Rosen, Rosen

Eigentlich bin ich kein Rosenfan – oder genauer gesagt, ich war keiner. Irgendwie mochte ich Rosen früher nicht besonders. Vielleicht lag es ja an dem Poesiealbumspruch, den die älteren LeserInnen sicher kennen:

Sei wie das Veilchen im Moose,
sittsam bescheiden und rein
und nicht wie die stolze Rose,
die immer bewundert will sein.

So werden junge Menschen in die Irre geführt. Vielleicht hat mich auch abgeschreckt, dass die Rose als Königin der Blumen gilt – mit Königinnen und anderem Adel habe ich es ja bekanntlich nicht so. Aber auch das sind eben Vorurteile. Und ich habe, zumindest was Pflanzen angeht, meine Meinung revidiert.

Wächst bis zum Wintergartendach: Rhapsody in blue und ihre wilde Schwester

Denn im Gartenalltag hat sich gezeigt, dass Rosen gar nicht so anspruchsvoll und divenhaft sind, wie man es  Königinnen nachsagt: (Fast) alle wachsen und gedeihen  in meinem Garten auch ohne besondere Pflege und Zuwendung prächtig – die ausgewilderten No-name-Topfrosen ebenso wie die  Rosen mit langem Stammbaum, die echten aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae) ebenso wie die falschen, also Stock- und Pfingstrosen aus den Familien  Malvaceae und Paeoniaceae. Und  auch  mit Fingerhut und Mohn vertragen sich die Rosen gut – sie haben offenbar keine Berührungsängste.

Ganz in Weiß:  Rosen und  Fingerhut passen auch farblich gut zueinander …
… dagegen ist die Farbabstimmung im Rosenbeet bei Rosen und und Pfingstrosen suboptimal.

Die drei Rosenpflanzen, die ich im vergangenen Jahr bei der Aktion offene Pforte „adoptiert“ habe, haben selbst den etwas unbequemen und zugigen Transport aus den Nachbarorten im Radkorb heil  überstanden. Die Künstlerrose aus Bissendorf-Wietze und die Päonienrose aus Altwarmbüchen blühen unterm Wohnzimmerfenster schon bzw. bald. Nur Adoptivrose Nummer drei bereitet mir ein bisschen Sorgen. Die Dominie Sampson soll angeblich früh und im Schatten blühen – doch noch tut sich gar nix. Vielleicht fühlt sie sich einsam zwischen Walderdbeeren, Iris und Topinambur; möglicherweise vermisst sie ihre 250 Schwestern aus Silke Rex‘ Rosengarten. Ihn kann ich in diesem Jahr leider nicht besuchen, weil die Gartenpforten in der Region Hannover corona-bedingt geschlossen bleiben.

Abracadabra – meine Künstlerrose

Mein Rosen-Liebling Rhapsody in blue – duftendes Geschenk meiner Nachbarin – und ihre duft- und namenlose weiße Schwester wachsen und blühen dagegen scheinbar um die Wette: Sie würden unseren Wintergarten längst überwuchern, würde ich sie nicht immer wieder zurückschneiden. Und auch die Heckenrose neben dem Teich hätte sicher schon den Zaun überwunden und sich über den Radweg und die Straße ausgebreitet. Vielleicht lasse ich künftig wachsen was wächst. Denn der Gedanke, dass unser kleines Haus hinter einer Wand aus Rosen verschwindet wie weiland Dornröschens Märchenschloss, gefällt mir. Ob sie dazu hundert Jahre brauchen würden?

Keine hundert, aber doch einige Jahre hat es gedauert, bis sich in diesem Frühjahr endlich die ersten Veilchen in unserem Garten angesiedelt haben. Mal habe ich im Gartencenter zu früh nach den Pflänzchen gefragt, mal war ich zu spät. Und einige Violas, die ich gepflanzt habe, sind spurlos verschwunden. Vielleicht sind sie ja der Gierschjagd im Frühjahr zum Opfer gefallen oder ich habe sie mit dem Laub aus dem Garten geharkt, weil sie sich gar zu bescheiden versteckt haben.

Das passiert den Rosen nicht. Womit bewiesen wäre, dass ein anderer Spruch stimmt: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.

Gartenblicke im Mai

Jetzt ist der Mai schon fast wieder vorbei, der Sommer gefühlt da. In unserem Garten grünt und blüht es  – und wenn man ein paar Tage nicht hinschaut, wächst einem so manches über den Kopf. Dem Lesezwerg zum Beispiel Giersch und Blaukissen, doch das stört ihn ja bekanntlich nicht, weil er so in sein Buch versunken ist.

Von den beiden Teichen ist nichts mehr zu sehen, und auch der Leuchtturm Roter Sand verschwindet allmählich. Die Iris haben sich Zeit gelassen, dafür blühen sie diesmal gleich in drei Farben – in Gelb, Hellgelb und Lila. Die Heckenrose hinterm Teich hat in diesem Jahr zum ersten Mal mehrere Blüten – leider keine duftenden.

Die Rosen im Rosenbeet – eine echte Rose und ihre „falschen“ Namenscousinen Pfingst- und Stockrose – sind noch nicht so weit. Die Pfingstrose, die zur Familie der Paenonien zählt, wird das Rennen um die erste Blüte wohl gewinnen – die Knospen sind schon sehr dick. Und vielleicht macht sie ja ihrem Namen alle Ehre und blüht an Pfingsten auf. Die Erdbeeren blühen noch und tragen auch schon Früchte – die allerdings noch klein und grün sind.

Die Reben auf der Terrasse werden wohl erst in ein oder zwei Wochen blühen. In Neumagen, dem Ort, in dem ich geboren bin und lange gelebt habe, wurde früher das Weinblütenfest gefeiert – und zwar Mitte Juni. Hoch im Norden, also in der Nähe von Hannover, beginnt die Blüte meist noch später als an der Mosel.

Dagegen ist die Eberesche schon verblüht, doch mein Lieblingsbaum bereitet mir ein bisschen Sorgen. Denn sie wirkt in diesem Jahr recht kahl, will nicht so recht grün werden. Eigentlich sind Ebereschen ja robust, aber im Internet lese ich, dass Pilze wie Schwefelporling oder Baumschwamm können ihnen zusetzen. Ich werde den Baum in den nächsten Wochen beobachten. Denn wenn man die Pilze frühzeitig entdeckt, kann man sie gut bekämpfen. Werden sie zu spät entdeckt, ist der Baum unrettbar verloren. Ich werde mit dem  Specht am Baum sprechen: Vielleicht kann ja auch er ein bisschen auf seinen Gastgeber achten.

Von Sukkulenten, Drachenbäumen und echten und falschen Rosen

Im Winter macht unser Wintergarten seinem Namen alle Ehre. Er wird zum Indoor-Garten, gehört den Pflanzen, die sich dort noch wohlfühlen, auch wenn es uns Menschen schon lange zu kalt geworden ist. Selbst Zitruspflanzen und Oliven, eigentlich in südlicheren, sprich wärmeren Gefilden  heimisch, machen einstellige Temperaturen offenbar nichts aus.

Auch die Sukkulente, die wir vor einigen Jahren als winzigen Ableger bekommen haben, gedeiht prächtig. Inzwischen sprengt sie fast ihren Topf – und hat im Sommer für reichlich Nachwuchs gesorgt. Wie die Pflanze heißt, habe ich immer noch nicht herausgefunden: Ist es ein Pachyphytum (Dickstamm), ein Aeonium oder gehört sie vielleicht doch zur Familie der Anacampseros? Über Hinweise freue ich mich.

Drei Generationen unter einem Dach

Die beiden Drachenbäume kränkeln dagegen – vielleicht ist ihnen zu kalt, obwohl der Winter bislang eher einem langen Herbst gleicht. Unter 16 Grad sollte die Raumtemperatur nicht sinken, empfehlen diverse Gartenseiten im Internet, die ich zu Rate ziehe. Im Wintergarten herrschen derzeit nur einstellige Temperaturen.

Der Drachenbaum kränkelt im kühlen Wintergarten …

Die vergangenen Winter haben die Drachen heil überstanden – doch jetzt werden die Blätter braun und fallen ab. Möglicherweise reagieren alte Pflanzen ebenso wie alte Menschen empfindlicher auf Kälte. Als bekennende Frostbeule kann ich das nachfühlen und gewähre den Drachenbäumen bis Mitte Februar Asyl im Haus. Dann steigt die Sonne schon vormittags wieder über das Nachbarhaus und sorgt im Wintergarten für angenehme Temperaturen – wenn sie denn scheint.

Spätestens dann werde ich auch die Schneerose auswildern, die unsere Nachbarn uns zu Weihnachten geschenkt haben. Zuerst wollte ich ihr die frostigen Nächte ersparen, jetzt ist es mir meist zu nass und ungemütlich, um auch nur kurz  im Garten zu arbeiten. Außerdem freue ich mich an ihren weißen Blüten, wann immer ich in den Wintergarten gehe oder hineinsehe.

… die Christrose blüht dagegen auf.

Immerhin habe ich schon einen Platz für die Schneerose ausgesucht. Sie zieht in unser Erdbeer-Rosen-Beet, obwohl  sie – trotz des Namens – botanisch ein Hahnenfußgewächs ist. Doch die meisten ihrer Nachbarn sind ebenfalls keine echten Rosen: Stockrosen (bot. Alcea) zählen zu den Malvengewächsen, die Pfingstrosen bilden eine eigene Gattung (Paeonia).

Ob echte oder falsche Rose: Mit den Erdbeeren verstehen sie sich alle gleichermaßen gut.

Wird das was oder kann das weg?

… diese Frage stelle ich mir ständig, wenn ich durch den Garten gehe. Deshalb war es auch keine Frage, dass ich dieses Buch kaufen musste, als ich es zufällig im Buchladen entdeckte. Eigentlich wollte ich ja nur ein bestelltes Buch abholen, aber …

Das Buch hilft, erwünschte und unerwünschte Gartenpflanzen zu erkennen, verspricht der Untertitel. Wirklich unerwünscht ist allerdings für die Autorin Bärbel Oftring eigentlich kaum eine Pflanze: Nur etwa 10 von über 100 Pflanzen sind mit dem Symbol: „Alarm, Pflanze unbedingt ausreißen“ gekennzeichnet. Ganz schlecht (giftig und unbedingt ausreißen) kommen sogar nur drei Pflanzen weg: Flohknöterich, Beifuß Traubenkraut und Riesenbärenklau. Alle anderen verdienen eine zweite Chance als Heilpflanze, essbare oder ökologisch wertvolle Pflanze.

Dass viele Pflanzen einen doppelten, drei- oder gar vierfachen Nutzen haben, war lange Zeit in Vergessenheit geraten. So manches, was man in meiner Kindheit gemeinhin als Unkräuter bezeichnete, wird heute in Gourmetrestaurants serviert. (Hinweis an alle Spitzenköche und Apotheker in Deutschland:  Acker-Schachtelhalm, Giersch, Franzosenkraut, aufrechter Sauerklee, Vogelmiere und Rainkohl aus ökologischem Anbau, günstig und in großen Mengen abzugeben).

Im Prinzip ist Bärbel Oftrings Buch für Horrorgärtnerinnen wie mich optimal: Es zeigt nämlich, wie sich Pflanzen im Laufe ihres Lebens verändern. Denn die ersten Blätter sehen oft ganz anders aus als die erwachsenen Pflanzen. Vieles, was ich gepflanzt habe, überlebt  das zweite Jahr nicht, weil ich es nicht wiedererkenne. So gab es jahrelang leider keinen Fingerhut in unserem Garten. Des Rätsels Lösung: Ich habe alle Fingerhüte  ausgerupft, bevor sie blühen konnten, weil ich sie mit Nachtkerzen verwechselt habe, die ich nicht mag.

Blumen Erdbeerenbeet DSC_1265
Er ist wieder da: Fingerhut. Außerdem Im Blumen-Erdbeerbeet zu Hause: Mohn (schon verblüht) und Stockrosen.

Im Buch sind die meisten Pflanzen frisch ausgetrieben als Keimling, nach zwei Wochen als Jungpflanze und blühend nach sechs Wochen zu sehen. So kann man unerwünschte Pflanzen früh erkennen und ausreißen, bevor sie sich überall breit machen. Oder man könnte, wenn ja wenn … Wenn man nicht wie ich offenbar zwei linke Augen hat.

Im tatsächlichen Gartenleben klappt das Erkennen leider nicht wie geplant. So sehr ich mich bemühe und so oft ich mit dem Buch durch den Garten gehe: Ich kann viele Pflanzen einfach nicht unterscheiden. Was ich für Franzosenkraut gehalten habe, entpuppt sich mit Blüte eher als Rainkohl. von dem ich bisher nicht einmal den Namen kannte. Im Prinzip ist es egal, denn beide sind – zumindest in Massen – in meinem Garten unerwünscht, auch wenn sie essbar und ökologisch wertvoll sind.  Und ob das, was ich im Frühling für Sonnenblumenkinder gehalten haben, auch wirklich Sonnenblumen sind, bezweifele ich inzwischen. Denn noch zeigt sich keine einzige Blüte.

Rainkohl live DSC_1263
Rainkohl? – nicht mehr ganz live, weil entwurzelt …
Herbarium Rainkohl DSC_1257
… und getrocknet in meinem Mini-Herbarium

Mein Garten hat sich, so scheint es, ohnehin eher auf die lästigen Pflanzen spezialisiert: Die im Buch gezeigten Top 10 der „Lästlinge“ sind allesamt in meinem Garten vertreten, von den zehn schönsten selbst aussäenden Pflanzen leider nur die Hälfte. Zwei davon haben sich im Übrigen nicht selbst, sondern ich  ausgesät.

Für alle, die auch wissen möchten, was was wird:

Bärbel Oftring; Wird das was – oder kann das weg? Erwünschte und unerwünschte Gartenpflanzen erkennen. Franck Kiosmos Verlag, Stuttgart 2017, 16,99 Euro

Und von der gleichen Autorin:

Double-Use gärtnern. 100 Gartenpflanzen mit Mehrfachnutzen. Haupt Verlag, Berlin, 29,90 Euro.