Monatsrückblog Oktober 2024

Das Zeitempfinden ist abhängig vom Alter, habe ich am Sonntag in Terra X erfahren: Je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Das liege daran, dass in jungen Jahren mehr Neues passiere, an das man sich erinnere. Deshalb erscheine eine Zeitspanne im Rückblick kürzer, so Marc Wittmann, Leiter einer Studie über Zeitwahrnehmung und -bewusstsein und Autor des Buches „Gefühlte Zeit“. Bei den über 60-Jährigen tickten die Uhren dann allerdings wieder anders, das Zeitempfinden ändere sich wieder. Denn schließlich haben viele Menschen als RentnerInnen wieder Zeit, Neues auszuprobieren und Dinge zu unternehmen, die dann in Erinnerung bleiben (https://www.7jahrelaenger.de/7jl/magazin/wie-das-alter-unser-zeitgefuehl-beeinflusst-62822) – und im Monatsrückblog auftauchen.

Reisen

Dass ich jetzt mehr Zeit zum Reisen habe, ist einer der großen Vorzüge des RentnerInnenlebens – und dank meines D-Tickets sind die Fahrten mit dem öffentlichen Personennahverkehr günstig und recht problemlos. So war ich im Oktober dreimal im Harz: einmal zum Wandern In Ilfeld, einmal zu einer Aus- und Umräumaktion in Bad Harzburg und einmal zu einem Fotoshooting mit Gil-Galad im Wald bei Wolfshagen. Der letzte Hohe König der Elben war eigens für den Fototermin aus Tolkiens Mittelerde nach Niedersachsen gereist. Die SpaziergängerInnen, die uns begegneten, freuten sich allesamt über den unerwarteten Gast.

In Hamburg habe ich meine Enkelkinder besucht und schließlich am vorletzten Oktobertag meinen Mann in Travemünde am Skandinavienkai abgeholt, also dort, wo unsere Nordtour vor fast zwei Monaten begann. Während ich Ende September wieder zurück nach Deutschland geflogen bin, um den zwar nicht immer, aber doch oft Goldenen Oktober zu genießen, blieb mein Mann nördlich des Polarkreises, immer auf der Jagd nach Nordlichtern (https://sternefueralle.wordpress.com/polarlichter/).

Für mich war die Fahrt nach Travemünde eine gute Gelegenheit, ein paar Stunden am Meer zu verbrinfen – und ein gemeinsamer Abschluss unserer Schwedenreise.

Kunst

Im September war ich noch in Jokkmokk, dem samischen Zentrum in Nordschweden, im Oktober gab es ein Wiedersehen mit der samischen Geschichte und Kultur im Sprengelmuseum in Hannover. Joar Nango, Künstler und Architekt aus Tromsö mit samischen Wurzeln, greift für seine Installationen traditionelle Kulturtechniken der Sámi auf – und aktualisiert sie. So verarbeitete er für die Ausstellungsstücke neben traditionellen Werkstoffen wie Holz, Fischhäuten, Rentierfellen und Birkenrinden zum Beispiel auch Kupfer- und Blechplatten von einem Schrottplatz aus der Region Hannover. Aus ihnen entstand ein Gumpi, eine transportable Hütte, die samische Hirten nutzen, um sich vor Wind und Wetter zu schützen, wenn sie ihren Rentierherden folgen. Auch Filme und Fotos geben noch bis Anfang nächsten Jahres im Sprengelmuseum einen Einblick in die samische Kulltur. Als Hocker vor den Bildschirmen dienen übrigens unter anderem ausrangierte Raupen von Schneemobilen.

Thomas Rentmeisters Installation d23 war für mich eine kleine Reise in meine Vergangenheit. Denn der Umzug seiner Mutter in ein Pflegeheim und die Auflösung seines Elternhauses in der Dorfstraße 23 (d23) in Klein-Reken war für den Bildhauer und Professor für Skulptur in Braunschweig ein Anlass, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Und so landeten Möbel, Hausrat und vielen persönliche Dingen nicht auf dem Sperrmüll, sondern als umfangreiche Rauminstallation im Sprengelmuseum. Manches habe ich beim Gang durch die Räume wiedererkannt – ganz ähnliche Dinge haben auch in meinem Elternhaus gestanden. Dass Thomas Rentmeister sie in einem Kunstwerk weiterverwertet hat, gefällt mir. Und ich musste daran denken, wie froh ich war, dass die Käufer meines Elternhauses einen Großteil der Möbel und des Hausrats übernommen und mir so erspart haben, das, was meine Eltern im Laufe ihres Lebens angeschafft haben, auf den Müll zu werfen.

Mein Ausflug ins Sprengelmuseum endete übrigens am Eingang der Dauerausstellung Elementareile. Meine Tasche sei zu groß, befand die für diese Räume zuständige Museums-Mitarbeiterin. Mein Einwand, dass ich am Eingang gefragt und eine andere Auskunft erhalten hatte, beeindruckte sie ebenso wenig wie die Feststellung, dass mindestens drei KollegInnen mich ohne Einwände, aber mit Tasche hatten passieren lassen. Ich drehte also um – und beschloss, den Museumsbesuch an einem anderen Tag fortzusetzen. Dank Museumskarte kann ich das ja jederzeit, außer montags. Montags sind die Museen in Hannover nämlich geschlossen.

Beim Nachmessen zu Hause zeigte sich: Meine Tasche ist wirklich einen halben Zentimeter zu lang, nämlich 30,5 statt der im Sprengelmuseum erlaubten 30 Zentimeter. Dass sie drei Zentimeter schmaler ist als erlaubt, (nämlich nur 22 statt 25 Zentimeter), gleicht offenbar diese Überschreitung nicht aus. Vorschrift ist eben Vorschrift.

Musik

Selbst hätte ich mir die Karte für das Konzert im Amtshof in Burgwedel sicher nicht gekauft, denn ich bin kein Fan von Violinmusik. Aber eine Bekannte hatte sie mir geschenkt, weil sie selbst an dem Abend verreist war. Und ich fand das Thema spannend: Night on Earth – eine musikalische Welt und Zeitreise durch die Nacht mit Ulf Schneider (Violine) und Jan Philip Schulze (Klavier).

Der Konzertabend verlief dann recht ungewöhnlich. Nach dem zweiten Stück stellte der Pianist fest, dass sich beim Transport am Schimmelflügel ein Pedal verklemmt hatte. Ich – musikalische Analphabetin – hatte das nicht gehört, für echte MusikenthusiastInnen ist das aber offenbar ein No-Go. Und so wurde das Konzert unterbrochen, nach einem langen Telefonat mit einem Klavierstimmer zeigte Jan Philipp Schulze, dass er nicht nur Klavier spielen, sondern sein Instrument auch reparieren kann: Er baute zuerst den Deckel, dann die Klaviatur aus – und nach der provisorischen Reparatur wieder ein. Nach einer halben Stunde ging das Konzert dann weiter.

Mehr als die Musik ist mir die Reparatur in Erinnerung geblieben – und ein Stück des amerikanischen Komponisten George Crumb. Ich hatte bislang noch nie etwas von ihm gehört, aber laut Kammermusikführer.de ist er „der ‚grand old man‘ der Neuen Musik in den USA“ https://www.kammermusikfuehrer.de/werke/4206). Ich habe mir die von ihm komponierte Sonata für Solo Cello bei Youtube angehört. Sie hat mir gefallen, auch wenn sie ganz anders klingt als die Cellostücke, die ich sonst höre. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass ich für die Zeitschrift Nobilis gerade einen Artikel über Hannoversche Gesellschaft für Neue Musik e.V. (hgnm) korrigiert habe (https://issuu.com/schluetersche/docs/nob_11-2024_epaper). Und man ist ja bekanntlich nie zu alt, Neues auszuprobieren.  

Sport

Gut, ganz neu ist der Sport für mich nicht. Ich habe früher schon mal Tischtennis – oder vielleicht war es eher Pingpong – gespielt: während meines Volontariats an der Mosel (lang, lang ist’s her) ganz kurze Zeit im Verein, später dann gelegentlich und ohne jede Chance mit meiner Tochter, jetzt ab und zu mit den Enkelkindern. Kurz bevor oder nachdem ich sechzig geworden bin, hatte ich ein paarmal mit der Gruppe in der Seniorenbegegnungsstätte trainiert. Doch dann wurde meine Mutter pflegebedürftig, dann kam Corona … – kurzum, es kam immer etwas dazwischen. Jetzt habe ich wieder angefangen – ich spiele nicht gut, aber es macht mir Spaß und ich habe mir fest vorgenommen, diesmal dran zu bleiben. Und Übung macht ja bekanntlich die Meisterin.

Neues aus dem Wintergarten

Unser Wintergarten macht seinem Namen zurzeit alle Ehre – und erfreut uns mitten im Winter mit vielen bunten Blüten.

„Die beiden ersten Blüten der Strelitzie haben sich geöffnet“, habe ich im März 2020 geschrieben. Diesmal ist es schon Ende Januar so weit. Die dritte im Bunde verwelkt sogar schon: Sie ist irgendwann im Oktober aufgeblüht und hat fast ein Vierteljahr geblüht. Mindestens drei Nachfolgerinnen sind bereit – mehr als je zuvor.

Mehr geht nicht – das denke ich alle Jahre wieder, wenn unser Osterkaktus – trotz seines Namens immer um Weihnachten – anfängt zu blühen. Doch im folgenden Jahr belehrt er mich dann stets eines Besseren. Ich staune nicht nur darüber, wie viele Blüten die Hatoria hat, sondern auch, wie lange sie blühen.

Der Osterkaktus schwächelt noch nicht, die Blüten der Christrose färben sich dagegen allmählich grün – ein Zeichen, dass sie verwelken und irgendwann abgeschnitten werden sollten. Bislang steht die Christrose im Wintergarten, doch sobald es etwas wärmer ist, werde ich sie in den Garten pflanzen. Dann ist die Chance, dass sie den Sommer überlebt und auch im nächsten Jahr blüht, größer.

Christrosen sind nämlich, das habe ich beim Schreiben dieses Blogbeitrags gelernt, viel anspruchsvoller als ihre Verwandten, die Lenzrosen. Sie mögen lehmige Böden, doch damit kann unser Garten (zum Glück) nicht dienen. Außerdem brauchen sie Kalk – ohne ihn bekommen sie keine Blüten. Ich werde beim Pflanzen also einfach den Trick anwenden, den ich ebenfalls im allwissenden world wide web gefunden habe: Ich lege ein Stück weiße Kreide ins Pflanzloch, um die Christrose mit Kalk zu versorgen. Warum die Kreide weiß sein muss, stand da nicht. Aber vielleicht färben sich die Blüten rot oder pink, wenn ich entsprechende farbige Kreiden mit einpflanze.

Weniger anspruchsvoll als ich gedacht oder befürchtet habe, ist die Orchidee, die ich von meiner Mutter geerbt habe. Sie darf weder in den Wintergarten noch im Sommer auf die Terrasse, denn obwohl ihre Vorfahren aus den Tropen stammen, verträgt sie keine pralle Sonne. Auf der Fensterbank meines Arbeitszimmers auf der Westseite fühlt sie sich aber offenbar wohl.

Viel Pflege braucht meine Orchidee nicht: Ich gieße sie ein oder zweimal in der Woche und gieße später das Wasser, das im Untersetzer steht, ab. Denn nasse Füße, sprich Staunässe, mag sie ebenso wenig wie allzu große Hitze.

Sie ist spät dran in diesem Jahr – erst drei Blüten haben sich bislang geöffnet. Aber es werden in den nächsten Tagen sicher mehr: Ich habe mehr als zwei Dutzend Knospen gezählt. Wahrscheinlich blühen sie dann bis in den Sommer hinein. Weil Orchideen nämlich sehr spezialisiert sind und in der Natur nur von bestimmten Insekten bestäubt werden können, haben sie sehr lange Blühzeiten. Das erhöht die Chance, dass das richtige Insekt während der Blüte vorbeiflattert, so Boris Schlumpberger in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift nobilis (https://nobilis.de/orchideen-tipps-fuer-eine-gluecklich-bluehende-schoenheit/?doing_wp_cron=1675239444.4843928813934326171875).

Schlumpberger muss es wissen: Er ist Kustos der Herrenhäuser Gärten in Hannover, in denen es eine der größten Orchideensammlungen der Welt mit rund 25.000 Pflanzen gibt. Ein kleiner Teil dieser Sammlung ist im Orchideenhaus im Berggarten zu sehen. Ein Besuch lohnt – nicht nur, aber vielleicht besonders, wenn das Wetter grau und trist ist und die ersten Blüten im eigenen Garten noch auf sich warten lassen.