Es geht voran …

… im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Weitem nicht so schnell, wie ich direkt nach meinem Sturz im Mai gedacht habe: Damals glaubte ich, dass ich spätestens im nächsten Monat wieder laufen oder gehen könnte wie vorher. Dass das nicht funktionieren würde, wurde mir bewusst, als die norwegischen ÄrztInnen mir erklärten, dass ich meinen operierten Fuß sechs Wochen lang überhaupt nicht belasten dürfte. Und als ich am 1. Juli, sieben Wochen nach der Operation in Volda, die ersten Schritte ohne Orthese tun durfte, tat jeder Schritt höllisch weh. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet, denn in den ersten Wochen nach dem Unfall und der OP war ich quasi schmerzfrei: Die ÄrztInnen und PflegerInnen waren erstaunt, dass ich fast ohne Schmerzmittel auskam, und haben ständig nachgefragt, ob ich nicht Tabletten benötige.

Die ersten Wochen ohne Orthese waren mühsam, daran, auch die Krücken wegzulegen, war gar nicht zu denken. Ich musste das Gehen erst wieder lernen – es dauerte eine Zeit, bis Muskeln, Sehnen und Co sich an ihre neuen MitbewohnerInnen aus Metall gewöhnt hatten.

Das ist ihnen schneller gelungen, als ich befürchtet habe. Bekannte, die sich ebenfalls das Sprunggelenk gebrochen hatten, haben mir erzählt, dass es bei ihnen etwa ein Jahr gedauert hätte, bis sie wieder normal und einigermaßen schmerzfrei gehen konnten. Bei einigen hatte es Komplikationen gegeben – die sind bei mir bisher ausgeblieben.

Die Operations-Wunden sind sehr gut verheilt, die Kontroll-Röntgenaufnahmen zeigen, dass alles im richtigen Fleck ist und so, wie es sein sollte. Inzwischen kann ich schon gut ohne Stützen gehen; nur wenn ich länger und/oder mit Öffis unterwegs bin nehme ich sie manchmal noch mit. Und manchmal, wenn ich sie irgendwo abgestellt habe, vergesse ich, dass ich sie dabei habe, und muss zurückgehen, um sie zu holen. Das ist, finde ich, ein gutes Zeichen.

Mein Bewegungsradius beschränkte sich in den ersten Wochen nach der OP auf Haus, Garten und die Fahrten zu Ärzten und zur Physiotherapie. Allmählich erobere ich aber mein altes Leben zurück. Ich habe die Enkelkinder in Hamburg besucht und meine Tochter – inklusiver ihrer Ausstellung – in Bad Harzburg.

In Hannover war sogar schon mehrmals alleine – beispielsweise in der Bibliothek und in den Herrenhäuser Gärten.

Auch den ersten Kurztripp mit dem Wohnmobil haben wir in der vergangenen Woche unternommen. Wir waren auf unserem „Stammplatz“ in Cuxhaven-Döse. Zum einen ist das der Ort an der Nordsee, der von uns am schnellsten zu erreichen ist. Und zum anderen liegt der Stellplatz direkt hinterm Deich. Nirgendwo kann ich mich besser erholen und entspannen als am Wasser. Wenn ich hier das Meer sehen will, muss ich nur den Radweg überqueren und eine Treppe hoch auf den Deich gehen. Zwar ist das Meer meist nicht da, wenn ich komme, aber das stört mich nicht

Für meinen Fuß war der Kurzurlaub eine Kurzkur. Denn Schlickpackungen gab es bei meinen Strandspaziergängen gratis. Die im Schlick enthaltenen Spurenelemente und Mineralstoffe wie Calcium, Kalium, Magnesium und Phosphor sollen laut Website des Heilbäderverbands Niedersachsen entzündungshemmend wirken, die Durchblutung fördern und Gelenkentzündungen, Prellungen und Verstauchungen lindern. Außerdem stärkt das Gehen auf dem unebenen Wattboden den Fuß und den gesamten Bewegungsablauf.

Bis nach Neuwerk habe ich es diesmal noch nicht geschafft – bis zu der kleinen Insel im Wattenmeer sind es von Duhnen aus etwa zehn Kilometer. Aber irgendwann schaffe ich auch das wieder – frau muss sich eben Ziele setzen.

HHG again: Staudengrund und Subtropenhof

Vorletzte Woche war ich zum ersten Mal seit drei Monaten wieder in den Herrenhäuser Gärten, Anfang der Woche dann zum zweiten Mal. Beim ersten Besuch habe ich mich auf den Subtropenhof beschränkt, weil ich den ganzen Tag in der Stadt unterwegs war und meinen Fuß nicht allzu sehr belasten wollte. Beim zweiten Besuch bin ich dann auch in den Staudengrund gegangen.

Subtropenhof und Staudengrund gehören meiner Meinung nach zu den schönsten Plätzen in den Herrenhäuser Gärten. Doch viele Besucherinnen kennen den Subtropenhof nicht. Dass er sich ganz am Rand des Berggartens hinter hohen Backsteinmauern versteckt, ist vielleicht nicht der einzige Grund.  Von Oktober bis April sind in dem etwa 300 Quadratmeter großen Hof keine Pflanzen, sondern „nur“ Garten- und Naturfotos zu sehen. Zwar sind die prämierten Fotos des Wettbewerbs „International Garden Photographer of the Year“ durchaus sehenswert, doch so mancher Pflanzenfreund, der echte Pflanzen erwartet, ist vielleicht enttäuscht – und kommt nicht wieder.

Erst Mitte Mai, wenn die Eisheiligen durchs Land gezogen sind und keine Nachtfröste mehr drohen, blüht der Subtropenhof auf. Denn obwohl die schützenden Mauern den Wind abhalten, die Wärme der Sonne speichern und für ein besonderes Kleinklima sorgen, dürfen die empfindlichen Kübelpflanzen erst dann aus ihren Winterquartieren nach draußen ziehen – und verwandeln den Hof in ein kleines (Sub)Tropenparadies.

Ich liebe es, zwischen den blühenden Pflanzen zu sitzen, zu lesen, zu schreiben oder einfach die Seele baumeln zu lassen. Der Clerodendrum ugandense direkt neben mir macht seinem deutschen Namen Schmetterlingslosbaum oder Blauflügelchen alle Ehre. Die Blüten sehen wirklich aus wie kleine blaue Schmetterlinge.

Die aus Uganda stammende Pflanze würde sicher auch gut auf unsere Terrasse passen. Aber ich habe mir vorgenommen, künftig nur noch heimische Pflanzen ins Haus und in den Garten zu holen. Außerdem befürchte ich, dass es den Blauflügelchen im Winter in unserem ungeheizten Wintergarten zu kalt wird. Denn sie brauchen im Winterquartier nicht nur viel Licht, sondern auch Temperaturen um die 10 Grad.

Die Blauflügelchen blühen den ganzen Sommer lang. Weit weniger ausdauernd sind die großen roten Blüten der Scadoxus multiflorus, auf Deutsch Blutblume oder Feuerball-Lilie. Sie haben mich beim ersten Besuch an die traditionellen Bollenhüte aus dem Schwarzwald erinnert, eine Woche später waren sie schon verblüht, Farbe und schönheit dahin. Aber an blühendem Ersatz mangelt es nicht – und an der Mauer entdecke ich sogar eine Verwandte der Zaunwinden, die mir in meinem Garten das Leben so schwermachen – vermutlich eine Prunk- oder Trichterwinde.

Ja, der Subtropenhof wäre im Sommer mein Lieblingsplatz, wenn, ja wenn nicht das Wasser fehlte. Ich liebe es, aufs Wasser zu schauen – natürlich am liebsten aufs Meer, auf einen See oder einen Fluss. Aber ein Teich oder ein Bach tut’s zur Not auch. Die gibt es im Staudengrund: ein künstlicher Bach durchfließt den etwa 20.000 Quadratmeter großen Gartenbereich und speist es mehrere kleine Teiche, an deren Ufer ich gerne sitze. Neben naturnahen Stauden, die dem Gartenbereich ihren Namen geben, stehen hier zahlreiche alte Bäume, darunter eine mehr als 200 Jahre alte Gurkenmagnolie und mein Lieblingsbaum in den Herrenhäuser Gärten, die Süntelbuche.

Ewas enttäuscht war ich von der Fortsetzung der Ausstellung „Gartenkunst aus Meisterhand“. Bei meinem ersten Besuch im März informierten Schautafeln zwischen Palmen, Zitrusbäumchen und anderen subtropischen Pflanzen über die Geschichte der Herrenhäuser Gärten im Allgemeinen und über die Orangeriekultur im Besonderen . Die Schautafeln sind geblieben, die Pflanzen sind nach draußen gezogen. Sie säumen beispielsweise den Schmuckhof oder stehen im Subtropenhof. Man kann eben nicht alles haben …

Natur-Momente – Fotoausstellung von Nele Schmidtko

Im Herbst 2023 hatte meine Tochter ihre erste Fotoausstellung im Unternehmerinnenzentrum in Hannover; vergangene Woche wurde ihre zweite eigene Ausstellung in Bad Harzburg eröffnet. Etwa dreißig Natur- und Landschaftsfotos sind noch bis Ende Oktober im Haus der Kirche zu sehen.

Wann Nele mit dem Fotografieren begonnen hat, weiß ich nicht mehr. Auf dem ersten Foto, das sie mit Kamera – damals noch mit Papas Nikon – zeigt, ist sie höchstens drei oder vier Jahre alt; als Schülerin bekam sie dann eine eigene Kamera. Auch für Vögel hat sich schon als Kind interessiert. Als ich neulich aufgeräumt habe, habe ich ein Bild von einem Goldregenpfeifer gefunden, das sie mit sieben oder acht Jahren gemalt hat. Ich hatte damals noch nie von diesem Vogel gehört – und hatte keine Ahnung, wie er aussieht.

Wenn wir heute gemeinsam wandern, zeigt Nele mir oft Vögel, die ich noch nie gesehen habe. Baumläufer beispielsweise, Schwanzmeisen, Neuntöter oder auch die Papageientaucher. Letztere sehen wirklich urig aus, sie erinnern mich ein bisschen an kleine Pinguine. Sie beim Anflug auf ihre Nester in den Felsen auf der Vogelinsel Runde zu beobachten, war wirklich ein Erlebnis, sie dabei zu fotografieren ist eine Kunst. Ich persönlich habe jetzt allerdings zu den Papageientauchern ein eher gespaltenes Verhältnis, weil ich unmittelbar nachdem ich die flinken Vögel in Aktion gesehen hatte, gestürzt bin und mir das Sprunggelenk gebrochen habe. Manchmal kommt es eben anders … (https://timetoflyblog.com/manchmal-kommt-es-anders).

Vögel gehören zu Neles Lieblingsmotiven. Um sie zu fotografieren, verharrt sie oft stundenlang reglos an einer Stelle, bis Eisvogel, Rabenkrähe, Papageientaucher und Co ihr nahe genug sind – und sie im richtigen Moment auf den Auslöser drücken kann. Wie gut sie dies beherrscht, ahnt man, wenn man in der Ausstellung den Vögeln Auge in Auge gegenübersteht.

Noch besser als die Vogelfotos gefallen mir Neles Landschafts- und Detailaufnahmen, die  die besondere Stimmung und den Zauber des Augenblicks einfangen. Die meisten der in der Ausstellung gezeigten Fotos wurden in Norwegen, Neles Lieblingsreiseland, aufgenommen: die tanzenden Polarlichter beispielsweise oder die drei Gipfel im Licht der Polarnacht, die Sinfonie in Blau oder die Boote am Ufer des Fjords, die aussehen wie gemalt.

Zugegeben: Ich bin als Mutter parteiisch. Aber die „Natur-Momente“ ziehen viele BesucherInnen in ihren Bann. „Ihre Fotos sind absolut sehenswert. Nele Schmidtko versteht es, Landschaften und Tiere so zu fotografieren, dass der Betrachter stehen bleibt, um alle Details zu entdecken“, schrieb Michael Eggers nach der Vernissage in der Goslarschen Zeitung.

Die Ausstellung im Haus der Kirche in der Lutherstraße 7 in Bad Harzburg ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr geöffnet,derEintritt ist frei. Alle Ausstellungsfotos können auch in anderen Formaten und in unterschiedlichen Ausführungen – z. B. Leinwand, Acrylglas, Fine Art Print – bestellt werden. Die Auflage der meisten Motive ist auf maximal 15 Exemplare limitiert. Mehr Infos und mehr Motive gibt es auf der Website www.foerodens.com.

Einnehmende Wesen

Vor ein paar Jahren ist eine Bekannte von der Mosel hier aufgetaucht, mit der ich nicht gerechnet habe. Denn eigentlich bevorzugen Zaunwinden, an der Mosel Bändchen genannt, lehmige, stickstoffreiche Böden. Doch auch in unserem Garten fühlen sie sich offenbar wohl, obwohl ich die Beete nie dünge.

Weil ich wegen der Fraktur meines Sprunggelenks seit Anfang Mai nur wenig im Garten arbeiten konnte, haben sich die Zaunwinden in diesem Jahr hemmungslos ausgebreitet. Vor einigen Tagen sind sie sogar in unseren Wintergarten eingedrungen – und haben damit eine Grenze überschritten.

Eigentlich habe ich nichts gegen Zaunwinden. Im Gegenteil. Ich finde die trichterförmigen weißen Blüten, die den Glockenblumen ähneln, sehr hübsch. Als Kinder haben wir die Blüten abgepflückt und daraus kleine Glocken gemacht. Dabei musste man sehr vorsichtig sein, sonst riss der Stempel, der Kelch und Blütenstiel verbindet – und die Glocke fiel ab.

Auch weil Zaunwinden (Calystegia sepium) zu den heimischen Pflanzen gehören und ökologisch wertvoll sind, habe ich sie bislang in unserem Garten geduldet. Denn viele Insekten, darunter die Nachtfalter Windenschwärmer und einige Wildbienenarten, ernähren sich laut NDR Ratgeber Garten von Pollen und Nektar der Winden.

Den Pflanzen in ihrer Nachbarschaft bereiten die schnell wachsenden Zaunwinden dagegen oft Probleme. Die Lianen kriechen nämlich meterweit über den Boden, um dann an allem hochzuklettern, was sich ihnen in den Weg stellt: an Blumen ebenso wie an dem stacheligen Feuerdorn, am Kirschbaum oder auch an meiner Hexe. Ihr können sie nichts anhaben, wohl aber den Pflanzen, die sie umschlingen: Mit ihren herzförmigen, dunkelgrünen Blättern und den bis zu zwei Meter tief in die Erde reichenden Wurzeln nehmen sie ihnen Licht, Wasser und Nährstoffe, können sie dadurch in ihrer Entwicklung hemmen oder sogar ersticken.

Und so habe ich den Winden jetzt den Kampf angesagt. In den vergangenen Tagen habe ich unzählige Lianen aus dem Boden gerissen – und dabei so manche Blume mit ausgerissen. Denn nicht immer lassen sich die Zaunwinden von ihren lebenden Rankhilfen lösen.

Um ihre Futterquelle müssen Windenschwärmer und Spiralhornbienen trotzdem nicht bangen. Denn selbst aus kleinen Wurzelresten können wieder neue Pflanzen wachsen. Außerdem werden die Samen durch den Wind verbreitet. Die Chance, dass es mir je gelingt, die Zaunwinden wieder ganz aus unserem Garten zu vertreiben, ist also gering.

Schreib-Challenge im August: Ich bin dabei

Am Sonntagmorgen habe ich Astrid Engels Blogbeitrag über ihre Schreib-Challenge im August gelesen – und spontan entschieden, mitzumachen, obwohl die ersten beiden Tage des Monats schon vorbei waren. Aber besser spät als nie.

Mir geht es nämlich ähnlich wie Astrid Engel. Seit ich nicht mehr beruflich schreibe, fehlt mir die (tägliche) Übung, die ja bekanntlich – beim Schreiben wie bei vielen anderen Dingen – die Meisterin macht. Obwohl ich als Rentnerin genug Zeit zum Schreiben hätte und ich mir immer wieder vornehme, es zu tun, kann ich mich oft nicht dazu aufraffen. Und so dümpeln all meine Schreibprojekte mehr oder weniger vor sich hin. Selbst das Ziel, einen Blogbeitrag pro Woche zu schreiben, erreiche ich nicht jede Woche – auch in der gerade vergangenen nicht.  

Jeden Tag ein Text

Vielleicht komme ich auch deshalb mit keinem meiner Schreibprojekte voran, weil ich mich nicht so recht entscheiden kann, an welchem ich (zuerst oder überwiegend) arbeiten möchte: Soll ich Essays schreiben, weiter an dem Roman, den ich schon vor einigen Jahren angefangen und immer noch nicht beendet habe, oder soll ich endlich ein Buch mit verschiedenen Blogbeiträgen und Shortshortstorys herausgeben.

Bei Astrid Engels Challenge geht es darum, jeden Tag einen Text zu schreiben, ganz egal welchen. Ohne Druck, ohne festen Plan. Vielleicht wird auf diese Weise Schreiben wieder zur täglichen Gewohnheit.

Neue Gewohnheiten brauchen Zeit

Nun reichen 30 oder 31 Tage meist nicht aus, neue Gewohnheiten zu etablieren. Das dauert laut AOK im Durchschnitt 66 Tage; nach einer Studie der Universität Princeton kann es sogar „im Durchschnitt bis zu sechs Monate dauern …, um eine neue Routine zu etablieren“, schreibt die Welt. Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle, unter anderem die Persönlichkeit, das Umfeld und die Gewohnheit, die etabliert werden soll. Aber wenn ich durchhalte ist Anfang August ein Anfang gemacht .

Ziel muss erreichbar sein

Wichtig ist, dass das gesetzte Ziel konkret und erreichbar ist – sind die Anforderugen zu hoch, ist die Gefahr, nicht durchzuhalten, besonders groß. Ich nehme mir also vor, im August täglich mindestens eine halbe Stunde an meinen Schreibprojekten zu arbeiten. Ich will möglichst oft gemeinsam mit anderen schreiben – z. B bei der Schreibzeit am Morgen mit Sabine E. Rasch oder bei den Schreibdates am Mittwochabend mit Denise Fritsch. Denn das gemeinsame Schreiben inspiriert und motoviert mich.

Arbeitsjournal

Außerdem werde ich wieder ein Arbeitsjournal führen: In ihm will ich nicht nur Ideen zu den einzelnen Schreibprojekten notieren, sondern auch, was und wann ich geschrieben habe. Vielleicht erkenne ich auf diese Weise ein Muster, das mir hilft, eine Schreibroutine zu etablieren, die mir das tägliche Schreiben erleichtert.

„Don’t break the chain“

Und noch eine Anregung habe ich aus Astrid Engels Blogbeitrag übernommen. Jeder Tag, an dem ich geschrieben oder etwas in mein Arbeitsjournal eingetragen habe, bekommt einen roten Punkt in meinem Kalender. „Nach ein paar Tagen willst du die Kette nicht mehr reißen lassen“, schreibt sie in ihrem Blogbeitrag. Ich hoffe, dass „Don’t break the chain“ auch bei mir funktioniert.

Eins, zwei, fünf ganz viele

Die meisten unserer Zimmerpflanzen sind zurzeit in der Sommerfrische auf der Terrasse. Nur einige müssen drinnen bleiben: Manche, zum Beispiel die Yuccapalme oder die Strelitzie, sind einfach zu groß und zu schwer um sie nach draußen zu bringen, andere vertragen die Sonne nicht. Die Monsteras beispielsweise: Die stammen zwar aus den Wäldern Mittel- und Südamerikas, wo es eher heißer ist als hierzulande. Aber die Bäume, an denen sie sich gerne hochranken, schützen sie offenbar vor der prallen Sonne.

Ich gebe zu: Bis heute Morgen habe ich drei meiner Monsteras für Philodendren gehalten (https://timetoflyblog.com/nahe-verwandte). Erst bei der Recherche für diesen Beitrag habe ich meinen Fehler bemerkt. Immerhin gehören Monsteras und Philodendren zur selben Familie, zu den Aronstabgewächsen (Araceae) – und teilen ihre Vorliebe für Bäume.

Einen Baum als Wirt kann ich ihnen nicht bieten, wohl aber einige Standorte im Haus ohne direkte Sonneneinstrahlung. Die gefallen ihnen offenbar gut: Die drei kleinen Ableger, die ich vor drei Jahren gerettet habe, als ihre Mutter den Sommer draußen nicht überlebte, sind zu stattlichen Monsteras herangewachsen. Eine bereitete mir jedoch wegen ihrer deformierten Blätter Sorgen. Jetzt habe ich ihr und ihren beiden Schwestern größere Töpfe spendiert – und hoffe, dass mehr Platz und mehr Erde ihnen gut bekommt.

Die vierte Monstera sieht ganz anders aus als ihre Cousinen: Die Blätter der Monkey Leaf sind dunkler und deutlich kleiner als die der Monstera deliciosa und geschlossen. Weil die Monkey Leaf unser Treppengeländer offenbar mit einem Baum verwechselt und es wie eine Liane umschlungen hat, muss sie sich mit einer Portion frischer Blumenerde begnügen. Denn ich wage nicht, die Ranken vom Geländer zu lösen.

Als ich die Sansevieria umgetopft und sie auf drei Blumentöpfe verteilt habe, musste ich daran denken, wie sie in unser Haus gekommen ist. Sie hat meine Mutter bei ihrem Umzug von der Mosel in ein Altenheim in Norddeutschland begleitet (https://timetoflyblog.com/same-procedure-every-herbst). Damals habe ich die Pflanze aus ihrem winzigen Topf befreit und sie gefünfteilt: Zwei Töpfe hat meine Mutter mit in ihr neues Zuhause genommen, einer ist zu meiner Freundin nach Süddeutschland gekommen, einer zu meiner Tochter in den Harz. Die fünfte Sansevieria habe ich behalten.

Mir gefällt der Gedanke, dass aus der Pflanze meiner Mutter inzwischen ganz viele geworden sind. Ein Ableger des Ablegers, der jetzt bei einer Freundin meiner Tochter in Süddeutschland steht, blüht sogar gelegentlich.

Ein Ableger, den einem Schulfreund meines Mannes mir im April geschenkt hat, brauchte ebenfalls schon ein größeres Zuhause. Dabei war ich am Anfang skeptisch, ob die Dendrobium Kingianum den Sommer auf der Terrasse überleben würde. Denn auch viele Orchideen mögen keine pralle Sonne. Doch der Schulfreund hatte recht: Die rosa Felsenorchidee ist unempfindlicher als die Orchidee, die ich von meiner Mutter geerbt  habe, und kann auch draußen übersommern.

Blühen wird sie wohl erst im Winter – von Dezember bis März. Weil sie laut Website Orchideen-Pflege im Herbst/Winter einige Wochen kühle Temperaturen um die zehn Grad braucht, um zu blühen, wird sie im Herbst in den Wintergarten umziehen – und dort überwintern. Denn auch Temperaturen nahe null machen ihr offenbar nichts aus. Und vielleicht gelingt es mir ja sogar, neue Felsenorchideen zu züchten. Das geschieht nämlich einfach durch Risslinge, die in einen Topf mit etwas Erde gesteckt werden. Dann wandern möglicherweise im nächsten Jahr auch Ableger der Felsenorchidee in den Harz und nach Süddeutschland.

Beim Schreiben nicht allein: Warum ich gerne mit anderen schreibe

Ich habe als freie Journalistin und Autorin jahrzehntelang im Homeoffice gearbeitet – schon, als es dieses Wort noch gar nicht gab. Geschrieben habe ich (fast) immer allein. Wie gut es tut, (manchmal) gemeinsam mit anderen zu schreiben, habe ich erst vor einigen Jahren bei einem Schreibwochenende in Wien entdeckt. Ich habe die Idee dann nach Hannover exportiert und dort einen (Frauen)Schreibtreff initiiert. Seit mehr als fünf Jahren treffen wir uns am ersten Sonntag im Monat, um einen Nachmittag lang gemeinsam – jede an ihren eigenen Texten – zu schreiben.

Inzwischen nutze ich neben dem Schreibtreff auch andere Möglichkeiten zum Cowriting: So logge ich mich, wann immer ich Zeit habe, dienstags bis freitags bei der von der Textmanufaktur angebotenen Schreibzeit am Morgen ein oder am späten Mittwochnachmittag beim Schreibdate von Denise Fritsch. Manchmal verabrede ich mich mit meiner Schreibpartnerin zum gemeinsamen Schreiben – mal treffen wir uns online, mal ganz analog irgendwo in Hannover. Und dann gibt es ja auch noch das Cowriting mittwochs im AutorInnenzentrum.

Gemeinsam Schreiben im AutorInnenzentrum in Hannover

Mein eigenes Schreibzimmer möchte ich auf gar keinen Fall missen. Und nach wie vor schreibe ich meist allein. Aber es gibt (für mich) eben auch gute Gründe, mich (regelmäßig) mit anderen zum Schreiben zu verabreden. Hier die fünf wichtigsten.

1. Schreibverabredungen schaffen Verbindlichkeit

Zeit zu schreiben hätte ich als Rentnerin eigentlich genug. Aber seit Schreiben für mich „nur noch“ Hobby ist, ich keine Abgabetermine mehr einhalten und mit Schreiben kein Geld mehr verdienen muss, nehme ich mir diese Zeit zu selten. Der Wunsch und der gute Willen sind da, aber dann gibt es im Alltag allzuoft Dinge, die zuerst erledigt werden wollen. Mal wartet die Wäsche, das Badezimmer muss mal wieder geputzt, eine Mail geschrieben oder das Unkraut im Garten gejätet werden.

Wenn ich mich mit anderen zum Schreiben verabrede, halte ich diese Verabredung in der Regel ein und sage sie nur ab, wenn es einen wirklich triftigen Grund gibt. Ich nehme mir dann also nicht nur vor, zu schreiben, sondern ich tue es auch – und komme dann mit meinen Texten oder Projekten auch meist voran.

2. Keine Ablenkung durch Alltagsdinge

Scheinbar wichtige Dinge (siehe oben) verhindern nicht nur, dass ich anfange zu schreiben, ich lasse mich von ihnen auch allzugerne unterbrechen. Wenn ich mich mit anderen irgendwo an einem anderen Ort zum Schreiben treffe, bleiben viele alltäglichen Ablenkungen zu Hause. Aber auch bei Online-Schreibtreffs am heimischen Computer hält mich die Anwesenheit der Mitschreiberinnen im virtuellen Raum davon ab, andere Dinge zu tun. Meist lasse ich meine Kamera während der Schreibzeit an, damit alle sehen können, dass ich brav an meinem Platz bleibe und schreibe. Und manchmal klicke ich selbst auf die Videobilder der MitschreiberInnen. Denn es motiviert mich, wenn ich ihnen einen Moment beim Schreiben oder Nachdenken zusehen kann.  

3. Gemeinsames Schreiben inspiriert

Die besondere Atmosphäre, die beim gemeinsamen Schreiben entsteht, hat Judith Wolfsberger in ihrem Buch „Schafft euch Schreibräume“* sehr gut beschrieben. „In diesem gemeinsamen Schreibraum wird frau getragen von der kreativen Energie der Gruppe, dem Klappern der Tastaturen und Teetassen, dem Blättern, Kritzeln, Atmen, dem Kaffeegeruch. Die anderen schreibenden Körper, aktiven Köpfe, kreativen Seelen im Raum schaffen eine Anwesenheit, Gemeinsamkeit, die über so manche Ausflucht oder Selbstzweifel hinwegträgt. Dadurch stellt sich die innere Klarheit ein: jetzt bin ich hier in diesem Schreibraum, also schreibe ich“, schreibt sie auf Seite 209.

Die inspirierende Atmosphäre entsteht, so meine Erfahrung, auch im digitalen Raum – ohne die von Judith Wolfsberger beschriebenen Gerüche und Geräusche. Denn die Mikros sind während der Schreibzeit ausgeschaltet, damit alle wirklich ungestört schreiben können. Allein das Wissen, dass auch andere zur gleichen Zeit konzentriert schreiben, motiviert mich, erhöht meine Kreativität. Und meine innere Kritikerin traut sich meist gar nicht hervor, wenn sie die Anwesenheit und die geballte Kraft der vielen Schreibenden spürt.

4. Feste Abläufe sind hilfreich

SchreibexpertInnen sind sich einig: Feste Schreibzeiten und Schreibrituale helfen, in den Schreibmodus oder gar -flow zu kommen. Mir ist es bis jetzt noch nicht gelungen, in meinem Alltag eine eigene Schreibroutine und feste Schreibzeiten zu etablieren. Beim gemeinsamen Schreiben – ob digital oder analog – gibt es beides: feste Zeiten und bestimmte Abläufe, zum Beispiel eine kurze Mediation, Schreibimpulse oder ein Austausch über die Schreibziele am Anfang, eine ebenso kurze Reflexion am Schluss. Mir hilft’s.

5. Es macht Spaß, gemeinsam mit anderen zu schreiben

Ob singen, laufen, wandern oder malen: Vieles unternehmen wir gemeinsam mit anderen. Nur beim Schreiben bleiben wir meist allein – vielleicht weil viele beim Schreiben Ruhe brauchen. Oder weil das Bild vom Schriftsteller, der allein an seinem Schreibtisch sitzt, in den Köpfen vieler Schreibender spukt.

Dass Frauen ein eigenes Zimmer brauchen, um erfolgreich schreiben zu können, hat Virginia Woolf in ihrem berühmten Essay vor fast 100 Jahren geschrieben. Aber Schreiben war für sie auch eine gemeinschaftliche Sache. „Sie war Teil der von ihr und ihrer Schwester Vanessa Bell initiierten Bloomsbury Group. Ihr Leben lang genoss sie intensiven Austausch mit ihrer community, das gegenseitiges Feedback und tausende lange Briefe, die sich gegenseitig schrieben“, schreibt Judith Wolfsberger auf ihrer Website Virginias Vision.

PS 1: Es sind übrigens meist Frauen, die gemeinsam mit anderen schreiben möchten. Der Frauenschreibtreff im AutorInnenzentrum hat einmal als offener Schreibtreff begonnen – und wurde irgendwann zum Frauenschreibtreff, weil schreibende Männer kein Interesse am gemeinsamen Schreiben hatten. Und auch bei den Online-Schreibtreffen sind die meisten TeilnehmerInnen weiblich. 

PS 2: Dieser Blogbeitrag ist zum größten Teil in der Schreibzeit am Morgen mit Sabine E. Rasch und während des Schreibdates mit Denise Fritsch entstanden.

PS 3: Mit diesem Blogbeitrag habe ich Judith Peters Blog-Empfehlung für die Kalenderwoche 29/2025 aufgegriffen. Sie schlägt vor, darüber zu schreiben, warum ich irgendetwas – z. B. Bloggen, Radfahren, Schwimmen oder Gärtnern – besonders liebe

Allerdings widerstrebt es mir, das Wort „lieben“ in diesem Zusammenhang zu verwenden. Denn hier halte ich es mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der auf die Frage, ob er den Staat denn nicht liebe, geantwortet haben soll: „Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau; fertig!“ (Zitiert von Hermann Schreiber in DER SPIEGEL, 13. Januar 1969 ). Ich finde, Gustav Heinemann hatte recht.

Judith Wolfsberger: Schafft euch Schreibräume! Weibliches Schreiben auf den Spuren Virginia Woolfs. Ein Memoir. Gebundene Ausgabe, Brill Österreich Ges.m.b.H.; 1. Edition (5. März 2018), 29 Euro

*Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung

2025 einhalb

Die erste Hälfte des Jahres ist vorbei, die zweite hat vor ein paar Tagen, am 2. Juli, begonnen. Zeit also für eine Art Halbzeitbilanz.

Same procedure as last year?! Auch in diesem Jahr waren meine guten Vorsätze fast die gleichen wie in den vergangenen Jahren. Und auch diesmal habe ich vieles, was ich mir vorgenommen habe, nicht durchgehalten. Aber vielleicht habe ich in diesem Jahr eine bessere Ausrede. Denn Anfang Mai hat mich mein Ausrutscher beim Wandern in Norwegen aus meinem alltäglichen Leben herauskatapultiert.

Ich habe mir bei dem Sturz zum Glück zwar nur das Fußgelenk gebrochen. Aber zumindest meine sportlichen Ziele sind dadurch in weite Ferne gerückt. Dabei war ich durchaus auf einem guten Weg: Ich bin bis Anfang Mai im Schnitt mehr als die angestrebten 10.000 Schritte täglich gegangen, die Yogaübungen am Morgen waren fester Bestandteil meines Morgenritual. Und ich hatte mir fest vorgenommen, mir nach meiner Rückkehr aus Norwegen eine Saisonkarte fürs Freibad kaufen. Doch dann durfte ich bis zum 1. Juli den Fuß gar nicht belasten. Und auch jetzt meine Mobilität noch stark eingeschränkt. Wenn ich auftrete, ohne die Belastung durch das Abstützen auf Krücken zu reduzieren, tut noch jeder Schritt (sehr) weh. Wahrscheinlich müssen sich Muskeln, Sehnen und Co erst daran gewöhnen, dass sie den begrenzten Platz in meinem Fuß jetzt mit mehreren Schrauben und anderen Metallteilen teilen müssen.

Auch ans Wandern und Reisen war seit dem Sturz nicht zu denken, ja selbst nach Hannover schaffe ich es mit Öffis derzeit noch nicht. Mein Deutschlandticket konnte ich ebenso wenig nutzen wie meine Museumscard und meine Dauerkarte für die Herrenhäuser Gärten. Den Besuch im Rosarium in Uetersen musste ich aufs nächste Jahr verschieben – und vielleicht findet ja auch das Nature Writing Festival in Hamburg 2026 wieder statt. 

Immerhin kann ich jetzt wieder problemlos ins Wohnmobil ein- und aussteigen – vielleicht können wir ja schon in den nächsten Wochen wieder einmal losziehen und zunächst einmal Orte ansteuern, wo ich Freundinnnen treffen oder einfach nur aufs Wasser schauen und meine Seesucht stillen kann.

Weil andere Aktivitäten nicht infrage kamen, hätte ich in den zurückliegenden zwei Monaten ja eigentlich viel Zeit zum Schreiben und Zeichnen gehabt. Aber ich habe völlig unterschätzt, wie eng bei mir Kreativität und Bewegung zusammenhängen: Früher sind viele meiner Artikel und Texte beim Laufen entstanden, seit ich wegen meiner Knie nicht mehr laufen kann, kommen mir beim Gehen viele gute Geh-danken.  

Neu ist die Erkenntnis, dass Bewegung das Denken fördert, nicht: Schon der griechische Philosoph und Naturforscher Aristoteles unterrichtete im 4. Jahrhundert vor Christus seine Schüler im Gehen. Auch in späteren Jahrhunderten war und ist Gehen für viele Schriftsteller und Philosophen Teil ihres (Arbeits)Alltags oder gar sogar ein Schlüsselelement ihrer Kreativität. So behauptete der dänische Philosoph und Schriftsteller Søren Kierkegaard, er habe sich „seine besten Gedanken ergangen“. Und sein Kollege Friedrich Nietzsche traute angeblichnur einem Gedanken …, der mindestens zehn Kilometer gewandert“ ist. Vielleicht stellen sich also auch bei mir Schreibideen und Schreiblust wieder ein, wenn ich mich jetzt wieder mehr bewegen darf. Und noch liegen Jahresziele wie (durchschnittlich) ein Blogbeitrag die Woche nicht in unerreichbarer Ferne.

Auch auf das gemeinsame Schreiben beim Frauenschreibtreff im AutorInnenzentrum musste ich seit Anfang Mai verzichten – dafür nehme ich seit meiner Rückkehr aus Norwegen regelmäßig an der Schreibzeit am Morgen teil, die die Text-Manufaktur ihren Mitgliedern dienstags bis freitags von 8 bis 9 Uhr anbietet. Diese Online-Schreibtreffen will ich auf jeden Fall beibehalten. Vielleicht schaffe ich es ja dann, die beiden Schreibprojekte zu Ende zu bringen, die ganz oben auf der Liste meiner Jahresziele stehen.

Apropos Ziele. Im Oktober 2023 hatte ich – von Kerstin Salvador inspiriert – begonnen, Drei-Monats-Bucket-Listen zu führen. Wer nämlich für kürzere Zeiträume plant, verliert das Ziel nicht so schnell aus den Augen – und verschiebt Dinge im besten Fall nicht auf den nächsten oder übernächsten Monat oder auf den Sankt Nimmerleinstag. Meine ersten Erfahrungen mit den Quartalslisten waren gut – und ich will es in der zweiten Jahreshälfte auf jeden Fall noch einmal versuchen.

Top Ten aus zehn Jahren

Nach unseren liebsten Blogartikeln fragte Birgit Lorz in ihrer Blogparade – und nach den Gründen, warum du/oder Sie sie lesen sollten. Eigentlich wollte ich nur fünf Beiträge auswählen – doch beim Lesen haben sich dann noch ein paar andere aufgedrängt. Am Ende waren es dann zehn. Aber ich denke, das ist in Ordnungfür einen Blog, in dem ich seit zehn Jahren mehr oder weniger regelmäßig über das schreibe, was mich bewegt: über Bücher, Reisen, übers Schreiben und natürlich auch über mein Leben und über (gesellschafts)politische Ereignisse.  

Tag des Tagebuchs – in Memoriam Anne Frank

Ich liebe Bücher und ich lese viel. Aber kaum ein Buch hat mein Lesen, mein Schreiben und damit auch mein Leben so beeinflusst wie das Tagebuch der Anne Frank. Kurz nachdem ich es vor mehr als einem halben Jahrhundert zum ersten Mal gelesen hatte, fing ich an, selbst (Tagebuch) zu schreiben – und habe nie wieder damit aufgehört. Die Ausgabe, die ich mir Anfang der 70er-Jahre gekauft habe, steht noch heute in meinem Bücherregal – neben mehreren neueren Ausgaben und einem Graphic Diary. Und sie ist mir noch die liebste, auch wenn die Blätter inzwischen vergilbt und teilweise brüchig sind. Den Blogbeitrag habe ich am 12. Juni 2021 am Tag des Tagebuchs veröffentlicht, an Annes 92. Geburtstag.

Die Stadt der Tagebücher

Ich bin nicht nur eine notorische Tagebuchschreiberin, sondern ich lese auch gerne Tagebücher, die andere geschrieben haben. Seit ich Barbara Bronnens Buch „Die Stadt der Tagebücher. Vom Festhalten des Lebens durch das Schreiben“ gelesen habe, stand Pieve Santo Stefano auf meiner To-visit-Liste. Dort hat der italienische Journalist Saverio Tutino Anfang der 80er-Jahre das nationale Tagebucharchiv (Archivio Diaristico Nazionale) initiiert, in dem inzwischen mehrere tausend Tagebücher und andere zeitgeschichtliche Dokumente aufbewahrt werden. Im Frühjahr 2023 war ich endlich in der kleinen Stadt am Rande der Toskana, die im Zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten fast völlig zerstört wurde.

In Memoriam: Orlando Orlandi Posti

Bei meinem Besuch im Tagebuchmuseum, dem piccolo museo del diario, in Pieve Santo Stefano habe ich von Orlando Orlandi Postis Schicksal erfahren.  Der 17-Jährige wurde Anfang Februar 1944 von der SS verhaftet, als er seine Freunde vor einer geplanten Razzia der deutschen Besatzer warnen wollte. Während seiner fast zwei monatigen Gefangenschaft gelang es ihm, Briefe an seine Mutter zu schreiben und aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Am 24. März 1944 wurden er und 334 andere Menschen in den Fosse Ardeatine von deutschen Soldaten ermordet. Das Buch mit Orlando Orlandi Postis Briefen und Tagebuchnotizen aus dem Gefängnis gibt es nur auf Italienisch – und meine Italienischkenntnisse reichen leider nicht aus, es zu lesen. Aber in meinem Blogbeitrag wollte ich an ihn und an das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen erinnern, von dem die meisten Menschen in Deutschland wenig oder gar nichts wissen.

Ruth Maier: Das Leben könnte gut sein

Ruth Maier wurde nur 22 Jahre alt. Mit 18 floh sie vor den Nazis aus Wien ins scheinbar sichere Norwegen. Dort wurde sie am Morgen des 26. November 1942 bei einer Razzia in ihrem Wohnheim verhaftet, mit 531 jüdischen Frauen, Männern und Kindern nach Auschwitz deportiert und ermordet. Zehn Jahre lang schrieb Ruth Maier Tagebuch ­– über die Judenverfolgung und die Reichspogromnacht in ihrer Heimat Österreich ebenso wie über ihr Leben als Emigrantin in Norwegen. Ihre Tagebücher erinnern daran, wie wichtig es ist, Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, Schutz zu gewähren.

Nie wieder ist jetzt

Am 9. November 2023, am 85. Jahrestag der Pogromnacht von 1938, stand ich mit knapp drei Dutzend meist älteren Frauen und Männern vor dem Holocaust Mahnmal auf dem Opernplatz in Hannover. Wir wollten ein Zeichen setzen – gegen den wachsenden Antisemitismus im Land und an die Opfer von Rassenhass und Antisemitismus erinnern – nicht nur in Nazi-Deutschland.

Auch in meinem Heimatort wurden in der Pogromnacht die Synagoge und die Wohnungen von Jüdinnen und Juden verwüstet. Auch meine drei Onkel, damals 19, 17 und 13 Jahre alt, machten mit. Zumindest der jüngste hatte eigentlich keine Chance, kein Nazi zu werden. Er war erst sieben, als Hitler an die Macht kam und die Indoktrination in der Schule, in Hitlerjugend und sicher auch in der Familie begann. Mit 18 starb er in der Normandie, kurz nach der Landung der Alliierten.

Heute sind in Deutschland Judenwitze, abfällige Bemerkungen, körperliche Angriffe oder Attentate auf jüdische Menschen und Einrichtungen leider wieder Alltag – und die Mehrheit schweigt, wie damals. Doch es ist Zeit, aufzustehen. Nie wieder ist jetzt.  

Kleiner Satz mit großen Folgen

An Elisabeth Selbert habe ich mit dem Blogbeitrag vom 23. Mai 2024, am 75- Jubiläum des Grundgesetzes, erinnert. Die Sozialdemokratin war eine von nur vier Müttern des Grundgesetzes. Vor allem ihr ist es zu verdanken, dass der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz aufgenommen wurde – und das Leben nicht nur der Frauen veränderte.

Mit der Gleichberechtigung der Frauen hatten die meisten (männlichen) Mitglieder des Parlamentarischen Rats, der als verfassungsgebende Versammlung seit Herbst 1948 das Grundgesetz erarbeitete, wenig im Sinn. Elisabeth Selbert kämpfte dafür, dass Frauen nicht in staatsbürgerlichen Dingen, sondern auf allen Rechtsgebieten den Männern gleichgestellt wurden. Weil auf ihre Initiative eine Übergangsregelung im Grundgesetz festgeschrieben worden war, setzte das Bundesverfassungsgericht Ende 1953 die Gesetze außer Kraft, die dem Gleichberechtigungsgrundsatz nicht entsprachen. Erst am 1. Juli 1958 beendete das „Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts“ viele rechtliche Benachteiligungen von Frauen. Danke Elisabeth Selbert.

Wahl- und andere Frauenrechte

Im Februar 2016 habe ich über den Film „Suffragette – Taten statt Worte“ geschrieben und darüber, wie es auch in Deutschland noch in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhundert um die Rechte der Frauen bestellt war.  Bis 1958 durften Frauen nämlich ohne Zustimmung ihres Mannes nicht erwerbstätig sein. Der Mann entschied in allen Eheangelegenheiten; er bestimmte über die Kinder, das Geld und sogar über das Vermögen, das die Frau mit in die Ehe gebracht hatte. In einer Zeit, in der Tradewives Trend sind und junge Frauen wieder von der traditionellen Rollenverteilung träumen, ist es höchste Zeit, daran zu erinnern, wie rechtlos Frauen in den 50er Jahren waren.

Wenn Männer Frauen die Welt erklären

(Fast) alle Frauen haben es schon erlebt. Sie tun etwas – und werden ungefragt von einem Mann belehrt, wie es anders und natürlich besser geht. „Mansplaining“ heißt das Phänomen,  das sich aus den Worten Man (Mann) und explaining (erklären) zusammensetzt. Die amerikanische Schriftstellerin Rebecca Solnit hat das Wort zwar nicht erfunden, aber das Phänomen in ihrem Essay „Men Explain Things to Me“ – „Wenn Männer mir die Welt erklären“ eindrucksvoll beschrieben. Der Essay verbreitete sich rasant – und wurde erstmals 2014 auf Deutsch im gleichnamigen Buch veröffentlicht, das sechs weitere Essays von Rebecca Solnit enhält.

Aus Wien nach Hannover

Virginia Woolfs Aussage, dass Frauen ein eigenes Zimmer und ein eigenes Einkommen brauchen, um erfolgreich schreiben zu können, kennt wahrscheinlich jede schreibende Frau. Und auch ich möchte mein eigenes Zimmer natürlich nicht missen. Aber Alleinsein beim Schreiben tut vor allem Frauen offenbar nicht immer gut – ein Zimmer allein ist nicht genug. Wie inspirierend und motivierend es ist, gemeinsam mit anderen (Frauen) zu schreiben und sich auszutauschen, habe ich zum ersten Mal bei zwei Schreibtagen in Wien erlebt – und die Schreibtreff-Idee nach Hannover exportiert.

Seit 2020 schreiben interessierte Frauen einmal im Monat gemeinsam – jede an ihren eigenen Texten, ohne vorgegebenes Thema, ohne Anleitung. Anders als zu Hause lassen wir uns in dieser Schreibzeit nicht von Alltagsdingen ablenken, wir nehmen uns Zeit – für uns und unsere Schreiben. Und das ist für unsere Texte erfahrungsgemäß sehr ergiebig.

Neues Orchideenleben

Dieser Beitrag passt nicht so recht zu den anderen, die ich ausgewählt habe. Aber ich mag ihn,  so, wie ich die Orchidee mag, die vor fast sechs Jahren auf meiner Fensterbank ein neues Zuhause gefunden hat. Wie es dazu kam, verrate ich in diesem ziemlich privaten Blogpost, den einige LeserInnen berührend fanden, andere kitschig und sentimental. Aber manchmal darf es eben auch sentimental sein.

Ruth Maier: Das Leben könnte gut sein

Der 12. Juni ist der Tag des Tagebuchs. Denn am 12. Juni 1942, an ihrem 13. Geburtstag, schrieb Anne Frank zum ersten Mal in das Tagebuch, das sie weltberühmt machen sollte. Anne Franks Tagebuch begleitet mich seit mehr als 50 Jahren. Von den Tagebüchern Ruth Maiers habe ich im Mai bei meinem Besuch im Holocaust Zentrum in Oslo zum ersten Mal gehört – und sie jetzt gelesen.

Ruth Maier, im November 1920 in Wien geboren, begann bereits mit zwölf Jahren, im Mai 1933, Tagebuch zu schreiben.  Die letzten Einträge – mehrere literarische Versuche – verfasste sie am 12. November 1942, zwei Tage nach ihrem 22. Geburtstag. Ob sie danach ein neues Tagebuch begonnen hat, ist unbekannt. Denn Ruth Maier wurde bei einer Razzia am Morgen des 26. November in ihrem Wohnheim in Oslo verhaftet und anschließend mit 531 jüdischen Frauen, Männern und Kindern nach Auschwitz deportiert. Die meisten wurden als „nicht arbeitsfähig“ eingestuft und direkt nach ihrer Ankunft ermordet. Von den 186 arbeitsfähigen Männern überlebten nur neun das Vernichtungslager.

Fast zehn Jahre führte Ruth Maier Tagebuch. Acht Hefte aus den Jahren 1933 bis 1942 sind überliefert, andere sind verloren gegangen. Die norwegischen Tagebücher wurden – ebenso wie Briefe und Zeichnungen – von Ruths Freundin Gunvor Hofmo aufbewahrt. Deren Versuch, in den 50er-Jahren einen Verlag zu finden, der die Tagebücher veröffentlichte, scheiterte.

Die Originale der Tagebücher befinden sich im Holocaus-Zentrum in Oslo

Erst nach Gunvor Hofmos Tod entdeckte der norwegische Schriftsteller Jan Erik Vold die Aufzeichnungen im Nachlass seiner Kollegin. Er setzte sich mit Ruth Maiers in England lebender Schwester in Verbindung und veröffentlichte Tagebücher und Briefe im Jahr 2007. Die deutsche Ausgabe erschien 2008 unter dem Titel „Das Leben könnte gut sein. Tagebücher 1933 bis 1942“ in der Deutschen Verlagsanstalt*. Zurzeit ist das Buch jedoch leider vergriffen.

Die deutsche Ausgabe der Tagebücher ist leider zurzeit nur antiquarisch erhältlich.

Wirklich gut war Ruth Maiers Leben eigentlich nur bis zur Annexion Österreichs durch Nazi-Deutschland: Sie ging zur Schule und verreiste in den Ferien häufig.  Sie interessierte sich für Politik, las schon als Teenager, der damals noch Backfisch hieß, viel, ging gerne ins Theater und träumte davon, Schauspielerin oder Schriftstellerin zu werden. Einige ihrer frühen literarischen Versuche sind in den Tagebüchern überliefert.

Ab Frühjahr 1938 änderte sich das Leben der Jüdinnen und Juden in Österreich radikal: Ruth und ihre jüngere Schwester Judith mussten die Schule wechseln und ein jüdisches Gymnasium besuchen. Weil sie nicht arisch war, wurde  der Familie die Wohnung gekündigt. „Die Juden wurden von ihrer bis dahin wenn auch nicht gleichberechtigten, so doch menschenmöglichen Stellung zu Unmenschen, Schweinen etc. degradiert“ schrieb Ruth am 27. September (S.130). Und am 10. Oktober heißt es: „Sie prügeln die Juden und wollen sie an Laternen aufhängen. … Weil ich Jüdin bin, wollen sie mich morden.“ (139f) Ihr 18. Geburtstag am 10. November 1938 „war der schrecklichste Tag, den ich je erlebt habe. Jetzt weiß ich, was Progrome sind, weiß, was Menschen tun können. Menschen, die Ebenbilder Gottes.“ (147)

Im Dezember floh Ruths Schwester Judith mit einem der ersten Kindertransporte nach England; ihrer Mutter und Großmutter gelang 1939 die Flucht auf die Insel. Ruth entschied sich gegen England für Norwegen – auch weil sie dort das Abitur machen wollte. Ein Bekannter ihres verstorbenen Vaters nahm sie auf und bürgte für sie. In seiner Familie lebte Ruth bis kurz vor ihrer Deportation.

Leicht war das Leben der jungen Emigrantin in Norwegen nicht: Auf sich allein gestellt, fühlte sie sich oft einsam und sehnte sich nach ihrer Familie in England. Mit ihrer norwegischen Gastfamilie gab es im Laufe der Zeit immer größere Spannungen. Und auch „die Atmosphäre in der Schule ist … milde ausgedrückt … scheußlich“ (259). So schrieb ein Mitschüler auf seinen Tisch, an dem Ruth im Lateinunterricht saß: „Juden hier unerwünscht.“ (276). Doch insgesamt begegnete ihr Judenhass in Norwegen „bis jetzt in minimalem Maßstab“ (248).

Auch nach dem bestandenen Abitur blieb Ruths Zukunft ungewiss. Sie durfte offiziell nicht arbeiten und hatte Geldsorgen. Und nachdem die deutsche Wehrmacht Norwegen besetzt hatte, war eine Ausreise nach England nicht mehr möglich. Auch der zuvor sehr intensive Briefwechsel mit ihrer Schwester brach ab.

Ein Lichtblick war die Freundschaft mit der späteren Lyrikerin Gunvor Hofmo, die sie 1940 Freiwiligen Arbeitsdienst kennenlernte. Die beiden jungen Frauen fühlten sich seelenverwandt, auch wenn ihre Beziehung nicht immer einfach war. „Ohne Gunvor würde ich das Leben gar nicht aushalten. Mir ist so, als binde sie mich ans Dasein. Wenn ich sie mir fortdenke, ist alles grau, und ich bekomme Angst“, so der Tagbebucheintrag vom 9. März 1941.

Gemeinsam mussten Ruth und Gunvor im Juni 1941 das Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes verlassen: „Es wurde uns vorgehalten, dass wir aufrührerisch seien, ja, auf meine ‚Rassenangehörigkeit‘ wurde angespielt, auf Gunvors politische Anschauung, auf unsere Diskussionen etc.“ 439. 

Zurück in Oslo, verdiente Ruth ihr Geld auch als Aktmodell – unter anderem für den berühmten Bildhauer Gustav Vigeland. „Daneben nähre ich einen kleinen unschuldigen Traum: Malerin werden“, schrieb sie am 14. März 1942. Obwohl sie Zeichenunterricht an der Kunst- und Handwerksschule nahm, sollte ihr Traum sollte nicht in Erfüllung gehen.

Denn am 26. November Ruth in ihrem Wohnheim verhaftet. Als eine ihrer Mitbewohnerinnen versprach, die goldene Armbanduhr für sie aufzubewahren, antwortete sie nach Auskunft einer Augenzeugin: „Ich werde nie zurückkommen.“ (525)

Seit 2010 erinnert laut Wikipedia ein Stolperstein vor der ehemaligen Pension für junge Frauen und Mädchen an  Ruth Maier, auch ein Platz in Oslo wurde nach ihr benannt. Ihre Tagebücher dienten als Vorlagen für ein Theaterstück, eine Oper und ein Musical. Und das Ruth Maier Archiv mit den Tagebüchern, Briefen, Aquarellen, Zeichnungen und anderen Dokumenten ist seit 2014 Weltdokumentenerbes der UNESCO. Wenn ich das nächste mal in Oslo bin, werde ich mir die Originale im Zentrum für Holocaust- und Minderheitenstudien (HL-senteret) ansehen. Außerdem werde ich noch einmal in den Vigelandpark gehen und doch nach der Plastik „überrascht Ausschau halten, für die Ruth Maier Modell gestanden hat

*Dieser Beitrag enthält unbezahlte Weerbung. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die von Jan Erik Vold herausgegebene 1. Ausgabe der Tagebücher, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008