Blogparade „Wohin mich mein Schreiben schon geführt hat“

Kerstin Salvadors Aufruf zur Blogparade hat mich sofort angesprochen. Denn Schreiben begleitet mich eigentlich mein ganzes Erwachsenenleben lang. Angefangen habe ich mit dem Schreiben – genauer gesagt mit dem Tagebuchschreiben – während der Schulzeit, nachdem ich Anne Franks Tagebuch gelesen hatte. Und obwohl ich Germanistik und Geschichte mit Ziel Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien studierte, wollte ich auf keinen Fall Lehrerin werden, sondern beruflich irgendwas mit Schreiben, Büchern oder wie man heute sagenwürde mit Medien machen.

Wenn man mir während oder auch direkt nach dem Studium gesagt hätte, dass ich mein Leben lang mit Schreiben Geld verdienen würde, wäre ich wahrscheinlich überglücklich gewesen. Denn die Aussichten, einen Job bei einer Zeitung oder einem Verlag zu finden, waren damals nicht allzu gut. Vielleicht hatte ich auch einfach nicht genug Selbstvertrauen und Mut – und zu wenig praktische Erfahrung.

Mosel und andere Weinbaugebiete

Zunächst führte mich das Schreiben eher zufällig zurück an die Mosel, in den Ort, in dem ich geboren und aufgewachsen war. Ein Leichtathletikfreund arbeitete dort für einen kleinen Verlag – er vermittelte mir ein dreimonatiges Praktikum, an das sich ein Volontariat anschloss. „Learning bei doing“ war angesagt. Ich war, vielleicht auch, weil ich studiert hatte und gerne schrieb, von Anfang an verantwortlich für das Gesamtwerk Deutscher Wein, eine Bildband-Reihe, die im Verlag herausgegeben wurde. Ich korrigierte und lektorierte nicht nur die Beiträge der anderen Autoren, sondern schrieb viele Texte selbst. Wir recherchierten vor Ort – so führte mich mein Schreiben zunächst in mehrere deutsche Weinbaugebiete – an die Nahe, nach Franken und nach Württemberg.

Nicht des Schreibens, sondern der Liebe wegen, zog ich drei Jahre später nach Norddeutschland. Erfahrung im Verlagswesen hatte ich zwar inzwischen; ich war Mitautorin von vier Büchern und hatte in diesen Büchern auch viele Fotos veröffentlicht. Aber mit kleinem Kind und ohne ausreichende Kinderbetreuung wollte mich niemand fest einstellen. Dass ich als freie Journalistin für Zeitungen, Zeitschriften, Verlage, Verbände und Behörden arbeitete, war zunächst also eher eine Notlösung – doch irgendwann merkte ich, dass diese Art zu arbeiten gut zu mir passte. Ich habe vierzig Jahre lang unzählige Artikel geschrieben, mich dabei mit ganz verschiedenen Themen beschäftigt und mir ein gesundes Halbwissen in vielen Bereichen angeeignet.

Als Autorin im Fernsehen

Für zwei Sachbücher, die im Rowohlt Taschenbuch Verlag veröffentlicht wurden, habe ich Frauen bzw. Paare in ganz Deutschland – von Hamburg bis München – besucht und interviewt. Daran, dass mein Schreiben mich zweimal ins Fernsehen gebracht hat, habe ich mich erst beim Schreiben dieses Blogbeitrags wieder erinnert. Einmal fuhr ich für einen Auftritt in Jürgen Flieges Talkshow nach München; für den zweiten Beitrag kam ein Fernsehteam aus NRW zu uns nach Burgwedel. Doch das Fernsehen ist nicht meine Welt. Ich stehe nicht gerne vor der Kamera.

Die Interviews für die Zeitschriftenartikel führte ich meist telefonisch; Recherchereisen waren, weil sie von meinen Auftraggebern leider nicht bezahlt wurden, eher selten. Manches Projekt, über das ich geschrieben habe, habe ich live nicht gesehen. So war ich immer noch nicht im Anne Frank Haus in Amsterdam. Aber es steht weit oben auf meiner To-visit-Liste.

Schreiben und reisen im Wohnmobil

Weil ich für mehrere Campingzeitschriften arbeitete, haben wir uns irgendwann ein Wohnmobil angeschafft: So konnte ich schreiben und reisen, Beruf und Freizeit miteinander verbinden. Ich habe zum Beispiel Artikel über Inselhopping an der Ostsee geschrieben, über Camping zwischen Weinbergen an der Mosel, an oberitalienischen Seen oder an der Costa Brava.

Weil uns diese Art des Reisens gefallen hat, haben wir uns wieder ein Wohnmobil gekauft, als ich Rentnerin geworden bin. Obwohl ich mein Geld nicht mehr mit Schreiben verdiene, schreibe ich immer noch täglich. Zum Tagebuch sind längst die Morgenseiten gekommen, die mir helfen, gut in den Tag zu starten. Und natürlich gibt es diverse Notiz- und Projektbücher, in die ich Dinge aufschreibe, die mir wichtig sind oder scheinen (und die ich dann leider nicht immer wiederfinde).

Seit zehn Jahren blogge ich regelmäßig: Ich versuche, einen Blogbeitrag pro Woche zu veröffentlichen, was mir leider nicht immer gelingt. Ich schreibe über alles, was mich bewegt, auch übers Schreiben und über meine Reisen, zum Beispiel nach England, Schweden, Italien oder durch Deutschland. Der zweite Blogbeitrag vom Mai 2015 erzählt von einer Wanderung mit meiner Tochter in den Cinque Terre in Italien. Während ich diesen Beitrag schreibe, bin ich wieder mit meiner Tochter unterwegs, diesmal im Norden Europas, in Norwegen. Warum wir diesmal viel weniger gewandert sind als geplant, können alle, die es interessiert, in meinem vorigen Blogbeitrag nachlesen .

Genau genommen hat mein Schreiben mich natürlich nicht an diese Orte geführt, aber es hat mich auch dort begleitet, wie es mich eben immer begleitet. Und manchmal wähle ich Orte aus, weil sie mit Schreiben zu tun haben. So bin ich nicht nur, aber auch, wegen Judith Wolfsbergers Buch „Schafft euch Schreibräume“ nach Cornwall gefahren. Auf unserer Reise in die Toskana wollte ich unbedingt Pieve Santo Stefano, die Stadt der Tagebücher, besuchen. Und im vergangenen Herbst bin ich in Schweden zuerst in Ystad Kurt Wallander und auf dem Marktplatz in Vimmerby dann Astrid Lindgren begegnet.

Schreibauszeiten und …

Seit einigen Jahren gönne ich mir gelegentlich mehrtägige Schreibauszeiten. Denn es inspiriert mich, gemeinsam mit anderen (Frauen) zu schreiben; meist komme ich während der Schreibtage mit meinen Schreibvorhaben gut voran und bin motoviert, auch zu Hause weiter zu schreiben. Dass es mir dann im Alltag oft nicht gelingt, die guten Vorsätze umzusetzen, ist eine andere Sache.

Zu meinem ersten Schreibworkshop bin ich 2010 nach Amrum gefahren. Wir haben damals angeblich in dem Haus gewohnt und geschrieben, in dem Else Urys Nesthäkchen die Genesungskur verbracht hat. Weitere Workshops folgten im Nordkolleg in Rendsburg, in Wien, in Hamburg und im vergangenen Jahr auf Sylt.

Besonders nachhaltig war die Fahrt nach Wien. Im Writers’s studio habe ich den Schreibtreff kennengelernt, die Idee nach Hannover exportiert – und mithilfe von Annette Hagemann umgesetzt. Seit 2020 treffen sich einige interessierte Frauen am ersten Sonntagmittag im Monat, um gemeinsam zu schreiben. Parallel zum Frauenschreibtreff ist das AutorInnenzentrum Hannover entstanden. Seit es in der Deisterstraße feste Räume hat, bin ich dort regelmäßig zum (gemeinsamen) Schreiben, aber auch um an Workshops, AGs oder Textwerkstätten teilzunehmen.

… Schreibfreundinnen

Last but not least habe ich durch das (gemeinsame) Schreiben viele interessante Frauen kennengelernt. Danke an Annette, Brigitte, Cali, Elisabeth, Florence, Lore, Marlene, Sonja und all die anderen, die ich hier jetzt namentlich nicht nenne.

Ein langer Weg, wie’s weitergeht? Wer weiß?!

Reiseziel für Bücherfans

Eigentlich wollte ich ja ganz chronologisch über meine Reise nach Norwegen berichten, doch dann sind wir am ersten Tag nach meiner Ankunft in Sogndal nach Fjærland gefahren. In dem Dörfchen am Ufer des Fjærlandsfjord leben nicht einmal 300 Einwohner. Trotzdem ist es für Bücherfans wie mich ein kleines Paradies. Denn Fjaerland ist Skandinaviens erstes Bücherdorf.

Bücher und Bücherregale sieht man überall, wenn man die Hauptstraße entlang durch den Ort schlendert. Insgesamt sollen es vier Regal-Kilometer sein: Die Regale lehnen an Hauswänden, stehen frei am Straßenrand oder sind in alten Schuppen, leerstehenden Läden oder Ställen untergebracht. Nur das größte Antiquariat des Orts, Tusund og ei natt, wurde laut visit Norway speziell für Bücher gebaut.  

Im Odin, dem früheren Kiosk und Warteraum, finden die BesucherInnen heute vor allem norwegische Belletristik, Essays, Briefsammlungen, aber auch Lyrik und Kriegsliteratur. Draußen informieren Schautafeln darüber, wie alles angefangen hat.

Insgesamt warten in Fjærland rund 150.000 (meist gebrauchte) Bücher auf neue LeserInnen. Dass sie überwiegend auf Norwegisch geschrieben oder übersetzt wurden, schränkt die Auswahl für Leute wie mich, deren Norwegischkenntnisse sich auf Takk, God dag und  Unnskyld oder snaker du tysk beschränken, natürlich ein. Aber es gibt auch Bücher in anderen Sprachen, vor allem in Englisch, aber auch in Deutsch. Und allein der Atmosphäre wegen lohnt sich der Besuch im Bokbyn.

Bezahlt wird in den Freiluft-Antiquariaten in der Regel cash. Meist steht oder hängt in der Nähe des Regals ein Kästchen, in das die KäuferInnen das Geld für die erstandenen Bücher einwerfen. Kontrolliert wird das nicht, man verlässt sich – typisch skandinavisch – auf die Ehrlichkeit der Bücherfans. Außerdem lohnt sich Diebstahl bei Preisen von oft nur 20 oder 30 norwegischen Kronen, also weniger als drei Euro, nicht. Und bekanntlich macht es ja auch keinen Spaß, geklaute Bücher zu lesen.

Nach unserem Gang durch das Bücherdorf sind wir dann noch zum Bøyabree-Gletscher gefahren, einem Arm des mächtigen Jostedalsbreen-Gletschers, an dessen Südende Fjærland liegt. Der höchste Punkt des Gletschers liegt mehr als 1.700 Meter über dem Meeresspiegel, der Bøyabreen endet nur ca. 150 Meter über dem Meer. Noch tiefer, auf bis zu 60 Meter, reicht der zweite Arm des Jostedalsbreens hinab: Der Supphellebreen ist damit der am niedrigsten gelegene Gletscher Südnorwegens.

Das Bücherdorf Ist von Anfang Mai bis Mitte September täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, während der Buchnacht am 28. Juni sogar bis Mitternacht.

Garten-Update

Bevor ich Anfang März den Blogbeitrag über den Frühlingsanfang schrieb, war mir gar nicht bewusst, dass es auch einen phänologischen Kalender mit insgesamt zehn biologisch begründeten Jahreszeiten gibt – jeweils drei im Frühling, Sommer und im Herbst. Nicht nur Lesen, auch Schreiben bildet offenbar.

Damals blühten in unserem Garten die typischen „Zeigerpflanzen“ des Vorfrühlings; jetzt geht bereits der Erstfrühling zu Ende. Forsythien und Kirschen, typische Zeigerpflanzen des Erstfrühlings, sind verblüht, auch die Zeit von Buschwindröschen, Traubenhyazinthen, Anemonen, Narzissen und Tulpen ist bald vorbei.

Statt Blau und Gelb dominiert im Garten jetzt Weiß – nur Sumpfdotterblumen und das nimmermüde Blaukissen stemmen sich gegen diesen Trend.

Apfelbaum und Flieder, Beinwell, Bärlauch, Erdbeeren und Waldmeister zeigen, dass der Vollfrühling begonnen hat.

Gestern habe ich in unserem Garten die ersten Maiglöckchen und Himbeerblüten entdeckt. Dass die Himbeeren schon blühen, macht mich ein bisschen wehmütig. Mit der Himbeerblüte endet nämlich der Frühling.

Doch vielleicht gibt es für mich in diesem Jahr eine Verlängerung.  Denn der Vollfrühling, der laut Wikipedia „in Europa meist Ende Februar im Südwesten von Portugal“ startet, „zieht in Europa … mit ca. 40 km pro Tag nordwärts“. In Mitteleuropa beginnt er meist Anfang April, Finnland erreicht er etwa 90 Tage später.  

Wenn ich also nächste Woche nach Norwegen fahre, reise ich meiner Lieblingsjahreszeit nach – und erlebe vielleicht dort einen zweiten Frühling.

Wieder Meer

Am Meer, seit Langem wieder einmal. Die Wetteraussichten waren gut, tagsüber Sonne, die Nächte nicht mehr so kalt wie in den vergangenen Tagen und Wochen. Und weil wir einen Termin in einer Vertragswerkstatt unseres Wohnmobilherstellers hatten, die gut 75 Kilometer von Burgwedel entfernt gen Norden liegt, haben wir das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden: Wir sind nach der obligatorischen Dichtigkeitsprüfung – bei unserem Wohnmobil, nicht bei uns – nicht nach Hause, sondern an die Nordsee gefahren: auf unseren „Stamm-Stellplatz“ an der Kugelbake bei Cuxhaven.

Der ist zwar, wie viele Stellplätze, nur ein Parkplatz. Aber hier haben wir alles, was wir brauchen: Das Meer liegt direkt hinterm Deich, Toiletten gibt es auf dem Platz, duschen kann man im Restaurantgebäude auf dem Deich. Und ziemlich ruhig ist es, zumindest in der Vorsaison, eigentlich auch. Denn die meisten anderen WohnmobilistInnen sind RentnerInnen wie wir, suchen eher Erholung als Halli Galli. Nur die Bagger, die den Strand für die neue Saison vorbereitet haben, haben diesmal die Ruhe ein bisschen gestört.

Dass die Nordsee gefühlt immer gerade weg ist, wenn wir kommen, stört mich nicht wirklich. Ich weiß ja, dass sie nach ein paar Stunden wiederkommt. Zum Schwimmen ist es jetzt im April ohnehin  zu kalt – und der Strand ist hier zum Baden zu flach. Ich bin nicht sehr groß, aber selbst ich müsste minutenlang durchs Watt waten, bis das Wasser tief genug ist, um zu schwimmen.

Eigentlich schwimme ich ja gerne in offenen Gewässern – im Meer, in Seen oder in Flüssen. Aber noch wichtiger ist der Blick aufs Wasser. Wenn ich am Meer entlanggehe oder am Strand sitze – lesend, schreibend, zeichnend oder nur aufs Wasser schauend – gewinne ich Abstand vom Alltag, fühle mich zufrieden oder gar glücklich. Mehr brauche ich am Meer oft nicht.

Besonderes Highlight sind die Sonnenauf- und -untergänge. Vom Deich vor unserem Stellplatz kann man beides sehen – morgens geht die Sonne im Osten neben der Kugelbake auf, abends geht sie im Westen neben der Insel Neuwerk unter.

Bis nach Cuxhaven ist es nicht weit: Ich mag die Stadt mit ihren vielen alten, schön restaurierten Häusern und vielen kleinen Läden. Mein Lieblingsladen ist und bleibt Scribifax, ein Schreibwarenladen, in dem die Zeit stehen zubleiben scheint. Immer, wenn ich in Cuxhaven bin, bin ich erleichtert, dass es ihn noch gibt. Dann gehe ich hinein, kaufe eine Kleinigkeit, auch wenn ich nicht wirklich etwas brauche. Aber Stifte und Notizbücher kann frau ja nie genug haben.

Bücher statt Buchmesse

Eigentlich wollte ich am vergangenen Freitag zur Leipziger Buchmesse fahren. Doch dann kam ich am Donnerstag erst spät nach Hause und bin amFreitagmorgen zu spät aufgewacht, um den Zug zu bekommen, mit dem ich eigentlich nach Leipzig fahren wollte. Gottesurteil, hätte man das früher wohl genannt, und all denen, die sich mit der (Rechts)Geschichte nicht so gut auskennen, hilft Wikipedia weiter: „Ein Gottesurteil, Gottesgericht (lateinisch ordalium) oder Ordal, ist eine vermeintlich durch ein übernatürliches Zeichen herbeigeführte Entscheidung, die im Altertum und Mittelalter auch zur Wahrheitsfindung in einem Rechtsstreit eingesetzt wurde. Dabei liegt die Vorstellung zugrunde, nur ein Gott oder (säkular) eine Schicksalsmacht könne als höchste Instanz in einem existenziellen Entscheidungsprozess ein untrügliches Urteil fällen.“

Ob Gott, Schicksalsmacht, Zufall oder nur mein eigener Körper: Es war im Nachhinein eine gute Entscheidung. Denn ich hätte selbst ohne Verspätungen und Zugausfälle sechs Stunden gebraucht, um von Burgwedel nach Leipzig und wieder zurück zu kommen – viel Zeit und Stress für maximal acht Stunden Buchmesse. Außerdem sind die Zeiten, in denen die Buchmesse in Leipzig gemütlicher und familiärer war als die Buchmesse in Frankfurt, wohl endgültig vorbei. An den vier Buchmesse-Tagen kamen in diesem Jahr fast 300.000 BesucherInnen – in Frankfurt waren es im vergangenen Jahr an fünf Messetagen „nur“ 230.000. Das ist schön für die Verlage und die Veranstalter, aber nicht so optimal für alle, die in Ruhe Bücher anschauen oder anlesen möchten.

Schon an den beiden ersten Messetagen kamen fast 100.000 BesucherInnen zur Leipziger Buchmesse, an den Eingängen bildeten sich vor allem direkt morgens teilweise lange Schlangen. Und drinnen standen die Lesehungrigen teilweise über eine Stunde an, um bestimmte AutorInnen zu sehen oder um an bestimmten Ständen zu schmökern. Gut, Verlage, die bei den Young Adults beliebte Bücher veröffentlichen, oder bestimmte Bestseller-Autoren standen ohnehin nicht auf meiner Muss-ich-mir-unbedingt-Ansehen-Liste. Aber Menschenmassen sind nicht mein Ding.

Was ich nach den Berichten im Fernsehen vermutet hatte, hat mir eine Schreibfreundin bestätigt: „ja, die Buchmesse war voll und aus meiner Sicht hast du nichts verpasst“, schrieb sie.  Sie habe zwar einige kleine Verlage kennengelernt, die sie noch nicht kannte – aber dazu habe ich vielleicht dann im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse die Gelegenheit. Dann möchte ich einer Freundin, die einen kleinen Verlag hat, helfen – und an den beiden Fachbesucher-Tagen ist auf der Buchmesse in Frankfurt erfahrungsgemäß weniger los als an den Publikums-Tagen, .

Bis zum Oktober werde ich mich lesend über den ausgefallenen Messebesuch hinwegtrösten. Denn ich habe beschlossen, für das Geld, das ich für Fahrkarten und Eintritt gespart habe – immerhin trotz Bahncard 50 rund 150 Euro –, Bücher zu kaufen.

Das erste werde ich mir gleich bestellen: Die aktuelle Ausgabe der Wortschau, in der Katia Tangian Hauptautorin ist und für die sie auch viele Bilder geliefert hat. Ich habe Katia beim Frauenschreibtreff kennengelernt und bin gespannt auf ihre Datscha-Storys, die, laut Verlag, die Geschichten einer Kindheit in der früheren UdSSR erzählen und in einem . Schriftstellerdorf spielen … „unter Treibhausbedingungen“.

Gartenvergnügen für ein Jahr

Zum Frühlingsanfang habe ich mir eine neue Jahreskarte für die Herrenhäuser Gärten gekauft. Die neue kostete 10 Euro mehr als die alte. Aber ein Jahr Gartenvergnügen sind auf jeden Fall 35 Euro wert.

Der Große Garten, das Prunkstück der Herrenhäuser Gärten, wird in diesem Jahr 350 Jahre alt. Aber auch wenn er zu den bedeutendsten Barockgärten Europas zählt, kann ich ihm wenig abgewinnen. Ich mag keine Pflanzen, die zurechtgestutzt in Reih und Glied ihr Leben fristen müssen. Vor allem wenn Laubbäume und Hecken (noch) kahl sind, wirkt der Garten auf mich ziemlich trostlos. Im Sommer gehe ich gerne in den Rosengarten und in den Niederdeutschen Blumengarten. Und die Grotte ist immer einen Besuch wert. Gebaut wurde sie schon im 18. Jahrhundert: Mit Muscheln, Kristallen, Glas und Mineralien verziert, sollte sie im Sommer einen kühlen Rückzugsort bieten. 2002 gestaltete Niki de Saint Phalle die Grotte 2002 um – und schuf mit Kiesel-, Glas- und Spiegelstücken ein magisches Kunstwerk. Vor allem die Farben und Lichteffekte in der blauen Grotte faszinieren mich jedes Mal aufs Neue.

Mein Lieblingsgarten ist und bleibt der Berggarten, laut Wikipedia einer der ältesten botanischen Gärten in Deutschland. Ursprünglich als Küchengarten angelegt, wurde er seit Ende des 17. Jahrhunderts auch genutzt, um exotische Pflanzen zu züchten. Reis und Tabak wurden hier ebenso angepflanzt wie Tabak und Maulbeerbäume, mit deren Blättern die Seidenraupen der Königlichen Seidenraupenmanufaktur in Hameln gefüttert. Doch langfristig lohnte sich der Anbau nicht.

Exotische Pflanzen wachsen heute auch noch in drei Schauhäuser im Berggarten. Als Zimmerpflanzen mag ich Exoten wie Orchideen, Usambaraveilchen, Bromelien und Gummibäume zwar nicht, aber im Tropen- und im Orchideenschauhaus fühle ich mich in eine andere, mir unbekannte Welt versetzt. Das Kakteenschauhaus lasse ich dagegen meist links liegen.

So früh im Jahr kann die Vegetation draußen natürlich mit der Blütenpracht drinnen nicht mithalten. Noch zeigen sich nur Frühblüher wie Märzbecher, Narzissen oder Blau- und Gelbsterne. Bis die Iris im Irisgarten blühen, wird es wohl noch ein paar Wochen dauern. Das Wasserbecken im Pergolagarten, an dem ich an warmen Tagen gerne sitze, ist noch leer; im Staudengrund fließt das künstliche Bächlein schon, aber von den Wildstauden, ist noch wenig zu sehen. In ein paar Wochen werden sie den Bachlauf überwuchern. Auch der Subtropenhof ist noch pflanzenleer. Erst wenn auch die Nächte wärmer sind, ziehen die kälteempfindlichen Kübelpflanzen hier wieder ein und verwandeln den Hof in ein grünes Zimmer. Derzeit ist er eine Open-Air-Galerie, in der prämierte Fotos aus dem internationalen Wettbewerb „International Garden Photographer of the Year“ (IGPOTY) „faszinierende Einblicke in die Garten- und Pflanzenfotografie aus aller Welt, mit Aufnahmen aus Ländern wie England, Schottland, Deutschland, China, Japan, den USA, Kanada, Neuseeland und Italien“ bieten.

Ab Mitte Mai dürfen auch die Pflanzen aus der kostbaren Zitrussammlung wieder ins Freie. Und wenn sie dann auf dem Orangenplatz vor dem Galeriegebäude zu bewundern sind, werde ich dem Großen Garten sicher häufiger einen Besuch abstatten. Den Grundstein für die Sammlung legten Kurfürstin Sophie und ihre Tochter Charlotte im 17. und 18. Jahrhundert; um 1720 war sie schon auf über 600 Bäumchen angewachsen. Und die kurfürstlichen Herrschaften scheuten für die Kostbarkeiten weder Kosten noch Mühen für ihre Sammlung. Um sie im Sommer standesgemäß zu präsentieren, wurde der Orangenplatz vor dem Galeriegebäude angelegt. Die kalten norddeutschen Winter verbrachten die Pflanzen im Galeriegebäude und in der Orangerie. Letztere wurde gebaut wurde, weil der Platz in der Galerie schon bald zum Überwintern der exotischen Pflanzen nicht mehr ausreichte.

Geheizt wurde die Orangerie bis Ende des 19. Jahrhunderts mit großen Öfen, in denen nur Holz und Torf verbrannt wurden, weil die empfindlichen Pflanzen Kohle nicht vertrugen. Allein um sie im Frühjahr ins Freie und im Herbst wieder unters schützende Dach zu bringen, stellte die Gartenverwaltung im 18. Jahrhundert jeweils für vier Tage 80 Männer ein.  

Dies und vieles andere habe ich in der Ausstellung „Gartenkunst aus Meisterhand“ erfahren, die in der Orangerie gezeigt wird. Zwischen Palmen, Zitrusbäumchen und anderen subtropischen Pflanzen informieren Schautafeln über die Geschichte des Gartens im Allgemeinen und die Orangeriekultur im Besonderen. Geöffnet ist die Ausstellung noch bis 6. April montags bis freitags von 11 bis 17 Uhr und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr. Die Fortsetzung folgt dann ab Juli.

Gartenarbeit statt Gartenbesuch

Eigentlich wollte ich am Sonntag in die Herrenhäuser Gärten fahren. Doch wenn Hannover 96 – für alle, die sich nicht für Fußball interessieren: eine Mannschaft im Mittelfeld der 2. Bundesliga – ein Heimspiel hat, empfiehlt es sich, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Denn aus Erfahrung weiß ich, wie unangenehm Fahrten in Bussen und Bahnen oft sind, wenn Massen von 96-Fans unterwegs sind. Viele scheinen den bevorstehenden oder gerade gesehenen Gruselkick nur alkoholisiert ertragen zu können.

Beim Derby zwischen Braunschweig und Hannover gilt Alarmstufe Rot: Der Bahnhof wird zur Festung; ob es wie am vergangenen Sonntag durch den Einsatz von PolizistInnen, Hunde, Wasserwerfern und Helikoptern gelingt, Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fangruppen oder auch zwischen Fans und Polizei in der Stadt zu verhindern, weiß frau vorher nie. Lust auf einen Besuch in Hannover macht das nicht.

Also Arbeit im eigenen Garten statt Besuch in den ehemals fürstlichen Gärten. Zu tun gab es ohnehin einiges: Die Vogelschutzhecke hinterm Teich hatte mein Mann schon im Februar geschnitten, jetzt mussten die Äste und Zweige von Weißdorn, Holunder, Felsenbirne und Kornelkirsche kleingeschnitten werden. Außerdem mussten die abgestorbenen Halme und Blätter der Stauden abgeschnitten, gefühlt zentnerweise altes Laub von den Beeten und aus den beiden Teichen entfernt werden.

Beim Keschern im kleinen Teich habe ich ungewollt zwei Froschlurche gefangen. Zuerst dachten wir, sie seien tot, erfroren im nicht allzu tiefen Teich. Doch nachdem sie ihren Schreck überwunden hatten, bewegten sie sich wieder und wir haben sie mithilfe unserer Schnee- und Laubschaufel wieder in den Teich zurückgesetzt.

Ob sie dort überwintert haben oder ob sie schon wieder aus ihrem Winterquartier zurück in unseren Teich gekommen sind, um dort zu laichen, wissen wir nicht, ebenso wenig, ob unsere Teichbewohner Kröten oder Frösche sind. Denn mit Amphibien kenne ich mich überhaupt nicht aus. Wegen der Farbe, der Größe und der Warzen auf der Haut habe ich die beiden zunächst für Kröten gehalten. Aber ganz sicher war ich mir nach dem Vergleich der Merkmale nicht. Denn ihr Maul war eher spitz als rund, ob sie Schwimmhäute zwischen den Zehen der Hinterbeine haben, konnte ich weder live noch auf den Fotos erkennen. Ich habe also Sommerfotos zu Rate gezogen. Auf ihnen sind die Schwimmhäute deutlich zu sehen. Und von der Farbe abgesehen ist eine gewisse Ähnlichkeit nicht zu leugnen.

Wahrscheinlich sind es Teich- (Rana lessonae) oder Wasserfrösche (Rana esculenta). Beide Arten ähneln sich sehr und sind nur schwer zu unterscheiden. Das kommt nicht von ungefähr. Teichfrösche sind nämlich laut Nabu Hybride aus Seefrosch und Kleinem Wasserfrosch. Sie sind meist grün, manchmal aber auch bräunlich gefärbt. „Auf dem Rücken befinden sich schwärzliche Flecken, die sich auf den Hinterbeinen zu einer Marmorierung verdichten.“ Das passt.

Die Pflanzen in unserem Garten sind leichter zu identifizieren. Dass Schneeglöckchen, Christrosen, Winterlinge, Krokusse und Kornelkirsche typische Zeigerpflanzen des Vorfrühlings sind, habe ich beim Schreiben meines Blogbeitrags zum Frühlingsanfang gelernt. Im nächsten Jahr kann ich mich vielleicht auch über Märzbecher freuen, die bislang in unserem Garten noch nicht wuchsen. Aber die beste Nachbarin von allen hat mir am Sonntag ein Töpfchen mit Zwiebeln geschenkt, die ich zwischen Anemonen und Tulpen gepflanzt haben.

Nach einer Woche mit tagsüber frühlingshaften Temperaturen zeigen sich inzwischen auch die ersten Blausterne – laut Wikipedia typische Zeigerpflanzen des Erstfrühlings, der nächsten phänologischen Jahreszeit. Von den Veilchen ist dagegen noch nichts zu sehen, an den Forsythien zeigen sich immerhin schon gelbe Knospen. Im vergangenen Jahr standen die Sträucher schon Anfang März in voller Blüte. Doch in diesem Jahr sind ihnen die Nächte mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt wohl noch zu kalt.

Die Narzissen schrecken die Temperaturunterschiede offenbar nicht. Selbst die einzige gefüllte Narzisse in unserem Garten, blüht schon. Vor zwei Jahren war es erst Ende März so weit, in manchen Jahren zeigt sie sich gar nicht. Aber das wundert mich nicht wirklich bei einer Pflanze, die ihren Namen einem berühmten Herumtreiber verdankt: Rip van Winkle, den Washington Irving und Max Frisch in einer Kurzgeschichte, einem Hörspiel und einem Roman verewigten und dessen Geschichte von vielen anderen Schriftstellern erzählt wird. Doch zum Glück gibt es ja andere Pflanzen in unserem Garten, die verlässlicher zeigen, dass der Erstfrühling gekommen und es bald an der Zeit ist, mit der Aussaat von Salat, Spinat, Erbsen, Radieschen oder auch von Sommerblühern zu beginnen.

Frischer Wind

Anfang vergangenen Jahres war ich mit einer Schulfreundin in der Munchausstellung im Museum Barberini in Potsdam. Und natürlich haben wir uns bei der Gelegenheit auch die  Sammlung Hasso Plattner angesehen. Sie ist wirklich beeindruckend: Über impressionistische und postimpressionistische 100 Bilder vor allem französischer Maler – zum Beispiel von Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley und Paul Signac – sind dort zu sehen.

„Wie ein frischer Wind“ wirbelten die französischen Impressionisten Ende des 19. Jahrhunderts die Kunstwelt auf – und beeinflussten auch ihre KollegInnen im Norden Europas. Farben, Maltechniken und auch Motive veränderten sich. „Ähnlich wie ihre französischen Vorbilder widmeten sich die Impressionist*innen des Nordens den wechselnden Lichtverhältnissen ihrer Heimat. In den Niederlanden und in Deutschland spiegelte sich das trübe Wetter in einer gedämpften Farbpalette wider … Ihre Werke zeigen oft flache Landschaften und schwindendes Tageslicht. In der dänischen Künstlerkolonie Skagen interessierten sich die Künstler*innen besonders für die Stimmung der sogenannten ‚blauen Stunde‘, die hoch im Norden intensiver wahrnehmbar ist“, heißt es in einer Pressemitteilung des Landesmuseums Hannover. Dort werden derzeit in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Museum Singer Laren und dem Museum Kunst der Westküste Alkersum/Föhr rund 100 Gemälde und Ölstudien deutscher, niederländischer und dänischer ImpressionistInnen gezeigt – unter anderem von Anna Ancher, Lovis Corinth, Isaac Israels, Peder Severin Krøyer, Max Liebermann und Max Slevogt.

Eines meiner Lieblingsbild der Ausstellung ist der „Mondklare Abend am Leuchtfeuer von Skagen“ von Anna Ancher. Die Malerin selbst ist auch auf einem Bild zu sehen. Ihr Kollege Peder Severin Krøyer hat sie mit seiner Frau Marie am Strand von Skagen gemalt. Anna Ancher und Peder Severin Krøyer gehörten ebenso wie Annas Mann Michael Ancher zu den Skagensmalerne, den Skagen-Malern, der bekanntesten Künstlerkolonie Dänemarks.

Sehr gut gefallen hat mir auch die Aktion am Ein- bzw. Ausgang der Ausstellung. Dort können BesucherInnen farbige Punkte auf ein Gemälde kleben, den Pointillisten nacheifern und beobachten, wie sich die einzelnen Punkte allmählich zu einem Gesamteindruck verbinden.

Pointillistische Bilder bestehen ja aus unzähligen winzigen Farbpunkten oder Strichen. „Der Gesamt-Farbeindruck einer Fläche ergibt sich erst im Auge des Betrachters und aus einer gewissen Entfernung. Durch optische Verschmelzung und additive Farbmischung formen sich die Farbpunkte zu Gestalten“, weiß Wikipedia. Durch diese Technik erhalten die Farben mehr Leuchtkraft.

Erfunden hat die Maltechnik übrigens Georges Seurat, weiterentwickelt wurde sie unter anderem von Paul Signac und Camille Pissarro. Im Landesmuseum sind Bilder der niederländischen Maler Jan Toorop und Co Bremanzu sehen, die auch „mit leuchtenden Farbpunkten und verschiedenen Pinselstrichen, um die flirrenden Lichteffekte der Natur wiederzugeben“.

Mir selbst käme es gewiss nie in den Sinn, auf diese Weise zu malen – Geduld gehört ja bekanntlich nicht zu meinen Kernkompetenzen. Aber an den farbigen Klebepunkten konnte ich natürlich nicht vorbeigehen. Und ich war nicht die einzige, die „gepunktet“ hat, wie die Bilder, aufgenommen bei verschiedenen Ausstellungsbesuchen, zeigen.

Woran erkennst du den Frühling?

Endlich Frühling. Seit vorgestern zumindest meteorologisch. Astronomisch oder kalendarisch beginnt der Frühling erst mit der ersten Tag-und-Nacht-Gleiche des Jahres (Primär-Äquinoktium). Die fällt auf der Nordhalbkugel meist auf den 20. März, gelegentlich aber auch auf den 19. oder  21. März – ein Alptraum für Statistiker und Wissenschaftlerinnen.

Weil sich Klimadaten besser vergleichen und einfacher auswerten lassen, wenn die Jahreszeiten am gleichen Tag beginnen und gleich lang sind, hat die Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) die meteorologischen Jahreszeiten eingeführt. Für die MeteorologInnen beginnt der Frühling also am 1. März, der Sommer am 1. Juni, der Herbst am 1. September und der Winter am 1. Dezember (https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2025/3/1.html).

Der Natur sind Daten und Uhrzeiten egal. Die „phänologischen Jahreszeiten“ richten sich nach bestimmten Erscheinungen in der Pflanzen- und auch in der Tierwelt. Und es gibt nicht nur vier, sondern zehn biologisch begründete Jahreszeiten. Frühling, Sommer und Herbst werden in drei Jahreszeiten unterteilt, nur der Winter bleibt unzerteilt, weil die Vegetation zumindest oberirdisch in dieser Zeit weitgehend ruht.  

Ausgewählte Pflanzen zeigen Beginn und Ende der jeweiligen Jahreszeiten. Beobachtet und erfasst werden laut Wikipedia unter anderem Blüte, Blattaustrieb, Fruchtreife und Laubfall. So beginnt der Vorfrühling mit der Blüte von Hasel, Schneeglöckchen und Märzbecher und endet mit der Blüte der Salweide. Auch Winterlinge, Krokusse, Huflattich, Schlüsselblumen, Kornelkirsche und Seidelbast sind „Zeigerpflanzen“ des Vorfrühlings.

Die ersten Schneeglöckchen habe ich in unserem Garten schon Ende Januar beobachtet, ebenso die ersten Blüten des Blaukissens. Sie haben selbst die Schneetage in der zweiten Februarwoche heil überstanden. Inzwischen haben sich auch Krokusse, Winterlinge und Primeln hervorgewagt. Märzbecher und Schlüsselblumen lassen dagegen zumindest in unserem Garten noch auf sich warten.

Schneeglöckchen und Winterlinge, leider nicht in unserem Garten

Wenn Forsythien, Veilchen, Buschwindröschen und Blausterne blühen, beginnt der Erstfrühling; später kommen dann die Blüten von Kirsch-, Pflaumen-, Birnbäume und Schlehdorn hinzu. Ich freue mich besonders darauf, dass Bäume und Sträucher wieder grün werden: Zuerst bekommen Rosskastanien und Birken neue Blätter, später dann auch Rotbuche, Linde und Ahorn.

Im Vollfrühling sind dann auch Eichen und Hainbuchen an der Reihe; außerdem blühen Apfelbäume, Rosskastanien, Eberesche, Flieder, Maiglöckchen, Bärlauch und Waldmeister. Mit der Himbeerblüte endet der Frühling, der Frühsommer beginnt.

Woran man den Frühling erkennt, fragt übrigens auch Georg Britting in einem meiner Lieblingsfrühlingsgedichte. Seit ich „Früh im Jahr“ vor mehr als einem halben Jahrhundert in der Schule gelernt habe (danke, Herr Erschens), spukt zu Beginn des Frühlings das Bild von der alten Frau in meinem Kopf,

der „in der Küche,
Im felsigen Tief, (…)
Ein Topf überlief,
Mit Sud vom Gewürzten?“

Wer mehr Frühlingsgedichte lesen möchte, wird auf Christianes Blog „Irgendwas ist immer“ fündig.

Wir sind bunt, wir sind viele

Als Friedrich Merz vor gut einem Jahr, am 22. Januar 2024, in Caren Miosgas Talksendung zu Gast war, begrüßte er laut Tagesschau.de ausdrücklich, dass „in ganz Deutschland … in den vergangenen Tagen Hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen (waren), um gegen die AfD zu demonstrieren. Anlass waren die Enthüllungen über konspirative Treffen von AfD-Mitgliedern, bei denen Pläne besprochen wurden, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland auszuweisen.“

„Ich halte das für ein sehr, sehr ermutigendes Zeichen unserer lebendigen Demokratie‘“, wird Merz auf der Tagesschau-Website zitiert und weiter:  „Er sei kein ängstlicher Mensch, teile aber die Sorgen der Demonstranten“ – auch wenn er selbst nicht an den Demos teilnehmen konnte. Markus Söder habe in München mitdemonstriert.

13 Monate später beschimpfte Friedrich Merz bei einer Veranstaltung die Menschen, die „da draußen“ gegen rechts demonstrieren, als „grüne und linke Spinner“, die „nicht mehr alle Tassen im Schrank haben“, die „nicht klar denken können“ (#omasgegenrechts_hannover). Für sie – und also auch für mich – will er als Kanzler keine Politik machen. Denn auch ich gehöre zu den linken und grünen Spinnern.

Wirklich überrascht hat mich Friedrich Merz Sinneswandel nicht. Schließlich ist ja bekannt, wie schnell er das, was er einmal gesagt hat, vergisst. So schlug der CDU-Kanzlerkandidat laut Spiegel.de Grünen und SPD im November 2024 nach dem Bruch der Ampelkoalition vor: „‚Wir sollten vereinbaren, dass wir nur die Entscheidungen auf die Tagesordnung des Plenums setzen, über die wir uns zuvor mit Ihnen von der SPD und den Grünen in der Sache geeinigt haben.‘ So könne man ‚eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit‘ mit der AfD vermeiden. ‚Denn das hätten diese Damen und Herren von Rechtsaußen doch gern, dass sie plötzlich die Mehrheiten besorgen.‘“ Und noch am 11. Januar sagte Merz zur Zusammenarbeit mit der AfD: „‚Ich wiederhole es hier zum Mitschreiben. Eine Zusammenarbeit unter meiner Führung wird es mit der CDU in Deutschland nicht geben.‘“ und weiter: „‚Wir arbeiten nicht mit einer Partei zusammen, die ausländerfeindlich ist, die antisemitisch ist, die Rechtsradikale in ihren Reihen, die Kriminelle in ihren Reihen hält, eine Partei, die mit Russland liebäugelt und aus der Nato und der Europäischen Union austreten will.‘“  Doch schon 18 Tage nachdem er „das Aufrechterhalten der Brandmauer (…) zur Chefsache“ machte und sein „Schicksal als Parteivorsitzender der CDU an diese Antwort“ knüpfte, ließ er über seinen „5-Punkte-Plan“ zur Verschärfung der Migration abstimmen – und erreichte nur mit Stimmen der AfD eine knappe Mehrheit. Seine Aussage „Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen. Sie bleibt richtig“, lässt ahnen, wo er in Zukunft seine Mehrheiten suchen wird: nicht bei grünen und linken Spinnern, die es wagen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen und friedlich zu demonstrieren  

An der Demonstration gegen den Rechtsruck beteiligten sich gestern in Hannover nach Polizeiangaben immerhin etwa 2.000 Menschen, die VeranstalterInnen, unter andererm Studis gegen rechts und Students for Future, zählten sogar 6.000 TeilnehmerInnen. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie bei den meisten Demonstrationen irgendwo dazwischen. Auch wenn die Beteiligung diemal geringer war als noch vor zwei Wochen, sind wir keine kleine Minderheit. Ich weiß, dass viele meiner Bekannten meine politischen Ansichten und Ängste teilen, aber nur wenige gehen für ihre Überzeugung auf die Straße.

Für andere ist das Maß jetzt voll. Zum Beispiel für den Mann, der bei der Demo gestern zufällig eine Zeit lang neben mir ging. Als wir ein paar Minuten in der Nähe des AfD-Stands stoppen mussten, kamen wir, beide wohl über 60, ins Gespräch. Er sei lange CDU-Mitglied gewesen und dies sei seine erste Demo, erzählte er. Auf dem Weg zur Demo hatte uns ein junges Paar angesprochen, weil wir unsere Omas- und Opas-gegen-rechts-Westen trugen. Auch sie outeten sich als CDU-Mitglieder, fanden es aber gut, dass die Omas und Opas auf die Straße gehen.

Oma und Opa gegen rechts

Ihre beiden Kinder waren etwa so alt wie unsere Enkelkinder – und wenn ich gegen rechts demonstriere, tue ich es auch ihretwegen und für sie. Denn was soll ich ihnen sagen, wenn sie mich irgendwann fragen, wo ich war, was ich getan habe, als es angefangen hat. Als die Brandmauer gefallen ist, als CDU und FDP im Bundestag mit Hilfe der AfD die Migrationspolitik verschärfen wollten. Ich habe mich immer dafür geschämt, dass meine Onkel mitgemacht haben, als in der Pogromnacht 1938 Jüdinnen und Juden in ihrem/meinem Heimatort angegriffen, ihre Häuser zerstört wurden. Ich möchte nicht, dass meine Enkelkinder sich irgendwann für mich schämen müssen.

Ja, ich gebe zu, das Video, das ich gestern Abend auf dem Instagram-Kanal der #Omasgegenrechts gesehen habe, macht mir Angst. Angst vor dem, was auf uns zu kommt, wenn dieser Mann Bundeskanzler wird. Und ich fürchte, dass die Demonstration gestern nicht die letzte sein wird. Auch nach der Wahl werden wir „linken und grünen Spinner“ wohl wieder auf die Straße gehen und demonstrieren: gegen die sich ausbreitende Geschichtsdemenz in unserem Land, gegen rechtsextreme und gegen die, die mit ihnen gemeinsame Sache machen.

All die, die immer noch schweigen, möchte ich an Martin Niemöllers Aussage erinnern, die „viel zitiert, oft abgewandelt, manchmal missbraucht, immer noch aktuell“ ist:

Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.

Nachzulesen unter https://martin-niemoeller-stiftung.de/martin-niemoeller/als-die-nazis-die-kommunisten-holten