Ein(e) Art Journal

Mit guten Vorsätzen ist das so eine Sache. Manchmal muss man sie brechen. Oder besser gesagt: abändern. So habe ich mir trotz meines Vorsatzes, bis Ostern konsumzufasten, drei Bücher gekauft.

Nun ist fraglich, ob Bücher überhaupt unter meinen freiwilligen Konsumverzicht fallen. Denn ein Leben ohne Bücher geht für mich gar nicht. Sie sind für mich eine Art Lebensmittel, auf jeden Fall aber Dinge des täglichen Bedarfs – die ich kaufen darf. Außerdem hatte ich gute Gründe, Ausnahmen zu machen: Ein Buch brauchte ich für einen Blogbeitrag, das zweite ist beim Verlag vergriffen, in den Bibliotheken in Hannover nicht vorhanden – und im modernen Antiquariat wurde nur noch ein einziges Exemplar angeboten. Das Risiko, dass ich das Buch nach Ostern gar nicht mehr bekomme oder nur zu einem wesentlich höheren Preis, wollte ich nicht eingehen.

Zum Kauf von Buch Nummer drei, einem Skizzenbuch, hat mich ein Instagram-Beitrag einer Schreibfreundin inspiriert. Sie schrieb, dass sie jetzt ein Art Journal führt (https://www.instagram.com/p/Cpo4pSgN_c0/). Das wollte ich auch schon lange, hatte es bislang aber immer wieder aufgeschoben, weil ich kein Talent zum Zeichnen und Malen habe. Stifte und Farben habe ich mir im Laufe der Jahre viele gekauft. Doch irgendwie fehlte mir der Mut, anzufangen.

Da ich so lange gezögert hatte, hätte ich natürlich auch noch ein paar Wochen warten können. Aber mir kam ein Zitat von Elke Heidenreich in den Sinn, das ich vor Jahren einmal gelesen und nie mehr vergessen habe. „Zu lange aufgeschobene Wünsche brennen nicht mehr, zu tief weggepackte Träume sind von den Motten zerfressen.“ Und vom römische Kaiser Marc Aurel stammt der Satz „Man bereut nie, was man getan, sondern immer, was man nicht getan hat.“

Außerdem erfuhr ich kurz nachdem ich frau_landaus alias Tina Kolbecks (https://tinakolbeck.de/) Instagram-Beitrag gelesen hatte, dass ein Bekannter plötzlich gestorben ist. Er war jünger als ich und kerngesund. Das gibt frau schon zu denken, wie viel Zeit noch bleibt. Als dann noch ein Kollege ein Treffen erst absagte, als ich schon auf dem Bahnhof und auf dem Weg in die Stadt war, war es für mich ein Zeichen: Ich habe die gewonnene Zeit für einen Besuch in einem Kunstladen genutzt.

Mein neues Skizzenbuch soll mehr Farbe in mein Leben und meine Aufzeichnungen bringen. Ich will in meinem kreativen Tagebuch Zeichnungen und Skizzen, Fotos und Bilder, Texte – eigene und fremde – kombinieren. Ich will mit Farben und mit Worten spielen. Wie es mir gefällt. Den Anspruch, Kunst zu machen, habe ich nicht, es wird also kein Art Journal, sondern eher ein(e) Art Journal.

Sehnsucht nach Meer

Nach Italien

Eigentlich stand Portugal in diesem Jahr ganz oben auf der Liste meiner Reiseziele. Doch dann war da diese Ausstellung im Landesmuseum Hannover, das sich seit einigen Jahren WeltenMuseum nennt.

„Nach Italien“*, so der verheißungsvolle Titel der Ausstellung, in der Bilder und Grafiken aus fünf Jahrhunderten gezeigt werden. „Seit der Renaissance machten sich junge Menschen auf in den Süden, zunächst vor allem Künstler und Adlige, seit dem 19. Jahrhundert auch Bürgerliche aus gehobenem Hause“, heißt es in der Pressemitteilung zur Ausstellung und: „Lange bevor der Massentourismus das Reisen zur Normalität machte“, war das Land, in dem die Zitronen blühen, für viele ein Traumziel, ein Sehnsuchtsort.

Auch für mich. Es muss Anfang der 60er Jahre gewesen sein, als meine damals noch unverheiratete Tante einen Urlaub in an der Adria verbrachte. Auf der Karte, die sie meinen Eltern schickte, war das Meer zu sehen. Ich hatte nicht gewusst, dass Wasser so blau und klar sein kann. Da wollte ich auch hin. Bis ich zum ersten Mal ans Meer – an die Nordsee – kam, sollten noch zehn Jahre vergehen. In Italien war ich zum ersten Mal, als ich längst erwachsen war. Und Rimini, das ich als Kind auf der Karte so bewundert hatte, hat mir im Gegensatz zu anderen italienischen Städten nicht gefallen. Mein letzter Italienurlaub liegt inzwischen schon Jahre zurück: 2015 bin ich mit meiner Tochter in den Cinque Terre gewandert – und habe darüber einen meiner ersten Blogbeiträge geschrieben (https://timetoflyblog.com/immer-am-meer-lang).

Im Foyer des Museums habe ich eine Schreibfreundin getroffen; ich kam, sie wollte gerade gehen. Beim Latte Macchiato im Museumscafe erzählte sie mir, dass sie im Sommer nach Venedig reisen möchte. Sie kennt die Lagunenstadt und ist begeistert von ihr. Auch ich möchte unbedingt einmal nach Venedig – trotz der Touristenströme, die die Stadt überschwemmen und die auch Donna Leon, Autorin der Brunetti-Krimis, längst in die Flucht geschlagen haben.

Nach Italien: 70 Gemälde, 15 Grafiken, eine Skulptur, ein Büste und 40 Münzen sind laut Pressemitteilung in der Ausstellung zu sehen; einige der Werke haben die Künstler auf ihren Bildungsreisen, die „Grand Tour“ hieß, gemalt, andere brachten von ihrer Reise Kunstwerke oder ganze Sammlungen mit; „ein Versuch, das ‚dolce vita‘ in der Heimat zu konservieren“.

Bei mir weckt die Ausstellung Sehnsüchte und Erinnerungen. Als ich vor den Bildern stehe, höre ich immer wieder die Stimme des Bootsführers, der uns über den Gardasee schipperte: „Malcesine, Malcesine“.

Natürlich bin ich damals in dem kleinen Ort ausgestiegen, in dem Goethe auf seiner italienischen Reise Station gemacht hat. Er wäre im September 1786 sogar fast verhaftet worden, als er die Ruine der alten Skaligerburg zeichnete: Malcesine lag nämlich damals an der Grenze zwischen der Republik Venedig und Österreich, die Einwohner befürchteten, dass der Fremde für den österreichischen Kaisers Josef II spionierte und mit seinen Zeichnungen einen Angriff auf die Republik Venedig vorbereiten sollte. Zu Goethes Glück ließen sich die Verantwortlichen von seiner Unschuld überzeugen. Ach ja, schön war’s am Gardasee.

Und dann war da noch – aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei – Elke Heidenreichs Buch „Ihr glücklichen Augen: Kurze Geschichten zu weiten Reisen“, dessen Titel sie übrigens aus dem zweiten Teil von Goethes Faust entliehen hat. Elke Heidenreich ist viel und weit gereist. Sie ist, so schreibt sie im Vorwort, auf allen fünf Kontinenten, in fast allen Metropolen der Welt gewesen. Über mehr als 30 Orte und Länder schreibt sie in ihrem Buch – besonders viele der beschriebenen Orte liegen in Italien. Das liegt sicher daran, dass Elke Heidenreich ein Opernfan ist – und Oper und Italien gehören ja irgendwie zusammen. Ich mag Opern nicht besonders und habe bislang nur ganz wenige gesehen, zwei davon im Amphitheater in Verona – ein wirklich unvergessliches Erlebnis.  

Verona kommt in Elke Heidenreichs Buch nicht vor, aber viele andere italienische Städte, die ich noch nicht kenne, Florenz zum Beispiel, Sienna, Pesaro und natürlich Venedig. „Man vergisst die erste Ankunft in Venedig nie“, lese ich auf Seite 163. Und auf der folgenden. „Gibt es irgendeinen künstlerisch fühlenden, denkenden, arbeitenden Menschen, der nicht wenigstens einmal in seinem Leben nach Venedig gereist ist?“ (Seite 164).

Also dann. Auf nach Italien. Auch wenn ich keine Künstlerin bin, ist es höchste Zeit, Venedig, Florenz und Co kennenzulernen. Portugal muss vorerst noch warten.

*Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung

Die Ausstellung „Nach Italien. Eine Reise in den Süden“ ist noch bis zum 19. Februar im Landesmuseum Hannover zu sehen.

Elke Heidenreich: Ihr glücklichen Augen: Kurze Geschichten zu weiten Reisen. Hanser Literaturverlage, 2022, 26 Euro