2023 einhalb

5. Juli, die zweite Jahreshälfte hat vor ein paar Tagen begonnen, Zeit also, darüber nachzudenken und darüber zu schreiben, was – frei nach Reinhard Mey – „aus all dem geworden (ist), was ich mir am Neujahrsmorgen, ganz fest vorgenommen hab?“

Meine guten Vorsätze für das Jahr 2023 waren, das stelle ich beim Blättern in alten Tagebüchern und beim Scrollen durch alte Blogbeiträge fest, fast die gleichen wie in den vergangenen Jahren. Und wie in den Jahren davor habe ich auch in diesem vieles, was ich mir vorgenommen habe, nicht durchgehalten. „Die zweite Yogaeinheit am Abend beispielsweise oder das tägliche Meditieren sind ebenso hehre Ziele geblieben wie die tägliche Skizze“  – den Satz brauchte ich nicht neu zu formulieren, sondern konnte ihn unverändert aus der Halbjahresbilanz 2021 in diesen Text kopieren (https://timetoflyblog.com/2021-einhalb). Ich trinke immer noch (viel) zu wenig und auch was die tägliche Bewegung angeht, bleibe ich – allerdings nur knapp – hinter meinen Vorsätzen zurück. Durchschnittlich 9.898 Schritte bin ich seit Anfang des Jahres jeden Tag gegangen. Die angestrebten 10.000 Schritte täglich sind also immerhin in Reichweite.

Gelesen habe ich in diesem Jahr nach meiner wahrscheinlich nicht vollständigen Liste 33 Bücher, das sind mehr, als ich mir vorgenommen habe (ein Buch je Woche). Und ich bin erfreulicherweise mehr gereist als in den vergangenen Jahren. Wir waren mit dem Wohnmobil drei Wochen in Italien und ein paar Tage auf Fehmarn.

Dank des 49-Euro-Tickets kann ich es mir leisten, zwischendurch einfach mal mit der Bahn irgendwohin zu fahren– beispielsweise zu meiner Tochter in den Harz, zu den Enkelkindern nach Hamburg, zum Stadtbummel nach Lüneburg oder zu einem Vortrag nach Würzburg. Die Reise nach Franken war irgendwo auch eine Reise in die Vergangenheit: Als ich in den 1980er-Jahren mein Volontariat in einem kleinen Buchverlag machte, war der Bildband über Franken das erste Projekt, für das ich verantwortlich war, für das ich viele Texte geschrieben und auch Fotos gemacht habe – analog natürlich. Damals war ich oft im Juliusspital, in dem der Vortrag stattfand, allerdings nicht im Krankenhaus, sondern im Weingut, das zum Krankenhaus gehört. Oder umgekehrt.

Bei meinen Besuchen in Würzburg habe ich auch den Leiter des Weinguts des Bürgerspitals kennengelernt, das wie das Juliusspital zu den großen Weingütern der Stadt und in Franken gehört. Rudolf Frieß schenkte mir dann zwei Jahre später zwei Bocksbeutel mit Frankenwein: einen zur Geburt meiner Tochter, den anderen zu unserer Hochzeit – ja, in dieser Reihenfolge. Die beiden Flaschen mit meiner fränkischen Lieblingssorte Rieslaner liegen noch im Keller. Vielleicht öffne ich eine, wenn ich demnächst meine beiden letzten beiden Auftragsartikel abgegeben habe und nach fast 40 Jahren aufhöre, als Journalistin zu arbeiten. So schließt sich der Kreis.

In der ersten Jahreshälfte habe ich noch mehr Schreibaufträge angenommen als geplant. Das wird sich ändern. Künftig will ich nur noch für mich schreiben, das habe ich mir fest vorgenommen: Blogbeiträge, Essays und vielleicht auch wieder ein Buch. Vielleicht schaffe ich es ja dann auch, regelmäßig am Ende des Monats Bilanz zu ziehen wie Anke auf ihrem Blog https://www.goingandflowing.de/ oder – Fernziel – wie stancerbn allwöchentlich auf die vergangene Woche zurückzublicken https://alltaeglichesundausgedachtes.com/. Und vielleicht erreiche ich dann ja zumindest in der zweiten Jahreshälfte mein Ziel: zwei Blogartikel vor Woche. Im ersten Halbjahr war es gerade mal ein Post je Woche. Immerhin.

Mehr schreiben, lesen, zeichnen, wandern, reisen – und endlich FreundInnen wiedersehen, die ich schon ewig nicht mehr gesehen, steht auf der Wunschliste, die ich letzte Woche geschrieben habe. Morgen Abend fahre ich zu einem Schreib- und Wanderwochenende in die Alpen und bessere dabei hoffentlich auch meine Schrittebilanz auf. Mein kleines Skizzenbuch nehme ich natürlich auch mit. Ein guter Start also in eine – frei nach Reinhard Mey –

„gute zweite Halbzeit
Und ein gutes altes Jahr
Werde, was Ihr Euch wünscht Wirklichkeit
Bis zum 1. Januar!“
https://www.songtexte.com/songtext/reinhard-mey/71-12-4bda0706.html

2020 ein halb

Ja, ich weiß. Ich bin (wieder) ein bisschen spät dran, aber besser spät als nie. Und was kann ich dafür, wenn die Zeit so dahinrast? Aber das tut sie eigentlich schon immer: Einzweidrei im Sauseschritt, läuft die Zeit, wir laufen mit, hat schon Wilhelm Busch (https://www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Gedichte/Busch/Aphorismen/sausesch.htm) vor fast 150 Jahren gedichtet, in einer Zeit also, die uns rückblickend als viel gemächlicher scheint als unsere. 

Aber zurück zum Thema: 2020 einhalb. Halbzeit, das Jahr ist wieder halb vorbei, und wie im vergangenen Jahr geht mir Reinhard Meys Lied „71 einhalb“ nicht aus dem Sinn. Was ist also „aus all dem geworden, was ich mir am Neujahrsmorgen ganz fest vorgenommen hab?“

Hat prima geklappt, könnte ich sagen, denn anders als in den letzten Jahren habe ich in diesem Jahr wohlweislich keine festen Vorsätze notiert. Weder im Blog noch in den Morgenseiten noch im Tagebuch, womit ich bei den Dingen wäre, die ich wirklich fast immer tue und die ich auch durchgehalten habe: Morgenseiten- und Tagebuchschreiben. Das tue ich nämlich wirklich (fast) täglich: Die Morgenseiten fallen eigentlich nur aus, wenn ich ungewohnt früh aus dem Haus gehe. Doch wenn die Morgenseiten einmal ausfallen, schreibe ich eigentlich immer in mein Tagebuch. Das habe ich, anders als meinen Computer, fast immer dabei. Mit meinen anderen Schreibprojekten hinke ich dagegen wie im vergangenen Jahr leider hoffnungslos hinterher.

Immer dabei: mein Tagebuch

Bei den Blogbeiträgen habe ich mein Vorhaben dagegen erfüllt oder sogar übererfüllt, zumindest durchschnittlich und wenn man beide Blogs zählt: 34 Blogbeiträge habe ich in diesem Jahr schon gepostet, je 17 auf beiden – das ist mehr als ein Blogbeitrag je Woche im Schnitt. Und es werden hoffentlich viel mehr. Denn ich möchte – ein neuer Vorsatz – bei der 30-Tage-Buch-Challenge mitmachen. Dazu in den nächsten Tagen mehr. Gelesen habe ich ebenfalls so viel, wie ich mir vorgenommen habe: 27 Bücher habe ich in meinem Büchertagebuch notiert, und weil ich manchmal vergesse, Bücher einzutragen, dürften es sogar ein paar mehr sein.

Ich habe es auch fast geschafft, jede Woche eine Karte mit einem Gedicht aus dem Kalender Fliegende Wörter zu schreiben. Für jedes Gedicht eine passende Adressatin oder einen passenden Adressaten zu finden, war eine wirkliche Herausforderung. Und ich gebe zu: Ich habe nicht alle geschriebenen Karten verschickt. Denn wer, außer vielleicht ein Wurmforscher (ich kenne keinen persönlich), freut sich schon über einen „Altniederdeutschen Wurmsegen“. Für die zweite Jahreshälfte habe ich die Aktion Fliegende Wörter deshalb etwas geändert: Ich werde weiter Gedichte verschicken, teilweise aber selbst ausgesuchte (mit selbst geschriebenen verschone ich euch weiter).

Dass ich – endlich – weniger gearbeitet habe als in den vergangenen Jahren (ein Dauer-Vorsatz), liegt weniger an mir als an Corona. Ob es mir gelungen ist, mehr zu leben, weiß ich nicht. Aber ich glaube, ich bin auf einem ganz guten Weg.

Mancher Weg ist steiniger und steiler als geplant. Und manchmal scheint es, als hätte der Teufel seine Hand im Spiel, wie hier auf der Teufelsmauer.

Apropos Weg: Ich bin – Foe sei Dank – im letzten halben Jahr sicher mehr gewandert als je. Dabei habe ich wirklich schöne Wege und Orte im Harz, also quasi vor der Haustür, kennen gelernt, an denen ich jahrelang achtlos vorbeigefahren bin. Am Marienteich zum Beispiel. Den Hexenstieg habe ich immer noch nicht ganz erwandert, aber zumindest Teile davon, darunter den vielleicht schönsten Teil, den Weg durch das Bodetal. Und der Sommer ist ja noch lang …

An der Bode, dem vielleicht schönsten Teil des Hexenstiegs

Im Alltag klappt das mit dem Vorsatz, mich mehr – und täglich – zu bewegen, leider nicht immer. Meine Yoga-Übungen lasse ich leider allzu oft ausfallen oder reduziere sie auf ein Miniprogramm. Aber ich gelobe Besserung. 10.000 Schritte am Tag sind ein guter Vorsatz für das zweite Halbjahr. Damit das auch klappt, werde ich meinen Fitnesstracker reaktivieren. Ob es etwas genutzt hat, schreibe ich dann am Ende des Jahres. Wie auch über andere unausgesprochene und ungeschriebene Vorsätze. 😉

2019 einhalb

Zugegeben, der Titel ist geklaut. Oder doch zumindest angelehnt an einen Song von Reinhard Mey, den ich früher gern gehört habe. „71 ein halb“ heißt das Lied und es geht weiter „… was ist aus all dem geworden, was ich mir am Neujahrsmorgen ganz fest vorgenommen hab?“.

Das Jahr ist halb vorbei (ok, schon seit drei Tagen, aber ich habe es einfach nicht geschafft, den Text vorher zu bearbeiten) – Zeit also für eine Zwischenbilanz. Und weil ich gerade diesen Blogbeitrag schreibe, fange ich mit dem Bloggen an – und mit der guten Nachricht. Ich hatte mir vorgenommen, jede Woche einen Blogbeitrag zu schreiben oder zumindest vier jeden Monat. Das ist mir gelungen. All denjenigen, die nur timetofly kennen und jetzt verwundert nachzählen, kann ich die Differenz erklären: Mit meiner Blogpartnerin Foe beschreibe und betreibe ich seit einiger Zeit einen zweiten Blog: https://chaosgaertnerinnen.de/ Wir bloggen dort über Gärten – über unsere eigenen und über fremde. Ich freue mich, wenn ihr hineinschaut und/oder den Blog abonniert – natürlich kostenlos.

Mit meinen anderen Schreibprojekten hinke ich dagegen hoffnungslos hinterher, was sicher auch daran liegt, dass ich auch ein anderes Vorhaben nicht umgesetzt habe: Ich arbeite immer noch zu viel, wenn auch nicht so viel zu viel wie meine Freundin Sabine. Aber ab September wird alles besser. Dann will ich mir auch die Zeit für die Wanderung nehmen, die auf meiner Vorhabenliste steht. Meinen Plan, die Alpen zu Fuß zu überqueren, habe ich zwar wieder um ein Jahr verschoben, weil ich mich alleine nicht traue und die Gruppenwanderungen, die für mich in Frage kommen, einfach nicht in meinen Terminkalender passen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und es gibt ja auch noch andere schöne und vielleicht nicht ganz so anspruchsvolle Strecken.

Zeit für einen richtigen Urlaub hatte ich in diesem Jahr noch nicht, dafür gönne ich mir kleine Auszeiten zwischendurch: Zwei oder drei Tage bei meiner Freundin, eine Fahrt ans Steinhuder Meer, eine Wanderung im Harz oder auch nur abends eine kurze Fahrt an den Würmsee. Der ist ja eigentlich nur ein flacher Tümpel, aber wenn ich auf dem Steg oder auf der Bank sitze, sehe ich das nicht – außer wenn die drei Fischreiher ganz in der Nähe und nicht mal bis zu den Waden im Wasser stehen. Was mich zu der Frage führt: Haben Reiher Waden?

Mit dem Morgenritual, das ich am Anfang des Jahres begonnen habe (https://timetoflyblog.com/2019/01/08/same-procedure-every-day/), tue ich mich zugegebenermaßen schwer: Die Morgenseiten schreibe ich eigentlich immer – und freue mich zurzeit jeden Morgen darüber, dass ich von meinem Platz auf der Empore die Sonne hinter den Bäumen hervorkommen sehe. Yoga verschiebe ich meist auf später, bis die Sonne um die Nachbarhäuser herumgewandert ist und in den Garten scheint. Denn ich übe meist draußen  – und da ist es mir ganz früh am Morgen noch zu kalt. Dass Yoga dann manchmal ausfällt, ist die Kehrseite der Medaille.

Auch andere gute Vorsätze sind leider nur Vorsätze geblieben. Ich bewege mich immer noch zu wenig (gut, alles ist relativ) und ich trinke immer noch zu viel Kaffee. Mein Keyboard habe ich kürzlich wieder weggeräumt, weil ich seit Monaten kein einziges Mal geübt habe. Immerhin male ich manchmal, keine richtigen Bilder zwar, aber die kleinen Kritzeleien in mein Tagebuch und in mein Skizzenbuch machen mir viel Spaß – und mein Leben bunter. Was will ich mehr?

Mehr Zeit zum Lesen. Leider habe ich es habe auch nicht geschafft, jede Woche ein Buch zu lesen. Immerhin 20 Bücher waren es seit Anfang des Jahres gelesen und dabei zwei neue Autorinnen (wieder)entdeckt. Meg Wolitzer kannte ich noch gar nicht, von Elizabeth Strout hatte ich irgendwann ein Buch gelesen, das mir nicht besonders gefallen hat. Jetzt habe ich es wiedergelesen – und war so begeistert, dass ich es mir kaufen musste.

Ambitioniert hat eine gute Bekannte meine Lesepläne genannt – und sie hatte recht: Es war zu ambitioniert – typisch für mich. Ich nehme mir oft zu viel vor. Das soll sich ändern, und deshalb starte ich ohne (neue) gute Vorsätze in das zweite Halbjahr. Und wünsche mir das, was Reinhard Mey gewünscht hat: „eine gute zweite Halbzeit und ein gutes altes Jahr“.