Auf Weihnachtsmarkttour

Ja, ich gebe es zu: Ich liebe Weihnachtsmärkte. Deshalb hatte ich mir im Herbst auch vorgenommen, in diesem Jahr „zwei schöne Weihnachtsmärkte besuchen, die ich noch nicht kenne“.  

Diesen Punkt auf meiner Drei-Monats-Bucket-Liste hatte ich schon vor Beginn der Adventszeit – und damit der traditionellen Weihnachtsmarktzeit – abgehakt. Denn erst mit dem letzten Sonntag im November, dem Toten- oder auch Ewigkeitssonntag, endet das alte Kirchenjahr und das neue fängt mit dem Advent an.

Als sogenannter stiller Feiertag ist der Totensonntag durch die Feiertagsgesetzgebung der Bundesländer besonders geschützt. Öffentliche Sport-, Tanz- und Musikveranstaltungen sowie Märkte sind laut Wikipedia am Totensonntag, der in diesem Jahr auf den 26. November fiel eigentlich verboten. Doch das stört viele Weihnachtsmarktorganisatoren nicht – und die Genehmigungsbehörden drücken vielerorts ein Auge zu, weil die Märkte KundInnen in die Städte locken.

Immer mehr Weihnachtsmärkte öffnen inzwischen schon im November – und viele haben die Öffnungszeiten über die Festtage hinaus bis zum Ende des Jahres verlängert. Denn die Tage zwischen den Jahren, wenn die meisten Menschen frei haben, gehören zu den umsatzstärksten des Jahres. Schließlich müssen die Geldgeschenke an den Mann oder an die Frau gebracht werden.

Meine Tour über die Weihnachtsmärkte begann Ende November hoch im Norden, mit dem Weihnachtsmarkt Schiff Ahoi in Travemünde und der Lübschen Wiehnacht in Lübeck. Der Kunsthandwerkermarkt im historischen Hafenschuppen direkt an der Kaikante ist einer von insgesamt elf Weihnachtsmärkten, die die Hansestadt zu einer Weihnachtsstadt machen. Der Klassiker, der Weihnachtsmarkt rund um das Lübecker Rathaus,  wurde schon 1648 zum ersten Mal urkundlich erwähnt – und startete wie es sich gehört erst am Montag nach dem Totensonntag.  

Es schien, als hätten alle auf die Eröffnung gewartet. Denn obwohl es ein ganz normaler Montagvormittag war, war das Gedränge zwischen den Buden ziemlich groß. Bevor ich nach Travemünde zurückfuhr, schaute ich mir auch noch den historischen Weihnachtsmarkt an. Auf dem Hof der Basilika St. Marien zeigen HandwerkerInnen teilweise lang vergessene Künste und verkaufen ihre Waren an. Den Niederegger Weihnachtsbasar habe ich mir dagegen gespart, Denn ich mag Marzipan überhaupt nicht, auch wenn er in Lübeck angeblich so gut schmeckt wie sonst nirgendwo. Und meinen Kaffee mit Marzipan ungenießbar zu machen, käme mir nie in den Sinn. Nur für meinem Mann ein Päckchen Marzipan-Cappuccino erstanden.

Auch Lebkuchen ist nicht mein Ding. Deshalb kam ich gar nicht in Versuchung, die mit Lebkuchen verzierten Häuschen auf dem Gänsemarkt in Hamburg anzuknabbern. Und auch die Enkelkinder bevorzugen, anders als weiland Hänsel und Gretel, eher Zuckerwatte, gebrannte Mandeln und Pizza und Fahrten. Den Weihnachtsmarkt rund um das Lessingdenkmal habe ich ohnehin eher zufällig besucht: Nach einer Ballettaufführung unserer ältesten Enkeltochter in der Staatsoper lag er quasi auf dem Weg. Die Hexe habe ich zwischen den Lebkuchenhäuschen leider ebenso wenig entdeckt wie die mit dem Porträt des Dichters Gotthold Ephraim Lessing verzierten Tannenbaumkugeln, die wohl auf dem Weihnachtsmarkt verkauft wurden. Schade, ich hätte gerne eine mitgenommen, um unseren Weihnachtsbaum zu verzieren.

Weil der Hildesheimer Weihnachtsmarkt angeblich zu den schönsten Weihnachtsmärkten (Nord)Deutschlands) gehört, bin ich in der Woche vor Weihnachten nach Hildesheim gefahren – und war enttäuscht. Natürlich ist der Marktplatz mit dem berühmten Knochenhauer-Amtshaus, dem Tempelhaus und dem historischen Rathaus eine wunderschöne Kulisse für den Weihnachtsmarkt, aber weihnachtliche Stimmung kam bei mir nicht mehr auf. Vielleicht lag es am Wetter, das alles andere als weihnachtlich war, vielleicht hatte ich mich aber auch einfach sattgesehen an den Buden mit den überall ähnlichen Angeboten – ein wenig Kunsthandwerk und Handgemachtes, Kerzen, vor allem aber Bratwurst, Crepes, Waffeln, Glühwein und andere (alkoholische) Getränke. Die Erkenntnis des schweizerisch-österreichische Arzt Paracelsus, dass „allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“ – oder zumindest unbekömmlich -, gilt offenbar nicht nur für Medikamente und Heilkräuter. Dass sie sich auch auf Weihnachtsmärkte übertragen lässt, wurde mir erst beim Schreiben dieses Blogbeitrags bewusst.

Und so bin ich zwischen den Jahren auch noch zum Weihnachtsmarkt nach Lüneburg gefahren. Denn ich mag die Stadt in der Heide und wollte sie einfach mal weihnachtlich geschmückt und beleuchtet erleben. Doch trotz des schönen Ambientes und der besonderen Atmosphäre fehlte der Zauber – vielleicht auch, weil Weihnachten schon vorbei war. Alles hat bekanntlich seine Zeit – auch die Weihnachtsmärkte.

Bis zum nächsten Jahr ist der Überdruss sicher vergangen. Und so werde ich in elf Monaten wohl wieder einige Weihnachtsmärkte besuchen – wenn auch nicht so viele wie in diesem. Insgesamt zehn Weihnachtsmärkte in vier Wochen waren selbst für einen Weihnachtsmarktfan wie mich zu viel. Weniger ist ja bekanntlich manchmal mehr.

Monatsrückblick November 2023

Rechnet sich das 49-Euro-Ticket für dich, fragte mich eine Bekannte vor ein paar Tagen. Auf jeden Fall, antworte ich spontan, obwohl ich es noch nicht nachgerechnet habe. Als ich für diesen Monatsrückblick meine Fahrten im November aufgelistet habe, bestätigt sich der erste Eindruck: Ich war auch im November viel unterwegs. Ich habe meine Tochter im Harz besucht und die Enkelkinder in Hamburg. Ich bin mit dem Ticket nach Travemünde und zurück gefahren und von dort zweimal nach Lübeck – und retour. Einmal, um die Gedenkhäuser der berühmten Lübecker zu besichtigen – von Thomas und Heinrich Mann, Willy Brandt und Günter Grass –, ein zweites Mal, um über den Weihnachtsmarkt zu gehen, der am 27. November eröffnet wurde.

Zwei berühmte Lübecker, Günter Grass und Willy Brandt. Das Foto habe ich im Günter-Grass-Haus abfotografiert.

Selbst die Fähre über die Trave auf den Priwall konnte ich mit dem Ticket kostenlos nutzen, Dass man nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Nerven spart, weil man sich nicht durch den Tarifdschungel diverser Verkehrsverbünde kämpfen und vor Ticketschaltern anstehen muss, ist ein weiterer Vorteil.

In Hannover bin ich dank des Tickets auch häufiger als früher: Gleich am ersten Sonntag im November habe ich den monatlichen Schreibtreff im Ihmezentrum mit einem Rundgang durch die Ateliers in der List kombiniert.

Die Gruppe Lister Künstler gibt es seit mehr als 20 Jahren – schon in der Gründungsphase entstand wohl die die Idee, die Ateliers zu öffnen, Kunstinteressierten Einblicke in die praktische Arbeit zu geben und ihnen die eigenen Werke – nicht nur die fertigen, sondern auch Skizzen und Entwürfe, zu zeigen. Ich habe den Atelierrundgang durch die List, der immer am ersten Novembersonntag stattfindet, erst in diesem Jahr zufällig entdeckt – und ich war sicher nicht zum letzten Mal dabei. 

Meinem Ziel, zeichnen zu lernen und mehr Farbe in mein Leben zu bringen, bin ich im November ein Stück näher gekommen: Ich lerne seit Anfang des Monats zeichnen bei Heidrun Schlieker, einer Malerin, deren Bilder und vor allem Skizzenbücher ich seit Langem bewundere. Außerdem habe ich an Brigitte Helblings Workshop „Essays schreiben“ im AutorInnenzentrum Hannover teilgenommen. Mich fasziniert diese Form, für die es keine festen Vorgaben gibt, schon lange. Es ist, so Michael Hamburger in seinem Essay über den Essay, ein Spiel, „das seine eigenen Regeln schafft“ (http://culturmag.de/litmag/michael-hamburger-essay-ueber-den-essay/100328).

„Essayist:innen schauen auf die Welt um sich herum – und auf sich selbst – und machen sich dann daran, das Entdeckte, Erlebte, Gesehene in Worte zu fassen“, schreibt Brigitte in  ihrer Ankündigung des Workshops. Das gefällt mir, und vielleicht sind Essays ja genau die Form, die mir besonders liegt. Ich werde es versuchen – was ausgesprochen gut zum Essay passt. Schließlich kommt der Name vom Französischen essayer = versuchen.

Geschrieben habe ich natürlich auch, wenn auch (viel) weniger, als ich es mir vorgenommen habe. Denn der November ist ja der Nanowrimo, der „National novel writing month“. Besonders ehrgeizige und fleißige AutorInnen schreiben in diesem Monat 50.000 Wörter, also einen kurzen Roman. Das ist für mich völlig utopisch. Ich habe aus dem Nanowrimo wie schon im letzten Jahr, angeregt von den Instagrammerinnen Kathinka Engel und Kyra Groh, meinen privaten „Schreib so viel du kannst November“, gemacht, einen „nanowrimo light und stressfrei“ (https://timetoflyblog.com/schreibsovieldukan).

Und so bin ich in Travemünde statt zu schreiben oft am Meer entlangspaziert oder durch die Stadt gebummelt, ohne festes Ziel und fast ohne schlechtes Gewissen. Vielleicht brauche ich nach mehr als 40 Jahren Lohnschreiberei einfach eine Auszeit vom Schreiben, nicht zum Schreiben. Und außerdem kommen mir beim Gehen oft gute Geh-danken.

Schreiben mit Blick aufs Meer in Travemünde

Wer schreiben will, sollte viel lesen, darin sind sich fast alle SchreibratgeberInnen einig. Das habe ich im vergangenen Monat getan. Ich habe unter anderem mit Alba de Céspedes eine Autorin entdeckt, von der ich noch nie etwas von gehört hatte, und mit Max Frisch einen meiner früheren Lieblingsautoren wiederentdeckt. Und weil ich in Lübeck, der Heimatstadt von Thomas Mann war, habe ich auch Tonio Kröger, die frühe Novelle von Thomas Mann, wieder gelesen. Wirklich begeistert war ich zugegebenerweise nicht – und ich überlege, ob ich wirklich noch einen weiteren Versuch starten soll, den Zauberberg zu lesen. Mit dem fast 1000 Seiten dicken Roman, der als einer der großen Romane der klassischen Moderne gilt, habe ich mich bislang schwer getan. Und vielleicht gehört er wie Ulysses von James Joyce zu den Werken der Weltliteratur, die ich nie zu Ende lesen werde.  

Auszeit am Meer

Es weihnachtet schon in Travemünde. Die drei Elche aus dem hohen Norden, Linus, Kalli und Lumi, standen schon an der Nordermole, als ich am Mittwoch ankam, der Weihnachtsmarkt am Ostpreußenkai und im wurde noch aufgebaut und erst gestern eröffnet.

Das wusste ich, bekennender Weihnachtsmarktfan, allerdings noch nicht, als ich vor ein paar Wochen die Wohnung in dem Städtchen gebucht habe. Ich wollte einfach mal für ein paar Tage raus, mir Zeit nehmen zu lesen, zu schreiben, zu zeichnen und spazieren zu gehen. Und ich wollte einen Ort entdecken, den ich bislang noch nicht kannte. Er sollte nicht zu weit entfernt und am Wasser liegen, außerdem mit Öffis – sprich, meinem 49-Euro-Ticket – gut erreichbar sein. Meine Unterkunft auf Zeit sollte nicht allzu teuer sein, einen Blick aufs Wasser haben und bestenfalls eine Sauna – Letzteres ein Wunsch-, kein Musskriterium.

Dass ich mich recht schnell für Travemünde entschieden habe, hatte sicher auch damit zu tun, dass  mein geplanter Ausflug nach Lübeck gerade in Wasser gefallen war – und die Fahrt von vom Lübecker Stadtteil bis ins Zentrum der Hansestadt  dauert mit dem Zug gerade mal 20 Minuten.

Es war eine gute Wahl: Das Seebad an der Mündung der Trave in die Lübecker Bucht gefällt mir ausgesprochen gut, nicht nur, weil es direkt am Wasser liegt: Viele alte, schön restaurierte Fachwerk- und Giebelhäuser verleihen dem Ort ein besonderes Flair. Es gibt ganz viel kleine Läden, Cafés und Restaurants – und natürlich zahllose Schiffe, große und kleine.

Eine Sauna hat meine Wohnung leider nicht. Dafür liegt sie direkt am Strand, oder genauer gesagt hoch darüber – in der 24. Etage des Maritimgebäudes. Das wurde Anfang der 70er-Jahre gebaut, hat 36 Etagen, ist laut Wikipedia  119 Meter – mit den Funkmasten, die auf dem Dach installiert sind, sogar 125 Meter hoch. Seit 2019 steht das „markante Hochhaus“ – unter Denkmalschutz, weil es als markantes Hochhaus einen „besonderen städtebaulichen Wert“ hat (https://de.wikipedia.org/wiki/Maritim_Travemünde).

Besonders schön finde ich das Gebäude nicht, aber hier zu wohne, hat ein paar Vorteile: Es ist wohl der einzige Ort in Travemünde, wo man den Betonklotz nicht sieht. Außerdem kann man kaum einen besseren Ausblick haben. Bis nach Fehmarn soll man aus der Wohnung sehen können. Ich habe sofort nach meiner Ankunft den Esstisch vor das Fenster gerückt. So kann ich, während ich diese Zeilen schreibe, den Blick aufs Wasser genießen. Und wenn ich eine Pause mache, liegen Strand und Stadt eben direkt vor der Tür.

Eine Sauna gibt’s übrigens im Nachbarhaus – und wenn man auf der oberen Bank sitzt und schwitzt, kann man sogar das Meer sehen.