Anders leben als gewohnt

Wie möchte ich leben, wenn ich alt bin (richtig alt, meine ich, nicht „erst 60“)? Diese Frage stelle ich mir seit Jahren, nicht nur, aber vor allem dann, wenn ich bei meiner Mutter bin oder war. Denn eins weiß ich sicher: so nicht (obwohl ich mir wünsche, noch so fit zu sein, wenn ich mal so alt bin).

Meine Mutter lebt seit dem Tod meines Vaters allein. Und sie möchte  nicht weg aus dem Haus, das sie und mein Vater gebaut haben und das für sie allein eigentlich zu groß ist. Aus dem Dorf, in dem sie geboren wurde, wo sie immer gelebt hat. Dort will sie – wie mein Vater – auch sterben.

Natürlich verstehe ich das: Dort ist sie verwurzelt, die Nachbarn sind nett, kümmern sich und helfen, wenn  es nötig ist: Sie rollen die Mülltonne auf die Straße, kaufen für sie ein, wenn sie sich im Winter bei Schnee und Eis mal nicht aus dem Haus wagt. Sie wird zu Feiern eingeladen und wenn meine Mutter morgens einmal nicht wie gewohnt die Rollläden hochziehen würde, käme sicher sofort jemand vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.

Und trotz der funktionierenden Nachbarschaft fühlt sich meine Mutter oft einsam. Denn ein bisschen ist es wie bei Miss Sophie im Dinner for one – nur dass sie keinen helfenden Butler hat. Meine Mutter ist 92 – und die meisten ihrer Freundinnen und Bekannten  sind tot oder leben in diversen Altersheimen. Nicht in dem Ort, wo meine Mutter wohnt,  weil es dort kein Altenheim gibt, sondern irgendwo in der Nähe ihrer Kinder. Unerreichbar für meine Mutter, weil sie keinen Führerschein hat, die öffentlichen Verkehrsmittel an der Mosel ein Katastrophe sind und weil sie überdies Schwierigkeiten hätte,  mit ihrem Rollator in den Bus einzusteigen, wenn es denn vernünftige Verbindungen gäbe.

Meinen Vorschlag, sie solle mit ihrer Freundin zusammenziehen, die ebenfalls alleine in ihrem Haus lebte, haben beide Frauen abgelehnt. Dabei wäre im Haus meiner Mutter genügend Platz gewesen: Beide hätten eine eigene Wohnung gehabt und unterm Dach genügend Platz für Besuche ihrer Kinder, die alle nicht im Ort wohnen. Und für eine Polin oder Rumänin, die sich dann um beide Frauen hätte kümmern können. Hätte, denn inzwischen lebt Johanna in einem Altenheim, weil sie nicht mehr alleine leben konnte.  Dort fühlt sie sich sehr wohl, obwohl sie freiwillig nie dorthin gezogen wäre.

Ein Altenheim kommt für meine Mutter gar nicht in Frage, schließlich kommt sie noch gut alleine klar. Aber auch in eine betreute Wohnanlage möchte sie nicht umziehen. Dabei könnte sie dort noch lange selbstständig leben. In einer eigenen Wohnung, in der Nähe ihrer Kinder und Enkel und unter einem Dach mit anderen alten Leuten, die wie sie selbst noch recht fit sind, mit denen sie sich treffen, austauschen und gelegentlich etwas unternehmen könnte.

Gemeinsam mit anderen unter einem Dach, aber doch selbstständig – das halte ich für  ideal, nicht nur für meine Mutter, sondern in ein paar Jahren auch für mich. Und wie mir geht es vielen in meinem Bekanntenkreis, vor allem den Frauen. Denn die meisten möchten „später“ nicht allein in ihrem Haus wohnen und auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen sein. Sie wollen es anders machen, als sie es bei ihren Eltern erlebt haben. Die  haben nämlich meist irgendwie weitergemacht wie gewohnt, bis andere, meist ihre Kinder, für sie entschieden haben, dass es so nicht mehr geht, sie zu sich genommen oder für sie einen Platz in einem Heim gesucht haben. Manche sind auch zu Hause gestorben, wie sie es sich gewünscht haben. Aber das  funktionierte oft nur, weil ihre Kinder sich um sie gekümmert, sie dort gepflegt oder doch unterstützt haben.

Das wird in meiner und in den kommenden Generationen nicht mehr möglich sein. Viele meiner Bekannten haben keine Kinder oder nur ein Kind, das mit dieser Aufgabe allein sicher überfordert wäre. Und auch die, die zwei, drei oder mehr Kinder haben, möchten  ihre Kinder nicht belasten.

Auch deshalb gibt es immer mehr Wohnprojekte von und für alte Menschen; auch Beginenhöfe erleben eine Renaissance. In Deutschland gibt es  inzwischen wieder mehr als 20 dieser Wohnprojekte für Frauen. Wer mehr darüber erfahren will, findet einen Artikel von mir in der Online-Zeitschrift  www.wohnwerken.de (Frauenpower: In der Ruhe liegt die Kraft)

https://issuu.com/schluetersche/docs/wohnwerken_02?e=25375043/41917338

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Beginenhof in Bremen
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Beginenhof Bielefeld, Innenhof

Wanted: Wohnung, bezahlbar

In meinem Umfeld läuft zurzeit ein munteres Bäumchen-wechsel-dich-Spiel: Viele Leute sind gerade umgezogen oder suchen noch eine neue Wohnung. Das ist nicht leicht. Denn die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Als meine Tochter vor vier Jahren in ihre alte Zwei-Zimmer-Wohnung gezogen ist, besichtigten rund zehn Interessentinnen die kleine Wohnung unterm Dach; als sie jetzt einen Nachmieter suchte, waren es mehr als doppelt so viele.

Nach Angaben des Pestel-Instituts fehlen in den zehn Großstädten mit dem stärksten Wohnungsmangel derzeit schon mehr als 100.000 Mietwohnungen. Wenn nicht mehr Wohnungen gebaut werden, werden es in fünf Jahren schon 400.000 sein. Vor allem kleinere bezahlbare Wohnungen sind rar.

Nach ihrer neuen Wohnung  hat meine Tochter mehrere Monate gesucht: Gefühlt lange, objektiv aber kurz, weil ihre Wunschwohnung – drei Zimmer und ein Balkon sollten es sein – im Wohnungsranking  weit oben steht. Und obwohl sie eigentlich gute Voraussetzungen hat, habensie  längst nicht alle Vermieter, bei denen sie sich beworben hat, zur Besichtigung eingeladen. Eine Bekannte, die demnächst umzieht, hat dagegen auf Anhieb ihre Traumwohnung gefunden, obwohl die Wohnungslage in der Universitätsstadt ziemlich angespannt ist. Aber sie hat auch ein deutlich höheres Mietbudget als die meisten anderen Wohnungssuchenden – und wer holt sich für den Notfall nicht gerne eine Ärztin ins Haus.

Wer – aus welchen Gründen auch immer – nicht dem Ideal der der Vermieter entspricht, hat ganz schlechte Karten. Beispielsweise Menschen wie die Heidi, Verkäuferin des Hannoverschen Straßenmagazins Asphalt. Bei allen, die staatliche Unterstützung brauchen, entscheidet nicht allein der Vermieter; das Sozialamt bestimmt, wie groß und teuer eine Wohnung sein darf.

Mehr über Heidis schwierige Suche nach einer neuen Bleibe in wohnwerken.de, dem neuen Online Magazins der Schlüterschen Verlagsgesellschaft (https://issuu.com/schluetersche/docs/wohnwerken_01_ef691cff1bcac6/18?e=25375043/30000297).

Übrigens – auch Heidis Geschichte hat ein Happyend. Sie hat nach langer Suche inzwischen eine Wohnung gefunden und fühlt sich dort sehr wohl.