Umzüge

Meine Tochter ist umgezogen. Aus einer Groß- in eine Kleinstadt. Freiwillig. Weil sie, wenn sie aus dem Fenster schaut, lieber Bäume sieht als Hochhäuser und lieber Vogelgezwitscher hört als Autos. Natürlich habe ich ihr beim Umzug geholfen: Ich habe Kisten gepackt und geschleppt. Zwei Etagen runter und dann eine hoch in die neue Wohnung. Dabei habe ich festgestellt, dass sich drei Jahrzehnte Altersunterschied zu den anderen Umzugshelfern eben doch bemerkbar machen. Die positive Erkenntnis: Für mein Alter bin ich noch ganz gut in Form.

Als meine Oma und ihre Schwester, meine Großtante Käthi, Ende der 50er Jahre in das Haus meiner Eltern einzogen, waren sie etwa so alt wie ich heute. Aber sie erschienen mir als Kind uralt. Sie kleideten sich dunkel und verließen ihre Wohnungen eigentlich nur einmal in der Woche, um in die Kirche zu gehen. Meine Mutter war, so scheint es mir, mit 90 noch agiler und fitter als ihre Mutter und ihre Tante mit 60.

Bei ihrem Umzug beschränkten sich die beiden alten Damen im Wesentlichen darauf zu sagen, wo was hingehört; die Arbeit erledigten andere – vor allem meine Eltern – für sie. Einige Möbelstücke, die jetzt in der Wohnung meiner Tochter stehen, sind übrigens schon vor sechs Jahrzehnten in das Haus meiner Eltern eingezogen: eine Kommode beispielsweise und ein Schrank aus Kirschholz, beide sicher hundert Jahre alt. Ich habe sie geerbt – und an meine Tochter weitervererbt.

Alter Schrank in neuer Wohnung

So lange halten heute nur wenige Dinge. Der Akku meines Netbook ist schon nach vier Jahren und häufigem Aufladen altersschwach – und die Festplatte zu klein. Außerdem hat ein großer Softwareanbieter, dessen Name ich nicht nenne, den Support für das Betriebssystem eingestellt. Allen, die sich mit Computern genauso wenig auskennen wie ich, sei es erklärt: Es ist, als ob der Vermieter in einem alten Haus nichts mehr repariert und alle Schlösser ausbaut, sodass jede/r das Haus betreten kann.

Damit das mit meinem Computer nicht passiert, habe ich mir einen neuen gekauft. Nicht ganz freiwillig also, sondern eher zwangsweise. Und so stand am Abend nach dem (realen) Umzug bei mir ein virtueller an – und meine Tochter revanchierte sich umgehend für meine Hilfe. Sie installierte Programme und richtete den neuen Computer so ein, dass ich damit arbeiten kann.

Und obwohl mich und meine Oma Welten trennen, war ich plötzlich in der gleichen Rolle wie sie vor gut 60 Jahren: Ich saß auf der Couch und schaute meiner Tochter bei der Arbeit zu, wie weiland meine Oma meiner Mutter, ihrer Tochter.