Monatsrückblick Oktober 2023

„Spät kommt er – Doch er kommt!“ – mein Rückblick auf den Monat Oktober. Und anders als Graf Isolan in Schillers Wallenstein habe ich nicht einmal eine Entschuldigung für mein Säumen. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum ich – wieder einmal – spät dran bin. 

Der Oktober begann mit einer neuen Bucketlist, zu der mich ein Blogbeitrag von Kerstin Salvador inspiriert hat (https://kerstin-salvador.de/meine-bucketlist-fuer-den-herbst-2023/). Der Begriff Bucket- oder auf Deutsch Löffelliste kommt laut Wikipedia vom englischen „kick the bucket“ was so viel wie „den Löffel abgeben“ bedeutet. Eine Bucket- oder Löffelliste  ist also „eine Liste mit Dingen, die man oder frau vorher noch tun möchte. Populär wurden Bucketlisten wurde durch den Film „The Bucket List“, der in Deutschland unter dem Titel „Das Beste kommt zum Schluss“ läuft (https://de.wikipedia.org/wiki/Bucket_List).

Nun sind Bucket- oder To-do-Listen für einen Listenfan wie mich ja nichts Neues. So schreibe ich am Anfang jeden Jahres meine guten Vorsätze oder Vorhaben auf – aber leider verwirkliche ich davon immer nur einen Bruchteil. Dass es nicht nur mir so geht, ist ein eher schwacher Trost. Spannend an Kerstin Salvadors Blog fand ich, dass sie ihre Liste in Jahreszeiten bzw. Quartalsabschnitte teilt.

Die Idee hat sie aus dem Buch „Das 12-Wochen-Jahr“ von Brian Moran und Michael Lennington übernommen. Ich habe das Buch nicht gelesen, sondern nur eine Zusammenfassung auf der Verlagswebsite. Aber was da stand, leuchtet mir ein. Wer für kürzere Zeiträume plant, verliert das Ziel nicht so schnell aus den Augen, „die Dringlichkeit steigt und intensiviert sich“ – kurz, man verschiebt Dinge im besten Fall nicht auf den nächsten oder übernächsten Monat oder auf den Sankt Nimmerleinstag (https://www.wiley-vch.de/de/fachgebiete/finanzen-wirtschaft-recht/das-12-wochen-jahr-wie-sie-in-12-wochen-mehr-schaffen-als-andere-in-12-monaten-978-3-527-51015-3). Gelesen – getan. Ob’s funktioniert, wird sich zeigen.

Auf meiner neuen Drei-Monats-Liste stand „Schreibzimmer/Atelier fertig einrichten“ ganz oben. Ich hatte ja schon im September damit angefangen, doch den letzten Schritt – den Kleiderschrank gegen Bücherregale auszutauschen – hatte ich noch nicht gewagt. Mit gutem Grund: Das Ergebnis war vorübergehend ein riesiges Chaos in der oberen Etage.

Mit Hilfe meines Mannes standen Kleiderschrank und Bücherregale schnell an ihren neuen Plätzen, sprich in anderen Zimmern. Wesentlich länger dauerte das Ein- und Ausräumen – vor allem, weil ich die Gelegenheit nutzen wollte, einiges (zu wenig) auszumisten. Denn ich bin eine Sammlerin, wegzuwerfen, mich von Dingen zu trennen, auch wenn ich sie nicht mehr brauche, fällt mich schwer. Jetzt war eine gute Gelegenheit. Denn auch das steht auf der neuen Liste: Ich will minimalistischer leben.

Beim Kleiderschrank ging das Aussortieren und Einräumen noch relativ schnell. Viel zeitaufwendiger war es, die alten Unterlagen auszusortieren, die nicht in meinem neuen Schlafzimmer bleiben, sondern in mein neues Arbeitszimmer umziehen sollten. Es ist schon erstaunlich, was sich im Laufe eines langen Berufslebens ansammelt. Das vorläufige Ergebnis: mehr als ein Dutzend leere Aktenordner, Und es werden in den nächsten Wochen sicher noch mehr. Zum Glück habe ich für die alten Ordner, die noch wie neu aussehen, AbnehmerInnen gefunden.

Von den Büchern, die ebenfalls von einem ins andere Zimmer ziehen mussten, kann ich mich bisher nur in homöopathischen Dosen trennen: Immer wieder bringe ich ein paar Bücher zum Bücherschrank oder ins Fairkaufhaus. Ein paar Bücher weniger fallen in meinen Regalen zwar kaum auf, aber steter Tropfen höhlt ja bekanntlich den Stein bzw. schafft Platz in meinen Regalen. Doch von minimalistisch bin ich noch meilenweit entfernt …

Was außerdem noch auf meine Bucketlist steht und was ich davon umgesetzt habe, erzähle ich am Ende des Quartals. Nur so viel schon vorab. Einen weiteren Punkt habe ich am letzten Oktobertag ebenfalls noch abgehakt: Ich habe einen Beitrag für einen Schreibwettbewerb eingereicht – den ersten in meinem Leben.

Unterwegs war ich auch im Oktober, dem 49-Euro-Ticket sei Dank, wieder recht häufig. Wir waren vier Tage in Hamburg, um bei der Betreuung der Enkelkinder zu helfen. Zwar sind die Betreuungsmöglichkeiten weit besser als zu der Zeit, als unsere Tochter klein war. Aber wenn ein Kind krank wird oder ein Elternteil bei einer Fortbildung ist, wird es eng. Dann springen wir wie viele Großeltern ein – und wir tun das gerne. Zum Glück wohnen wir ja nicht so weit von den Enkeln entfernt wie meine Eltern damals.

Ich habe eine Freundin in Göttingen und meine Tochter in Bad Harzburg besucht. Mein geplanter Besuch in Lübeck fiel dagegen im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser: Ich wollte an einer Stadtführung auf den Spuren von Heinrich und Thomas Mann teilnehmen. Doch ausgerechnet an diesem Sonntag setzte eine Sturmflut halb Lübeck unter Wasser. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Natürlich war ich auch ein paar Mal in Hannover – unter anderem kurz bevor meine Jahreskarten abgelaufen sind in den Herrenhäuser Gärten, im Museum August Kestner und im Museum Schloss Herrenhausen. Am Ende des Monats haben mein Mann und ich dann unserer Tochter geholfen, ihre erste Fotoausstellung aufzubauen. Seit dem 2. November sind im Unternehmerinnenzentrum in der Hohen Straße in Hannover-Linden vor allem Neles Landschafts-, Tier und Naturfotos zu sehen. Mehr Informationen unter https://foerodens.wordpress.com/2023/11/01/meine-erste-fotoausstellung/

Wer den gesamten Text des ersten Aufzug des ersten Akts aus den Piccolomini (Teil 2 der Wallenstein-Trilogie) nachlesen möchte, findet ihn unter https://www.friedrich-schiller-archiv.de/wallenstein-text/1-aufzug-1-auftritt-2/

Thema verfehlt?

Ich fürchte, ich bin ein ziemlich langweiliger, fantasieloser Mensch. Das ist mir wieder einmal bewusst geworden, als ich vergangene Woche die Fastenmail von Frank Muchlinsky gelesen habe. „Tun Sie etwas Unvernünftiges!“, lautete die Wochenaufgabe. Ich habe lange nachgedacht, was ich tun könnte und wollte, und ich muss gestehen, dass mir dazu nicht viel – um nicht zu sagen nichts Vernünftiges – eingefallen ist.

Einfach spontan irgendwohin fahren, war mein erster und nicht sonderlich origineller Gedanke. Doch das kam nicht infrage. Denn während mein Mann in Schweden Nordlichtern nachjagte, habe ich das Haus und danach die Katze von Bekannten gehütet. Und außerdem waren da noch zwei Aufträge, die ich – pflichtbewusst wie ich bin – pünktlich abarbeiten wollte. Um einen Bungeesprung zu buchen, bin ich zu feige, um nackt im nächsten See zu baden, ist es mir einfach zu kalt. Bei besserem Wetter gerne – aber nicht, wenn es so regnerisch, grau und trist ist wie zurzeit.

Vielleicht kam mir wegen des schlechten Wetters das Holifest in den Sinn. Das aus der hinduistischen Überlieferung stammende Frühlingsfest wird in Indien traditionell am ersten Vollmondtag des Monats Phalgun, dem 12. hinduistischen Kalendermonat, gefeiert. Bei diesem Fest besprengen und bestreuen sich die Menschen gegenseitig mit gefärbtem Wasser und gefärbtem Puder, dem Gulal.

Das indische Frühlingsfest war in diesem Jahr schon am 8. März, die westlichen Epigonen, die „Holi Festivals of Colours“ mit viel Musik, dafür aber ohne religiösen Hintergrund, finden erst im Sommer in verschiedenen deutschen Städten statt. Ich werde mir sicher kein Ticket kaufen. Denn ich mag weder Menschenmassen noch Elektro, Minimal und House, also die Musik, die im August beim Festival in Hildesheim gespielt wird.

Aber die Idee, die Welt und das Leben etwas bunter zu machen, gefällt mir. Und so habe ich statt mich selbst mit Farbe zu bemalen, eine Buddha-Statue gefärbt. Mit den neuen Farben erinnert mich die Statue ein wenig an die Grüne Tara oder Shyama-Tara (wörtlich: „grüne Befreierin“). Sie ist laut Wikipedia „ein weiblicher, friedvoller Buddha und Bodhisattva des tibetischen Buddhismus“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Grüne_Tara) und wird „verehrt wie kaum ein anderer Bodhisattva“.

Die Grüne Tara soll vor acht Arten der Angst und vor Gefahren schützen, die Weisheit vermehren, zur Erleuchtung führen und Wünsche – auch weltliche – besonders schnell erfüllen. Diese Bereitschaft wird „durch ihre zum Aufstehen bereite Sitzhaltung symbolisiert“. Letzteres passt gut, zu mir: immer auf dem Sprung, allzeit bereit, das zu tun, was man von mir erwartet. Aber es ist ja angeblich nie zu spät, Dinge zu ändern

Meinen Buddha stören meine Farbspiele nicht: Er sitzt und lächelt, ruht in sich – und passt wirklich gut zum Motto der Fastenwoche: Sieben Wochen unverzagt.

PS 1: Allen, die sich wie ich nicht wirklich gut mit Buddhismus auskennen, sei’s gesagt. Als Bodhisattva (sanskrit, der das Wesen der Erleuchtung hat) wird laut Metzler Lexikon Philosophie „ein auf dem Heilsweg Fortgeschrittener bezeichnet, der aus Mitleid (karuṇā) mit den Lebewesen auf die endgültige Buddhaschaft – das Eingehen in das Nirvāṇa – verzichtet, bis er auch ihnen Erlösung verschafft hat“ (https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/bodhisattva/340).

PS 2: Die Wochenaufgabe habe ich zugegebenerweise nicht wirklich erfüllt, das Thema ist wohl verfehlt. Aber ich habe einen Blogbeitrag geschrieben, mehr Farbe in mein Leben gebracht und eine neue Figur. Manchmal muss frau ihre Prioritäten einfach anders setzen und das tun, was ihr in den Sinn kommt – und was ihr gefällt.

Ilon Wikland: Eine lange Reise

Zurück in die Kindheit – oder in die Welt der Kinderbücher. Im Museum Wilhelm Busch habe ich noch einmal die Ausstellung „Von Haapsalu bis Bullerbü“ besucht, in der Bilder von Ilon Wikland gezeigt wurden. Bei meinem ersten Besuch vor einem Monat war es voll, zu voll, um sich die Zeichnungen in Ruhe anzusehen. Jetzt, kurz vor dem Ende der Ausstellung, war sie immer noch – oder wieder – ziemlich gut besucht.

Das Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover, kurz Museum Wilhelm Busch

Kein Wunder – Ilon Wiklands Bilder kennen die meisten Kinder und viele Erwachsene. Denn sie hat außer „Michel aus Lönneberga“ und „Pippi Langstrumpf“ alle Kinderbücher von Astrid Lindgren, aber auch Bücher anderer AutorInnen illustriert.

Ich habe die Bücher von Astrid Lindgren erst spät entdeckt, die Illustrationen von Ilon Wikland sogar erst, als ich meiner Tochter die Bücher von Astrid Lindgren gekauft und vorgelesen habe. Als Kind habe ich nur „Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker“ gelesen, eine Detektivgeschichte, die ich nicht sonderlich spannend fand.

Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgrens wohl bekanntestes Buch, habe ich, wenn ich mich recht erinnere, erst Anfang der 70er-Jahre kennengelernt, als die Geschichten mit Inger Nilsson verfilmt wurden. Denn bei uns im Dorf gab es keinen Buchladen – und die kirchliche Leihbücherei war meist geschlossen. Pippi Langstrumpf habe ich dort ohnehin nicht gesehen, obwohl ich in der Bücherei geholfen habe. Die Geschichte eines selbstbewussten Mädchens, das alleine lebt, sich von Erwachsenen nichts vorschreiben lässt und sich die Welt macht, wie es ihm gefällt, in den Augen der für die Bibliothek und unser Seelenheil Verantwortlichen – und auch für meine Eltern – wohl keine geeignete Lektüre. Für „Die Kinder von Bullerbü“ konnte ich mich nie begeistern. Irgendwie war mir das im Buch geschilderte Dorf- und Familienleben viel zu idyllisch und mit meinen eigenen Erfahrungen nicht kompatibel.

Auch viele Zeichnungen von Ilon Wikland sind bunt und fröhlich, zeigen eine idyllische, heile Welt, wie man es (damals) in Kinderbüchern erwartete. Spielende, tobende Kinder oder Tischszenen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bücher und das Werk der Illustratorin. Aber immer wieder tauchen auch Kinder auf, die einsam und allein am Fenster, an der Tür oder wie auf dem Titel des autobiografischen Buchs einsam auf dem Bahnsteig stehen.

Traurig und tröstlich zugleich ist die Geschichte der „Brüder Löwenherz“. Ich habe sie vor zwei Jahren wiederentdeckt und wieder gelesen, als kurz nacheinander ein Freund und eine Freundin starben.

Meiner Tochter habe ich am liebsten die Geschichten von Lotta aus der Krachmacherstraße vorgelesen. Und als meine Enkelin neulich bei uns zu Besuch war, haben wir uns gemeinsam die alten Lotta-Filme angesehen und dann verschiedene Astrid-Lindgren-Bücher gelesen, die ich immer noch aufbewahre und in die ich immer wieder gerne hineinschaue.

Foto aus der Ausstellung. Die Rechte an den Zeichnungen liegen bei Ilon Wikland.

Dass Ilon Wikland ein Buch über ihre Kindheit in Estland und ihre Flucht nach Schweden gezeichnet hat, habe ich erst in der Ausstellung erfahren. Die Illustratorin, 1930 in Estland geboren, lebte nach der Trennung der Eltern bei ihren Großeltern in Haapsalu. Aus Furcht vor den Deportationen der Roten Armee schickte die Großmutter ihre erst 14 Jahre alte Enkelin 1944 allein nach Schweden. Dort wurde sie von einer Tante aufgenommen, besuchte die Schule und studierte anschließend an der Kunstakademie in Stockholm und in London. Seit den 1950er-Jahren arbeitete Ilon Wikland als Grafikerin für verschiedene Verlage und wurde von Astrid Lindgren entdeckt, die sie mit Probe-Illustrationen zu ihrem Kinderbuch „Mio, mein Mio“ beauftragte.

Inzwischen ist Ilon Wikland über 90 Jahre alt. Ihre Erlebnisse in der Kindheit in Estland, auf der Flucht nach und im Exil in Schweden hat sie in dem Buch „Die lange, lange Reise“ thematisiert und verarbeitet. Es ist laut Pressemitteilung des Wilhelm Busch Museums, „das einzige von ihr illustrierte Buch, bei dem es erst die Bilder und dann den Text gab“. Den Text dazu hat Rose Lagercrantz geschrieben.

Ich würde die Geschichte gerne lesen, denn die Zeichnungen in der Ausstellung haben mich wirklich beeindruckt. Doch leider ist das Buch derzeit vergriffen. Aber vielleicht findet sich ja ein Verlag, der es neu auflegt. Denn die Themen Panzer, Krieg, Flucht und Exil sind ja zurzeit leider aktueller denn je.

Neues aus dem Wintergarten

Unser Wintergarten macht seinem Namen zurzeit alle Ehre – und erfreut uns mitten im Winter mit vielen bunten Blüten.

„Die beiden ersten Blüten der Strelitzie haben sich geöffnet“, habe ich im März 2020 geschrieben. Diesmal ist es schon Ende Januar so weit. Die dritte im Bunde verwelkt sogar schon: Sie ist irgendwann im Oktober aufgeblüht und hat fast ein Vierteljahr geblüht. Mindestens drei Nachfolgerinnen sind bereit – mehr als je zuvor.

Mehr geht nicht – das denke ich alle Jahre wieder, wenn unser Osterkaktus – trotz seines Namens immer um Weihnachten – anfängt zu blühen. Doch im folgenden Jahr belehrt er mich dann stets eines Besseren. Ich staune nicht nur darüber, wie viele Blüten die Hatoria hat, sondern auch, wie lange sie blühen.

Der Osterkaktus schwächelt noch nicht, die Blüten der Christrose färben sich dagegen allmählich grün – ein Zeichen, dass sie verwelken und irgendwann abgeschnitten werden sollten. Bislang steht die Christrose im Wintergarten, doch sobald es etwas wärmer ist, werde ich sie in den Garten pflanzen. Dann ist die Chance, dass sie den Sommer überlebt und auch im nächsten Jahr blüht, größer.

Christrosen sind nämlich, das habe ich beim Schreiben dieses Blogbeitrags gelernt, viel anspruchsvoller als ihre Verwandten, die Lenzrosen. Sie mögen lehmige Böden, doch damit kann unser Garten (zum Glück) nicht dienen. Außerdem brauchen sie Kalk – ohne ihn bekommen sie keine Blüten. Ich werde beim Pflanzen also einfach den Trick anwenden, den ich ebenfalls im allwissenden world wide web gefunden habe: Ich lege ein Stück weiße Kreide ins Pflanzloch, um die Christrose mit Kalk zu versorgen. Warum die Kreide weiß sein muss, stand da nicht. Aber vielleicht färben sich die Blüten rot oder pink, wenn ich entsprechende farbige Kreiden mit einpflanze.

Weniger anspruchsvoll als ich gedacht oder befürchtet habe, ist die Orchidee, die ich von meiner Mutter geerbt habe. Sie darf weder in den Wintergarten noch im Sommer auf die Terrasse, denn obwohl ihre Vorfahren aus den Tropen stammen, verträgt sie keine pralle Sonne. Auf der Fensterbank meines Arbeitszimmers auf der Westseite fühlt sie sich aber offenbar wohl.

Viel Pflege braucht meine Orchidee nicht: Ich gieße sie ein oder zweimal in der Woche und gieße später das Wasser, das im Untersetzer steht, ab. Denn nasse Füße, sprich Staunässe, mag sie ebenso wenig wie allzu große Hitze.

Sie ist spät dran in diesem Jahr – erst drei Blüten haben sich bislang geöffnet. Aber es werden in den nächsten Tagen sicher mehr: Ich habe mehr als zwei Dutzend Knospen gezählt. Wahrscheinlich blühen sie dann bis in den Sommer hinein. Weil Orchideen nämlich sehr spezialisiert sind und in der Natur nur von bestimmten Insekten bestäubt werden können, haben sie sehr lange Blühzeiten. Das erhöht die Chance, dass das richtige Insekt während der Blüte vorbeiflattert, so Boris Schlumpberger in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift nobilis (https://nobilis.de/orchideen-tipps-fuer-eine-gluecklich-bluehende-schoenheit/?doing_wp_cron=1675239444.4843928813934326171875).

Schlumpberger muss es wissen: Er ist Kustos der Herrenhäuser Gärten in Hannover, in denen es eine der größten Orchideensammlungen der Welt mit rund 25.000 Pflanzen gibt. Ein kleiner Teil dieser Sammlung ist im Orchideenhaus im Berggarten zu sehen. Ein Besuch lohnt – nicht nur, aber vielleicht besonders, wenn das Wetter grau und trist ist und die ersten Blüten im eigenen Garten noch auf sich warten lassen.

Die unstrukturierte Leserin

Ich lese gern – und recht viel. Wenn die Statistiken nicht lügen, deutlich mehr als der Durchschnitts-Deutsche, wie immer er oder sie aussehen mag. Nach einer Umfrage des Stern aus dem Jahr 2015 lesen nämlich nur 27 Prozent mehr als zehn Bücher jährlich, 14 Prozent lesen gar keine Bücher. 39 Prozent der Befragten lesen bis zu fünf Bücher, (https://www.presseportal.de/pm/6329/2969695) – so viele liegen meist neben meinem Bett, weil ich parallel mehrere Bücher lese (und weil ich die gelesenen Bücher nicht immer sofort wegräume. Aber das ist ein anderes Thema).

Welche Bücher ich – vollständig – gelesen habe, notiere ich unter anderem in meinem Büchertagebuch. Das habe ich vor Jahren in der Livraria Bertrand in Lissabon gekauft, die angeblich die älteste Buchhandlung der Welt sein soll. 58 Bücher stehen bis jetzt in diesem Jahr auf meiner Gelesen-Liste. Und weil ich zwar Listen liebe, sie aber leider nicht sehr akribisch führe, sind es wahrscheinlich sogar ein paar mehr. Mein selbst gestecktes Jahresziel – ein Buch pro Woche – habe ich in diesem Jahr schon erreicht.

Belesen, wie manche jetzt vielleicht mutmaßen, bin ich aber nicht. Denn Duden online und Googles Deutsche Wörterbuch definieren „belesen“ als „durch vieles Lesen reich an [literarischen] Kenntnissen“. Ich habe, wenn überhaupt, nur ein gesundes Halbwissen. Und obwohl ich in meinem früheren Leben Germanistik studiert habe, kenne ich nicht einmal die Klassiker der Weltliteratur.

So bin ich bei „Ulysses“ von James Joyce ebenso wie bei Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ nie über die ersten 50 Seiten hinausgekommen. Die Bibel und Homers Ilias – ebenfalls Must-Reads für wirklich belesene Menschen – habe ich nur auszugsweise gelesen. Und die Lektüre von Buddenbrooks und Goethes Wahlverwandtschaften liegt so lange zurück, dass es schon fast verjährt ist.

Im Studium habe ich mich noch brav durch diverse Literaturlisten gelesen, seit ich der Uni den Rücken gekehrt habe und auch dem Schuldienst erfolgreich aus dem Weg gegangen bin, bin ich eine unstrukturierte Leserin. Ich lese just for fun.

Ich lese, was mir mehr oder weniger zufällig in die Finger fällt oder vor besser vor die Augen kommt. Bestsellerlisten interessieren mich bei der Auswahl meiner Lektüre eigentlich gar nicht, die Empfehlungen verschiedener Kulturseiten und -sendungen nur bedingt. Viele Bücher finde ich auf der Neuerscheinungsliste der örtlichen Bücherei und warte dann geduldig, bis ich an der Reihe bin: Helga Schuberts „Vom Aufstehen“ zum Beispiel oder „Die Unsterblichen“ von Axel Schumann. Manchmal frage ich das Bücherei-Team, ob ein Buch, das ich gerne lesen würde, nicht auch für andere LeserInnen interessant wäre. Und manchmal überzeugen meine Buchwünsche die Mitarbeiterinnen und sie kaufen das Buch für die Bücherei (vielen Dank für beides). Beispielsweise Gabriele von Arnims „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“. Das Buch, in dem Sie über das Zusammenleben mit ihrem pflegebedürftigen Mann schreibt, hat mich sehr berührt, vielleicht auch, weil ich es zu einer Zeit gelesen habe, als eine Freundin und ein Freund schwer krank waren.

Wenn ich in eine Buchhandlung gehe, komme ich meist mit einem neuen Buch heraus. Aber ich entdecke auch oft Bücher wieder, die seit Jahren in meinem Bücherschrank stehen. Manchmal springen mich die Titel an. Oder besser gesagt sie schreien: „Lies mich“ – weil sie gerade (wieder) zu meinem Leben passen. Zum Beispiel Rainer Maria Rilkes „Du musst dein Leben ändern“, „Auszeit“ von Anja Meulenbelt oder „Ein sanfter Tod“ von Simone de Beauvoir.

Manchmal führt mich ein Buch auf einen Pfad, dem ich dann lesend folge: Nachdem ich Antonio Iturbos „Bibliothekarin von Auschwitz“ gelesen habe, habe ich mir Dita Kraus Memoiren „Ein aufgeschobenes Leben: Kindheit im Konzentrationslager – Neuanfang in Israel“ ausgeliehen. Dita Kraus war noch ein Teenager, als sie im sogenannten „Familienlager“ des Venichtungslagers Birkenau die Bücher vor den Nazis versteckte. Sie wurde von Birkenau zunächst nach Auschwitz und dann ins KZ Bergen-Belsen deportiert. Dort hielten die Nazis auch Anne Frank und Renata Laqueur gefangen; Anne Frank wurde dort ermordet. Renta Laqueur überlebte. Ihre Tagebücher stehen in meinem Bücherregal, und natürlich habe ich noch einmal in sie hineingelesen. 

Oft verlasse ich mich bei der Auswahl der Bücher auf Empfehlungen von Freundinnen und Bekannten – und werde nur selten enttäuscht: Tante Martl von Ursula März hat mir eine Bekannte empfohlen und ausgeliehen; Nevermore von Cécile Wajsbrot habe ich mir selbst gekauft, nachdem eine Bücherfrau aus unserer Regionalgruppe es erwähnt hat. Jetzt liegt es auf dem Stapel der zu lesenden Bücher, der seinen Platz in einem meiner Bücherregale hat.

Ein Buch, das schon lange – ungelesen – in meinem Bücherregal steht, hat es jetzt auch auf diesen Stapel geschafft: „Der Zauberberg“ von Thomas Mann. Ein Bekannter hat mir den Zauberberg ans Herz gelegt, weil es eines seiner Lieblingsbücher ist. Dass er es schon mehrmals gelesen hat, hat mich beeindruckt, immerhin hat das Buch fast tausend Seiten. Ich gebe dem Klassiker also noch eine Chance – und vielleicht ist die Vorweihnachtszeit der richtige Zeitpunkt für einen Roman, der in den Schweizer Bergen spielt und in dem ein Schneetraum zu den Höhepunkten zählen soll.

PS: Auch dieser Blogbeitrag hat mich zu einem Buch geführt: Als ich über den Text und über den Titel nachdachte, kam mir Alan Bennett „Die souveräne Leserin“ in den Sinn. Ich kannte das Buch nicht, habe es mir gekauft und kann es nur empfehlen. Natürlich ohne Gewähr, denn anders als die Queen, die Heldin des Buches, bin ich keine souveräne, sondern nur eine unstrukturierte Leserin. .

 

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Katzensitten mit Nebenwirkungen

Am Wochenende war ich zum Katzensitten im Harz. Ich bin eine erfahrene Katzensitterin – die Katzen unserer Nachbarn hüte ich seit Jahrzehnten, zur Zufriedenheit der Katzen und ihrer Besitzer. Fiene, die Nachbarkatze, fremdelt zwar anfangs noch immer ein bisschen, wenn ich ihre Betreuung übernehme. Doch nach ein paar Tagen akzeptiert sie mich als Familienmitglied, und als Anerkennung für meine Dienste als Tütenöffnerin legt sie mir gelegentlich eine Maus vor die Tür, meist mit einem Blättchen garniert. Den Sinn fürs Dekorative hat Fiene wohl von ihrer Besitzerin „geerbt“; vielleicht weiß sie aber auch, dass ich Salat eigentlich lieber mag als Fleisch.

Prinzessin K. kannte ich bislang zwar durch gelegentliche Besuche bei ihrer Besitzerin, aber „gesittet“ habe ich sie zum ersten Mal. Nun ist Katzensitten ja keine tagfüllende Angelegenheit. Meist möchten die Stubentiger – oder im Fall von Prinzessin K eher Stubenpanther – in Ruhe gelassen werden, wenn sie satt sind und die gewünschten Streicheleinheit bekommen haben. Prinzessin K. hat sich danach jedenfalls ganz tiefenentspannt auf ihren Katzenbaum zurückgezogen und ich war entlassen – frei nach Friedrich Schiller: „Der Mensch hat seine Arbeit getan, der Mensch kann gehen.“*

Ganz entspannt …

Ich habe die Gelegenheit genutzt, mir Bad Harzburg anzusehen. Jahrelang sind wir einfach daran vorbeigefahren; jetzt nehme ich mir Zeit, durch die Hauptstraße zu bummeln, die auch noch Bummelallee heißt. Das Städtchen hat Charme: Mir gefallen die hübsch renovierten Häuser, die teilweise noch aus einer Zeit stammen, in der Kur- und Badeaufenthalte noch den Herrschaften vorbehalten waren …

… die Radau, die durch den Ort fließt, und die vielen kleinen Teiche …

… und natürlich der Rosengarten. Vor allem die gelben Rosen haben es mir angetan, die intensiv nach Zitrone duften.

Auf dem Rückweg komme ich am Sophiengarten vorbei – die Wohnanlage ist ebenso neu wie der klassizistische Pavillon in der Mitte, aber die Inschrift gefällt mir: Freut euch nicht zu spät.

Ein kluger Rat, und ich nehme mir vor, ihn zu beherzigen. Ebenso wie den, der auf der Tasse steht, aus der ich hier meinen Kaffee trinke:

In der Sendung mit der Maus, die ich früher fast lieber gesehem habe als meine Tochter, würde es heißen: Das ist Lateinisch und heißt wörtlich „Pflücke den Tag“. Gemeint ist: „Genieße den Tag“.** Das tue ich leider zu selten. Aber das kann sich ja ändern.

Merke: Frau kann beim Katzensitten und beim Bloggen darüber offenbar manches lernen.

*Das Zitat stammt, anders als ich gedacht habe, nicht von Shakespeare, sondern es ist aus Friedrich Schillers Verschwörung des Fiesco, und zwar aus dem vierten Auftritt des dritten Akts. Und es heißt auch nicht Schuldigkeit, sondern Arbeit.

**Laut Wikipedia ist der Satz die Schlusszeile der Ode „An Leukonoë“ von  Horaz, der von 65 v. Chr. bis 8 v. Chr. lebte. Er fordert „als Fazit des Gedichtes dazu auf, die knappe Lebenszeit heute zu genießen und das nicht auf den nächsten Tag zu verschieben“. Das will ich tun. https://de.wikipedia.org/wiki/Carpe_diem

Von Daten- und anderen Umzügen

Einige, die sich über die lange Pause gewundert und versucht haben, Time to fly aufzurufen, haben es gemerkt: Der Blog war eine Zeit lang nicht zu erreichen. Das hatte einen Grund: Der Blog ist umgezogen. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn auch Daten lassen sich offenbar nicht immer ganz einfach transferieren. Da unterscheidet sich der Umzug eines Blogs nicht von einem Umzug im richtigen Leben. Und ohne die Hilfe einer Webmasterin hätte ich es nicht geschafft. Danke Silke.

Warum ich es trotzdem getan habe – aus Bequemlichkeit, weil ich von Technik keine Ahnung habe und wegen der Datensicherheit. Um die Sicherheitsupdates kümmert sich jetzt der Anbieter, der meinen Blog hostet.  Ich schreibe derweil lieber Blogbeiträge – und zwar wieder regelmäßig. Das ist der erste gute Vorsatz fürs neue Jahr, diesmal schon vor Weihnachten.

Für alle, die meinen Blog abonniert haben, ändert sich nichts, die Adresse ist die gleiche geblieben und der Versand funktioniert hoffentlich auch.

Apropos Umzug: Ich habe seit Sommer noch eine zweite Adresse sprich einen zweiten Blog. Gemeinsam mit Foe Rodens blogge ich über Pflanzen, den eigenen und fremde Gärten und Balkongärten. Auch diesen Blog haben wir in den vergangenen Wochen vernachlässigt. Doch auch das soll besser werden. Denn Foe zieht um – und kann in der neuen Wohnung endlich den Traum vom eigenen Garten verwirklichen. Sie hat also ab kommendem Frühjahr viel zu erzählen. Und wenn die heiße Phase des realen Umzugs vorbei ist, wird sie sicher mit der Planung beginnen.

Wer will – und es noch nicht getan hat – kann den Blog abonnieren unter

https://chaosgaertnerinnen.de/

Tagebuch schreiben

Vor ein paar Tagen habe ich ein neues Tagebuch angefangen. Und obwohl es schon so viele waren in all den Jahren ist es immer wieder ein besonderes Gefühl. Ich weiß nicht, wie viele Bücher ich vollgeschrieben habe, seit ich Anfang der 70er– angeregt durch das Tagebuch von Anne Frank – damit begonnen habe. Ich habe sie nie gezählt – aber es müssen mehr als hundert sein. Die Kladden füllen inzwischen mehrere Regalbretter.

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Tagebücher – stapelweise

Mein erstes Tagebuch mit einem orange gemusterten Plastikeinband und verschließbar habe ich wiedergefunden, als ich im letzten Jahr das Haus meiner Eltern teilweise ausgeräumt habe. Der Verschluss ist aufgeschnitten, den Schlüssel habe ich wahrscheinlich irgendwann verloren. Einige Seiten sind herausgerissen, der Rest ist fast leer. Warum ich nicht weitergeschrieben habe, weiß ich nicht mehr genau. Vielleicht weil  ich gemerkt habe, dass jemand versucht hatte, darin zu lesen.

Einige Tagebücher aus den Anfangsjahren sind verschwunden, einige habe ich zerrissen und verbrannt – in Anfällen von Selbstzweifeln oder um zu verhindern, dass irgendjemand sie liest. Das eine oder andere  ist wohl auch im Laufe der Jahre verloren gegangen – bei diversen Umzügen oder durch andere Umstände.

In den ersten Jahren habe ich eher spontan und verhältnismäßig wenig geschrieben, inzwischen fülle ich etwa vier Bücher  im Jahr. Zurzeit benutze ich Bücher  von Leuchtturm, weil es meine heißgeliebten Claire-Fontaine-Kladden – blanco, mit flexiblem einband und 96 Blatt – nur selten in meinen Wunschfarben gibt und bestimmte Farben angeblich auch nicht zu bestellen sind (Falls jemand mir die Claire-Fontaine-Hefte in Lila, Beere oder Petrol besorgen kann, freue ich mich).

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Time to write – nur ein paar Minuten in einem meiner Lieblingsgärten

Ich bin eine notorische Tagebuchschreiberin – ohne mein Tagebuch gehe ich nur selten aus dem Haus. Und ich habe auch schon mal einen Zug verpasst, weil ich auf dem Weg zum Bahnhof gemerkt habe, dass ich mein Tagebuch vergessen hatte und deshalb umkehren musste. Ich schreibe überall. Im Bett, im (Winter)Garten, im Zug, in der Straßenbahn, im Bus, in der Badewanne, in der Sauna  – wo immer es mir gerade in den Sinn kommt. Seit einiger Zeit verändern sich meine Einträge, immer häufiger klebe ich Bilder in mein Tagebuch oder zeichne etwas, völlig talentfrei, aber bunt. Mein Leben soll bunter werden, das habe ich mir fest vorgenommen, und mein Tagebuch macht den Anfang.

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Farbe bekennen. Foto: Nele Schmidtko

Neben meinem klassischen Tagebuch führe ich auch noch ein digitales  – eine Tagebuchdatei. Und natürlich mein Bullet Journal, in das ich täglich notiere, was ich erledigen soll – oder sollte. Also  eine Art Arbeits-Tagebuch.

Im Herbst 2017 habe ich das Fünf-Jahresbuch entdeckt. seither notiere ich an (fast) jedem  Abend, was am Tag passiert ist. Für jeden Tag gibt es nur ein paar Zeilen, ich muss mich also kurz fassen – Some Lines a Day, so viel Zeit muss sein. In meinen alten Tagebüchern lese ich nie, doch während ich in das Fünf-Jahres-Buch schreibe, schaue ich meist, was ich vor genau einem Jahr erlebt habe, worüber ich mich geärgert oder gefreut habe (und täglich grüßt das Murmeltier).

Und dann gibt es seit einigen Monaten noch das Dankbarkeits-Tagebuch. Ein Blogpost von That’s Michi (https://thatsmichi.wordpress.com/2019/03/23/30-dinge-fur-die-ich-dankbar-bin/) hat mich auf die Idee gebracht.

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Tagebücher – ein uraltes und drei aktuelle

Natürlich konnte nicht widerstehen und habe mir ein Dankbarkeits-Tagebuch gekauft. Seither starte ich mit einer Tasse Kaffee und dem Schreiben der Morgenseiten in den Tag  und beende ihn meist damit, mich daran zu erinnern, was positiv war, was ich Schönes erlebt habe. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die ich notiere – die erste Erdbeere zum Beispiel, ein nettes Gespräch oder dass ich beim Besuch in einem offenen Garten für ein paar Minuten an einem kleinen Teich sitzen durfte. Und manchmal wird mir erst beim Nachdenken und Schreiben bewusst, wie viel es doch gibt, wofür ich dankbar sein sollte oder bin.

Kunst entdecken

Manchmal weiß ich im Nachhinein nicht, warum ich etwas erst so spät entdeckt habe. So habe ich beispielsweise schon einige Jahre in Burgwedel gelebt, bevor ich zum ersten Mal in den Herrenhäuser Gärten war. Seit meinem ersten Besuch gehört der Berggarten zu meinen absoluten Lieblingsorten in Hannover. Mit dem Großen Garten fremdle ich immer noch ein bisschen – wie mit der Stadt Hannover.

Vielleicht habe ich den Atelierspaziergang in Hannover  deshalb erst jetzt entdeckt, obwohl es ihn schon lange gibt: Künstlerinnen und Künstler öffnen ihre Ateliers für Kunstinteressierten und solche, die es werden wollen. Terra incognita hieß das Motto in diesem Jahr – ich habe die Gelegenheit zu einer Entdeckungsreise in die mir völlig unbekannte hannoversche Kunstszene genutzt. Noch mehr als die Bilder, ich gestehe es, interessieren mich die Ateliers, in denen die Malerinnen und Bildhauer arbeiten – die Orte, an denen Kunst entsteht.

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Atelier im Quellengrund, Limmer

Manchmal ist es nur ein kleiner Schritt abseits der bekannten Pfade. An den ersten beiden Ateliers auf meiner Liste bin ich oft vorbeigegangen, denn meine Tochter hat ganz in der Nähe gewohnt. Sie liegen versteckt in einem grünen Hinterhof an der Durchgangsstraße von Limmer. Und auch die Ateliers von Bernhard Kock und Anne Nissen liegen nur ein paar Meter von zwei Haltestellen entfernt, an denen ich häufig aussteige.

Unterschiedlicher können Räume kaum sein. Die Galerie von Bernhard Kock war früher eine Schusterwerkstatt. Unten hat der Schuster gearbeitet, eine steile Treppe führt in die kleinen Zimmer im Obergeschoss, in denen früher die ganze Familie gelebt hat. Ich muss an meinen Opa denken, der auch Schuster war. Ich habe ihn nie kennengelernt, weil er lange vor meiner Geburt gestorben ist. Meine Mutter hat als Kind auch mit vielen Geschwistern  in einer winzigen Wohnung hinter der Werkstatt gelebt. An dieses Haus erinnert sie sich, wenn sie heute von ihrem Haus spricht.

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Anne Nissen, Tuschebilder

Das Atelier von Anne Nissen war früher mal eine Fabrikhalle: ein riesiger Raum mit hohen Wänden. Anne Nissens Tuschezeichnungen gehören zu den Lieblingskunstwerken auf meiner dreitägigen Entdeckungstour. Im Stefanstift in Kirchrode dienen die ehemalige Bäckerei und die alte Wäscherei heute als Ateliers. Ein schlichter Zettel am Eingang gewährt einen Einblick in die Lebensgeschichte eines Malers, dessen Bilder hier zu sehen sind. Sabah al Rikabi und seine Frau, die Dichterin Freyal Fareed, haben Kirchenasyl auf dem Stiftsgelände – sie dürfen es nicht verlassen.

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Bilder im Asyl von Sabah al Rikabi

Bei Kunst in Bewegung (KIB) in Burgwedel bin ich seit Jahren mit von der Partie: Hier stellen meist Hobbykünstlerinnen und -künstler ihre Werke aus. Die meisten inzwischen in öffentlichen Gebäuden, nur wenige öffnen ihre Häuser und oder ihren Garten. Der Garten von Mitorganisatorin Elke Seitz liegt ganz versteckt mitten im Ort. Die kleine grüne Oase steht jedes Jahr ganz oben auf meiner To-visit-Liste – und jedes Mal fühle ich mich ein bisschen wie Lewis Carrolls Alice hinter den Spiegeln.

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Eva in den Spiegeln im Garten von Elke Seitz

Sam Mabeu, ein junger Bildhauer aus Simbabwe, stellte seine Skulpturen im Sankt Petry Park aus. Sie gefallen mir gut – auch in unserem Garten würden sie sich gut machen.

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Skulptur von Sam Mabeu

Das  absolute Highlight sind für mich aber die Skizzenbücher von Heidrun Schlieker, in denen sie Landschaften, Szenen oder auch Menschen festhält, bevor daraus später „richtige“ Bilder entstehen. Mein erster Gedanke: Das möchte ich auch können – und der zweite: „Will haben!!!!!!!“ Doch leider sind die Bücher unverkäuflich.

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Aus dem Skizzenbuch von Heidrun Schlieker (auch Beitragsbild oben)