See-Seeing

Fast ein Jahr, nachdem ich am Natelsheidesee vor verschlossenen Toren stand, weil der gleichnamige Campingplatz schon geschlossen war, habe ich es nach endlich geschafft: Ich bin im Natelsheidesee geschwommen. Aber es war wie so oft im Leben, wenn man lange – zu lange – auf etwas wartet: Die Realität kann die inzwischen viel zu hohen Erwartungen nicht erfüllen.

Am See lag‘s nicht. Anders als die Ostsee, wo man gefühlt stundenlang durchs knietiefe Wasser waten muss, kann man im Natelsheidesee schon nach drei oder vier Metern schwimmen. Das Wasser war noch recht warm, fühlte sich gut – weich wie Regenwasser – an und an dem kleinen Badestrand war ich die einzige.

Natelsheide See in Bissendorf Wietze

Mehr los – für meinen Geschmack zu viel – war in dem kleinen Outdoor-Café/Restaurant am anderen Seeufer. Und weil das Wetter eher trist war und mich zudem das Dauergeräusch von der Autobahn direkt nebenan nervte, verzichtete ich auf den Kaffee, den ich eigentlich trinken wollte, stieg aufs Rad und fuhr weiter.

Den Kirchhorster See habe ich eher zufällig „wiederentdeckt“: Als ich vor fast 20 Jahren in einem kleinen Verlag in Kirchhorst gearbeitet habe, bin ich in der Mittagspause manchmal im See geschwommen – seither bin ich an dem kleinen See immer nur vorbei gefahren. Der Abstecher hat sich gelohnt: Ich hatte den See und den großen Badesteg ganz für mich allein.

Vielleicht lag’s daran, dass der Sommer zumindest nach der Definition der Meteorlügen schon seit 1. September zu Ende ist, vielleicht waren auch die Blaualgen schuld. Das Gesundheitsamt der Region hatte ihretwegen zur Vorsicht geraten. Da ich weder ein Kind bin noch vorhatte, viel Wasser zu schlucken, habe ich zuerst im See und dann ganz ungestört auf dem Steg in der Sonne gebadet.

Kirchhorster See

Auf dem Rückweg bin ich zu einem kleinen Seerosenteich geradelt, der am Rande der Gartenstadt Lohne liegt. Die ist, anders als der Name vermuten lässt, keine Stadt, nicht einmal ein richtiges Dorf, sondern ein Schlafort ohne Infrastruktur. Ich finde sie trostlos, mag aber den kleinen See, an dem ich früher auf dem Weg zur Arbeit manchmal Halt gemacht habe.

Biotop am Rande der Gartenstadt Lohne

Die Seerosen waren längst verblüht, dafür entdeckte ich am anderen Ufer zwischen den Pflanzen ein pelziges Tier. Für eine Bisamratte war’s zu groß, ob Biber oder Nutria wusste ich ebenso wenig wie die Frau, die vorbeikam und stehen blieb. Im Frühjahr seien noch vier kleine Biber/Nutrias im See gewesen, doch dann war die Familie verschwunden. Jetzt sehe sie sie zum ersten Mal nach Wochen wieder, erzählte sie.

Biber oder Nutria, das ist hier die Frage. Die gut erkennbaren Ohren und die langen Barthaare sprechen für Nutria.

Der Altwarmbüchener See musste bis zum nächsten Sonntag warten. Der See ist der zweitgrößte See in Hannover – und ein beliebtes Naherholungsgebiet. Die vielen Birken auf der kleinen Vogelschutzinsel und am Ufer und mehrere kleine Teiche am Rundweg vermitteln ein bisschen Finnland-Feeling.

Finnland? Nein …

Am See gibt es zwei offizielle Badestrände – einer in Hannover und einer in Altwarmbüchen – und mehrere inoffizielle, einen Bootsverleih und einen Wassersportverein. Man kann segeln, surfen, rudern, paddeln – und natürlich schwimmen. Aber dazu hatte außer mir offenbar niemand mehr Lust – und wieder hatte ich einen Badesee ganz für mich allein.

… der Altwarmbüchener See

Der Springhorstsee, See Nummer vier auf meiner Bade-Tour durch Burgwedel und die Nachbardörfer, liegt am Ortsrand von Burgwedel, also quasi vor meiner Haustür. Wenn mich die Sehnsucht nach Wasser packt, fahre ich oft zum See; geschwommen bin ich dort in diesem Sommer noch nicht.

Der Springhorstsee gehört wie der Natelsheidesee zu einem Campingplatz. Weil niemand am Eingang zu sehen war, habe ich befürchtet, zu spät zu kommen. Aber das Tor zum Strand ließ sich öffnen: Ich konnte zum See, den Blick aufs Wasser und das Schwimmen in aller Ruhe genießen. Merke: Manchmal ist es gut, wenn man spät kommt.

Strandfeeling in Großburgwedel

Es wird nicht der letzte Besuch in diesem Jahr sein. Denn die Seesucht geht weiter: Sie kann nämlich nur vorübergehend gestillt, aber nicht geheilt werden.

Wer zu spät kommt …

… den bestraft das Leben. Diese Worte von Michail Gorbaschow haben sich auch heute wieder bewahrheitet. Bevor morgen der Herbst beginnt, wollte ich noch einen Punkt von meiner To-do-Liste für diesen Sommer erledigen: schwimmen im Natelsheide See in Bissendorf Wietze. Anderthalb Jahr bin ich auf dem Weg zum Altenheim, in dem meine Mutter gelebt hat, nah am See vorbeigefahren, nie habe ich es geschafft. Im August war ich schon einmal auf dem Weg zum See, als aus heiterem Himmel Gewitterwolken aufgezogen sind und ich umkehrte.

Heute Morgen bin ich dann wieder losgezogen, um im See zu schwimmen, auf der Seeterrasse einen Milchkaffee zu trinken, aufs Wasser zu schauen und die Sonne zu genießen. Doch als ich ankam, war der Campingplatz, auf dem  der See liegt, geschlossen. Kein Kaffee, die Stege gesperrt, und im See hatten sich Algen und Seerosen ausgebreitet. Mit ihnen wollte ich nicht um die Wette schwimmen. Wer zu spät kommt …

Natelsheidesee
Blick durch den Zaun: der Natelsheidesee

Zu einem Bad im See bin ich dann doch noch gekommen, wenn auch der Weg vom Natelsheide in Wedemark-Wietze zum Wietzesee in Langenhagen wesentlich weiter und  im wahrtsten Sinne steinig war. Wer auch immer den Radweg mit so grobem Schotter hat belegen lassen – er hat sicher noch nie in seinem Leben auf einem Rad gesessen. Besonders schön war auch der restliche Weg nicht, dafür hatte ich den Wietzesee fast für mich.

Nur ein paar Sonnenhungrige lagen am Strand bzw. auf der Wiese, im Wasser war niemand. Mein Bad im See war zugegebenerweise kurz, denn das Wasser war zwar sehr klar, aber auch sehr kalt. Doch nach der langen Radtour kam die Abkühlung gerade recht.

Wietzesee
Wietzesee

Schön wars am See, und ich bin sicher, dass ich wieder hinfahren werde – auch wenn ich mir eine andere Route suchen werden. Und im nächsten Jahr werde ich es sicher schaffen, im Natelsheidesee zu  baden. Und ich werde diesen Plan gewiss nicht wieder aufschieben.