Ich blogge schon seit Jahren, aber an einer Blogparade habe ich mich bislang noch nie beteiligt, Doch das von Edith Leister (https://edith-leistner.olrik.de/2024/02/07/blogparade-wo-ich-mich-zu-hause-fuehle/) gestellte Thema hat mich angesprochen. Auch wenn ich es für mich ein wenig umformuliere: Wo fühle ich mich zu Hause?
Diese Frage spukt in meinem Kopf, seit ich im im vergangenen August – zum ersten Mal seit dem Jahrgedächtnis für meine Mutter – wieder in dem Dorf war, in dem sie und ich geboren sind. Meine Mutter hat fast ihr ganzes Leben lang, über 90 Jahre, in Neumagen gelebt, dort sind sie und mein Vater auch begraben.
Ich bin mit 20 Jahren aus meinem Heimatort weggezogen, um zu studieren, ein Jahrzehnt später dann, nach eine kurzen beruflichen Intermezzo an der Mosel, der Liebe wegen für immer. Eine Rückkehr an die Mosel kam für mich nie infrage: Die Landschaft ist zwar schön, aber die Infrastruktur eher schlecht. Ohne Auto kommt an der Mosel kaum jemand aus. Schlechte Voraussetzungen für ein Leben im Alter.
Nach meinem Umzug nach Norddeutschland habe ich meine Eltern oft besucht: anfangs zwei- oder dreimal im Jahr, später dann, als sie alt wurden und die Unterstützung ihrer Kinder brauchten, häufiger. Jeder Besuch war eine Art Reise in meine Kindheit, jeder Einkauf, jeder Spaziergang durch den Ort dauerte viel länger als geplant. Denn immer traf ich unterwegs Bekannte, die mich schon als Kind gekannt hatten. Wir plauderten, sie wollten wissen, wie es mir geht, was ich mache. Und ich fragte nach ihren Männern oder Kindern, mit denen ich in die Schule gegangen oder aufgewachsen war.
Ja, mein Heimatort und das Haus, das meine Eltern gebaut hatten und in das wir kurz nach meiner Geburt eingezogen sind, waren für mich lange ein Zuhause – der Ort vielleicht sogar mehr als das Haus selbst. Denn als meine Schwestern und ich „unser“ Haus nach dem Umzug meiner Mutter ins Pflegeheim verkauften, fiel mir der Abschied vom Elternhaus leichter als befürchtet. Als ich ein letztes Mal im Haus war, um noch einige Dinge einzupacken, die ich seit Jahrzehnten dort aufbewahrt hatte, hatte es seine Seele verloren. Es war nur noch ein Haus, in dem ich lange gelebt habe. Nicht mehr und nicht weniger.
Mit dem Ort und einigen Menschen, die da leben, fühle ich mich dagegen immer noch verbunden. Zwar sterben die Alten, die ich noch kenne und die mich noch kennen, langsam weg. Doch als mein Mann und ich im vergangenen Jahr mit unserem Wohnmobil nach Neumagen fuhren und auf dem Stellplatz am Hafen übernachteten, war es ein bisschen wie nach Hause kommen.
Das ist in Burgwedel, dem Ort, in dem ich jetzt seit fast vier Jahrzehnten, irgendwie anders. Zu Hause fühle mich in unserem Haus, das wir nach unseren Vorstellungen und Wünschen gestaltet und eingerichtet haben – mit großen Fenstern, viel Licht und hellen Möbeln. Ich mag mein Arbeitszimmer, mein Schlafzimmer, von dem aus ich nachts die Sterne sehen kann, das Wohnzimmer, den Wintergarten, in dem ich schon an manchen Februartagen draußen sitze, die Terrasse und den Garten mit den beiden Miniteichen.
Das Städtchen hat alles, was ich zum Leben brauche und was den Alltag angenehm macht. Es gibt viele Läden, sogar eine Buchhandlung, eine Bücherei, Ärzte, Apotheken, ein Schwimmbad und ein Krankenhaus – alles bequem mit dem Fahrrad, zu Fuß oder später auch mit dem Rollator gut zu erreichen. Und mit dem Zug, der von morgens früh bis abends spät stündlich fährt, bin ich in einer Viertelstunde in Hannover.
Ja, in Burgwedel lässt sich gut leben: Aber Wurzeln geschlagen habe ich in all den Jahren nicht wirklich. Ja, ich habe hier Freunde und Bekannte, aber die meisten Menschen, die mir wirklich wichtig sind, leben in anderen Orten, irgendwo in Deutschland. Wir halten Kontakt via Telefon, Mails oder diverse Messengerdienste. Aber einfach mal vorbeischauen ist eben nicht möglich. Das ist wohl der Preis der Mobilität.
Was ich in Burgwedel auch vermisse – und je älter ich werde um so mehr: den Blick aufs Wasser. Vielleicht liegt es daran, dass ich an einem Fluss geboren bin und in den ersten 30 Jahren meines Lebens immer an Flüssen gelebt habe – an der Mosel, am Rhein und kurze Zeit auch an der Lahn. Das hat mich geprägt.
Gerne würde ich wieder am Wasser leben – es muss nicht das Meer sein, ein Fluss, ein Bach oder ein kleiner See reichen aus. Fast täglich gehe ich zu einem künstlichen Teich im Ort, um meine Seesucht zu stillen. Doch der ist, ebenso wie die beiden Miniteiche in unserem Garten, eben doch nur ein unzureichender Ersatz für natürliche Gewässer.
Vielleicht haben wir uns auch deshalb wieder ein Wohnmobil gekauft, weil ich so meinen Traum vom Wohnen am Wasser zumindest zeitweise verwirklichen kann. Und wenn wir dann irgendwo am Wasser stehen, egal ob an der Mosel, an der Aller oder am Meer, fühle ich mich zu Hause.