Unverhofft kommt oft, Teil zwei

Durch meinen Blogbeitrag „geschenkter Tag“ fühlt sich die von mir erwähnte höhere Macht offenbar herausgefordert, meine Terminpläne zu durchkreuzen und mir eine weitere Lektion in Gelassenheit zu erteilen. Die zählt, ebenso wie Geduld, ja nicht gerade zu meinen Kernkompetenzen.

So musste ich einen Tag länger an der Mosel bleiben als vorgesehen und einen wichtigen Termin absagen (sorry Frau M.). Mit der Korrektur der Zeitschrift ging es in den Tagen nach Ostern nicht so zügig voran wie geplant. Das rächte sich, als ich dann am Ende der Woche unverhofft im Krankenhaus landete – und der verantwortliche Redakteur auf die Schnelle Ersatz für mich finden musste (tut mir leid T.).

Denn mein Hausarzt war im Urlaub, seiner jungen Kollegin war eine 60-jährige, ihr unbekannte Patientin mit starken, plötzlich auftretenden Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen nicht geheuer. Um die Möglichkeit einer Blutung auszuschließen, schickte sie mich zum CT ins Krankenhaus. Dass die vermeintliche Überweisung eigentlich eine Einweisung war, war mir definitiv nicht klar – sonst hätte ich mich möglicherweise anders entschieden. Doch weil ich schon mal im Krankenhaus war, als ich es merkte, weil es mir wirklich schlecht ging und es keine andere Möglichkeit gab,  ließ mich stationär aufnehmen.

Selbst gestandene Ärzte fühlen sich manchmal hilflos, wenn sie plötzlich Patienten sind, und überlassen sich ihrem Schicksal, sprich ihren Kollegen. Kein Wunder also, dass ich, einmal in der Krankenhausmaschinerie gefangen,  die vorgeschlagenen Untersuchungen brav über mich ergehen ließ: neben dem gewünschten CT  auch eine Lumbalpunktion, obwohl einige (harmlosere) mögliche Nebenwirkungen genau die Symptome waren, deretwegen ich ins Krankenhaus gekommen war: Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Wie heißt es so schön: den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Bis zum Abend fühlte ich mich elend, dann waren die Beschwerden ebenso plötzlich verschwunden, wie sie am Morgen gekommen waren. Warum, weiß niemand. Unverhofft kommt eben oft.  Immerhin weiß ich jetzt, dass ich weder eine Hirnblutung noch eine Gehirnentzündung habe – und dass eine Lumbalpunktion nicht so schmerzhaft ist wie befürchtet.

Auf weitere Untersuchungen verzichtete ich am nächsten Tag, auf eigene Verantwortung, gegen ärztlichen Rat. Trotzdem dauerte es noch fast bis zum Abend, ehe ich entlassen wurde. Denn die Krankenhausmühlen mahlen manchmal eben recht langsam, auch wenn alle sich redlich Mühe geben. Dem geschenkten Sonntag am Meer folgt der verlorene im Krankenhaus. Wie gewonnen, so zerronnen.

Doch damit nicht genug: Während ich diese Zeilen weingummikauend schrieb, habe ich eine Zahnkrone verloren. Und so steht als Nächstes ein ungeplanter Besuch bei meiner Zahnärztin an. Ich rechne übrigens fest damit, dass sie mir genau die Zeit vorschlagen wird, die ich mit Frau M. verabredet habe, um den ausgefallenen Termin von letzter Woche nachzuholen. Denn wie gesagt: Die mir unbekannte Macht setzt zurzeit alles daran, meine Pläne zu durchkreuzen.

Freiwillig fasten

Ostern, Ende der Fastenzeit: Auch ich habe in diesem Jahr „gefastet“, sprich, auf etwas verzichtet. Besonders originell ist das nicht. Nach einer Umfrage der Krankenkasse mhplus hat jeder achte Deutsche in der Fastenzeit auf etwas verzichtet. Offenbar ist die Fastenzeit vor allem bei jungen Menschen beliebt: 17 Prozent der 18- bis 34-Jährigen machen mit, aber nur neun Prozent der über 55-Jährige.

Das wundert mich übrigens nicht, denn viele (katholische) Angehörige der Generation 55+ mussten wohl als Kinder von Aschermittwoch bis  Ostern auf Süßes verzichten. Das ist mir früher viel schwerer gefallen als heute, obwohl – oder weil – wir damals nur wenig Süßigkeiten bekamen und uns ohne Taschengeld auch keine kaufen konnten. Das Angebot in den Läden ind unserem Dorf war sehr überschaubar. Außerdem: In der Fastenzeit dort etwas zum Naschen kaufen, ging gar nicht. Die soziale Kontrolle hat perfekt funktioniert. Wer in der Fastenzeit naschte, hatte ein schlechtes Gewissen.

Was man freiwillig tut, klappt besser. Rund 70 Prozent derer, die in diesem Jahr gefastet haben, haben es laut Umfrage der Krankenkasse geschafft, konsequent Verzicht zu üben. Auch mir ist es gelungen, sicher auch, weil ich selbst bestimmt habe, worauf ich verzichten wollte. So kam der Verzicht auf Kaffee für mich nicht in Frage: ohne Kaffee geht bei mir gar nichts. Das hätte ich nie und nimmer durchgehalten.

Der Verzicht auf Alkohol ist mir dagegen nicht schwer gefallen, denn ich trinke ohnehin nur selten – und wenn, nur sehr wenig. Auch beim von den Kirchen initiierten Autofasten mitzumachen, war leicht – ich bin nur zwei oder dreimal Auto gefahren, wenn es keine vernünftige andere Möglichkeit gab.  Aber ich benutze auch sonst lieber Öffis oder das Fahrrad.

Ein bisschen schwerer war es, sechs Wochen lang keine Schokolade und keine Gummibärchen zu essen. Letzteres habe ich zugegebenerweise an manchen Frusttagen nur geschafft, weil meine Lieblingsweingummis (die original englischen von Bassets) bei uns im Ort nicht aufzutreiben waren. Der Weg nach Hannover war mir einfach zu weit – und die Sucht nicht groß genug.

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Gute Zeit für Osterhasen (Foto: utz Schmidtko)

Aber jetzt ist sie vorbei, die Fasten- und damit auch die Schonzeit für Schokohasen. Darunter leiden musste der arme lila Osterhase: Er hat sein Namensfest leider nicht überlebt!

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Ende der Schonzeit (Foto: Utz Schmidtko)

Eine geschenkter Sonntag

Man kann planen, so viel man will, es kommt immer anders. Oder unverhofft kommt oft. Dass das stimmt, kann ich nur bestätigen. Ich mag es, wenn alles nach Plan verläuft – und bin doch Spezialistin darin, Pläne über den Haufen zu werfen. Meist eher unfreiwillig. Manchmal denke ich, irgendeine (höhere) Macht wartet nur darauf, dass ich einen Termin in meinen Terminkalender eintrage – um dann etwas dagegen zu unternehmen.

Vor ein paar Tagen beispielsweise. Dass ich am Dienstag zu meiner Mutter an die Mosel fahren wollte, war lange geplant – der Termin genau eingepasst zwischen Korrekturterminen von zwei Zeitschriften, für die ich arbeite. Doch weil wir mit der ersten Zeitschrift früher fertig waren als vorgesehen, disponierte ich um, wollte schon am Montag  fahren. Ich hatte gerade meine Mutter informiert und wollte die Fahrkarte buchen, als der Anruf kam: Eine Frau, die ich  interviewen sollte, hatte ausgerechnet am Montagnachmittag für mich Zeit. Alles auf Anfang, zurück auf Los. Sprich: zum ursprünglichen Reisetermin. Wie gut, dass ich inzwischen 60 bin und eine Bahncard 50 für Senioren habe und deshalb flexibel bin.

Doch manchmal ist es gut, wenn Pläne sich ändern. Der unverhofft freie Sonntag und der halbfreie Montag bescherten mir einen wunderschönen Sonn(en)tag am Meer – mit strahlend blauem Himmel, Sonne satt, langen Spaziergängen am Strand und im Watt, Füßen im Sand. Selbst der Wind hatte ein Einsehen und blies an diesem geschenkten Frühlingstag ausnahmsweise nicht.

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Am Meer – Füße im Sand (Fotos: Utz Schmidtko
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Körbe am Strand

Und so konnten wir in der Sonne sitzen, Latte Macchiato und Eis im Strandcafé von Döse und einen Fischteller im vielleicht besten Fischimbiss in und um Cuxhaven genießen.

Nur das Meer machte mal wieder, was es wollte: Es war wieder einmal nicht da, als wir kamen, und schon wieder weg, als wir am Montag wieder nach  Hause fuhren. Doch das war laut Tidenkalender genau nach Plan.

Frühjahrsputz im Garten

Vor ein paar Tagen habe ich bei der Gartenarbeit eine Leiche entdeckt. Sie hing zwischen den durchgeweichten Blättern der Seerose, die ich mit dem Kescher aus dem größeren meiner beiden Miniteiche gefischt habe. Glücklicherweise sah sie nicht so furchterregend  aus, wie es die Pathologen in Krimis immer wieder behaupten. Bleich war sie, allerdings nicht aufgedunsen,  obwohl sie schon eine ganze Weile im Wasser gelegen haben muss.

Das lag sicher daran, dass er – oder sie, das Geschlecht konnte ich leider nicht erkennen – auch einen Großteil seines/ihres Lebens im Wasser verbracht hat. Nicht in diesem Teich, sondern in dem kleineren direkt daneben. Vielleicht ist er vor dem Frost in den größeren und tieferen Teich geflüchtet. Gerettet hat es ihn nicht. Ich habe den kleinen Frosch unter der Sanddornhecke begraben, die ist so stachlig, dass sicher kein Tier ihn ausbuddeln wird.

Neuer Teichbewohner

Ein Nachfolger ist auch schon wieder bei uns eingezogen.  Als ich die Lilien am Rand des kleinen Teichs freigeschnitten und freigerupft habe, hüpfte irgendetwas vom Rand ins Wasser. Es ist wie bei Königs: Der Frosch ist tot, es lebe der Frosch. Vielleicht ist er ja ein verwunschener Prinz? Wenn ja, wird er weiter inkognito bleiben: Ich werde sein Geheimnis nicht lüften. Einen Frosch gegen die Wand zu werfen, wie es Königstöchter offenbar gelegentlich tun, käme mir nie in den Sinn.

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Neuer Frosch am kleinen Teich. Foto: Utz Schmidtko

Ziemlich rigoros bin ich allerdings beim Frühjahrsputz im Garten jenen Pflanzen an meinem Teich zu Leibe gerückt, die meine Lilien überwuchert und fast erstickt haben. Ich hatte sie erst im vergangenen Jahr dorthin gesetzt, weil es vor den Heckenrosen etwas grüner sein sollte. Damit, dass sie ihre Aufgabe so übereifrig erfüllen würden, habe ich nicht gerechnet – jetzt habe ich sie strafversetzt, an den Zaun zum Nachbargrundstück, wo ich jedes Jahr unter Flieder, Haselnuss und anderen Büschen der Allianz aus Efeu und Giersch ein Stück mehr Boden abringe.

Und da ich schon beim Ausgraben war, habe ich mit der Brombeerhecke weitergemacht. Wir hatten sie vor Jahren gepflanzt, wohl in Erinnerung an die wildwachsenden Brombeeren, die ich gerne esse, wenn ich im Sommer an der Mosel bin. Als ich noch klein war, sind wir im Sommer manchmal losgezogen, haben die Mehren, wie sie in meinem Heimatort heißen, gepflückt, um Marmelade davon zu kochen. Leider haben die Brombeeren in unserem Garten überhaupt nicht geschmeckt; dafür sind überall stachlige Triebe aus dem Boden gewachsen. Weil ich meist ohne Handschuhe arbeite, habe ich mir manchen Dorn in den Finger gerammt. Jetzt war meine Geduld am Ende – ich habe eine Grenze gezogen. Rechts der Gartenhütte werde ich Himbeeren pflanzen, hinter der Gartenhütte dürfen die Brombeeren weiterwuchern und mit Sandorn, Felsenbirne und Heckenrose links der Hütte zu einer stacheligen Vogelschutzhecke verwachsen. Die ist noch ziemlich kahl, in meinen Kräuterbeeten zeigen sich die ersten Kräuter bereits wieder: Zitronenmelisse und Minze, Rosmarin und Sauerampfer, Waldmeister und Bärlauch haben den Winter gut überstanden. Mein Salbei bereitet mir allerdings Sorgen. Und ob sich die Lavendelpflanzen von dem radikalen Rückschnitt erholen, den ich ihnen vor ein paar Wochen verpasst habe, wird sich zeigen. Angeblich sollen die Sträucher so dicht und voll nachwachsen, wie ich es aus der Provence und von Fotos kenne. Wenn nicht, werde ich es mit einer neuen Sorte versuchen, deren Name vielversprechend klingt: Blue Dwarf, blauer Zwerg. Winterhart soll diese Sorte  sein, langlebig und hoffentlich unempfindlich. Denn das ist bei meinem fehlenden gärtnerischen Talent überlebenswichtig.

Mein lesender Zwerg sitzt geduldig auf seinem blauen Kissen aus. Seine Jacke hat längst verloren hat, doch dass scheint ihn nicht zu stören. Ganz vertieft er in seine Lektüre trotzt er nur noch mit seiner roten Mütze bekleidet seit Jahren Wind und Wetter.

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Lesender Zwerg im Blaukissen. Foto: Utz Schmidtko

Bücher, Bücher …

Zurück aus Leipzig, in diesem Jahr habe ich mir zwei Tage auf der Buchmesse gegönnt. Bücherfrühling stimmte in diesem Jahr, im wahrsten Sinne des Wortes. Es waren zwei wunderschöne Frühlingstage mit viel Sonne und strahlend blauem Himmel. Und weil  die Messehallen rechts und links einer riesigen Glashalle liegen, bekommt man vom schönen Wetter sogar etwas mit, wenn man die meiste Zeit in den Hallen verbringt.

Leipzig liest

Wer fürchtet, dass nicht mehr gelesen wird, wird auf der Leipziger Buchmesse eines Besseren belehrt. Anders als bei der Buchmesse in Frankfurt dürfen die Privatbesucher in Leipzig an allen Tagen rein. Und sie kommen in Scharen. Knapp 208.000 Besucher waren es in diesem Jahr, ein neuer Besucherrekord. Zählt man das Lesefest „Leipzig liest“ mit, waren es sogar 285.000. Das heißt: Es war voll, sehr voll.

Das Publikum ist bunter, gemischter, jünger als in Frankfurt. Viele Familien mit Kindern waren unterwegs, aber auch sehr viele Jugendliche, meist mit ihren Freunden.  Leipzig (und nicht nur Leipzig, sondern auch die Umgebung) liest – das ist mehr als ein Slogan. Und viele kaufen die Bücher, die ihnen gefallen, direkt auf der Messe – auch ist in Leipzig, anders als in Frankfurt, möglich.

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Leipzig liest – mehr als ein Slogan

Cosplay und Comics

Dass die Messe so viele jüngere Leute anlockt, liegt sicher auch an der Manga Comic Con, die in Halle 1 stattfindet, und an den vielen Cosplayern.  Allen,  die sich in diesem Bereich nicht so gut auskennen (zu denen zählte ich vor nicht allzu langer Zeit auch noch), sei‘s erklärt: Auf der Manga Comic Con treffen sich Fans von Comics, Mangas (japanische Comics), Animes (japanische Zeichentrickfilme) und eben Cosplayer. Cosplayer stellen Charaktere aus Mangas, Spielen, Büchern  oder auch Filmen nach. Ihre aufwendigen Kostüme fertigen sie selbst – und möglichst originalgetreu.

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Auch Cosplayer lieben Bücher …

Auf dem Messegelände findet man also nicht nur unzählige Bücher, sondern man begegnet auch ganz vielen Figuren aus Büchern und Filmen live – Harry Potters Lehrerin  Minerva McGonigal beispielsweise, dem kleinen Vampir und Anna, seiner Schwester, oder Zwergen, Hobbits und Elben aus Tolkiens Büchern. Manchmal geraten die Bücher bei so viel bunten optischen Eindrücken fast in den Hintergrund.

Manche Cosplayer entwerfen und nähen nicht nur tolle Kostüme, sondern schreiben auch. Foe Rodens zum Beispiel: Foe alias Ambarussa  traf in Leipzig nicht nur ihre Cosplayfamilie, also Elbengeschwister und ihre Mutter aus Tolkiens Simarillion, sondern informierte auch über ihr eigenes Buch „Der Fluch des Schlangenmenschen“. Es erscheint Anfang April; eine kostenlose Leseprobe gibt’s auf der Website www.foerodens.wordpress.com/der-fluch-des-schlangenmenschen.

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… und manche schreiben selbst welche. Foe alias Ambarussa warb für ihr Buch

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… und traf sich mit ihrer Cosplay-Elben-Familie

Mekka für Indie-SchreiberInnen

Natürlich sind die großen und viele kleine Verlage sowie viele bekannte AutorInnen auf der Buchmesse vertreten. Aber Leipzig ist auch ein wichtiger Treffpunkt für Indie-AutorInnen,  also für Autorinnen und Autoren, die ihre Bücher unabhängig (independent = indie) von den klassischen Verlagen veröffentlichen. Es gibt viele Angebote und Workshops rund ums Thema Selbstpublizieren, neudeutsch Selfpublishing. Und auch viele Blogger geben sich auf der Messe ein Stelldichein. Die Indie-JournalistInnen veröffentlichen ihre Texte ohne die klassischen Zeitungen und Zeitschriften – und haben dabei eine eigene essayistische Form des Schreibens etabliert.

Apropos Bloggen: Am Sonntag habe ich wieder an der Bloggerkonferenz teilgenommen – wahrscheinlich war ich die älteste Teilnehmerin, sozusagen die Bloggeroma. Aber es ist ja angeblich nie zu spät, etwas Neues zu lernen oder und Dinge besser zu machen. So gibt es in diesem Text Zwischenüberschriften, weil Google sie angeblich mag und meine Texte dann leichter findet. Vielleicht abonnieren dann künftig ganz viele Leute meinen Blog und folgen mir – zum Beispiel zur Buchmesse nach Leipzig. Im nächsten Jahr dann eher am ersten Tag, wenn das Gedrängel noch nicht ganz so groß ist.

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Quo vadis Buch? Wie geht’s weiter? Hörbuch, E-Book – oder doch ganz klassisch aus Papier?

Im Berggarten

Die Gartensaison hat angefangen – wie auch in den vergangenen Jahren mit einem Besuch in den Herrenhäuser Gärten. Zur Entspannung und Inspiration, dann kann’s im eigenen Garten weitergehen. Der  Berggarten gehört zu meinen Lieblingsorten in Hannover: Er ist, wie ich mir meinen Garten wünsche – und wie er nie sein wird. Bei jedem Besuch sieht es dort anders aus – und immer ganz natürlich, so, als würden die Pflanzen ganz von alleine gerade an dieser Stelle so wachsen, wie sie wollen. Dass das nicht stimmt, weiß jeder, der seinen Garten im Sommer nur ein paar Tage sich selbst überlässt. Hinter dem Naturgarten steckt  sehr, sehr viel Arbeit.

Im Subtropenhof, im Sommer einer meiner Lieblingsorte, ist natürlich noch nichts zu sehen, die Pflanzen sind noch im Winterlager. Und auch im Tropenhaus ist‘s noch recht überschaubar. Vor der Umgestaltung war es dort ziemlich grün und wild, jetzt ist nix mehr mit Tropischem-Regenwald-Feeling. Natürlich, selbst Tropenpflanzen brauchen ihre Zeit. Und außerdem sind die Orchideen vorübergehend ins Tropenhaus umgezogen, denn zurzeit wird das Orchideenhaus renoviert. Für eine der größten Orchideensammlungen der Welt müssen Bananenstauden und Co schon mal weichen. Und die Schildkröten, die früher im Bassin meist faul auf irgendwelchen Steinen lagen, sind im benachbarten Sealife wahrscheinlich ohnehin besser aufgehoben.

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Noch überschaubar: das Tropenhaus

Eigentlich mag ich Orchideen nicht, zumindest wenn sie als einsamer Stengel aus einem Blumentopf ragen. Nie würde ich sie mir auf meine Fensterbank stellen – und wenn, würden sie meine Pflege wahrscheinlich nicht lange überleben. Aber der Duft im Tropenhaus ist, mir fällt kein anderes Wort ein, einfach betörend. Und irgendwie sind sie schon faszinierend, eine  sieht beispielsweise  aus wie eine kleine Horrorqueen.

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Kleine Horrorqueen

Draußen ist es noch ziemlich kahl: Immerhin  blühen hier neben Schneeglöckchen, Märzbechern,  Krokussen, Narzissen und diversen Nieswurzen – Christ, Schnee- oder Lenzrosen genannt – auch schon die Tulpen, die in unserem Garten zu Hause noch gar nicht dran denken. Wahrscheinlich sollte ich doch meine Haltung zu Tulpen mal überdenken und einige frühe und farblich besonders schöne Sorten pflanzen.

Das Wasserbecken im Pergolagarten ist noch abgedeckt, für Wasserhyazinthen, die in ein paar Wochen wachsen, ist es einfach noch zu früh, ebenso wie für die Kletterpflanzen an den Wänden der Pergola. Und auch der Moorweiher präsentiert sich im Moment weniger als Weiher denn als ziemlich übel riechende Schlammwüste. Das erinnert mich daran, dass ich meine Miniteiche unbedingt reinigen, Laub- und Pflanzenreste entfernen muss.

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Noch mehr Moor als Weiher. Doch bald ist es wieder ein Paradies für Frösche.

Auf der Wiese neben dem Mausoleum blühen Narzissen und Krokusse, die Scilla trauen sich noch nicht so recht hervor. Immerhin fließt im Staudengrund schon Wasser. Noch sind die Ufer kahl, aber schon bald wird das künstliche Bächlein unter den Pflanzen fast verschwinden.

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Frühlingsboten

Und dann die Linden: Eigentlich sollten die fast 300 Jahr alten Bäume zwischen Schloss und Mausoleum abgeholzt werden, weil sie wegen Pilzbefall und Holzfäule umzustürzen drohten. Doch der bedrohte Juchtenkäfer hat sich in den Bäumen eingenistet – und ihnen das Leben gerettet. Lange wurde diskutiert, was geschehen soll. Jetzt bekommt jede einzelne Linde in der vierreihigen Allee einen oder gar zwei  Stützpfeiler. Das sieht zwar ziemlich seltsam aus, zumindest solange die Bäume noch kahl sind. Aber wenn die Linden weichen müssten, würde sicher was fehlen. Denn bis die neuen Bäumchen wieder zu staatlichen Bäumen herangewachsen wären, würden einige Jahrzehnte vergehen.

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Rettet die Linden: Alte Bäume mit neuen Stützen.

Von Trauminseln und Inselträumen

Raus aus dem Februarregen, reif für die Insel. Ein bisschen Wärme tanken, Sonne genießen, um für die zweite Hälfte des Winters gewappnet zu sein, die sich hierzulande gefühlt bis Mitte Mai hinziehen kann.

Ziel: die Kanarischen Inseln. Dort ist es selbst für bekennende Frostbeulen schon im Februar warm genug, um (kurz) im Meer zu baden und in der Sonne zu sitzen. Und sie sind nah genug: fünf Stunden Flugzeit ohne Zwischenlandung, das überstehen auch Flugmuffel wie ich.

Auf Lanzarote waren wir im letzten Jahr – einmal zum Kennenlernen ja, aber …: Zu viel Stein, zu wenig Grün – das brauche ich so schnell nicht wieder. Das war auf La Palma ganz anders. Irgendwie war es Liebe auf den ersten Blick. Ganz schnell war klar: Diese Insel hat das Zeug, meine Lieblingsinsel zu werden. Und seit mir eine deutsche Rentnerin vor dem Rückflug erzählt hat, dass sie in Tazacorte in einer Wohnung mit Dachterrasse und Blick aufs Meer lebt, denke ich immer wieder: Das wär‘s.

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Über den Dächern von Tazacorte

La Palma also. Ich wollte wandern, mein Mann wollte Sterne sehen. Für beides ist La Palma optimal: Auf dem Roque de los Muchachos steht – 2.400 m über dem Meer – das größte Teleskop Europas. Das dürfen Besucher zwar nur am Tag besichtigen, nachts wird der Gipfel gesperrt. Aber auch sonst sind die Sterne wirklich sehr gut zu sehen. Auf der Insel leben wenige Menschen, der Himmel ist meist klar und die Nächte sind lang – es wird früh dunkel und spät hell. Überall auf der Insel gibt es Miradores Astronomiquos, also astronomische Aussichtspunkte, unser Hotel hatte sogar eine eigene kleine Sternwarte (unter der leider Lampen brannten, eine astronomische Todsünde, denn Astronomen lieben es dunkel, selbst der Mond ist ihnen zu viel).

Unser Hotel – das Sol la Palma in Puerto Naos – ist mit mehr als tausend Betten wahrscheinlich eines der größten Hotels auf der Insel. Für meinen Geschmack war es eigentlich zu groß, aber für eine Woche wirklich ok: Service, Zimmer und Essen prima und die Lage direkt auf einer Klippe über dem Meer einfach traumhaft.

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Blick aus dem Hotelfenster

Das Meer sieht man auf La Palma fast überall, auch wenn man irgendwo im Landesinnern wandert. Das Zentrum der Insel wurde zum Nationalpark erklärt. Dort, im Parque Nacional Caldera de Taburiente, ist die Natur noch ziemlich unberührt. Wandern kann man auf La Palma wirklich gut, zumindest so weit ich es als Wanderneuling beurteilen kann. Es gibt sehr viele Wanderwege – gut markiert (wenn man weiß, wo man nach den Markierungen suchen muss). Und sie sind oft so, wie ich mir Wanderwege vorstelle: schmale, verschlungene Pfade und keine Wanderautobahnen, auf denen man zu viert oder fünft nebeneinander hergehen kann. Die Landschaft sehr abwechslungsreich – wir sind auf der Ruta de los Vulcanos durch schwarze Lavafelder gewandert, direkt am Meer lang, durch Bananenfelder und durch Pinienwälder. Langweilig war’s nie, fast immer geht es auf und ab – La Palma ist angeblich die gebirgigste Insel der Welt. Die Wanderstöcke, die wir uns noch kurz vor unserem Urlaub bestellt haben, bewährten sich wirklich. Und ich werde sie sicher wieder benutzen, denn ich will wiederkommen und noch einiges erwandern. Den Cumbrecita zum Beispiel gehen, der sich dieses Mal vor unseren Blicken in den Wolken versteckt hat. Und auch die Wanderung vom Roque de los Muchachos zum El Time steht auf meiner Wanderwunschliste weit oben.

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Ruta de Volcano
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Auf dem Weg zum Cumbrecita
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Über den Wolken – auf dem Roque de los Muchachos

Und dann natürlich Tazacorte – irgendwie (m)ein Sehnsuchtsort.  Es ist der sonnenreichste Ort der Insel und ein sehr hübscher dazu. Weil die schmalen (autofreien) Gassen offenbar ein bisschen an den Montmartre erinnern, heißt Tazacorte auch Paris chiquito – Klein Paris. Sehr gut gefallen hat mir auch Puerto Tazacorte, die Siedlung am Hafen. Dort schien die Zeit irgendwie stehen geblieben. Ein bisschen fühlte mich wie in die 70er-Jahre zurückversetzt. Viele Leute mit Rucksäcken, Hippies, hätte man früher gesagt, Aussteiger wohl heute, die meisten jung, aber manche auch schon älter, in meinem Alter.

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zurück in die 70er

Eine deutsche Aussteigerin habe ich in der Sauna des Hotels kennen gelernt: Sie kommt aus München, war ihr halbes Erwachsenenleben unterwegs und lebt seit ein paar Jahren auf La Palma – zurzeit in La Bombilla, der „wilden“ Strandsiedlung bei Puerto Naos. La Bombilla ist eine bunte Mischung aus gut ausgebauten Häusern und winzigen, halb verfallenen Hütten. Selbst ein paar Hochhäuser gibt es dort. Eigentlich sollen alle Strandsiedlungen auf La Palma abgerissen werden – nach dem 1988 verabschiedeten Küstenschutzgesetz darf die Uferzone außerhalb von Urbanisationen nicht bebaut werden. Aber die Bewohner von La Bombilla kämpfen um ihre Siedlung, offenbar mit Erfolg. In La Bombilla wird viel gebaut, erzählte die Frau mir, in El Remo, einer anderen Strandsiedlung, habe man jetzt sogar die Straßen asphaltiert.

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Minimalistisch – Hütte in La Bombilla

Um dort zu leben, ganz auszusteigen, fehlt mir der Mut, aber die Rentnerin vom Flughafen und ihre Wohnung in Tazacorte gehen mir nicht aus dem Sinn: Und zurück im noch kalten, oft regnerischen Deutschland stelle ich mir vor, wie es wäre, in Tazacorte auf einer Dachterrasse zu sitzen, mit einer Tasse Cafe con leche, das Meer im Blick. Und dann denke ich: Warum eigentlich nicht?

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In der Eremita – einer kleinen Kapelle auf dem Weg zum Cumbrecita.

Hidden Figures – mehr als ein Film

Im Kino: Sehr sehenswert: Hidden Figures oder auf Deutsch: Unerkannte Heldinnen. Der Film erzählt – nach einem Buch vorn Margot Lee Shetterly – die Geschichte von Katherine Johnson, Dorothy Vaughan  und Mary Jackson. Die drei Mathematikerinnen arbeiteten für die NASA und hatten wesentlichen Anteil an den erfolgreichen Weltraum-Missionen der Amerikaner.

Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson und ihre afroamerikanischen Kolleginnen gab es wirklich. Als die Computer das Laufen gerade erst lernten, stellten „(human) computer“ – so hießen sie wirklich – die notwendigen Berechnungen an. Das hatte Tradition: Seit dem Kriegseintritt der USA im Jahr 1941 warb die US-Army systematisch Frauen  mit College-Abschlüssen in Mathematik an. Sie berechneten vor allem Geschossbahnen. Bei Kriegsende arbeiteten rund 80 Frauen als Computer im Ballistic Research Laboratory. Übrigens: Auch in Deutschland waren die mathematischen Fähigkeiten der Frauen seit den 30er Jahren begehrt; etwa 70 Mathematikerinnen und „technische Rechnerinnen“ sollen im Zweiten Weltkrieg an Aufträgen der Luftfahrtindustrie und für das V2-Raketenprogramm gearbeitet haben.

Notiz nahm von den Leistungen der Frauen bei der NASA kaum jemand, den Ruhm heimsten die Männer ein – die Astronauten oder die männlichen Vorgesetzten. Afro-Amerikanerinnen hatten es in Zeiten der Apartheid besonders schwer. Katherine Johnson, Heldin des Films, schaffte als einzige schwarze Frau den Sprung von den human Computern in eine andere Abteilung; einfach weil sie so gut war. Ihre Abhandlung „Bestimmung des Azimutalwinkels beim Brennschluss, um einen Satelliten über einer ausgewählten Position der Erde zu platzieren (was immer das heißt und bedeutet)“ war grundlegend für die bemannte Raumfahrt. Dass John Glenn 1962 als erster Amerikaner die Erde in einem Raumschiff umkreiste und wieder heil landete, war auch ihr zu verdanken, ebenso  wie später die Mondlandung und andere Weltraummissionen. Für ihre Leistungen als Pionierin der Raumfahrt erhielt Katherine Johnson 2015 von Präsident Barack Obama die Presidential Medal of Freedom, eine der höchsten zivilen Auszeichnungen der USA.

Hidden Figures erinnert nicht nur an die hervorragenden  Leistungen der (schwarzen) Mathematikerinnen, sondern vor allem auch daran, wie sehr die Rassentrennung das Leben Anfang der 60er Jahre in den USA bestimmte. Farbige mussten in Bussen hinten sitzen, die schwarzen Mathematikerinnen mussten wegen der Rassengesetzte  in  separaten Büros und Einheiten arbeiten. Sie durften nicht einmal die Toiletten der weißen Frauen  benutzen. Mary Jackson musste sich die Teilnahme an Abendkursen an der weißen Uni vor Gericht erstreiten und Dorothy Vaughan durfte zwar ihre Arbeitseinheit leiten, wurde aber lange nicht als „head computer“ bezahlt. Denn Führungspositionen waren für schwarze Frauen nicht vorgesehen.  Es sind die kleinen Szenen, die den Film so eindrucksvoll machen: Wie  die weißen Kollegen reagieren, als Katherine Johnson sich Kaffee aus ihrer Thermoskanne nimmt (sie trinken nicht mehr aus der Kanne) oder wie selbstverständlich Dorothy Vaughan von ihrer weißen „Vorgesetzten“ mit Vornamen angesprochen wird.

Dass die Rassentrennung in öffentlichen und öffentlich zugänglichen Einrichtungen in den USA erst 1964 aufgehoben wurde, hatte ich schon fast vergessen, obwohl ich es als Kind mitbekommen habe: Erst am 2. Juli 1964 – 99 Jahre, nachdem die Sklaverei in den Vereinigten Staaten abgeschafft worden war – unterzeichnete Präsident Johnson den Civil Rights Act, eines der wichtigsten Bürgerrechtsgesetz. Auch die Diskriminierung von Farbigen am Arbeitsplatz ist seitdem verboten. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus. Polizeikontrollen – die Auftaktszene im Film – sind auch heute noch für Schwarze gefährlich. Und das Kabinett von Donald Trump ähnelt dem NASA-Team im Film: fast nur weiße Männer.

Selbst in der Kunst spielen Schwarze bislang meist nur eine Nebenrolle. So gibt es nur wenige schwarze Oscarpreisträger – die meisten der Wenigen haben die Auszeichnung für Nebenrollen erhalten. Der Film Hidden figueres ist für den Oscar, der in der Nacht zum Montag verliehen wird nominiert, außerdem Octavia Spencer, die die Computerexpertin Dorothy Vaughn spielt, als beste Nebendarstellerin. Verdient hätten es Film und Schauspielerin.

Frontal-Streik

Eigentlich gehört Frontal 21 zu meinen Lieblingssendungen. Ich finde das  investigative Magazin mit Ilka Brecht wirklich toll – nicht nur wegen der ebenso witzigen wie wahren toll-Beiträge von Werner Doyé und Andreas Wiemers am Ende der Sendung.

Toll ist leider auch das Urteil im Arbeitsgerichtsprozess der Frontal-Reporterin Birte Meier. Birte Meier, die unter anderem 2015 mit ihrem Kollegen Christian Esser den Deutschen Wirtschaftsfilmpreis in der Kategorie Langfilm gewann und im vergangenen Jahr die Affäre „Rent a Sozi“ aufdeckte, hat gegen ihren Arbeitgeber ZDF geklagt. Genau gesagt gegen ihren Auftraggeber, denn Birte Meier ist freie Mitarbeiterin, wenn auch die vertraglich festgelegte Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche wenig Freiheit für andere Aufträge lässt – vor allem angesichts der Tatsache, dass Überstunden in der Branche fast selbstverständlich sind. Das sagt einiges über die Arbeitsbedingungen in den Medien, auch in den öffentlich-rechtlichen, die ja eigentlich Vorbild sein sollten. Aber das ist ein anderes Thema.

Am 1. Februar hat das Arbeitsgericht Berlin Birte Meiers Klage gegen das ZDF abgewiesen – sowohl die Forderung nach 70.000 Euro Entschädigung wegen Ungleichbezahlung als auch den Auskunftsanspruch über das  Gehalt ihrer männlichen Kollegen. Sie konnte nach Einschätzung des Gerichts nicht belegen, dass sie wirklich weg ihres Geschlechts benachteiligt wurde. Dazu hätte sie Vergleichszahlen benötigt, die das ZDF aber laut Urteil nicht rausrücken muss – und auch nicht rausrückt.  Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.

Gute Leistung, Preise und die Anerkennung der Kolleg/innen schützen nicht vor schlechter Bezahlung. Und so stellte Birte Meier fest,  dass sie deutlich weniger verdiente als ihre männlichen Kollegen, obwohl sie die gleiche Tätigkeit ausübte. Das  wollte sie nicht länger hinnehmen.  Sie versuchte, neu über ihr Gehalt zu verhandeln, und klagte, als das nicht klappte, gegen die Benachteiligung. Sie berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – vergeblich.

Dass Birte Meier weniger verdient als männliche Kollegen, bestritt das ZDF nicht. Doch dafür gibt  es angeblich gute Gründe: Der eine war fest angestellt, der andere schon länger im Betrieb. Der dritte hatte vielleicht eine längere Nase oder konnte vielleicht besser verhandeln, wie der zuständige Richter mutmaßte.

Richter Ernst fand ich besonders toll: Er sprach offen aus, was viele andere nur denken, zum Beispiel dass Schwangerschaften und Kindererziehungszeiten (zu Recht) dazu führen, dass Frauen weniger Berufserfahrung haben und weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Nun ist Birte Meier kinderlos und es ist auch nicht zu erwarten, dass sie mit 45 Jahren noch allzuoft schwanger wird. Und selbst wenn erschließt sich mir nicht, warum eine künftige Schwangerschaft dazu führt, dass sie in der Vergangenheit weniger verdiente. Wirklich toll.

Einen Job-to-Job-Vergleich, bei dem Arbeiten von zwei Mitarbeitern verglichen werden, verhinderte der Arbeitsrichter mit seinem Urteil – Birte Meier hat danach keinen Auskunftsanspruch, obwohl der nach Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs durchaus besteht, wenn sich ein/e Mitarbeiter/in benachteiligt fühlt. Aber wen interessiert schon Europa?! Und wen Lohngerechtigkeit?

Nach EU-Recht gilt übrigens auch, dass es nicht auf den Status des Arbeitnehmers ankommt, sondern auf den Wert der Arbeit. Aber dieser Gedanke macht Leuten, die für Anwesenheit, nicht für Ergebnisse bezahlt werden, sicher Angst.

Das neue Entgeltgleichheitsgesetz, das im März verabschiedet werden soll, hilft übrigens Frauen nicht unbedingt weiter. Danach wird es in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern ein Auskunftsrecht über gezahlte Gehälter geben. Weil die Daten aber anonymisiert werden, nutzen sie vor Gericht wenig, da Richter konkrete Vergleiche fordern. Ein Verbandsklagerecht, mit dem Vereine, Verbände oder Gewerkschaften bei diskriminierenden Lohnstrukturen klagen können, ist nicht vorgesehen. Mutige Frauen, die (nicht nur) um ihr Recht kämpfen, müssen das allein tun und zahlen wahrscheinlich einen hohen Preis.

Birte Meiers Prozess geht vermutlich in die zweite Runde vor dem Landesarbeitsgericht. Einen Vergleichsvorschlag des ZDF hat sie abgelehnt. Sie will weiter für Frontal arbeiten, auch wenn das ZDF am liebsten auf ihre Mitarbeit verzichten und das Arbeitsverhältnis mit der preisgekrönten Reporterin gerne lösen würde. Spätestens wenn das geschieht, werde ich in einen Frontal-Streik treten, auch wenn  ich das investigative Magazin eigentlich toll finde.