Die kalte Sophie und andere Eisheilige

Die kalte Sophie war heute da. Aber die kaltherzige Dame hatte in diesem Jahr keinen Frost im Gepäck. Und auch ihre Gefährten Mamertus, Pankratius, Servatius und Bonifatius waren bei uns im Norden frostfrei. Schön war das Wetter während der Eisheiligen allerdings nicht. Es war seit Dienstag, dem Namenstag von Mamertus, sehr wechselhaft und zumindest morgens noch recht kühl. Die kalte Sophie brachte heute nicht nur, wie sie es gerne tut, „zum Schluss, ganz gern noch einen Regenguss“, sondern gleich mehrere und dazu noch Gewitter.

Geschneit hat’s in unserem Garten trotz der relativ mild gestimmten Eisheiligen, nämlich Apfelblüten: Ihnen hat das windige, regnerische Wetter gar nicht gefallen. Hoffentlich können wir im Spätsommer wenigstens ein paar Äpfel ernten. Süßkirschen gibt es in diesem Jahr wahrscheinlich nicht:– als sie geblüht haben, waren die Nächte einfach zu frostig.

Glaubt man den alten Wetterregeln, gibt’s „nach der Sophie kein Frost“ mehr. Und so haben wir die Pflanzen aus dem Wintergarten auf die Terrasse gebracht. Dort stehen sie bis zum Herbst an der Hauswand recht geschützt.

Unsere Neulinge – zwei Minikiwis, männlich und weiblich, Ananassalbei, Dill und Basilikum – haben wir in den letzten Tagen langsam an den Mai gewöhnt, Tagsüber waren sie auf der Terrasse; übernachten durften sie noch im wärmeren Wintergarten. Jetzt sind auch sie nach draußen gezogen – in Kübel auf und in den Kräutergarten direkt neben der Terrasse.

Direkt am Wintergarten wachsen jetzt Tomaten, Erdbeeren, Himbeeren und Stachelbeeren. So haben sie es nicht weit bis auf unsere Teller, wenn es denn so weit ist.

Vom Garten in die Küche

Ja, ich liebe Kräuter, und in unserem Garten wachsen einige – von B wie Bärlauch bis Z wie Zitronenmelisse und Zitronenthymian. Doch bislang habe ich sie nur wenig genutzt – zu wenig. Ich habe mich ehrlich gesagt im Wesentlichen darauf beschränkt, an ihnen zu schnuppern und – wann immer ich an den Pflanzen vorbeigekommen bin – ein paar Blätter, Blüten oder Zweige abzubrechen und in die Tasche zu stecken. Nur ein paar Standard-Kräuter wie Rosmarin, Petersilie, Minze, Schnittlauch und Basilikum kamen bisher gelegentlich oder häufiger in unserer Küche zum Einsatz.

Das soll sich in diesem Jahr ändern – den Anfang habe ich dem Alphabet und der Jahreszeit entsprechend mit Bärlauch gemacht. Der gedeiht nicht nur im Schattenbeet direkt am Zaun zum Nachbargrundstück prima.

Das Essigrezept war einfach: Ich habe den Weinessig (aus biologischem Anbau) mit Bärlauchblättern (ebenfalls biologisch angebaut), Orangenschalen und Akazienhonig angesetzt. Schon nach drei Tagen hat der Essig das Bärlaucharoma angenommen. Optisch überzeugt mich das Resultat allerdings nicht wirklich: Die Bärlauchblätter haben ihre ursprüngliche Farbe verloren. Sie sind nicht mehr grün, sondern eher braun-grün. In etwa zehn Tagen werde ich wissen, ob der Essig besser schmeckt als er aussieht.

Zumindest farblich war an den Bärlauchgnocchi, die ich gestern gekocht habe, nichts auszusetzen: Sie waren hellgrün wie auf den Fotos, die ich im Internet gefunden habe. Außerdem haben sie wirklich intensiv nach Bärlauch geschmeckt. Die Konsistenz der Klößchen hat mich indes nicht überzeugt – zumindest die erste Portion war eindeutig zu dünn und labberig.

Das lag  sicher auch daran, dass nicht nur der Bärlauch in meinem Kochtopf Premiere feierte, sondern dass ich erst zum zweiten Mal selbst Gnocchi hergestellt habe.  Da ist sicher noch viel Luft nach oben – bei Bärlauch, Gnocchi, Essig und auch bei der Köchin. Es ist eben noch keine Meisterin vom Himmel gefallen. Ich werde weiter üben – mit Bärlauch und mit anderen Kräutern.

Ziergarten mit Nutzeffekt

Die Corona-Krise verstärkt angeblich den Trend zum Gärtnern und zur Selbstversorgung.  Bei mir nicht:  Ich lese zugegebenerweise nach wie vor lieber im Garten, als darin zu arbeiten.  Ich habe nicht den Ehrgeiz, meine Mahlzeiten selbst anzubauen. Und ich werde unseren Rasen nicht in einen Kartoffelacker oder einen Nutzgarten verwandeln. Unser Garten ist  ein Ziergarten – und das bleibt auch so. Aber ein bisschen mehr Nutzen als bisher darf‘s schon sein.

Ein Kräuterbeet mit Rosmarin, Salbei, Zitronenmelisse und Lavendel

Kräuter gibt es in unserem Garten zuhauf. Allerdings vor allem, weil sie so gut riechen – ja ich bin bekennender Duftfreak. Auf dem Teller landet leider nur ein kleiner Teil, obwohl ich es mir jedes Jahr aufs Neue vornehme. So habe ich es auch in diesem Jahr  wieder nicht geschafft, den Bärlauch zu Öl, Pesto oder Brot zu verarbeiten, bevor er anfing zu blühen – und ungenießbar wurde.

Dagegen wandern die Beeren – Heidel- Stachel-, Erd-, Johannis- und Brombeeren – wenn sie reif sind meist direkt ins Müsli und in den Mund. Aus Sauerkirschen und Trauben kochen wir Marmelade bzw. Gelee. Die meisten Früchte überlassen wir allerdings den Vögeln, manche Sträucher wie Weißdorn, Kornelkirsche und Holunder haben wir eigens für sie gepflanzt. Doch zum Dank beschimpfen sie uns wüst, wenn wir in den Garten kommen und sie bei der Ernte stören.

Der Bärlauch blüht schon – und kann nicht mehr verarbeitet werden.

Tomaten pflanzen wir schon seit Jahren – sie schmecken einfach besser als die gekauften. Im vergangenen Jahr habe ich zum ersten Mal neben Cherry- und Cocktailtomaten auch Sorten mit größeren Früchten ausprobiert – trotz des nicht optimalen Standorts im Halbschatten mit Erfolg. In diesem Jahr bekommen die Tomaten einen Platz auf der sonnigeren Terrasse. Es käme mir allerdings nicht in den Sinn, die Pflanzen aus Samen zu ziehen. Sie zu säen, zu pikieren und zu hegen und pflegen, bis sie dem Babyalter entwachsen sind, ist mir einfach zu mühsam. Das versucht mein Mann in diesem Jahr zum ersten Mal.

Die ersten Pflänzchen haben sich prächtig entwickelt und sind wie   Gurken, Zucchinis und Radieschen schon aus der Pflanzschale im Wintergarten ins Beet bzw. auf die Terrasse umgezogen.

Aus dem Anzuchttopf im Wintergarten ins Beet. Der Umzug ist den Zucchinis gut bekommen.

Das im Herbst angelegte Hochbeet hat sich bewährt und uns im Winter leckeren Feldsalat und Spinat beschert. Deshalb haben wir jetzt noch ein zweites angelegt und nutzen die sonnige Terrasse als seniorengerechten Hochgarten. Möhren habe ich schon gesät, in den nächsten Tagen sollen noch Kohlrabi, Postelein, Mangold und Rucola folgen.

Hoch- und Kräuterbeet

Rucola ist eine Pflanze ganz nach meinem Geschmack: Sie ist anspruchslos und pflegeleicht; ich mag den Geruch und esse sie gerne – wegen des sehr intensiven Geschmacks allerdings nur in kleineren Mengen. Lose gibt es Rauke in den Läden im Ort eigentlich nie; wenn ich eine Packung kaufe, welkt meist ein (großer) Teil dahin, bevor ich ihn aufbrauchen kann.

Selbst pflanzen ist da weit nachhaltiger. Mit dem Pflänzchen, das ich vor drei Jahren gesetzt habe, konnten wir drei Jahre lang unseren Rucola-Bedarf aus dem eigenen Garten decken – garantiert frisch und ungespritzt. Denn es hat  sich wundersam vermehrt, im ganzen Garten ausgebreitet und auch unsere Terrasse in ein Rucolafeld verwandelt. Im vergangenen Jahr konnte ich schon Anfang April den ersten Rucola auf der Terrasse ernten https://timetoflyblog.com/gartenerkenntnisse. Doch in diesem Jahr halte ich vergeblich Ausschau – und werde für Nachschub sorgen.

Wieder im Einsatz ist seit Kurzem auch der Komposter. In den vergangenen Jahren haben wir unsere Grünabfälle in der grünen Tonne entsorgt, die hier in der Region ein grüner Sack ist. Jetzt kompostieren wir wieder selbst und können demnächst die Hochbeete mit eigener Erde auffüllen – oder ein weiteres befüllen.

Einen neuen Ort zum Lesen und Entspannen gibt es im Garten auch: In der Schaukel im Apfelbaum kann ich nach getaner Arbeit die Seele baumeln, sprich schaukeln lassen. Aber manchmal schaukle ich zugegebenerweise auch statt zu arbeiten.

Foto: Utz Schmidtko

Von Un- und anderen Kräutern

Böse Zungen behaupten, dass bei mir nur die Pflanzen überleben, die auch den härtesten Bedingungen trotzen, die also auch ohne (meine) Pflege überleben würden. Wie jedes gute Gerücht hat auch dieses einen wahren Kern. Dass ich keinen grünen Daumen und kein gutes Gedächtnis für Pflanzen habe, ist kein Geheimnis.

Trotz meiner anerkannten Florasthenie ist unser Garten keineswegs öd und leer. Das liegt sicher auch daran, dass ich – meine Grün-Schwäche kennend – überwiegend Pflanzen kaufe und ansiedle, die robust sind und schnell heimisch werden. Waldmeister zum Beispiel oder auch Bärlauch, die nicht nur in der wilden Ecke am Teich, sondern auch  im Schatten des Apfelbaums gut gedeihen. Auch andere Kräuter – z. B. Minze (mindestens vier verschiedene Arten), Salbei (drei Arten), Zitronenmelisse, -thymian und -verbene – fühlen sich bei mir sehr wohl. Das ist gut so, denn die Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Ich liebe duftende Kräuter. Und Rauke habe ich zum (Fr)Essen gern.

Bärlauch ...
Bitte nicht verwechseln: Bärlauch …

Außerdem habe ich ein Faible für Wiesen- und Feldblumen, die in meiner Kindheit überall gewachsen sind und teilweise als Unkraut galten: Maiglöckchen, Mohn, Fingerhut, Glockenblumen, Akelei und Stockrosen sind bei mir willkommen und dürfen sich  ausbreiten.

… und Maiglöckchen

Dreimasterblumen, Topinambur, Bergastern und Beinwell weise ich dagegen wegen ihres einnehmenden Wesens gelegentlich in die Schranken – sprich, ich reiße sie aus, wenn sie alle Pflanzen neben sich zu überwuchern drohen. Das tue ich nicht gerne, denn ich mag ihre Blüten. Und Grenzen zu ziehen fällt mir auch im richtigen Leben nicht leicht. Aber vielleicht lerne ich im Garten ja etwas fürs Leben.

Gespannt bin ich, was demnächst in dem Beet am Zaun wächst: Dort werde ich, wenn mit der kalten Sophie die letzte Eisheilige vorbei ist, Samen von 30 Blumensorten aussäen, die gerne von Bienen angeflogen werden. Ob ich damit die Bienen rette, weiß ich nicht. Für alle Fälle habe ich für sie  und andere Insekten ein kleines Hotel eröffnet – mit Blick aufs Wasser

Ich habe zwar keinen grünen Daumen, aber ein blindes Huhn findet ja bekanntlich auch gelegentlich ein Korn. Und so bin ich stolz auf einige Pflanzen wie Rittersporn oder Pfingstrosen,  die eher als Diven gelten. Die Pfingstrosen blühen in diesem Jahr zum ersten Mal, sie duften aber leider nicht. Das ist bei meiner Lieblingsrose anders: Rhapsody in Blue hat meine Schnittversuche offenbar überstanden und sehr viele Knospen. In einigen Wochen wird sie duften und blühen – allerdings  nicht blau, sondern in meine Lieblingsfarbe lila.

Pfingstrosen und Rosen

Frühjahrsputz im Garten

Vor ein paar Tagen habe ich bei der Gartenarbeit eine Leiche entdeckt. Sie hing zwischen den durchgeweichten Blättern der Seerose, die ich mit dem Kescher aus dem größeren meiner beiden Miniteiche gefischt habe. Glücklicherweise sah sie nicht so furchterregend  aus, wie es die Pathologen in Krimis immer wieder behaupten. Bleich war sie, allerdings nicht aufgedunsen,  obwohl sie schon eine ganze Weile im Wasser gelegen haben muss.

Das lag sicher daran, dass er – oder sie, das Geschlecht konnte ich leider nicht erkennen – auch einen Großteil seines/ihres Lebens im Wasser verbracht hat. Nicht in diesem Teich, sondern in dem kleineren direkt daneben. Vielleicht ist er vor dem Frost in den größeren und tieferen Teich geflüchtet. Gerettet hat es ihn nicht. Ich habe den kleinen Frosch unter der Sanddornhecke begraben, die ist so stachlig, dass sicher kein Tier ihn ausbuddeln wird.

Neuer Teichbewohner

Ein Nachfolger ist auch schon wieder bei uns eingezogen.  Als ich die Lilien am Rand des kleinen Teichs freigeschnitten und freigerupft habe, hüpfte irgendetwas vom Rand ins Wasser. Es ist wie bei Königs: Der Frosch ist tot, es lebe der Frosch. Vielleicht ist er ja ein verwunschener Prinz? Wenn ja, wird er weiter inkognito bleiben: Ich werde sein Geheimnis nicht lüften. Einen Frosch gegen die Wand zu werfen, wie es Königstöchter offenbar gelegentlich tun, käme mir nie in den Sinn.

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Neuer Frosch am kleinen Teich. Foto: Utz Schmidtko

Ziemlich rigoros bin ich allerdings beim Frühjahrsputz im Garten jenen Pflanzen an meinem Teich zu Leibe gerückt, die meine Lilien überwuchert und fast erstickt haben. Ich hatte sie erst im vergangenen Jahr dorthin gesetzt, weil es vor den Heckenrosen etwas grüner sein sollte. Damit, dass sie ihre Aufgabe so übereifrig erfüllen würden, habe ich nicht gerechnet – jetzt habe ich sie strafversetzt, an den Zaun zum Nachbargrundstück, wo ich jedes Jahr unter Flieder, Haselnuss und anderen Büschen der Allianz aus Efeu und Giersch ein Stück mehr Boden abringe.

Und da ich schon beim Ausgraben war, habe ich mit der Brombeerhecke weitergemacht. Wir hatten sie vor Jahren gepflanzt, wohl in Erinnerung an die wildwachsenden Brombeeren, die ich gerne esse, wenn ich im Sommer an der Mosel bin. Als ich noch klein war, sind wir im Sommer manchmal losgezogen, haben die Mehren, wie sie in meinem Heimatort heißen, gepflückt, um Marmelade davon zu kochen. Leider haben die Brombeeren in unserem Garten überhaupt nicht geschmeckt; dafür sind überall stachlige Triebe aus dem Boden gewachsen. Weil ich meist ohne Handschuhe arbeite, habe ich mir manchen Dorn in den Finger gerammt. Jetzt war meine Geduld am Ende – ich habe eine Grenze gezogen. Rechts der Gartenhütte werde ich Himbeeren pflanzen, hinter der Gartenhütte dürfen die Brombeeren weiterwuchern und mit Sandorn, Felsenbirne und Heckenrose links der Hütte zu einer stacheligen Vogelschutzhecke verwachsen. Die ist noch ziemlich kahl, in meinen Kräuterbeeten zeigen sich die ersten Kräuter bereits wieder: Zitronenmelisse und Minze, Rosmarin und Sauerampfer, Waldmeister und Bärlauch haben den Winter gut überstanden. Mein Salbei bereitet mir allerdings Sorgen. Und ob sich die Lavendelpflanzen von dem radikalen Rückschnitt erholen, den ich ihnen vor ein paar Wochen verpasst habe, wird sich zeigen. Angeblich sollen die Sträucher so dicht und voll nachwachsen, wie ich es aus der Provence und von Fotos kenne. Wenn nicht, werde ich es mit einer neuen Sorte versuchen, deren Name vielversprechend klingt: Blue Dwarf, blauer Zwerg. Winterhart soll diese Sorte  sein, langlebig und hoffentlich unempfindlich. Denn das ist bei meinem fehlenden gärtnerischen Talent überlebenswichtig.

Mein lesender Zwerg sitzt geduldig auf seinem blauen Kissen aus. Seine Jacke hat längst verloren hat, doch dass scheint ihn nicht zu stören. Ganz vertieft er in seine Lektüre trotzt er nur noch mit seiner roten Mütze bekleidet seit Jahren Wind und Wetter.

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Lesender Zwerg im Blaukissen. Foto: Utz Schmidtko