Schweden im Herbst

Ich bin wieder da – zurück in Deutschland und zurück bei meinem Blog. Drei Wochen war ich in Schweden unterwegs und habe mir in dieser Zeit eine Blogpause gegönnt.

Wir waren schon ein paar Mal  in Schweden, aber bei unseren früheren Besuchen sind wir immer möglichst schnell Richtung Norden gefahren. Mein Mann ist süchtig nach Polarlichtern – und die sieht man eben am häufigsten und am intensivsten nördlich des Polarkreises. Weil Jokkmokk ein guter Ort für Nordlichter ist, war Arctic Camp auch diesmal das Ziel unserer Reise. Doch anders als in den vergangenen Jahren haben wir uns diesmal mehr Zeit genommen und auf dem Weg viele Orte besucht, die ich schon immer mal sehen wollte.

Ystad

Ich bin – oder war – ein Kurt-Wallander-Fan. Ich habe alle oder doch zumindest fast alle Krimis von Henning Mankell gelesen. Und so war ein Besuch in Ystad, wo Kommissar Kurt Wallander und sein Team ermittelten, für mich natürlich ein Muss. Die kleine Stadt an der schwedischen Südküste hat sich auf die Krimileserinnen und -seher eingestellt. Es gibt Stadtführungen auf den Spuren des Kommissars und Flyer, in denen verschiedene Schauplätze aufgelistet und im Stadtplan eingezeichnet sind. So ausgestattet, habe ich nicht nur Originalschauplätze wie die Mariagatan, in der Wallander wohnte, die Polizeistation und Fridolfs konditori, Wallanders Lieblingscafé, entdeckt, sondern ein wirklich interessantes Städtchen mit kleinen Gassen und hübschen, oft bunt angestrichenen Häusern kennengelernt. Sehr gut hat mir auch das ehemalige Franziskanerkloster mit den Klostergärten gefallen. Neben einem Rosengarten gibt es einen Apfelgarten, in dem auch Feigen-, Birnen-, Mandel- und Walnussbäume sowie Flieder- und Maulbeersträucher wachsen, einen Kohlgarten, einen Kräutergarten und einen Pfingstrosengarten. Zum Schluss habe ich noch die Ystad Studios besichtigt, in denen u.a. die Innenaufnahmen von Wallanders Wohnung und des Polizeistudios gedreht wurden.

Ales Stenar und Simrishamn

Auf dem Weg nach Simrishamn, der nächsten Etappe auf unserer Reise, haben wir Ales Stenar, deutsch „Die Steine von Ale“, in der Nähe von Kaseberga besichtigt. Auf einem fast 40 Meter hohen Hügel direkt am Meer sind insgesamt 59 bis zu drei Meter hohe und bis 1,8 Tonnen schwere Steine in Form eines Schiffs angeordnet. Mit 67 Meter Länge und 19 Meter Breite ist Ales Stenar laut Wikipedia „eine der größten erhaltenen Schiffssetzungen (schwedisch skeppssättning) in Skandinavien“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Ales_stenar).  Und von dem steinernen Schiff aus hat man aus einen weiten Blick übers Meer.

Ein Teil der Steine wurden übrigens bei Simrishamn gebrochen und über mehr als 20 Kilometer nach Kaseberga transportiert. Das war sicher um das Jahr 600, als das Monument entstand, keine leichte Aufgabe. Mit unserem Wohnmobil haben wir die Strecke schneller und bequemer bewältigt.

Simrishamn, an der Südostküste gelegen, ist weniger bekannt als Ystad, aber nicht weniger sehenswert. Kopfsteingepflasterte Gassen und die oft bunten alten Häuser verleihen dem Ort ein besonderes Flair.

Öland …

… ist, glaubt man den Reiseführern, wegen des milden Klimas und der schönen Strände eine sehr beliebte Ferieninsel. Selbst die schwedische Königsfamilie verbringt hier auf Schloss Solliden ihren Sommerurlaub. Wir haben natürlich nicht im Schloss, sondern auf einem Campingplatz in der Nähe der Ölandbron übernachtet. Zwei Tage lang haben wir mit Blick auf die imposante Brücke, die die Insel mit dem Festland verbindet, und auf den Kalmarsund Beine und Seele baumeln lassen, am dritten Tag sind wir – an zahlreichen Mühlen vorbei – gen Süden zum „Langen Jan“ gefahren. Er ist der höchste Leuchtturm Schwedens, die neben dem Leuchtturm gelegene Vogelstation Ottenby ist ein Mekka für Vogelfans.

Mich hat die Insel zugegebenerweise nicht wirklich beeindruckt. Vielleicht hätten wir eher nach Norden zur Inselhauptstadt Borgholm oder zum „Langen Erik“, dem Leuchtturm an der Nordspitze, fahren sollen. Vielleicht waren wir aber auch nur genervt wegen der Warnung, die seit Beginn der Fahrt ständig auf dem Tacho aufleuchtete: „Abgassysstem überprüfen“, forderte uns der Bordcomputer permanent auf. In einer Werkstatt in Kalmar wurde uns – oder unserem Wohnmobil – mit einem Software-Update schnell und ohne Termin geholfen.

Ich habe die Werkstattzeit genutzt, um durch Kalmar zu spazieren:  Das Schloss Kalmar stand früher direkt an der dänischen Grenze. Es wurde im 12. Jahrhundert als Burg erbaut, im 16. Jahrhundert dann zum Schloss umgebaut und ist laut Wikipedia eines der besterhaltenen Renaissanceschlösser Nordeuropas (https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Kalmar). Neben dem imposanten Schloss erscheinen die Häuser in der Gamlastan, der alten Stadt, besonders winzig. Das frühere Stadtzentrum wurde im Jahr 1640 auf die Insel Kvarnholmen verlegt – aus „befestigungstechnischen Gründen“, wie Wikipedia weiß. Im gleichen Jahrhundert, zwischen 1660 und 1699, wurde auch die Domkyrka gebaut, die von außen gar nicht wie eine Kirche aussieht (https://de.wikipedia.org/wiki/Dom_zu_Kalmar).

Vimmerby

Hat jemand das Schwedenbild von Menschen in aller Welt mehr geprägt als Astrid Lindgren? Ich glaube kaum. Mich haben ihre Bücher fast mein ganzes Leben lang begleitet. „Rasmus Pontus und der Schwertschlucker“ war in den sechziger Jahren das erste Lindgren-Buch, das ich gelesen habe; Pipi Langstrumpf habe ich erst kennengelernt, als die Filme mit Inger Nilsson im Fernsehen gezeigt wurden. Meine Eltern hielten die Geschichten über ein Mädchen, das sich die Welt macht, wie es ihm gefällt, wohl nicht für die geeignete Lektüre für ihre Tochter. Mit meiner Tochter habe ich dann die Lotta-Bücher entdeckt und auf unserer Fahrt durch Schweden dann die Tagebücher gelesen, die Astrid Lindgren während der Zweiten Weltkriegs geführt hat. Ihr Titel „Die Menschheit hat den Verstand verloren“ passt leider allzu gut in die heutige Zeit.

Natürlich wollte ich Vimmerby besuchen, den Ort, in dem Astrid Lindgren geboren wurde, aufgewachsen und auch begraben ist. Denn vieles, was sie als Kind erlebt hat, und mancher Schauplatz taucht in ihren Büchern auf. So steht das Vorbild für Pippi Langstrumpfs Limonadenbaum im Garten der Pfarrhofs bei Astrid Lindgrens Elternhaus.  Astrid Lindgrens Näs, so der Name des Hofes, auf dem Familie Lindgren lebte, ist heute Teil eines Museums, in dem eine Ausstellung über das Leben und das Werk der Schriftstellerin informiert. Auf dem Marktplatz lädt eine von Marie-Louise Ekman geschaffene lebensgroße Statue zu einem Date mit der Schriftstellerin ein. Auch der der Süd-, der Nord- und der Mittelhof aus Bullerbü sind dort en miniature aufgebaut.Im Themenpark Astrid Lindgrens värld können große und kleine Lindgren-Fans auch Bikenlund, das Kirschblüten- und das Heckenrosental besuchen und Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und andere Heldinnen aus den Kinderbüchern treffen.

Stockholm

„Stockholm hat eindeutig das Potenzial zu (m)einer Lieblingsstadt“, habe ich einen Tag später in mein Tagebuch geschrieben. Dass ich mich in die schwedische Hauptstadt verliebt habe, kam nicht unerwartet. Ich liebe Städte, die am Wasser liegen, und Wasser findet man in Stockholm überall. Es macht laut Wikipedia „etwa 30 Prozent der Stadtfläche aus“. Die älteren Stadtviertel wurden auf 14 Inseln gebaut, die durch über 50 Brücken verbunden sind; zum Stockholmer Schärengarten (Skärgården) sollen etwa 24.000 größeren und kleineren Inseln gehören (https://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm). Mehr Wasser geht wohl kaum. Und ich konnte mich nicht sattsehen.

Drei Tage lang bin ich kreuz und quer durch die Straßen gelaufen, habe das schöne Wetter genutzt, um Stockholm zu Fuß zu erkunden: die vier ältesten Inseln – Gamlastan, Riddarholmen Skeppsholmen und Kastellholmen – ebenso wie angrenzenden Stadtteile Norrmalm, Östermalm und Södermalm. Und ich war nicht die einzige, die die Sonne genießen wollte, bevor der Winter beginnt. Überall saßen Menschen: in Cafés, Restaurants oder auf den zahllosen Bänken auf Plätzen und in Parks, die zum Verweilen einladen. Begeistert haben mich nicht nur das Wasser und die grandiose Architektur, sondern auch die Atmosphäre. Ich habe bislang noch keine (Groß)Stadt erlebt, die so viel Flair hatte, so lebendig war und gleichzeitig so entspannt und unaufgeregt. Oder doch, Siena vielleicht. Aber da fehlte halt das Wasser.

Eins ist sicher: Mein erster Besuch in Stockholm soll nicht mein letzter sein. Denn ich habe mir zwar viele Sehenswürdigkeiten von außen angesehen, aber keine von innen. Das will ich nachholen, wenn ich das nächste Mal in der Stadt bin. Das Nationalmuseum steht ebenso auf meiner To-visit-Liste wie das Viking Museum und das ABBA Museum. Und natürlich will ich in die Stadsbiblioteket, die Stadtbibliothek, gehen. Denn die beherbergt angeblich nicht nur mehr als zwei Millionen Bücher und andere Medien, sondern gilt mit dem zylindrischen Hauptgebäude auch als kulturelles Wahrzeichen und „ein Meisterwerk des nordischen Klassizismus und des Funktionalismus“ (https://go2stockholm.de/bauwerk/stockholms-stadsbibliotek/).

Höga Kusten

Die zwischen Härnösand und Örnsköldsvik gelegene Höga Kusten habe ich vor zwei Jahren entdeckt, als wir auf einem kleinen Campingplatz am Skuletberget übernachtet haben. Damals habe ich mir vorgenommen, beim nächsten Mal dort zu wandern. Die Hohe Küste soll die höchste Küste der Welt sein und ist wegen der ausgeprägten Landhebung seit 2000 UNESCO-Weltnaturerbe, (https://www.hogakusten.com/de/hogakustenleden). Die Übernachtung auf dem Snibbens Camping habe ich unter anderem deshalb eingeplant, weil der Platz nur zwei Kilometer von der Höga-Kusten-Brücke entfernt liegt und (daher) laut Website ein „natürlicher Ausgangspunkt für Ausflüge und Wanderungen“ ist (https://camping.se/de/camping/3040/Snibbens-Camping-Stugby-Vandrarhem). Dass die fast zwei Kilometer lange Hängebrücke über den Ångermanälven nur mit dem Auto überquert werden darf, war mir bei der Planung nicht bewusst. Und so sind wir vom Campingplatz aus zwar mit Blick auf das Weltnaturerbe gewandert, aber nicht im Gebiet selbst. Schön war es trotzdem, und die kurze Wanderung auf den Prästberget hat sich schon allein wegen des Blicks auf die Höga Kusten und auf die „schwedische Golden-Gate-Bridge“, mit 186 Metern Höhe das zweithöchste Bauwerk Schwedens, gelohnt. Auch die Lage des Campingplatzes direkt an einem See hat uns gut gefallen. Unser Wohnmobil stand – wie oft auf dieser Reise – direkt am Wasser und weil auch die Himmelsrichtung stimmte, konnte mein Mann am Morgen des 18. September quasi vom Auto aus die partielle Mondfinsternis fotografieren (https://www.facebook.com/utz.schmidtko/).

Auf den Skuletberget bin ich dann auch noch gestiegen. Weil ich nicht meine hohen Wanderschuhe mithatte, habe ich statt des steilen Grottstigen die leichtere Route über den Östra Bergstigen gewählt. Eine gute Entscheidung, denn auch die „familienfreundliche“ Variante hatte es streckenweise in sich, bot aber tolle Ausblicke auf die Fjordlandschaft, die entstand ist, als die Eismassen nach der letzten Eiszeit abschmolzen. Der fast 300 Meter hohe Gipfel des Skuletberget war damals Teil einer Insel und ragte gerade einmal neun Meter aus dem Wasser. Ein in den Fels eingelassener Metallstreifen markiert die frühere Küstenlinie und lässt erahnen, welche gigantischen Kräfte damals gewirkt haben.  

Jokkmokk

Nach einer Übernachtung in Byske Havsbadet bei Skellefteå und einem Zwischenstopp am Storforsen, den größten Stromschnellen Skandinaviens, kamen wir nach zweieinhalb Wochen und rund 2200 Kilometern in Jokkmokk an. Für meinen Mann ist das Arctic Camp fast ein „zweiter Wohnsitz“, er war schon oft dort, um Polarlichter zu fotografieren. Und auch diesmal begrüßten ihn die Lichter gleich am ersten Abend. 

Für mich endete in Jokkmokk die gemeinsame Reise mit dem Wohnmobil. Mir ist es im Herbst im hohen Norden zu kalt und zu dunkel – gleich in der zweiten Nacht sanken die Temperaturen unter den Gefrierpunkt. Und so bin ich nach drei Wochen von Lulea aus nach Deutschland zurückgeflogen. Mein Mann tourt noch ein paar Wochen mit dem Wohnmobil durch den Norden – auf der Jagd  nach Polarlichtern. Seine Bilder sind auf seiner Facebook-Seite zu sehen (https://www.facebook.com/utz.schmidtko/).

Vom Baum ins Glas

Unser Garten ist mehr oder weniger ein Ziergarten mit Rasen, Blumen, Stauden, Sträuchern und zwei kleinen Teichen. Ein paar Nutzpflanzen haben wir natürlich auch: So gedeihen beispielsweise Minze, Melisse, Salbei, Thymian oder Lavendel bei uns ausgesprochen gut. Aber ich nutze die Kräuter zugegebenerweise nur selten. Ich mag sie vor allem wegen ihres Dufts. Wenn ich im Garten bin, pflücke ich oft einen Zweig, einige Blüten oder Blätter, zerreibe sie zwischen den Fingern, stecke sie in meine Tasche oder zwischen die Seiten des Buchs, das ich gerade lese. Wahrscheinlich überleben die Kräuter auch nur wegen ihres Dufts. Denn ich bin bekennende Florasthenikerin: Pflanzen (wieder) zu erkennen, fällt mir schwer. Und manches, was ich in einem Jahr gepflanzt oder gesät habe, reiße ich im nächsten Frühjahr wieder aus, weil ich die Pflanze nicht wiedererkenne, sondern irrtümlich für Unkraut halte.

Tomaten, Salat und Gemüse wachsen bei uns in zwei Hochbeeten – in meinem in diesem Jahr allerdings eher spärlich. Die Tomaten tragen zwar ein paar Früchte; vom Rucola ist dagegen im Hochbeet gar nichts zu sehen. Dafür sprießt er wie schon in den vergangenen Jahren zwischen den Steinen der Terrasse. Fast täglich pflücke ich eine Hand voll – das genügt.

Die Erdbeeren, Johannisbeeren, Heidelbeeren und Himbeeren wandern jeden Morgen frisch vom Strauch in die Müslischalen. Von den Stachelbeeren konnte mein Mann in diesem Jahr sogar zwei Gläser Marmelade kochen. Die Süßkirschen überlassen wir dagegen meist den Vögeln: Mir verdirbt schon der Gedanke an die Maden der Kirschbaumfliege, die ich in den meisten Früchten entdecke. Doch zum Glück mögen Kirschbaumfliegen keine Sauerkirschen, und so können wir die zu Marmelade verarbeiten. Die schmeckt, anders als gekaufte Kirschmarmelade, nicht nach Marzipan, sondern ist wirklich sehr lecker.

In den vergangenen Jahren hat mein Mann die Kirschen geerntet. Doch diesmal bin ich auf den Baum gestiegen – und habe mich auf der Leiter stehend daran erinnert, wie gerne ich früher geklettert bin.

Vom Baum …

Als Kind war der Zwetschgenbaum im Garten meiner Eltern im Sommer mein Rückzugsort. Dort war ich zumindest zeitweise vor meiner kleinen Schwester sicher, mit der ich ein Zimmer teilen musste. Noch lieber wäre ich auf den Apfelbaum geklettert, doch selbst der unterste Ast war für mich unerreichbar hoch. Ein Seil als Kletterhilfe anzubringen, erlaubten meine Eltern nicht. Zu gefährlich, behaupteten sie. Dabei kletterte ich im Sportunterricht am Tau problemlos bis an die Decke der Turnhalle.

Das würde mirnatürlich heute nicht mehr gelingen,ja, ich würde es nicht einmal versuchen. Aber auf der Leiter wagte ich mich fast bis in den Gipfel des Kirschbaums. Was Gretchen lernt, verlernt Grete so schnell eben nicht.

Demnächst werde ich auf den Apfelbaum steigen, der in unserem Garten steht. Denn wie sagte Astrid Lindgren, als sie vor einem halben Jahrhundert mit ihrer Freundin Elsa Olenius um die Wette auf einen Baum kletterte: „Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern.“ Und wer will der Erfinderin von Pipi Langstrumpf, Lotta und der Brüder Löwenherz schon widersprechen.

Astrid Lindgren war übrigens damals so alt wie ich heute, nämlich 67, ihre Freundin war sogar schon 80 Jahre alt (https://www.draesner.de/astrid-lindgren-klettert-auf-einen-baum/). Ob ich mit 80 noch so fit bin, weiß ich nicht. Aber ich habe hoffentlich noch ein paar Kletterjahre vor mir.

PS: Aus den Sauerkirschen, die ich geerntet habe, haben mein Mann und ich mehr als zwei Dutzend Gläser Marmelade gekocht. Das reicht bis zum nächsten Jahr. Dann werde ich hoffentlich wieder auf den Baum steigen und Kirschen ernten.

PS 2: Über die Früchte, die jetzt noch im Baum hängen, freuen sich die Vögel, auch wenn sie bei den Sauerkirschen auf die Fleischeinlage verzichten müssen.

Ilon Wikland: Eine lange Reise

Zurück in die Kindheit – oder in die Welt der Kinderbücher. Im Museum Wilhelm Busch habe ich noch einmal die Ausstellung „Von Haapsalu bis Bullerbü“ besucht, in der Bilder von Ilon Wikland gezeigt wurden. Bei meinem ersten Besuch vor einem Monat war es voll, zu voll, um sich die Zeichnungen in Ruhe anzusehen. Jetzt, kurz vor dem Ende der Ausstellung, war sie immer noch – oder wieder – ziemlich gut besucht.

Das Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover, kurz Museum Wilhelm Busch

Kein Wunder – Ilon Wiklands Bilder kennen die meisten Kinder und viele Erwachsene. Denn sie hat außer „Michel aus Lönneberga“ und „Pippi Langstrumpf“ alle Kinderbücher von Astrid Lindgren, aber auch Bücher anderer AutorInnen illustriert.

Ich habe die Bücher von Astrid Lindgren erst spät entdeckt, die Illustrationen von Ilon Wikland sogar erst, als ich meiner Tochter die Bücher von Astrid Lindgren gekauft und vorgelesen habe. Als Kind habe ich nur „Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker“ gelesen, eine Detektivgeschichte, die ich nicht sonderlich spannend fand.

Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgrens wohl bekanntestes Buch, habe ich, wenn ich mich recht erinnere, erst Anfang der 70er-Jahre kennengelernt, als die Geschichten mit Inger Nilsson verfilmt wurden. Denn bei uns im Dorf gab es keinen Buchladen – und die kirchliche Leihbücherei war meist geschlossen. Pippi Langstrumpf habe ich dort ohnehin nicht gesehen, obwohl ich in der Bücherei geholfen habe. Die Geschichte eines selbstbewussten Mädchens, das alleine lebt, sich von Erwachsenen nichts vorschreiben lässt und sich die Welt macht, wie es ihm gefällt, in den Augen der für die Bibliothek und unser Seelenheil Verantwortlichen – und auch für meine Eltern – wohl keine geeignete Lektüre. Für „Die Kinder von Bullerbü“ konnte ich mich nie begeistern. Irgendwie war mir das im Buch geschilderte Dorf- und Familienleben viel zu idyllisch und mit meinen eigenen Erfahrungen nicht kompatibel.

Auch viele Zeichnungen von Ilon Wikland sind bunt und fröhlich, zeigen eine idyllische, heile Welt, wie man es (damals) in Kinderbüchern erwartete. Spielende, tobende Kinder oder Tischszenen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bücher und das Werk der Illustratorin. Aber immer wieder tauchen auch Kinder auf, die einsam und allein am Fenster, an der Tür oder wie auf dem Titel des autobiografischen Buchs einsam auf dem Bahnsteig stehen.

Traurig und tröstlich zugleich ist die Geschichte der „Brüder Löwenherz“. Ich habe sie vor zwei Jahren wiederentdeckt und wieder gelesen, als kurz nacheinander ein Freund und eine Freundin starben.

Meiner Tochter habe ich am liebsten die Geschichten von Lotta aus der Krachmacherstraße vorgelesen. Und als meine Enkelin neulich bei uns zu Besuch war, haben wir uns gemeinsam die alten Lotta-Filme angesehen und dann verschiedene Astrid-Lindgren-Bücher gelesen, die ich immer noch aufbewahre und in die ich immer wieder gerne hineinschaue.

Foto aus der Ausstellung. Die Rechte an den Zeichnungen liegen bei Ilon Wikland.

Dass Ilon Wikland ein Buch über ihre Kindheit in Estland und ihre Flucht nach Schweden gezeichnet hat, habe ich erst in der Ausstellung erfahren. Die Illustratorin, 1930 in Estland geboren, lebte nach der Trennung der Eltern bei ihren Großeltern in Haapsalu. Aus Furcht vor den Deportationen der Roten Armee schickte die Großmutter ihre erst 14 Jahre alte Enkelin 1944 allein nach Schweden. Dort wurde sie von einer Tante aufgenommen, besuchte die Schule und studierte anschließend an der Kunstakademie in Stockholm und in London. Seit den 1950er-Jahren arbeitete Ilon Wikland als Grafikerin für verschiedene Verlage und wurde von Astrid Lindgren entdeckt, die sie mit Probe-Illustrationen zu ihrem Kinderbuch „Mio, mein Mio“ beauftragte.

Inzwischen ist Ilon Wikland über 90 Jahre alt. Ihre Erlebnisse in der Kindheit in Estland, auf der Flucht nach und im Exil in Schweden hat sie in dem Buch „Die lange, lange Reise“ thematisiert und verarbeitet. Es ist laut Pressemitteilung des Wilhelm Busch Museums, „das einzige von ihr illustrierte Buch, bei dem es erst die Bilder und dann den Text gab“. Den Text dazu hat Rose Lagercrantz geschrieben.

Ich würde die Geschichte gerne lesen, denn die Zeichnungen in der Ausstellung haben mich wirklich beeindruckt. Doch leider ist das Buch derzeit vergriffen. Aber vielleicht findet sich ja ein Verlag, der es neu auflegt. Denn die Themen Panzer, Krieg, Flucht und Exil sind ja zurzeit leider aktueller denn je.

Film ab

Durchschnittlich 1,5 mal im Jahr geht – rein statistisch – jede/r Bundesbürger/in jährlich ins Kino, meldete das Statistische Bundesamt, das jetzt DESTATIS heißt, Ende Januar. Ich liege deutlich über dem Durchschnitt.

Seit Anfang des Jahres habe ich mir bereits fünf Filme angesehen. Ich tue also etwas fürs Wohlergehen der Filmbranche.

Die ersten beiden Film erzählten die Geschichte der Schriftstellerinnen Astrid Lindgren und  Colette. Auch bei Film Nummer drei stand eine Frau im Mittelpunkt – die Frau eines erfolgreichen Schriftstellers. Sie tat, was auch Colette am Anfang getan hatte: Sie schrieb  Bücher, die ihr Mann unter seinem Namen veröffentlichte. Während sich aber Colette Anfang des 20. Jahrhunderts befreite und eine erfolgreiche Schriftstellerin wurde, gelingt das Joan Castleman im Roman nicht: Sie bleibt im Schatten ihres Mannes, opfert ihm die eigene Karriere, das eigene Talentt. Wie oft ist das früher geschehen, wie oft geschieht das heute noch.

Nachdem ich den Film „Die Frau des Nobelpreisträgers“ gesehen habe, habe ich auch den Roman von Meg Wolitzer gelesen – und so eine Autorin entdeckt, die ich bisher nicht kannte.

Die Autobiographie von Hape Kerkeling werde ich sicher nicht lesen. Aber der Film: „Der Junge muss an die frische Luft“ hat mich und alle, denen ich ihn empfohlen habe, begeistert. Schon allein wegen der tollen Schauspieler, allen voran Julius Weckauf, der den kleinen Hape spielt. Ein Film, in dem Lachen und Weinen ganz nah beieinander liegen, in einem Säckchen sind, wie es früher bei uns hieß.

Und nach vier überzeugenden Filmen war da noch Film Nummer 5. Kein Spiel-, sondern ein Dokumentarfilm: Ein Mann wandert 700 km durch den Harz und filmt sich und die Landschaft dabei. Eine gute Idee eigentlich, aber gut gedacht ist ja bekanntlich das Gegenteil von gut gemacht. Eine Werbung für den Harz war der Film meiner Meinung nach nicht. Das lag vielleicht auch daran, dass es auf der Tour gefühlt fast immer regnete. Aber Freunde, die fast alle Strecken selbst gewandert sind, behaupten, sie hätten auf ihren Touren bessere Aufnahmen gemacht und schönere Stellen gefunden als die gezeigten.

Ein Ereignis war der Kinobesuch trotzdem, denn so einen Ansturm habe ich selten erlebt. Vor dem Kino bildete sich schon eine dreiviertel Stunde vor Beginn eine Schlange, die vom Eingang im Hinterhof bis zur Straße reichte. So etwas habe ich zuletzt bei der Rocky Horror Picture Show in meiner Studentenzeit in den Siebzigern erlebt. Wer keine Karte reserviert hatte, musste draußen bleiben. Und als der Film mit Verspätung um viertel nach sieben startete, standen draußen noch immer Leute Schlange, die sich Karten für die Zusatzvorstellung am Sonntag sichern wollten. Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet, hätte ich zumindest einen der Wartenden glücklich gemacht, ihm meine Karte verkauft und vielleicht ganz nebenbei eine neue Karriere als Schwarzmarkthändlerin gestartet.