren konnte ich mit meinem alten Handy auch – und, um nicht ungerecht zu sein, hätte ich auch manches andere damit tun können, was ich nie oder selten getan habe. Fotografieren beispielsweise, wenn auch mit schlechter Qualität, oder auch im Internet surfen. Doch das war bislang einfach zu teuer, was an meinem Tarif lag, nicht am Handy.

Das war ein Dinosaurier unter den Mobiltelefonen, der  mehrere Vertragsverlängerungen überstanden hatte: Es hatte noch richtige Tasten, ein winziges Display, war klein, handlich robust – und sehr genügsam. Es hat mich getreulich an wichtige Daten erinnert und geweckt, wenn ich das wollte. Einmal aufgeladen, war es mir eine Woche oder noch länger zu Diensten. Eigentlich war es gerade richtig. Doch es entlockt dem freundlichen Verkäufer in dem Handyladen nur einen mitleidigen Blick: Dass es so etwas überhaupt noch gibt.

Weil ich mich mit Handys nicht auskenne und auch keine Lust habe, mich intensiv damit zu beschäftigen, schließe ich den vertrag nicht im Internet ab, sondern in einem Telefonladen im Dorf. Das ist zwar teurer – aber Service und gute Beratung sind mir einige Euro mehr im Monat wert. Außerdem fördere ich so die heimische Wirtschaft. Das freut den jungen Mann, der mir das Gerät inklusive Zwei-Jahres-Vertrag mit seinem Anbieter wärmstens empfiehlt. Es ist nicht das neueste Modell, aber genau richtig für mich, weil ich keinen Schnickschnack, sondern ein Mobiltelefon brauche, mit dem ich auch mal ins Internet gehen und Mails abrufen kann.

Mein neues Mobiltelefon – nein keines, das mit einen großen I beginnt, aber auch kein Billiggerät – ist ein richtiger kleiner Computer. Es hat eine interne Speicherkartenkapazität von 8 Gigabyte – mehr als der Computerdinosaurier, der noch irgendwo auf dem Speicher ein unbeachtetes Dasein fristet. Es verfügt nicht nur über eine, sondern über zwei Kamera, die sogar Gesichter erkennt – ob nur meins, weil es mir gehört und ich es regelmäßig auflade, oder auch andere, habe ich noch nicht herausgefunden. Ich kann nicht nur Fotos mit beeindruckenden 8 Millionen Pixeln, machen, sondern auch Videos drehen. Der Bildschirm – natürlich ein Touchscreen – hat immerhin 16 Millionen Farben, die ich leider nicht alle unterscheiden kann. Ich kann nicht nur SMS, sondern auch MMS, Instant Messages und E-Mails versenden, ich kann im Internet surfen, chatten, an Telefonkonferenzen teilnehmen. Ich kann mit dem Smartphone meine Termine planen, Videos anschauen, Radio oder meine Lieblingsmusik hören. Und wenn ich mal verloren ginge, fände ich dank GPS finde gewiss wieder nach Hause zurück.

Doch diese Funktion benötige ich wohl kaum. Denn leider kann ich mit meinem neuen Wunderwerk nicht mehr allzu weit von der nächsten Steckdose entfernen. Die Batterie hält nämlich nicht, was Hersteller S und Telefonanbieter B versprechen: 12 Stunden soll ich damit telefonieren, 11 stunden Video sehen und 49 Stunden Musik hören können. Die Standby-Zeit beträgt angeblich 300 Stunden, das sind bei einer durchschnittlichen Tageslänge von 24 Stunden rund 13 Tage. Mein Akku macht leider schon nach anderthalb Tagen schlapp – und das Handy bleibt stumm. Selbst wenn ich das Handy gar nicht nutze, weder damit surfe (weil ich an meinem Computer sitze) noch telefoniere (weil ich eigentlich meinen Festnetzapparat bevorzuge) hält er maximal 48 Stunden.

Um Strom zu sparen, habe ich (natürlich) die Energiesparfunktionen aktiviert und (fast) alle Funktionen ausgeschaltet: Bluetooth, GPS, mobile Daten, selbst die Lageerkennung. Nur wenn jemand anruft, klingelt es noch. Mehr Stand-by geht meiner Meinung nach nicht. Dennoch verlangt das Telefon mal schon nach 24, spätestens aber nach 36 Stunden, dass ich es wieder ans Ladegerät anschließe.

Als ich dem freundlichen jungen Verkäufer sage, dass mein tolles Handy vermutlich einen defekten Akku hat, der viel zu schnell leer ist, belehrt er mich eines Besseren. Die „bis zu“ Angabe von S. in der Akkulaufzeit „Standby“ sei sehr hoch gegriffen. Ein Smartphone halte bei wenig bis mittlerer Benutzung ca. 1 – 1,5 Tage. Als ich ihn frage, warum er mich nicht auf die kurze Akkulaufzeit hingewiesen habe, ist er fast empört: Das wisse doch jeder, meint er. Ich wusste es nicht! Dass ich mich von ihm schlecht beraten fühle und mich nicht zufrieden geben will, dass der Handy-Akku nicht einmal ein Sechstel der angegebenen Laufzeit hält, kann er gar nicht verstehen, auch nicht, warum ich damit zu ihm komme. Da müsse ich mich an den Hersteller wenden. Zu wem er gehe, wenn der Tank seines neu gekauften Autos schon nach 100 Kilometern leer sei, nicht erst nach 500 oder 600 Kilometern: zu seinem Autohändler oder zum Firmensitz irgendwo in Japan, frage ich ihn. Zum Autohändler, räumt er ein – und ruft selbst beim Hersteller an: Freudestrahlend verkündet mir dann die Lösung des Problems: Ich darf mein Telefon nicht nur nicht benutzen, ich muss auch die SIM-Karte entfernen. Wenn mein Handy also nur noch daliegt und nichts tut, außer da sein und Strom verbrauchen, hält der Akku wie versprochen 300 Stunden. Ein wahres Wunderwerk also.

Um seinen guten Willen zu zeigen, besorgt der freundliche junge Mann mir einen neuen Akku. Ich habe ihn getestet, doch er hält auch nicht länger als der alte. Als ich erneut reklamiere, schickt mir der freundliche Verkäufer die Nachricht, dass er meine Reklamation weitergeleitetet hat. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört.

Jetzt habe ich jetzt nicht nur meine eigenen Termine, sondern auch die meines Akkus im Blick. Dabei könnte mir mein Smartphone helfen, wenn ich es ließe. Doch das kann problematisch werden: Wenn der Akku leer ist, kann ich leider auch meine Termine nicht mehr abrufen. Dabei verlasse ich mich lieber auf meinen Taschenkalender. Der funktioniert auch ohne Strom.

Mein Smartphone leider nicht. Wenn wir am nächsten Tag unterwegs sein wollen und keine Steckdose in Reichweite ist, muss ich es vorher füttern – aber möglichst erst, wenn der Akku ganz leer ist. Und möglichst in der Nacht. Denn während des Aufladens möchte es in Ruhe gelassen werden, damit das Aufladeergebnis nicht beeinträchtigt wird und der Akku länger hält. Auch ein Handy braucht eben seine Auszeiten. Das verstehe ich. Aber vielleicht will ich lieber mein altes Handy zurück.