Umzüge

Meine Tochter ist umgezogen. Aus einer Groß- in eine Kleinstadt. Freiwillig. Weil sie, wenn sie aus dem Fenster schaut, lieber Bäume sieht als Hochhäuser und lieber Vogelgezwitscher hört als Autos. Natürlich habe ich ihr beim Umzug geholfen: Ich habe Kisten gepackt und geschleppt. Zwei Etagen runter und dann eine hoch in die neue Wohnung. Dabei habe ich festgestellt, dass sich drei Jahrzehnte Altersunterschied zu den anderen Umzugshelfern eben doch bemerkbar machen. Die positive Erkenntnis: Für mein Alter bin ich noch ganz gut in Form.

Als meine Oma und ihre Schwester, meine Großtante Käthi, Ende der 50er Jahre in das Haus meiner Eltern einzogen, waren sie etwa so alt wie ich heute. Aber sie erschienen mir als Kind uralt. Sie kleideten sich dunkel und verließen ihre Wohnungen eigentlich nur einmal in der Woche, um in die Kirche zu gehen. Meine Mutter war, so scheint es mir, mit 90 noch agiler und fitter als ihre Mutter und ihre Tante mit 60.

Bei ihrem Umzug beschränkten sich die beiden alten Damen im Wesentlichen darauf zu sagen, wo was hingehört; die Arbeit erledigten andere – vor allem meine Eltern – für sie. Einige Möbelstücke, die jetzt in der Wohnung meiner Tochter stehen, sind übrigens schon vor sechs Jahrzehnten in das Haus meiner Eltern eingezogen: eine Kommode beispielsweise und ein Schrank aus Kirschholz, beide sicher hundert Jahre alt. Ich habe sie geerbt – und an meine Tochter weitervererbt.

Alter Schrank in neuer Wohnung

So lange halten heute nur wenige Dinge. Der Akku meines Netbook ist schon nach vier Jahren und häufigem Aufladen altersschwach – und die Festplatte zu klein. Außerdem hat ein großer Softwareanbieter, dessen Name ich nicht nenne, den Support für das Betriebssystem eingestellt. Allen, die sich mit Computern genauso wenig auskennen wie ich, sei es erklärt: Es ist, als ob der Vermieter in einem alten Haus nichts mehr repariert und alle Schlösser ausbaut, sodass jede/r das Haus betreten kann.

Damit das mit meinem Computer nicht passiert, habe ich mir einen neuen gekauft. Nicht ganz freiwillig also, sondern eher zwangsweise. Und so stand am Abend nach dem (realen) Umzug bei mir ein virtueller an – und meine Tochter revanchierte sich umgehend für meine Hilfe. Sie installierte Programme und richtete den neuen Computer so ein, dass ich damit arbeiten kann.

Und obwohl mich und meine Oma Welten trennen, war ich plötzlich in der gleichen Rolle wie sie vor gut 60 Jahren: Ich saß auf der Couch und schaute meiner Tochter bei der Arbeit zu, wie weiland meine Oma meiner Mutter, ihrer Tochter.

Fliegende Wörter

Ja, ich gebe es zu. Neu ist die Idee nicht. Vor drei Jahren gehörte das Vorhaben schon einmal zu meinen guten Vorsätzen fürs neue Jahr (https://timetoflyblog.com/vier-auf-einen-streich). Und damals, ich gestehe es, habe ich es nur ein paar Wochen durchgehalten. Aber weil mir die Idee nach wie vor gefällt, starte ich jetzt einen zweiten Versuch: Ich möchte in (fast) jeder Woche ein Gedicht versenden. Immer noch kein selbst geschriebenes, sondern eines aus dem im Daedalus Verlag in Münster erschienenen Postkartenkalender: Fliegende Wörter. Der Kalender enthält 53 „Gedichte zum Verschreiben und Verbleiben“ – nicht nur aus Deutschland, sondern u. a. auch aus Norwegen, den Niederlanden, Polen, Japan, Italien, Frankreich, Persien und sogar aus dem alten Ägypten.

Ich habe den Kalender Anfang Dezember bei Annabee, meiner Lieblingsbuchhandlung in Hannover, gekauft und lange überlegt, ob ich ihn zu Weihnachten verschenken oder selbst behalten soll. Ich habe mich fürs Behalten und Verschenken auf Raten entschieden – sprich fürs Versenden an FreundInnen und Bekannte. Denn zum Versenden sind Postkarten schließlich da. Und geteilte Freude ist ja bekanntlich doppelte Freude.

Auch einige AbonnentInnen dieses Blogs werden im Lauf des Jahres ein Postkartengedicht bekommen. Sie warne ich auf diesem Weg vor und bitte um Nachsicht: Auch wenn ich mir bei der Auswahl Mühe gebe, passt das Gedicht nicht immer genau zum Empfänger oder zur Empfängerin. Und einige Gedichte werde ich vielleicht gar nicht verschicken, wenn mir gar kein/e passende/r Adressat/in einfällt.

Ein wenig tröstet es mich, dass auch den Kalender-Herausgeberinnen Andrea Grewe, Hiltrud Herbst und Doris Mendlewitsch die Auswahl der Gedichte nicht immer leicht gefallen ist. „Manchmal ist es schwierig, angemessene Gedichte zu finden“, zitiert Greta Rüter Hiltrud Herbst in ihrem Artikel „Zwei Tage ohne Poesie kommen nicht in Frage“ (erschienen am 30. Juli 2018 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 174, S. 26,  https://www.fazschule.net/project/jugendschreibt/2879 ).

Für Hiltrud Herbst war die 26. leider die letzte Ausgabe des Lyrik-Kalenders: Die BücherFrau ist Anfang November gestorben.

Zwischen den Jahren

Es ist wieder so weit: Heute endet das Jahr, morgen beginnt ein neues Jahr – und die Zwanziger Jahre. Das neue Jahrzehnt startet erst am 1. Januar 2021, weil die weltweit gültige Zeitrechnung kein Jahr 0 kennt, sondern mit dem Jahr 1 nach Christus anfängt, das der Mönch Dionysius Exiguus Anfang des 6. Jahrhunderts festgelegt hat.

Die Zeit zwischen den Jahren dauert noch bis zum 6. Januar. Diese Zwischenzeit hängt zum einen mit der unterschiedlichen Dauer von Mond und Sonnenjahr zusammen. Denn das Mondjahr mit zwölf durchschnittlich etwa 29,5 Tage langen Monaten ist zwölf Tage kürzer als das Sonnenjahr, das in der Regel 365 Tage dauert. Zum anderen endete das alte Jahr bis zur Neuzeit bereits am 24. Dezember, das neue Jahr begann dagegen bis zur Einführung des gregorianischen Kalenders erst am 6. Januar. Die zwölf Nächte zwischen dem Heiligen Abend und dem Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphania oder heilige drei Könige) gelten laut Wikipedia seit dem Konzil von Tours im Jahr 567auch offiziell als besonders verehrungswürdig https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischen_den_Jahren

Auch der Tag der Wintersonnenwende am 21. Dezember gehört seit alters her zu den besonderen, den heiligen Nächten in denen die Tore zu der anderen Welt offenstehen. So gelangen Dämonen, Geister und andere wilde (= raue) Gesellen in unsere Welt, ziehen als wilde Jagd durchs Land und treiben ihr Unwesen. Und weil die Grenze zwischen beiden Welten in dieser Zeit durchlässig ist, nutzen Menschen seit alters her die sogenannten Losnächte, um einen Blick in die Zukunft zu erhaschen. Selbst für diejenigen, die nicht abergläubisch sind, die weder an Geister, an andere Welten und die dazugehörenden Wesen glauben noch an die besondere Kraft der Raunächte, ist der bevorstehende Jahreswechsel Anlass, über das vergangene Jahr nachzudenken, Pläne zu schmieden und gute Vorsätze für das neue Jahr zu fassen.

Für mich war 2019 ein schwieriges Jahr. Anfang des Jahres ist mein Lieblingscousin gestorben, im Juli meine Mutter und Ende des Jahres auch noch ein Klassenkamerad, mit dem ich zusammen Abitur gemacht habe. Mein Mann ist schwer erkrankt, ein Freund hat einen Zusammenbruch nur mit viel Glück überlebt, eine gute Bekannte kämpft gegen den Krebs und um ihr Leben. Die Einschläge kommen näher, aber das ist wohl so, wenn man die 60 überschritten hat.

Lohnender Besuch: Bretten in Baden-Württemberg

Die meisten guten Vorsätze vom Jahresanfang habe ich leider nicht in die Tat umgesetzt. Ich habe es weder geschafft, jede Woche ein Buch zu lesen noch jede Woche einen Blogpost zu schreiben – aber mit rund 50 gelesenen Büchern und 40 Blogbeiträgen fällt die Bilanz besser aus als befürchtet. Aus den geplanten Reisen und Wanderungen ist nichts geworden. Ich war nicht in Amsterdam und nicht in Paris und ich habe auch nicht den gesamten Hexenstieg erwandert. Aber immerhin habe ich ein paar sehr hübsche Orte kennengelernt, die nicht auf meiner To-visit-Liste standen und die ich auch sicher nie besucht hätte, wenn meine Pläne nicht durchkreuzt worden wären. Bretten zum Beispiel, Baden-Baden oder Ratzeburg. Und ich weiß jetzt genau, wo ich ich nie leben möchte – doch die Namen der beiden Orte nenne ich an dieser Stelle nicht.

Dieses Jahr war sicher nicht das beste meines Lebens und ich bin irgendwie froh, dass es bald vorbei ist. Aber ich habe natürlich auch Positives erlebt. Ich konnte zwei große Belastungen hinter mir lassen; mein Mann ist nach zwei Operationen wieder auf dem Weg der Besserung. Ich habe ein neues Hobby entdeckt, das mein Leben im wahrsten Sinne des Wortes bunter macht, eine neue Freundin gefunden und einen alten Freund wiedergefunden. Und viele haben mich in diesem Jahr begleitet, getröstet und unterstützt. Ihnen allen vielen Dank. Es gibt also gute Gründe, positiv ins neue Jahr zu schauen, das am anderen Ende der Erde schon begonnen hat, während ich diese Zeilen schreibe.

Mein Leben wird bunter

Weil die Heiligen Nächte zwischen den Jahren noch andauern, möchte ich den Blog mit einem abgewandelten irischen Segenspruch beenden, der am Tag vor dem Heiligen Abend in meinem Adventskalender gestanden und der mich sehr beeindruckt hat: „In den Heiligen Nächten möge Frieden dein Gast sein und das Licht der Weihnachtskerzen weise dem Glück den Weg zu deinem Haus.“  Und mit einem Foto, das Foe Rodens am anderen Ende der Welt bei Auckland aufgenommen hat, dort, wo die Zwanziger Jahre schon begonnen haben.

Sonnenuntergang bei Auckland, fotografiert von Foe Rodens

Von schönen Geschenken und unerwarteten Gefahren

Jetzt ist Weihnachten wieder vorbei. Die geschenkten Bücher sind leider schon gelesen. Eine neue Tasse bringt mit ihren bunten Punkten frühmorgens, wenn ich noch im Bett den ersten Kaffee trinke, Farbe und Fröhlichkeit in mein Leben. Das Notizbuch habe ich schon eingeweiht, Kalender und Bulletjournal warten noch auf den Beginn des neuen Jahres und auf ihren Einsatz.

Kalender + Notizbuch – handgemacht von Foe Rodens

Meine Blogpartnerin Foe, die mein Faible für schöne Bücher und Notizbücher kennt, hat sie selbst gemacht und mir geschenkt – wer möchte, kann die Ledereinbände für Notizbücher und Kalender bestellen unter https://foerodens.wordpress.com/ledereinbande-fur-notizbucher.

Der Weihnachtsbaum nadelt zwar noch nicht, hat sich aber schon gestern mit den unteren Zweigen auf dem Boden abgestützt, als brauche er zusätzlichen Halt. Heute Morgen neigte er sich bedenklich, drohte auf die Krippe zu stürzen, die wir auch in diesem Jahr wieder aufgestellt haben – wie im vergangenen Jahr, als meine Mutter Weihnachten mit uns feierte. Zum letzten Mal, im Sommer ist sie gestorben.

Um meiner Mutter eine Freude zu bereiten, hatte ich das Essen gekocht, das es in meiner Kindheit bei uns zu Hause gab – Fleischsalat mit Rindfleisch und selbst gemachter Eiermayonnaise. Obwohl ihr Gedächtnis sie immer häufiger im Stich gelassen hat, konnte sie sich genau an das Rezept erinnern – und an die Lieder, die wir gesungen haben. Auch über die Krippenfiguren hat sie sich gefreut. Ich hatte sie vor dem Sperrmüll gerettet und ihnen bei uns Asyl gewährt.

Der Weihnachtsbaum ist wieder im Lot. Über der Krippe leuchtet zwar kein Stern, aber die Menora, der siebenarmige Leuchter.

Doch jetzt drohten der heiligen Familie, den Hirten und Schafen Ungemach von unserem Weihnachtsbaum. Um zu verhindern, dass sie erschlagen werden, haben wir die unteren Zweige abgeschnitten, den Baum wieder aufgerichtet und fest im Ständer verankert. Eine stachlige Angelegenheit, denn der Blaufichte sollte man sich nur mit Schutzkleidung nähern. Der Lohn der Mühe: Die untere Etage duftet jetzt intensiv nach Harz und nach Weihnachten – und dank einiger abgeschnittener Zweige hoffentlich auch mein Arbeits- und Schlafzimmer unterm Dach.

Von Daten- und anderen Umzügen

Einige, die sich über die lange Pause gewundert und versucht haben, Time to fly aufzurufen, haben es gemerkt: Der Blog war eine Zeit lang nicht zu erreichen. Das hatte einen Grund: Der Blog ist umgezogen. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn auch Daten lassen sich offenbar nicht immer ganz einfach transferieren. Da unterscheidet sich der Umzug eines Blogs nicht von einem Umzug im richtigen Leben. Und ohne die Hilfe einer Webmasterin hätte ich es nicht geschafft. Danke Silke.

Warum ich es trotzdem getan habe – aus Bequemlichkeit, weil ich von Technik keine Ahnung habe und wegen der Datensicherheit. Um die Sicherheitsupdates kümmert sich jetzt der Anbieter, der meinen Blog hostet.  Ich schreibe derweil lieber Blogbeiträge – und zwar wieder regelmäßig. Das ist der erste gute Vorsatz fürs neue Jahr, diesmal schon vor Weihnachten.

Für alle, die meinen Blog abonniert haben, ändert sich nichts, die Adresse ist die gleiche geblieben und der Versand funktioniert hoffentlich auch.

Apropos Umzug: Ich habe seit Sommer noch eine zweite Adresse sprich einen zweiten Blog. Gemeinsam mit Foe Rodens blogge ich über Pflanzen, den eigenen und fremde Gärten und Balkongärten. Auch diesen Blog haben wir in den vergangenen Wochen vernachlässigt. Doch auch das soll besser werden. Denn Foe zieht um – und kann in der neuen Wohnung endlich den Traum vom eigenen Garten verwirklichen. Sie hat also ab kommendem Frühjahr viel zu erzählen. Und wenn die heiße Phase des realen Umzugs vorbei ist, wird sie sicher mit der Planung beginnen.

Wer will – und es noch nicht getan hat – kann den Blog abonnieren unter

https://chaosgaertnerinnen.de/

Hildesheim: Kirchen, Kunst und Weltkulturerbe

Letzte Woche war ich in Hildesheim. Die Stadt stand schon lange auf meiner Da-will-ich-unbedingt-mal-hin-Liste – Neudeutsch: To-visit-Liste. Denn obwohl ich schon seit mehr als 30 Jahren bei Hannover lebe, war ich erst einmal in Hildesheim. Und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich außer der Halle, in der meine damals zehnjährige Tochter Tennis gespielt hat, nichts von der Stadt gesehen habe.

Zuerst dachte ich, ich hätte nichts versäumt. Denn der Weg vom Bahnhof in die Innenstadt erinnerte mich ein bisschen an meinen Besuch in Bielefeld – und machte eher Lust aufs Umkehren: Ein Billigladen reiht sich an den anderen, die Leute in Eile, so als wollten sie nur eins – so schnell wie möglich weg. Vielleicht lag das auch am Wetter, das an diesem Novembertag zeitweise nicht sonderlich einladend war. Aber manchmal trügt der erste Eindruck eben doch. Nicht nur die Stadt, auch das Wetter wurde besser.

Schon der Marktplatz von Hildesheim ist eine Reise wert. Dass die  meisten Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, sieht man nicht. Das Rathaus an der Ostseite des Marktplatzes wurde ebenso wieder aufgebaut wie das Tempelhaus mit dem Renaissance-Erker, das Wedekindsche Haus mit den allegorischen Darstellungen an der geschnitzten Fassade, das Rolandhaus mit dem stattlichen gotischen Staffelgiebel, in dem seit Ende des 18. Jahrhunderts die verarmten Töchter evangelischer Bürger leben konnten, und das Bäckeramtshaus mit dem offenen Arkadengang zur Rathausstraße und dem mit Backsteinen gefüllte Fachwerk.

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Wie alt: Der Marktplatz von Hildesheim mit dem Wollenwebergildehaus, Rokokohaus und dem Bäckeramtshaus (von rechts)

Auch die Michaeliskirche und der Mariendom sind nach dem Krieg auferstanden aus Ruinen – und zählen mit ihren sakralen Kunstwerken seit 1985 zum Unesco Weltkulturebe. Der Mariendom, ursprünglich Mitte des 9. Jahrhunderts gebaut, ist eine der ältesten Bischofskirchen Deutschlands. Mir gefällt die Schlichtheit – und natürlich der Kreuzgang mit dem angeblich 1.000 Jahre alten Rosenstock, dem Wahrzeichen der Stadt und des Bistums Hildesheim. Der ist im Übrigen keine Edel-, sondern eine gewöhnliche Heckenrose (Rosa canina L)

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Der Rosenstock, mit dem angeblich alles angefangen hat …

Der Sage nach soll Kaiser Ludwig der Fromme, Sohn und Nachfolger von Karl dem Großen, Anfang des 9. Jahrhunderts ein Reliqiengefäß in den Rosenstock gehängt haben. Als er es wieder an sich nehmen wollte, gelang ihm das nicht. Für Ludwig war das ein göttliches Zeichen – und Anlass, dort eine Kapelle zu errichten.

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… und der Dom, der kurz danach hier entstanden sein soll.

Im März 1945 verbrannte die Rose bei einem Bombenangriff und wurde verschüttet. Doch anders als der Dom überlebte die Rose ohne menschliche Hilfe: Aus ihr wuchsen noch im gleichen Jahr wieder neue Triebe. Womit bewiesen wäre (oder für alle unter meinen Leserinnen und Lesern, die Latein sprechen wie ihre Muttersprache J: Quod erat demonstrandum): Die Natur braucht uns Menschen nicht. Sie kommt auch ohne uns zurecht.

Außerdem war ich im Roemer und Pelizaeus Museum, das seinen Namen nicht den Römern verdankt, sondern seinen Begründern Hermann Roemer  und Wilhelm Pelizaeus. Besonders gut hat mir das Prunkstück, die Altägypten-Sammlung, gefallen; die Sonderausstellung Voodoo war dagegen definitiv nicht mein Ding.

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Sehenswert – außen wie innen: das Roemer und Pelizaeus-Museum

Zum Besuch der Michaeliskirche mit dem berühmten Deckengemälde aus dem 13. Jahrhundert haben meine Zeit bzw. meine Kunst- und Kirchenbegeisterung nicht mehr gereicht. Aber ich komme gewiss bald wieder. Denn ich habe mir die Museumskarte Hildesheim gekauft, mit der ich bis Ende nächsten Jahres auch das Dommuseum  das Dommuseum, das Stadtmuseum im Knochenhauer Amtshaus und das Besucherzentrum Welterbe Hildesheim besichtigen kann.

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Anlaufstelle für Touristen und Weltkulturerbe-Fans: das Tempelhaus

Ich mag keine Montage …

… vor allem an Tagen wie diesem, die sich eher novembrig trüb – Grau in Grau – statt oktobrig golden präsentieren. an dem die To-do-Liste scheinbar endlos und neben beruflichem auch sonstiger Stress angesagt ist. An Montagen wie diesem geht mir Bob Geldofs Song „I don’t like Mondays“ nicht  aus dem Kopf – und die Geschichte von Brenda Ann Spencer, die Geldof zu dem Song inspirierte.

Brenda Ann Spencer hat im Januar 1979 aus ihrem Schlafzimmerfenster auf eine gegenüberliegende Schule geschossen, dabei den Direktor und den Hausmeister erschossen und acht Kinder und einen Polizisten verletzt. Das halbautomatische Gewehr hatte sie zu Weihnachten von ihrem Vater geschenkt bekommen. Er hatte ihr auch das Schießen beigebracht.

Spencer war bei ihrem Amoklauf 16, sie wurde zu zweimal 25 Jahren bis lebenslänglich verurteilt und sitzt seither im Gefängnis. Alle Haftprüfungen und Gnadengesuche wurden bislang abgelehnt. In Deutschland und in vielen anderen Staaten wäre sie schon lange wieder frei; sie hätte eine zweite Chance auf ein normales Leben bekommen und sie vielleicht genutzt. Und ich frage mich einmal wieder, was das für ein Land ist, das Kindern Waffen unter den Weihnachtsbaum legt und sie für immer einsperrt, wenn sie durchdrehen und tun, was man ihnen beigebracht hat: schießen.

„Es war so, als würde man Enten in einem Teich erschießen“, soll  Brenda Ann Spencerlaut Wikipedia nach der Verhaftung  gesagt haben. Und nach dem Grund für die Morde gefragt: „Ich mag keine Montage.“

Und während ich an die Frau denke, die fast so alt ist wie ich und ihr ganzes Erwachsenenleben hinter Gittern verbracht hat, beschließe ich, dass ich eigentlich keinen Grund habe, Montage nicht zu mögen. Trotz der langen Wochen-to-do-Liste und obwohl die Woche gerade erst begonnen hat. Nur diesen vielleicht, der so trüb daherkommt.

Wer zu spät kommt …

… den bestraft das Leben. Diese Worte von Michail Gorbaschow haben sich auch heute wieder bewahrheitet. Bevor morgen der Herbst beginnt, wollte ich noch einen Punkt von meiner To-do-Liste für diesen Sommer erledigen: schwimmen im Natelsheide See in Bissendorf Wietze. Anderthalb Jahr bin ich auf dem Weg zum Altenheim, in dem meine Mutter gelebt hat, nah am See vorbeigefahren, nie habe ich es geschafft. Im August war ich schon einmal auf dem Weg zum See, als aus heiterem Himmel Gewitterwolken aufgezogen sind und ich umkehrte.

Heute Morgen bin ich dann wieder losgezogen, um im See zu schwimmen, auf der Seeterrasse einen Milchkaffee zu trinken, aufs Wasser zu schauen und die Sonne zu genießen. Doch als ich ankam, war der Campingplatz, auf dem  der See liegt, geschlossen. Kein Kaffee, die Stege gesperrt, und im See hatten sich Algen und Seerosen ausgebreitet. Mit ihnen wollte ich nicht um die Wette schwimmen. Wer zu spät kommt …

Natelsheidesee
Blick durch den Zaun: der Natelsheidesee

Zu einem Bad im See bin ich dann doch noch gekommen, wenn auch der Weg vom Natelsheide in Wedemark-Wietze zum Wietzesee in Langenhagen wesentlich weiter und  im wahrtsten Sinne steinig war. Wer auch immer den Radweg mit so grobem Schotter hat belegen lassen – er hat sicher noch nie in seinem Leben auf einem Rad gesessen. Besonders schön war auch der restliche Weg nicht, dafür hatte ich den Wietzesee fast für mich.

Nur ein paar Sonnenhungrige lagen am Strand bzw. auf der Wiese, im Wasser war niemand. Mein Bad im See war zugegebenerweise kurz, denn das Wasser war zwar sehr klar, aber auch sehr kalt. Doch nach der langen Radtour kam die Abkühlung gerade recht.

Wietzesee
Wietzesee

Schön wars am See, und ich bin sicher, dass ich wieder hinfahren werde – auch wenn ich mir eine andere Route suchen werden. Und im nächsten Jahr werde ich es sicher schaffen, im Natelsheidesee zu  baden. Und ich werde diesen Plan gewiss nicht wieder aufschieben.

Neues Orchideenleben

Nein, ich mag keine Orchideen, zumindest keine auf Fensterbänken ihr kümmerliches Dasein fristen (https://chaosgaertnerinnen.de/nicht-nur-tropisch). Und trotzdem steht jetzt eine auf der Fensterbank in meinem Arbeitszimmer. Ich habe sie quasi von meiner Mutter geerbt. Ich hatte sie ihr vor einem halben Jahr geschenkt, weil sie Orchideen immer gemocht hat. Warum, weiß ich nicht, vielleicht weil sie einen Hauch von Luxus und große weite Welt in ihr Leben gebracht haben.

Meine Mutter selbst hat nicht viel von der Welt gesehen, und ich glaube, sie hatte auch nie den Wunsch. Zuerst, als sie jung und die Kinder klein waren, konnten meine Eltern es sich nicht leisten, zu verreisen. Ihre erste Urlaubsreise haben wir, ihre Töchter, ihnen zur Silbernen Hochzeit geschenkt. Danach sind sie regelmäßig in Urlaub gefahren, einmal im Jahr, meist für zwei Wochen, oft mit dem älteren Bruder meiner Mutter und seiner Frau. Meist ging es irgendwo nach Deutschland: in den Harz, in den Bayerischen Wald, an den Bodensee und auch mal an die Nordsee. Ein oder zweimal waren meine Eltern in Österreich. Geflogen ist meine Mutter nie, die CO2-Bilanz ihres Lebens ist sicher vorbildlich.

Als ich mich am Donnerstag endgültig von meiner Mutter verabschiedete, mochte ich die Orchidee nicht zurücklassen. Was mit den anderen Orchideen passiert ist, die meine Mutter von der Mosel mit in das Heim nach Bissendorf genommen hat, weiß ich nicht. Vielleicht stehen sie jetzt auf den Fensterbänken meiner Schwestern. Wahrscheinlicher ist, dass meine Schwestern sie dem Entrümpler überlassen haben, als sie vor neun Wochen meine Mutter in das Heim nach Norderstedt gebracht haben. Genau wie alle Möbel meiner Mutter, mit Ausnahme des Fernsehers.

In Bissendorf hat die Orchidee eifrig geblüht, aber der Umzug ist ihr nicht bekommen. Vielleicht war ihr der neue Platz zu dunkel, vielleicht lag es an der Pflege. Wer auch immer sich um sie gekümmert hat: Er oder sie hatte wenig Ahnung. Immer, wenn ich meine Mutter besucht habe, habe ich die Pflanze trockengelegt: Ich habe das Wasser ausgeleert, das halbhoch im Übertopf stand. Denn Orchideen mögen ja bekanntlich keine nassen Füße. Vielleicht hat sich die Blume auch ihrer Besitzerin angepasst, die sich immer mehr aus dem Leben zurückgezogen hat. Denn Pflanzen fühlen weit mehr, als man bislang gedacht hat. Sie kommunizieren miteinander, führen ein geheimes, uns Menschen unbekanntes Leben. Und vielleicht fühlen sie ja auch mit uns.

Als ich die Orchidee in der Seitentasche meines Rucksacks mit nach Hause genommen habe, sah sie so trostlos aus, dass mich eine Frau im Zug angesprochen hat. „Ob die Blume die Fahrt wohl überlebt?“, fragte sie. Ich erzählte ihr, dass ich sie von meiner Mutter geerbt hätte, die in der Nacht gestorben sei. Sie wünschte mir herzliches Beileid und viel Glück.

Auf meiner Fensterbank gefällt es der Orchidee offenbar. Schon nach wenigen Stunden hat sich die erste Blüte geöffnet, weitere werden wohl folgen. Und während ich das schreibe, denke ich, dass es  vielleicht ein Zeichen ist – ein Zeichen, dass es meiner Mutter jetzt besser geht, wo immer sie auch ist.

Blög Orchidee P1030018