Zwischen den Jahren

Es ist wieder so weit: Heute endet das Jahr, morgen beginnt ein neues Jahr – und die Zwanziger Jahre. Das neue Jahrzehnt startet erst am 1. Januar 2021, weil die weltweit gültige Zeitrechnung kein Jahr 0 kennt, sondern mit dem Jahr 1 nach Christus anfängt, das der Mönch Dionysius Exiguus Anfang des 6. Jahrhunderts festgelegt hat.

Die Zeit zwischen den Jahren dauert noch bis zum 6. Januar. Diese Zwischenzeit hängt zum einen mit der unterschiedlichen Dauer von Mond und Sonnenjahr zusammen. Denn das Mondjahr mit zwölf durchschnittlich etwa 29,5 Tage langen Monaten ist zwölf Tage kürzer als das Sonnenjahr, das in der Regel 365 Tage dauert. Zum anderen endete das alte Jahr bis zur Neuzeit bereits am 24. Dezember, das neue Jahr begann dagegen bis zur Einführung des gregorianischen Kalenders erst am 6. Januar. Die zwölf Nächte zwischen dem Heiligen Abend und dem Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphania oder heilige drei Könige) gelten laut Wikipedia seit dem Konzil von Tours im Jahr 567auch offiziell als besonders verehrungswürdig https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischen_den_Jahren

Auch der Tag der Wintersonnenwende am 21. Dezember gehört seit alters her zu den besonderen, den heiligen Nächten in denen die Tore zu der anderen Welt offenstehen. So gelangen Dämonen, Geister und andere wilde (= raue) Gesellen in unsere Welt, ziehen als wilde Jagd durchs Land und treiben ihr Unwesen. Und weil die Grenze zwischen beiden Welten in dieser Zeit durchlässig ist, nutzen Menschen seit alters her die sogenannten Losnächte, um einen Blick in die Zukunft zu erhaschen. Selbst für diejenigen, die nicht abergläubisch sind, die weder an Geister, an andere Welten und die dazugehörenden Wesen glauben noch an die besondere Kraft der Raunächte, ist der bevorstehende Jahreswechsel Anlass, über das vergangene Jahr nachzudenken, Pläne zu schmieden und gute Vorsätze für das neue Jahr zu fassen.

Für mich war 2019 ein schwieriges Jahr. Anfang des Jahres ist mein Lieblingscousin gestorben, im Juli meine Mutter und Ende des Jahres auch noch ein Klassenkamerad, mit dem ich zusammen Abitur gemacht habe. Mein Mann ist schwer erkrankt, ein Freund hat einen Zusammenbruch nur mit viel Glück überlebt, eine gute Bekannte kämpft gegen den Krebs und um ihr Leben. Die Einschläge kommen näher, aber das ist wohl so, wenn man die 60 überschritten hat.

Lohnender Besuch: Bretten in Baden-Württemberg

Die meisten guten Vorsätze vom Jahresanfang habe ich leider nicht in die Tat umgesetzt. Ich habe es weder geschafft, jede Woche ein Buch zu lesen noch jede Woche einen Blogpost zu schreiben – aber mit rund 50 gelesenen Büchern und 40 Blogbeiträgen fällt die Bilanz besser aus als befürchtet. Aus den geplanten Reisen und Wanderungen ist nichts geworden. Ich war nicht in Amsterdam und nicht in Paris und ich habe auch nicht den gesamten Hexenstieg erwandert. Aber immerhin habe ich ein paar sehr hübsche Orte kennengelernt, die nicht auf meiner To-visit-Liste standen und die ich auch sicher nie besucht hätte, wenn meine Pläne nicht durchkreuzt worden wären. Bretten zum Beispiel, Baden-Baden oder Ratzeburg. Und ich weiß jetzt genau, wo ich ich nie leben möchte – doch die Namen der beiden Orte nenne ich an dieser Stelle nicht.

Dieses Jahr war sicher nicht das beste meines Lebens und ich bin irgendwie froh, dass es bald vorbei ist. Aber ich habe natürlich auch Positives erlebt. Ich konnte zwei große Belastungen hinter mir lassen; mein Mann ist nach zwei Operationen wieder auf dem Weg der Besserung. Ich habe ein neues Hobby entdeckt, das mein Leben im wahrsten Sinne des Wortes bunter macht, eine neue Freundin gefunden und einen alten Freund wiedergefunden. Und viele haben mich in diesem Jahr begleitet, getröstet und unterstützt. Ihnen allen vielen Dank. Es gibt also gute Gründe, positiv ins neue Jahr zu schauen, das am anderen Ende der Erde schon begonnen hat, während ich diese Zeilen schreibe.

Mein Leben wird bunter

Weil die Heiligen Nächte zwischen den Jahren noch andauern, möchte ich den Blog mit einem abgewandelten irischen Segenspruch beenden, der am Tag vor dem Heiligen Abend in meinem Adventskalender gestanden und der mich sehr beeindruckt hat: „In den Heiligen Nächten möge Frieden dein Gast sein und das Licht der Weihnachtskerzen weise dem Glück den Weg zu deinem Haus.“  Und mit einem Foto, das Foe Rodens am anderen Ende der Welt bei Auckland aufgenommen hat, dort, wo die Zwanziger Jahre schon begonnen haben.

Sonnenuntergang bei Auckland, fotografiert von Foe Rodens

Reformationstag, Allerheiligen und Halloween

Nein, ich bin kein Halloweenfan, aber das Haus am Rand von Isernhagen beeindruckt mich jedes Jahr aufs Neue. Jedes Jahr sieht es ein bisschen anders aus. Heute habe ich zum ersten Mal dort geklingelt und gefragt, ob ich Bilder in meinem Blog posten darf. Ich darf, sagte die Frau, die mir öffnete, verkleidet, weil hier offenbar Halloween gefeiert wird.

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Die Gelegenheit ist seit diesem Jahr günstig, weil der 31.10. seit vergangenem Jahr in Niedersachsen gesetzlicher Feiertag ist. Nicht wegen der Geister, sondern wegen Martin Luther: Am 31.10.1517 soll er seine Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg genagelt und so die Reformation eingeleitet haben. Belegt ist das Datum nicht. Aber die Wahl – der Abend vor Allerheiligen, der All Saints oder All Hallows‘ Eve – macht Sinn. Schließlich war der Heiligenkult der (guten) alten römischen Kirche dem Reformator ein Dorn im Auge – und auch, dass man durch den Ablasshandel die Seelen der Verstorbenen aus der Hölle oder dem Fegefeuer freikaufen konnte.

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All die, die beklagen, dass der christliche Reformationstag durch ein heidnisches Feier okkupiert wird und seine Bedeutung verliert, seien daran erinnert: Samhain, den Vorläufer von Halloween, gab‘s schon in vorchristlicher Zeit. Für die Kelten begann in dieser Nacht der Winter – und die Herrschaft des Todesfürsten. In dieser Nacht öffnete sich die Tür zur Parallelwelt, die Toten konnten hindurch und in die Körper der Lebenden schlüpfen. Um sich zu tarnen und um die bösen Geister abzuschrecken, verkleideten sich die Menschen in dieser Nacht. Außerdem opferten sie soul cakes, um die herumspukenden Geister zu besänftigen. Trick or treat, heißt das bei kleinen Halloweenfans, die allerdings Süßigkeiten bevorzugen.

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Jedi meets Halloween

Die Kirchenoberen übernahmen das keltische Fest, „christianisierten“ und integrierten es als Allerheiligen in ihren Festkalender – wie sie es auch mit anderen heidnischen Feiertagen taten. Weihnachten und Ostern sind die wohl bekanntesten Beispiele.  Kein Grund also, über die Heidnisierung von Reformationstag und Allerheiligen zu jammern. Jetzt erobern die Geister ihr Fest zurück.

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Geistertanz