Gartenvergnügen für ein Jahr

Zum Frühlingsanfang habe ich mir eine neue Jahreskarte für die Herrenhäuser Gärten gekauft. Die neue kostete 10 Euro mehr als die alte. Aber ein Jahr Gartenvergnügen sind auf jeden Fall 35 Euro wert.

Der Große Garten, das Prunkstück der Herrenhäuser Gärten, wird in diesem Jahr 350 Jahre alt. Aber auch wenn er zu den bedeutendsten Barockgärten Europas zählt, kann ich ihm wenig abgewinnen. Ich mag keine Pflanzen, die zurechtgestutzt in Reih und Glied ihr Leben fristen müssen. Vor allem wenn Laubbäume und Hecken (noch) kahl sind, wirkt der Garten auf mich ziemlich trostlos. Im Sommer gehe ich gerne in den Rosengarten und in den Niederdeutschen Blumengarten. Und die Grotte ist immer einen Besuch wert. Gebaut wurde sie schon im 18. Jahrhundert: Mit Muscheln, Kristallen, Glas und Mineralien verziert, sollte sie im Sommer einen kühlen Rückzugsort bieten. 2002 gestaltete Niki de Saint Phalle die Grotte 2002 um – und schuf mit Kiesel-, Glas- und Spiegelstücken ein magisches Kunstwerk. Vor allem die Farben und Lichteffekte in der blauen Grotte faszinieren mich jedes Mal aufs Neue.

Mein Lieblingsgarten ist und bleibt der Berggarten, laut Wikipedia einer der ältesten botanischen Gärten in Deutschland. Ursprünglich als Küchengarten angelegt, wurde er seit Ende des 17. Jahrhunderts auch genutzt, um exotische Pflanzen zu züchten. Reis und Tabak wurden hier ebenso angepflanzt wie Tabak und Maulbeerbäume, mit deren Blättern die Seidenraupen der Königlichen Seidenraupenmanufaktur in Hameln gefüttert. Doch langfristig lohnte sich der Anbau nicht.

Exotische Pflanzen wachsen heute auch noch in drei Schauhäuser im Berggarten. Als Zimmerpflanzen mag ich Exoten wie Orchideen, Usambaraveilchen, Bromelien und Gummibäume zwar nicht, aber im Tropen- und im Orchideenschauhaus fühle ich mich in eine andere, mir unbekannte Welt versetzt. Das Kakteenschauhaus lasse ich dagegen meist links liegen.

So früh im Jahr kann die Vegetation draußen natürlich mit der Blütenpracht drinnen nicht mithalten. Noch zeigen sich nur Frühblüher wie Märzbecher, Narzissen oder Blau- und Gelbsterne. Bis die Iris im Irisgarten blühen, wird es wohl noch ein paar Wochen dauern. Das Wasserbecken im Pergolagarten, an dem ich an warmen Tagen gerne sitze, ist noch leer; im Staudengrund fließt das künstliche Bächlein schon, aber von den Wildstauden, ist noch wenig zu sehen. In ein paar Wochen werden sie den Bachlauf überwuchern. Auch der Subtropenhof ist noch pflanzenleer. Erst wenn auch die Nächte wärmer sind, ziehen die kälteempfindlichen Kübelpflanzen hier wieder ein und verwandeln den Hof in ein grünes Zimmer. Derzeit ist er eine Open-Air-Galerie, in der prämierte Fotos aus dem internationalen Wettbewerb „International Garden Photographer of the Year“ (IGPOTY) „faszinierende Einblicke in die Garten- und Pflanzenfotografie aus aller Welt, mit Aufnahmen aus Ländern wie England, Schottland, Deutschland, China, Japan, den USA, Kanada, Neuseeland und Italien“ bieten.

Ab Mitte Mai dürfen auch die Pflanzen aus der kostbaren Zitrussammlung wieder ins Freie. Und wenn sie dann auf dem Orangenplatz vor dem Galeriegebäude zu bewundern sind, werde ich dem Großen Garten sicher häufiger einen Besuch abstatten. Den Grundstein für die Sammlung legten Kurfürstin Sophie und ihre Tochter Charlotte im 17. und 18. Jahrhundert; um 1720 war sie schon auf über 600 Bäumchen angewachsen. Und die kurfürstlichen Herrschaften scheuten für die Kostbarkeiten weder Kosten noch Mühen für ihre Sammlung. Um sie im Sommer standesgemäß zu präsentieren, wurde der Orangenplatz vor dem Galeriegebäude angelegt. Die kalten norddeutschen Winter verbrachten die Pflanzen im Galeriegebäude und in der Orangerie. Letztere wurde gebaut wurde, weil der Platz in der Galerie schon bald zum Überwintern der exotischen Pflanzen nicht mehr ausreichte.

Geheizt wurde die Orangerie bis Ende des 19. Jahrhunderts mit großen Öfen, in denen nur Holz und Torf verbrannt wurden, weil die empfindlichen Pflanzen Kohle nicht vertrugen. Allein um sie im Frühjahr ins Freie und im Herbst wieder unters schützende Dach zu bringen, stellte die Gartenverwaltung im 18. Jahrhundert jeweils für vier Tage 80 Männer ein.  

Dies und vieles andere habe ich in der Ausstellung „Gartenkunst aus Meisterhand“ erfahren, die in der Orangerie gezeigt wird. Zwischen Palmen, Zitrusbäumchen und anderen subtropischen Pflanzen informieren Schautafeln über die Geschichte des Gartens im Allgemeinen und die Orangeriekultur im Besonderen. Geöffnet ist die Ausstellung noch bis 6. April montags bis freitags von 11 bis 17 Uhr und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr. Die Fortsetzung folgt dann ab Juli.

Gartenarbeit statt Gartenbesuch

Eigentlich wollte ich am Sonntag in die Herrenhäuser Gärten fahren. Doch wenn Hannover 96 – für alle, die sich nicht für Fußball interessieren: eine Mannschaft im Mittelfeld der 2. Bundesliga – ein Heimspiel hat, empfiehlt es sich, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Denn aus Erfahrung weiß ich, wie unangenehm Fahrten in Bussen und Bahnen oft sind, wenn Massen von 96-Fans unterwegs sind. Viele scheinen den bevorstehenden oder gerade gesehenen Gruselkick nur alkoholisiert ertragen zu können.

Beim Derby zwischen Braunschweig und Hannover gilt Alarmstufe Rot: Der Bahnhof wird zur Festung; ob es wie am vergangenen Sonntag durch den Einsatz von PolizistInnen, Hunde, Wasserwerfern und Helikoptern gelingt, Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fangruppen oder auch zwischen Fans und Polizei in der Stadt zu verhindern, weiß frau vorher nie. Lust auf einen Besuch in Hannover macht das nicht.

Also Arbeit im eigenen Garten statt Besuch in den ehemals fürstlichen Gärten. Zu tun gab es ohnehin einiges: Die Vogelschutzhecke hinterm Teich hatte mein Mann schon im Februar geschnitten, jetzt mussten die Äste und Zweige von Weißdorn, Holunder, Felsenbirne und Kornelkirsche kleingeschnitten werden. Außerdem mussten die abgestorbenen Halme und Blätter der Stauden abgeschnitten, gefühlt zentnerweise altes Laub von den Beeten und aus den beiden Teichen entfernt werden.

Beim Keschern im kleinen Teich habe ich ungewollt zwei Froschlurche gefangen. Zuerst dachten wir, sie seien tot, erfroren im nicht allzu tiefen Teich. Doch nachdem sie ihren Schreck überwunden hatten, bewegten sie sich wieder und wir haben sie mithilfe unserer Schnee- und Laubschaufel wieder in den Teich zurückgesetzt.

Ob sie dort überwintert haben oder ob sie schon wieder aus ihrem Winterquartier zurück in unseren Teich gekommen sind, um dort zu laichen, wissen wir nicht, ebenso wenig, ob unsere Teichbewohner Kröten oder Frösche sind. Denn mit Amphibien kenne ich mich überhaupt nicht aus. Wegen der Farbe, der Größe und der Warzen auf der Haut habe ich die beiden zunächst für Kröten gehalten. Aber ganz sicher war ich mir nach dem Vergleich der Merkmale nicht. Denn ihr Maul war eher spitz als rund, ob sie Schwimmhäute zwischen den Zehen der Hinterbeine haben, konnte ich weder live noch auf den Fotos erkennen. Ich habe also Sommerfotos zu Rate gezogen. Auf ihnen sind die Schwimmhäute deutlich zu sehen. Und von der Farbe abgesehen ist eine gewisse Ähnlichkeit nicht zu leugnen.

Wahrscheinlich sind es Teich- (Rana lessonae) oder Wasserfrösche (Rana esculenta). Beide Arten ähneln sich sehr und sind nur schwer zu unterscheiden. Das kommt nicht von ungefähr. Teichfrösche sind nämlich laut Nabu Hybride aus Seefrosch und Kleinem Wasserfrosch. Sie sind meist grün, manchmal aber auch bräunlich gefärbt. „Auf dem Rücken befinden sich schwärzliche Flecken, die sich auf den Hinterbeinen zu einer Marmorierung verdichten.“ Das passt.

Die Pflanzen in unserem Garten sind leichter zu identifizieren. Dass Schneeglöckchen, Christrosen, Winterlinge, Krokusse und Kornelkirsche typische Zeigerpflanzen des Vorfrühlings sind, habe ich beim Schreiben meines Blogbeitrags zum Frühlingsanfang gelernt. Im nächsten Jahr kann ich mich vielleicht auch über Märzbecher freuen, die bislang in unserem Garten noch nicht wuchsen. Aber die beste Nachbarin von allen hat mir am Sonntag ein Töpfchen mit Zwiebeln geschenkt, die ich zwischen Anemonen und Tulpen gepflanzt haben.

Nach einer Woche mit tagsüber frühlingshaften Temperaturen zeigen sich inzwischen auch die ersten Blausterne – laut Wikipedia typische Zeigerpflanzen des Erstfrühlings, der nächsten phänologischen Jahreszeit. Von den Veilchen ist dagegen noch nichts zu sehen, an den Forsythien zeigen sich immerhin schon gelbe Knospen. Im vergangenen Jahr standen die Sträucher schon Anfang März in voller Blüte. Doch in diesem Jahr sind ihnen die Nächte mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt wohl noch zu kalt.

Die Narzissen schrecken die Temperaturunterschiede offenbar nicht. Selbst die einzige gefüllte Narzisse in unserem Garten, blüht schon. Vor zwei Jahren war es erst Ende März so weit, in manchen Jahren zeigt sie sich gar nicht. Aber das wundert mich nicht wirklich bei einer Pflanze, die ihren Namen einem berühmten Herumtreiber verdankt: Rip van Winkle, den Washington Irving und Max Frisch in einer Kurzgeschichte, einem Hörspiel und einem Roman verewigten und dessen Geschichte von vielen anderen Schriftstellern erzählt wird. Doch zum Glück gibt es ja andere Pflanzen in unserem Garten, die verlässlicher zeigen, dass der Erstfrühling gekommen und es bald an der Zeit ist, mit der Aussaat von Salat, Spinat, Erbsen, Radieschen oder auch von Sommerblühern zu beginnen.

Monatsrückblick Mai 2024

Fast hätte ich ihn vergessen. Nur ein abonnierter Newsletter erinnerte mich daran, dass es schon wieder Zeit für den Monatsrückblick war. Doch dann dauerte es noch ein paar Tage, bis der Text endlich fertig war.

Erste Blognacht

Den Rückblick auf den Monat April habe ich während der Blognacht geschrieben, die Anna Koschinski allmonatlich organisiert. Von diesem Angebot habe ich zufällig erfahren, als ich im März zum ersten Mal an einer Blogparade teilgenommen habe. Ich hatte mir den Termin notiert – doch dann wieder vergessen. Erst kurz vor dem Start des Cowritings hat mich mein Online-Kalender erinnert – und ich konnte mich rechtzeitig in den Zoomraum einwählen. Es war eine gute Entscheidung: Mit anderen zu schreiben motiviert mich, selbst wenn die Mitschreiberinnen nicht im gleichen Raum, sondern in einem virtuellen Schreibraum sitzen. An der Blognacht Ende Mai konnte ich leider nicht teilnehmen, aber Ende Juni will ich wieder dabei sein. Dann wird der nächste Monatsrückblick vielleicht nicht so lange auf sich warten lassen.

Immer wieder schön: die Herrenhäuser Gärten

Der Frauenschreibtreff am ersten Sonntag des Monats im  AutorInnenzentrum ist im Mai leider ausgefallen. Stattdessen habe ich mit meiner Schwiegertochter und den beiden Enkelinnen die Herrenhäuser Gärten besucht. Und obwohl einige Beete weichen mussten, weil im Präriegarten derzeit neue Gewächshäuser gebaut werden, waren sie begeistert. Vor allem die Pfingstrosen und die Rhododendren haben ihnen gefallen. Sie wollen wiederkommen – dann werden wir sicher auch in den Großen Garten gehen. Dort bin ich eher selten, ich bin kein Fan von Pflanzen, die in Reih und Glied stehen und immer wieder in Form gestutzt werden. Doch es gibt natürlich auch im Großen Garten Plätze, die ich mag. Die von Nicky de Saint-Phalle gestaltete Grotte beispielsweise, das Gartentheater mit den Goldenen Figuren und natürlich den Rosengarten, wo bei meinem Besuch Mitte Mai die Rosen voll erblüht waren.

Offene Pforte und offene Ateliers

Ich mag Kunst und ich mag schöne Gärten, wenn auch beides eher passiv. Denn ich kann weder malen noch habe ich einen grünen Daumen. Wenn andere ihre Ateliers und/oder ihre Gartenpforten öffnen, schaue ich gerne rein. Und manchmal lassen sich wie am zweiten Maiwochenende Atelierspaziergang und offene Gartenpforte kombinieren.

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Im Garten

Auch unser Garten zeigte sich im Mai von seiner schönen Seite. Die Rosen blühten in diesem Jahr ungewöhnlich früh und auch unsere Frösche – sieben oder acht an der Zahl – waren sehr früh aus ihrem Winterquartier zurückgekehrt. Ebenso früh, wie sie kamen, waren sie dann wieder verschwunden, ihren Nachwuchs haben sie allerdings bei uns zurückgelassen. Den Alten war es mit der Kinderschar wohl zu eng oder zu unruhig in den beiden Miniteichen. Die jungen Frösche scheint die Enge nicht zu stören. Fast alle leben im kleinen Teich – im größeren habe ich bislang nur einen einzigen gesichtet. Auch dass sie den Platz mit einer kleinen Ente teilen müssen, macht ihnen offenbar nichts aus. Sie leben friedlich miteinander, auch wenn es manchmal nicht so aussieht.

Ein Jahr Deutschlandticket

Ich habe es sehnsüchtig erwartet und nutze es seit einem Jahr viel und gerne: das Deutschlandticket. Meist reise ich damit durch Niedersachsen und die angrenzenden Bundesländer, aber ich bin auch schon bis nach Würzburg gefahren. Die Hinfahrt durch Thüringen ins Frankenland dauerte mit Nahverkehrszügenzwar länger, war aber eindeutig schöner als die Rückfahrt mit dem ICE.

Durch das Deutschlandticket habe ich viele Orte besucht, an denen ich bisher meist achtlos vorbeigefahren bin. Im Mai zum Beispiel Braunschweig. Obwohl Hannover und Braunschweig nah beieinander liegen – mit dem Nahverkehrszug dauert die Fahrt gerade mal eine Dreiviertelstunde – war ich erst einmal in der Nachbarstadt. Daran, dass die beiden Fußballklubs eine enge Feindschaft verbindet, lag es gewiss nicht. Es hatte sich einfach nicht ergeben. Jetzt habe ich meine Kollegin Foe im Krankenhaus in Braunschweig besucht – und habe die Gelegenheit genutzt, durch die Stadt zu spazieren.

Mein ganz subjektiver Eindruck: Meine Lieblingsstadt wird Braunschweig sicher nicht, aber es gibt einige schöne Ecken, die es zu sehen lohnt.

Katzensitten mit Erkenntnis

Meinen Kurzaufenthalt als Katzensitterin in Harz hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt: Ich wollte die ersten Etappen des Hexenstiegs wandern. Doch dann musste ich an zwei Tagen nach Hannover – an einem zur Einweihung des AutorInnenzentrums, am nächsten Tag zu einem Workshop. Letzteren wollte ich nicht absagen, weil mich das Thema interessierte. Aber im Nachhinein weiß ich: Ich hätte ihn mir besser erspart. Ich hätte stattdessen durch den Harz wandern, die Natur genießen und ein bisschen schreiben sollen. So blieb mir nur am letzten Tag Zeit für eine kurze Wanderung auf dem Besinnungsweg (https://timetoflyblog.com/auf-dem-besinnungsweg) – und die Erkenntnis, dass ich künftig häufiger das tun und dahin gehen sollte, wohin mein Herz mich trägt.

Handwerker im Haus

Wer in einem alten Haus wohnt, weiß es: Irgendetwas muss – oder soll – immer repariert, renoviert oder verändert werden. Im Mai wurden in der oberen Etage drei neue Fenster und im Wohnzimmer im Erdgeschoss zwei neue Glastüren eingebaut. Früher haben wir die meisten Arbeiten selbst gemacht, inzwischen überlassen wir vieles den Handwerkern. Vieles, aber nicht alles.

Weil die neuen Türen leider nicht in die alten Rahmen passten, haben wir, bevor die Handwerker kamen, die alten Zargen entfernt. Und auch die Nacharbeiten – verputzen, tapezieren, streichen usw. – haben wir selbst erledigt. Diese Arbeiten dauerten natürlich viel länger als das Einsetzen der Türen selbst. Zum Glück ist mein Mann ein begabter Handwerker – und während ich diese Zeilen schreibe, ist das meiste geschafft. Durch die Fenster im Dachgeschoss entweicht weniger Wärme, das Wohnzimmer ist mit neuen Glastüren schöner und großzügiger denn je. Außerdem haben einen besseren Durch- und Ausblick – gute Aussichten also für die Zukunft.

Rosen, Pfingstrosen und Orchideen

Ich habe seit Jahren eine Dauerkarte für die Herrenhäuser Gärten und ich nutze sie viel. Manchmal gehe ich einfach nur kurz in den Berggarten, wenn ich eigentlich aus einem anderen Grund in Hannover bin. Und immer wieder entdecke ich bei meinen Besuchen unbekannte Pflanzen. So zum Beispiel den Tulpenbaum im Staudengrund. An ihm bin ich wohl unzählige Mal achtlos vorbeigegangen, obwohl er wegen seiner Größe und der ungewöhnlichen Blüten kaum zu übersehen ist.

Am vergangenen Freitag führte mein erster Weg ins Orchideenschauhaus. Das hatten wir vor sechs Jahren, am 94. Geburtstag meiner Mutter, gemeinsam mit ihr besucht. In diesem Jahr wäre sie 100 Jahre alt geworden.

Meine Mutter hat Orchideen geliebt – und war von der Blütenpracht begeistert. Kein Wunder: Die Orchideensammlung im Berggarten gilt als eine der bedeutendsten Europas. Im Orchideenhaus werden ständig zwischen 500 und 800 Orchideen gezeigt, und zwar zwischen anderen tropischen Sträuchern und Bäumen, also quasi in ihrer „natürlichen“ Umgebung.

Auch die Pfingstrosen hätten meiner Mutter sicher gefallen. Im Präriegarten und im Staudengrund blühen zurzeit ganz verschieden Arten in den unterschiedlichsten Farben – von Weiß über Gelb, Rosa, Rot und Pink bis fast Schwarz. Als meine Mutter noch an der Mosel lebte, wuchs in ihrem Vorgarten ein riesiger Pfingstrosenstrauch, dessen Blüten herrlich dufteten. Noch heute bedaure ich, dass ich ihn nicht ausgegraben und in unserem Garten eingepflanzt habe, als wir das Haus verkauften. Meine eigenen Pfingstrosen duften wie so viele Neuzüchtungen leider nicht – und so muss ich mich damit begnügen, beim Gang durch die Herrenhäuser Gärten meine Nase in fremde Blüten zu stecken.

Pfingstrosen sind, auch das habe ich beim Schreiben der Blogbeiträge gelernt, trotz ihres Namens botanisch keine Rosen, sondern bilden eine eigene Pflanzenfamilie – die Pfingstrosengewächse (Paeoniaceae). Richtige Rosen (Rosa) wachsen im Niederdeutschen Rosengarten. Er ist Teil des Großen Gartens und laut Website „die Nachbildung eines der bereits im 16. Jahrhundert hoch geschätzten ‚Liebesgärten‘“ (https://www.hannover.de/Herrenhausen/Herrenhäuser-Gärten/Großer-Garten/Der-Niederdeutsche-Rosengarten). Insgesamt etwa 650 Rosen sollen in den quadratischen und runden Beeten wachsen, darunter auch die Herrenhäuser Sorten „Kurfürstin Sophie“ und „King George“.

An den wunderschönen privaten Rosengarten von Silke Rex, die im Juni wieder ihre Gartenpforte öffnet, reicht der Rosengarten in Herrenhausen meiner Meinung nach zwar nicht heran. In einem der vier Pavillons sitzend, habe ich mich aber trotzdem ein bisschen wie Dornröschen gefühlt.

Viel Zeit zu träumen oder gar zu schlafen hatte ich indes nicht. Denn eigentlich war ich ja aus einem anderen Grund in Hannover: Ich wollte zur Synagoge der Liberalen Jüdischen Gemeinde. Dort halten die Omas gegen rechts jeden Freitag während des Schabbat-Gottesdienstes eine Solidaritätswache.

Auf nach Herrenhausen

Endlich war ich wieder in den Herrenhäuser Gärten. Meine Jahreskarte war schon im Oktober abgelaufen und meist kaufe ich mir dann direkt eine neue. Denn ich mag die Gärten, vor allem den Bergarten und den frei zugänglichen Georgengarten, eigentlich zu jeder Jahreszeit. Aber im gefühlten Dauerregen von November bis Februar erschien mir ein Gartenspaziergang dann doch wenig verlockend. Im Großen Garten, der von Grachten umgeben ist, war sogar zeitweise Land unter. Einige Beete und Gewächshäuser standen tagelang unter Wasser. Wie die Pflanzen das verkraftet haben, wird sich wohl erst in den nächsten Wochen zeigen.

Der Berggarten war von den Überschwemmungen nicht betroffen. Denn er liegt zwar, anders als sein Name vermuten lässt, nicht auf einem Berg, aber doch etwas höher als sein großer Bruder. Der frühere herzogliche Küchengarten wurde laut Wikipedia auf dem Hang einer Eiszeit-Sanddüne angelegt (https://de.wikipedia.org/wiki/Berggarten). Gemüse wird hier schon lange nicht mehr angebaut, dafür wachsen im Berggarten heute rund 12.000 Pflanzenarten – zu jeder Jahreszeit andere.

Jetzt sind die Frühblüher an der Reihe – Scilla, Krokusse, Lenzrosen, Märzbecher, Primeln Narzissen und viele andere, deren Namen ich nicht kenne. Den Staudengrund durchzieht wieder das künstliche Bächlein und die Süntelbuche, mein Lieblingsbaum, zeigt sich – noch ohne Blätter – ihre ganze Schönheit. Was aussieht wie ein kleiner Wald ist tatsächlich nur ein einziger Baum – im Sommer verdecken die Blätter die knorrigen Stämme, Äste und Zweige, die über oder unter der Erde miteinander verbunden sind.

Als die Süntelbuche (Fagus sylvatica ‚Tortuosa‘) im Berggarten um 1880 gepflanzt wurde, waren ihre freilebenden Verwandten schon weitgehend ausgerottet. Denn ihre kurzen, verdrehten, oft miteinander verwachsenen Äste und Stämme eignen sich weder als Bau- noch als Brennholz. Und wegen seines teilweisen bizarren Aussehens war das „Deuwelholts“ vielen Menschen unheimlich. Grund genug, den letzten Süntelbuchenwald in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts abzuholzen.

Die Süntelbuche im Berggarten hat mit 145 Jahren ihre durchschnittliche Lebenserwartung schon erreicht. Die liegt nämlich „bei 120 bis 160 Jahren. Der waagerechte, statisch ungünstige Wuchs scheint das Auseinanderbrechen alter morscher Bäume zu beschleunigen, so dass 300 Jahre nicht erreicht werden“, heißt es bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Süntel-Buche). Im Berggarten stützt ein starker Zaun die alte Dame – und so ist zu hoffen, dass sie ein ähnlich hohes Alter erreicht wie ihre Verwandten bei Raden im Auetal oder im Schlosspark von Haus Weitmar in Bochum. Beide Süntelbuchen sind über 250 Jahre alt, mein Lieblingsbaum in den Herrenhäuser Gärten wird mich also hoffentlich lange überleben.

Übrigens: In Bad Nenndorf am Deister kann man Süntelbuchen fast in „freier Wildbahn“ bewundern. Fotos von der Süntelbuchenallee am Rande des Kurparks gibt es unter https://timetoflyblog.com/eine-allee-der-besonderen-art und unter https://foerodens.wordpress.com/2024/01/14/alt-und-knorrig-die-suntelbuchenallee/

Umbau in den Herrenhäuser Gärten

Die Herrenhäuser Gärten überraschen mich bei jedem Besuch aufs Neue. Diesmal mit zahlreichen Zitruspflanzen, die rund um den Schmuckhof, zwischen Bibliothekspavillon, Subtropenhof und den Schauhäusern, aufgereiht sind. Zur Citrus-Sammlung der Herrenhäuser Gärten sollen mehr als 70 verschiedene Arten und Sorten gehören – historische ebenso wie Neuzüchtungen.

Die meisten der kälteempfindlichen Zitruspflanzen können Otto-Normal-BesucherInnen wie ich nur im Sommer bewundern. Im Winter verschwinden sie dann wieder in den Überwinterungshäusern, die nicht öffentlich zugänglich sind (https://orangeriekultur.de/pages/orangerien/orangerien-und-glashaeuser-in-deutschland/niedersachsen/orangerie-sammlung-der-herrenhaeuser-gaerten-hannover.php).

Das ändert sich, wenn das neue Schauhaus fertig ist. Es soll das alte Kanarenschauhaus ersetzen, das  – 1984 gebaut – „abgängig und auch viel zu niedrig“ für Phönixpalmen, Kanarische Kiefern und Co. war (https://www.hannover.de/Herrenhausen/Herrenhäuser-Gärten/Berggarten/Neues-Ausstellungshaus/Ein-neues-Schauhaus-für-den-Berggarten).

Das neue Schauhaus wird etwa 1.000 Quadratmeter groß, bis zu 9 Meter hoch und in drei Bereiche gegliedert. Neben den Pflanzen von den Kanarischen Inseln und aus dem Mittelmeerraum finden dort künftig auch Zitrus- und andere Kübelpflanzen sowie – in einem speziellen Warmwasserbecken – die tropische Victoria-Riesenseerose eine neue Heimat. Die Riesenseerose, auch Amazonas-Riesenseerose genannt, gilt mit einem Blattdurchmesser von bis zu drei Metern als größte Seerosen-Art der Welt. Sie war schon Mitte des 19. Jahrhunderts in den Herrenhäuser Gärten zu bewundern, doch das nach ihr benannte Victoriahaus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Das neue Schauhaus ist vermutlich erst 2025 fertig. Eine andere „Baustelle“ gleich nebenan wird hoffentlich schneller beseitigt. Wo im vergangenen Jahr noch Pfingstrosen, Rittersporn und andere Schmuckstauden standen, hatte sich die Ackerwinde ausgebreitet. Winden sehen zwar hübsch aus, überwuchern aber schnell andere Pflanzen. Die Senkwurzeln der Ackerwinde reichen bis zu zwei Meter tief. Um die Schlingpflanzen zu bekämpfen, wurde der Boden in einem Teil des Schmuckstaudenbeets ausgehoben. Doch im nächsten Jahr grünt und blüht es hier hoffentlich wieder.

Die Pfingstrosen halten sich derzeit noch etwas zurück, doch pünktlich zu Pfingsten am kommenden Wochenende werden die meisten Knospen sich wohl öffnen.

Die Akeleien blühen dagegen schon in den verschiedensten Farben, ebenso die Rhododendren im Rhododendronhain.

Im Staudengrund ist der kleine künstliche Bach kaum noch zu sehen; dafür entdecke ich eine Mohnpflanze, die ich bislang noch nicht kannte: Der Marienkäfer-Mohn, eine Zwergmohn-Art, verdankt seinen Namen einem großen schwarzen Fleck auf jedem seiner vier leuchtend roten Blütenblätter. Wie gesagt, die Herrenhäuser Gärten überraschen mich bei jedem Besuch aufs Neue.

Neues aus dem Wintergarten

Unser Wintergarten macht seinem Namen zurzeit alle Ehre – und erfreut uns mitten im Winter mit vielen bunten Blüten.

„Die beiden ersten Blüten der Strelitzie haben sich geöffnet“, habe ich im März 2020 geschrieben. Diesmal ist es schon Ende Januar so weit. Die dritte im Bunde verwelkt sogar schon: Sie ist irgendwann im Oktober aufgeblüht und hat fast ein Vierteljahr geblüht. Mindestens drei Nachfolgerinnen sind bereit – mehr als je zuvor.

Mehr geht nicht – das denke ich alle Jahre wieder, wenn unser Osterkaktus – trotz seines Namens immer um Weihnachten – anfängt zu blühen. Doch im folgenden Jahr belehrt er mich dann stets eines Besseren. Ich staune nicht nur darüber, wie viele Blüten die Hatoria hat, sondern auch, wie lange sie blühen.

Der Osterkaktus schwächelt noch nicht, die Blüten der Christrose färben sich dagegen allmählich grün – ein Zeichen, dass sie verwelken und irgendwann abgeschnitten werden sollten. Bislang steht die Christrose im Wintergarten, doch sobald es etwas wärmer ist, werde ich sie in den Garten pflanzen. Dann ist die Chance, dass sie den Sommer überlebt und auch im nächsten Jahr blüht, größer.

Christrosen sind nämlich, das habe ich beim Schreiben dieses Blogbeitrags gelernt, viel anspruchsvoller als ihre Verwandten, die Lenzrosen. Sie mögen lehmige Böden, doch damit kann unser Garten (zum Glück) nicht dienen. Außerdem brauchen sie Kalk – ohne ihn bekommen sie keine Blüten. Ich werde beim Pflanzen also einfach den Trick anwenden, den ich ebenfalls im allwissenden world wide web gefunden habe: Ich lege ein Stück weiße Kreide ins Pflanzloch, um die Christrose mit Kalk zu versorgen. Warum die Kreide weiß sein muss, stand da nicht. Aber vielleicht färben sich die Blüten rot oder pink, wenn ich entsprechende farbige Kreiden mit einpflanze.

Weniger anspruchsvoll als ich gedacht oder befürchtet habe, ist die Orchidee, die ich von meiner Mutter geerbt habe. Sie darf weder in den Wintergarten noch im Sommer auf die Terrasse, denn obwohl ihre Vorfahren aus den Tropen stammen, verträgt sie keine pralle Sonne. Auf der Fensterbank meines Arbeitszimmers auf der Westseite fühlt sie sich aber offenbar wohl.

Viel Pflege braucht meine Orchidee nicht: Ich gieße sie ein oder zweimal in der Woche und gieße später das Wasser, das im Untersetzer steht, ab. Denn nasse Füße, sprich Staunässe, mag sie ebenso wenig wie allzu große Hitze.

Sie ist spät dran in diesem Jahr – erst drei Blüten haben sich bislang geöffnet. Aber es werden in den nächsten Tagen sicher mehr: Ich habe mehr als zwei Dutzend Knospen gezählt. Wahrscheinlich blühen sie dann bis in den Sommer hinein. Weil Orchideen nämlich sehr spezialisiert sind und in der Natur nur von bestimmten Insekten bestäubt werden können, haben sie sehr lange Blühzeiten. Das erhöht die Chance, dass das richtige Insekt während der Blüte vorbeiflattert, so Boris Schlumpberger in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift nobilis (https://nobilis.de/orchideen-tipps-fuer-eine-gluecklich-bluehende-schoenheit/?doing_wp_cron=1675239444.4843928813934326171875).

Schlumpberger muss es wissen: Er ist Kustos der Herrenhäuser Gärten in Hannover, in denen es eine der größten Orchideensammlungen der Welt mit rund 25.000 Pflanzen gibt. Ein kleiner Teil dieser Sammlung ist im Orchideenhaus im Berggarten zu sehen. Ein Besuch lohnt – nicht nur, aber vielleicht besonders, wenn das Wetter grau und trist ist und die ersten Blüten im eigenen Garten noch auf sich warten lassen.

Auszeit im Berggarten

Der Berggarten in den Herrenhäuser Gärten überrascht mich jedes Mal aufs Neue. Er sieht bei (fast) jedem Besuch – und ich besuche ihn oft – anders aus als beim letzten Mal.

Zurzeit kann ich mich an den Pfingstrosen nicht sattsehen, die im Berggarten  in den verschiedensten Größen und Farben blühen: von Weiß über Gelb und Hellrosa bis zu einem tief dunklen Rot. Einige Sorten sind schon verblüht, bei anderen öffnen sich die Knospen gerade erst. Wenn die Blüten nah genug am Weg stehen, stecke ich meine Nase hinein. Denn noch mehr als das Aussehen liebe ich den Duft der Pfingstrosen.

Als bekennender Wasserfan ziehen mich natürlich die verschiedenen Teiche und Wasserbecken magisch an. Mindestens ein Dutzend gibt es im Berggarten: Geometrisch geformte im Stein-, Iris- und Pergolagarten, denen man ansieht, dass sie von Menschenhand geschaffen wurden …

… und andere, die aussehen wie natürliche Teiche. Der Moorweiher zum Beispiel, die Teiche und der Bachlauf im Staudengrund.

Der Staudengrund verdankt seinen Namen den zahlreichen Wildstauden, die hier wachsen. Außerdem gibt es in diesem Gartenbereich viele alte Bäume, darunter eine  mehr als 200 Jahre alte Gurkenmagnolie, die älteste in Deutschland, und mein Lieblingsbaum, die Süntelbuche.

Wann immer ich Zeit habe und das Wetter mitspielt, lege ich an einem der Teiche eine Pause ein: Ich lese, schreibe, genieße den Garten, die Ruhe und den Tag.

 

Rip van Winkle bleibt verschwunden

Vor drei Jahren habe ich in den Herrenhäuser Gärten eine Narzisse erstanden: Zum einen hat mir die gefüllte Blüte mit den spitz zulaufenden Blütenblättern gut gefallen. Zum anderen – und das war zugegebenerweise der eigentliche Grund – habe ich die Narzisse wegen ihres Namens gekauft: Rip van Winkle.

Rip van Winkle
Rip van Winkle nach dem Einpflanzen vor drei Jahren

Denen, die sich mit Literatur nicht so gut auskennen, sei’s gesagt: Rip van Winkle ist der Titel eines Hörspiels von Max Frisch, aus dem später sein Roman Stiller entstand.  (https://timetoflyblog.com/gartenerkenntnisse).  Max Frisch war lange Zeit einer meiner Lieblingsautoren, Stiller mein Lieblingsroman. Das Buch, 1974 gekauft, steht immer noch in meinem Regal. „Ich bin nicht Stiller!“ lautet der  erste Satz. An ihn erinnere ich mich auch nach fast 50 Jahren noch ohne nachzuschlagen (was ich dann natürlich doch getan habe, um nichts Falsches zu schreiben).

Doch zurück zu Rip van Winkle. „An zusagenden Standorten ist diese kleine, liebenswert altmodische Narzisse sehr dauerhaft“, steht auf der Webseite https://www.biogartenbedarf.de/blumenzwiebeln/narzissen/narcissus-rip-van-winkle/. Meine Freude an Rip van Winkle währte indes nur kurz: Schon im nächsten Jahr war sie verschwunden. Das verwundert natürlich niemanden, der die Geschichte Rip van Winkles kennt: Sie geht auf eine alte Kyffhäusersage zurück, die dann  den amerikanischen Schriftsteller Washington Irving Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer Erzählung inspirierte. Sie erschien erstmals 1819 und gilt als erste amerikanische Short Story bzw. als erste Kurzgeschichte der Weltliteratur  (https://de.wikipedia.org/wiki/Rip_Van_Winkle).

Hier die Kurzfassung: Der Bauer Rip Van Winkle hatte eine „unüberwindliche Abneigung gegen alle Arten von erklecklicher Arbeit“, wie Washington Irving schreibt; statt zu arbeiten, streifte lieber durch die Gegend – sehr zum Ärger seiner Frau. Bei einem seiner Ausflüge traf er auf eine Gesellschaft, trank etwas und fiel in einen tiefen Schlaf. Als er aufwachte und in sein Dorf zurückkehrte, erkannte er nichts wieder. Niemand erkannte ihn und niemand glaubte seine Geschichte. Man hielt ihn für einen Spion, doch dann erinnerte sich eine alte Frau an den Bauern, der vor 20 Jahren verschwunden war. Seine Frau war längst gestorben und Rip van Winkle lebte fortan im Haushalt seiner Tochter bis an sein glückliches Ende.

Ich hätte es also wissen oder zumindest gewarnt sein müssen. Nomen est omen. Wie ihr menschlicher Namensgeber hält offenbar auch die Narzisse Rip van Winkle wenig von „erklecklicher Arbeit“. Sprich: Sie blüht eben nicht, wie ich es erhofft und erwartet habe, sondern hat sich aus dem Staub gemacht. Oder schläft irgendwo tief unten in der Erde.

Ich bin nicht Rip van Winkle.

Als sich vor ein paar Wochen etwa an der Stelle, an der ich die Zwiebeln gepflanzt habe, das erste Grün und dann die ersten gelben Blüten zeigten, habe ich gehofft, dass Rip van Winkle zurückgekommen ist. Aber selbst eine Florasthenikerin wie ich erkennt, dass diese Pflanze nicht Rip van Winkle ist.

Geschichte(n) wiederholen sich ja bekanntlich manchmal. Vielleicht steht irgendwann in anderthalb Jahrzehnten meine Tochter im Garten  und wundert sich über eine gefüllte Narzisse, die sie nicht gepflanzt und die sie noch nie gesehen hat. Und dann erinnere ich mich,  inzwischen über 80 Jahre alt und eine richtig alte Frau, an die Narzisse, die ich in den Herrenhäuser Gärten gekauft habe – und an die alte Geschichte von Rip van Winkle.

Vorfrühling in den Herrenhäuser Gärten

Die Sturmtiefs mit Orkanböen, die in den letzten Tagen übers Land gebraust sind,  haben natürlich auch vor den Herrenhäuser Gärten nicht Halt gemacht. Der Berggarten und der Große Garten waren von Donnerstag bis Montag geschlossen, weil der Aufenthalt dort zu gefährlich war. Nur der Georgengarten, ein öffentlicher Park, konnte auf eigene Gefahr betreten werden.  Ich war vor den Stürmen dort, bei gutem Wetter – zum ersten Mal in diesem Jahr.

Ein Besuch im Berggarten zu jeder Jahreszeit, auch wenn die Schauhäuser leider seit Dezember  wegen Corona  gesperrt sind. Draußen wagen sich erst wenige Arten hervor, doch die legen sich mächtig ins Zeug: Schneeglöckchen, Winterlinge und Krokusse blühen überall und bilden teilweise weiße, gelbe und lila Blütenteppiche. Willkommene Abwechslung im sonst eher noch tristen Wintergrau und -braun.

Im Staudengrund fließt noch kein Wasser; der kleine Bachlauf wird erst in den nächsten Wochen geflutet. Ich liebe es, am plätschernden Bach entlang zu schlendern oder mich an einen der kleinen Teiche zu setzen, zu lesen, zu schreiben oder einfach nur die Ruhe zu genießen.  Noch sind die Ufer kahl, doch schon bald werden hier Wildstauden blühen.

Im Staudengrund steht auch mein Lieblingsbaum, die mächtige Süntelbuche Buche (Fagus sylvatica ‚Tortuosa‘). Was aussieht wie ein kleines Gehölz ist ein einziger Baum. Der Hauptstamm wurde 1880 gepflanzt; durch Absenker sind neue Stämme entstanden. Sie bilden im Sommer eine mehr als 750 Quadratmeter große dichte Krone. Der Weg auf der anderen Seite wird dann zu einem grünen Tunnel.

Die Süntelbuche im Berggarten ist eine der größten Süntelbuchen Niedersachsens; eine ganze Süntelbuchenallee gibt es im Kurpark von Bad Nenndorf. Dem Süntel, einem zum Weserbergland gehörenden Höhenzug zwischen der Kurstadt und Hameln, verdankt der zur Familie der Rotbuchen gehörende Baum seinen Namen. Dort wuchs früher der größte Süntelbuchenwald Europas.

Doch anders als ihre Verwandten wachsen Süntelbuchen nicht brav in die Höhe, sondern in die Breite. Ihre Stämme sind nicht gerade, sondern kurz und verdreht, die Äste miteinander verwachsen.  Deshalb galten sie  als verwunschen, vom Teufel oder von Hexen verdorben. Und weil sie sich weder gut zur Möbelfertigung noch als Brennholz eignen, wurde letzte Süntelbuchenwald vor mehr als hundert Jahren gerodet, das Hexen- oder Teufelsholz wurde verbrannt.

Bei Instagram werde ich jeden Monat ein Foto von „meiner“ Süntelbuche posten, wer mag, findet die Fotos unter chaosgaertnerinnen oder unter #12telblick2022.