Kluge Frauen – schöne Gärten

Geografie mangelhaft. Dass Bad Gandersheim so nah liegt und überdies mit öffentlichen Verkehrsmitteln so gut zu erreichen ist, wurde mir erst im vergangenen Jahr eher zufällig bewusst, als eine Streckensperrung mich auf einer Fahrt nach Bad Harzburg durch die am Harzrand gelegene Kurstadt führte. Merke: Umleitungen haben manchmal also durchaus auch etwas Gutes.

Seither steht Bad Gandersheim auf der Liste der Orte, die ich unbedingt besuchen wollte. Schließlich war die Stadt, genauer gesagt das Kloster Brunshausen, Wohn- und Wirkungsstätte von Hrotsvit von Gandersheim. Allen, die die Dame nicht kennen, sei’s gesagt: Hrotsvit oder auf Deutsch Roswitha lebte vor mehr als tausend Jahren, von etwa 935 bis 980. Sie war die erste deutsche Dichterin und eine der bedeutendsten des Mittelalters.

Kirche des Klosters Brunshausen

Das war wohl zumindest für einige Frauen doch nicht so finster, wie frau manchmal glaubt. Roswitha wurde in der Schule des Klosters in den sieben freien Künsten – Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik, Grammatik, Dialektik und Rhetorik – unterrichtet. Und sie lernte natürlich Latein, die Sprache, in der sie auch ihre Bücher verfasste. Zwei historische Werke über das Leben Kaiser Ottos I. und die Gründungsgeschichte des Stiftes Gandersheim hat sie geschrieben, außerdem sechs Dramen und acht christliche Legenden, darunter auch die Theophilus-Legende, in der sie als Erste den Urstoff des Faust bearbeitete, der dann durch Goethe berühmt wurde.

Weil ich nicht nur Literatur (vor allem von Frauen), sondern auch Pflanzen und schöne Gärten mag, war die Landesgartenschau ein willkommener Anlass, endlich nach Bad Gandersheim zu fahren. Eine gute Entscheidung. Denn das Gartenschau-Gelände mit vier ganz unterschiedlichen Parkbereichen und ganz viel Wasser war so recht nach meinem Geschmack: Zwei Bäche – Gande und Eterna – durchfließen das Areal, außerdem gibt es zahlreiche Seen und Teiche und im sogenannten Roswitha-Park ein Sole-Naturbad, in dem die BesucherInnen der Gartenschau schwimmen, sich sonnen und entspannen können.

Das habe ich natürlich getan, außerdem habe ich in diesem Bereich der Gartenschau meinen Füßen auf dem Barfußpfad etwas Abwechslung, im Kneipp-Becken Abkühlung gegönnt und schließlich an einem Weinstand einen leckeren Weinbergspfirsichsecco probiert, der definitiv nach mehr schmeckte.

Die verschiedenen Geräte im Spiel- und Sportpark habe ich dagegen nicht getestet. Ich habe mich weder auf die Slacklines getraut noch habe ich den Boulderfelsen erklettert, sondern bin, meinem Alter entsprechend, brav auf den Wegen bzw. auf dem Rasen geblieben. Zu sehen gab es genug, sechs kleine Themengärten beispielsweise …

… oder – nicht nur in diesem, sondern in allen Bereichen des Parks – verschiedene Kunstobjekte. Zum Nachdenken hat mich die Demutsbank angeregt, bei der eine Lautsprecherstimme daran erinnerte, dass es vieles gibt, wofür man oder frau dankbar sein sollten. Ganz gewiss für einen sonnigen, geschenkten Tag in einer schönen Umgebung.

Mein Lieblingsbereich war definitiv der Landschaftspark: An den Osterbergseen, wo vor nicht allzu langer Zeit Bergungspanzer der Bundeswehr übten, ist – der Gartenschau sei Dank – eine Augenweide für Gartenfans und ein Paradies für Insekten und Schmetterlinge entstanden. Unzählige Stauden verwandeln die Ufer der beiden künstlichen Seen in ein Blütenmeer. Und auf kleinen schwimmenden Gärten fühlen sich Wasservögel und Reiher wohl.

Auch mir hat es an den Seen sehr gut gefallen: Ich habe am Seeufer immer wieder kurze Pausen eingelegt, um zu lesen, zu schreiben, zu frühstücken oder einfach nur aufs Wasser zu schauen und das Leben und den Tag zu genießen.

Natürlich bin ich auch an der Gande entlang zum Kloster Brunshausen spaziert, das als „Keimzelle“ von Bad Gandersheim gilt. Der Weg führt durch das Landschaftsschutzgebiet Auepark, den weitgehend naturbelassenen Bereich der Gartenschau. Von einem 150 Meter langen Holzsteg kann man jetzt bislang versteckte Teiche und Tümpel sehen und die dort lebenden Wasservögel beobachten.

Am nördlichen Ende – oder Anfang – des Aueparks liegt das Kloster auf einem kleinen Hügel. In der Klosterkirche habe ich mir die Ausstellung angesehen, die an Roswitha und andere starken Frauen erinnern, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein im Kloster lebten. Im Kirchenschiff sind außerdem kostbare Textilien ausgestellt – und auf der Empore können sich die BesucherInnen – passend zur Landesgartenschau – auf eine Zeitreise durch die Gartengeschichte begeben.

Dort liegt auch eine Auswahl der Bücher der Autorinnen aus, die mit dem Roswitha-Literaturpreis ausgezeichnet wurden. Die Stadt Gandersheim hat den Preis im Jahr 1973 gestiftet – im Gedenken an die berühmteste Tochter der Stadt. Preisträgerinnen waren viele Schriftstellerinnen, deren Bücher ich schätze: Marie-Luise Kaschnitz und Hilde Domin beispielsweise, Ilse Aichinger, Ulla Hahn, Ruth Klüger, Cornelia Funcke und Julia Franck. Außerdem wird die beliebteste Schauspielerin bei den Gandersheimer Domfestspielen alljährlich mit dem Roswitha-Ring  der Stadt Bad Gandersheim geehrt.

Die romanische Stiftskirche, davor die Tribünen der Freilichtbühne

Vielleicht werde ich mir im nächsten Jahr einmal eine Vorstellung ansehen, die auf der Freilichtbühne vor der romanischen Stiftskirche stattfindet. Dann habe ich sicher auch Gelegenheit, die Stadt zu besichtigen. Zu entdecken gibt es dort einiges: die Stiftskirche mit ihrer Doppelturmfassade natürlich, zahlreiche Renaissance- und Barockgebäude oder das Sommerschloss Brunshausen mit eindrucksvollen Wandmalereien und kostbaren Büchern. Und natürlich werde ich dann noch einmal an Gande, Eterna und den Osterbergseen entlangspazieren und den Blick aufs Wasser genießen.

Kunst in Burgwedel – Kunst in Bewegung

Noch einmal Kunst in Burgwedel, diesmal Kunst in Bewegung (KIB). Vielleicht zum letzten Mal. Denn die OrganisatorInnen Maria Hausknecht, Karlheinz Schridde und Elke Seitz haben angekündigt, dass sie nicht mehr weitermachen möchten – zumindest nicht mehr so wie bisher. Es fehlt an finanzieller, organisatorischer und tatkräftiger Unterstützung – und auch ein bisschen an jungen KünstlerInnen, die ihre Arbeiten ausstellen. Es wäre schade um die Veranstaltung, die es seit 2006 gibt.

Martin Vietmeyer, Christine Jehne und Britt Buvrin-Wolff haben Kunst in Bewegung initiiert, in den ersten Jahren organisiert – und damit offenbar den Geschmack (nicht nur) der BurgwedelerInnen getroffen. In Scharen pilgerten Kunstinteressiert und Neugierige zu den Ausstellungsorten nicht nur in Großburgwedel selbst, sondern auch in den Burgwedel-Dörfern. An manchen Wochenenden war wirklich, so schien es, halb Burgwedel und Umgebung in Bewegung – viele zu Fuß oder mit dem Rad.

Der besondere Charme lag in den ersten Jahren darin, dass die Burgwedeler KünstlerInnen ihre Ateliers öffneten und ihre Arbeiten dort zeigten, wo sie entstanden. Als immer mehr KünstlerInnen aus der näheren und weiteren Umgebung Kunst in Bewegung entdeckten und mitmachten, verlagerte sich der Schwerpunkt von privaten auf „öffentliche“ Räume wie Volkshochschule, Rathaus, Kirchenkreisamt, Bücherei oder Schulen. Aber auch Restaurants, Anwaltskanzleien, kleine Läden oder Versicherungsagenturen verwandelten sich für ein Wochenende in Galerien. In den vergangenen drei Coronajahren stellten die KünstlerInnen dann zentral und unter freiem Himmel aus – unter anderem im Rathauspark und im Amtspark. In diesem Jahr fand Kunst in Bewegung wieder drinnen statt. Mehr als 30 KünstlerInnen und KunsthandwerkerInnen zeigten ihre Malerei, Fotografie Schmuckstücke und andere Kunstobjekte. Orange Plakate, Fahnen und Fahrräder weisen den Weg zu den zehn Ausstellungsorten.

Einige Orte und KünstlerInnen sind schon seit Jahren dabei: Elke Seitz beispielsweise, eine der Organisatorinnen von Kunst in Bewegung. Ein Besuch in dem versteckten Garten des Atelier Seitz ist für mich ein Muss, besonders beeindrucken mich immer wieder die Objekte aus zerbrochenen Spiegeln. Und ein bisschen fühle ich mich in Elke Seitz Garten wie Alice auf dem Weg ins Wunderland.

Auch die beiden anderen Künstlerinnen, die ihre Bilder an diesem Kunstort zeigen, sind „alte Bekannte“, die schon lange bei Kunst in Bewegung mitmachen: Heidrun Schlieker bannt mit schneller Pinselführung meist norddeutsche Landschaften ausdrucksstark auf die Leinwand. Ihre Skizzenbücher, die ich ganz besonders mag, hat sie diesmal leider nicht dabei.

Bei Christine Küppers gefallen mir vor allem die Frauenbilder, ebenso bei Maria Hausknecht, die ihre meist abstrakten Bilder im Foyer des Amtshof zeigt. Apropos Frauen – sie sind klar in der Mehrzahl, bei MalerInnen und Motiven, aber auch bei den Besucherinnen. Kunst ist, so scheint es, vorwiegend Frauensache, auch wenn sich das in den Medien leider nicht immer widerspiegelt.

Der große Veranstaltungsraum im Amtshof bietet Ausstelllungsfläche für fünf KünstlerInnen und genügend Platz für großformatige Bilder in ganz verschiedenen Techniken, Materialien und Stilrichtungen. Die Bandbreite reicht von eher realistischen Landschaften bis zu abstrakten Darstellungen.

Gleich nebenan entdecke ich in den Räumen der VHS zwei Künstlerinnen, die ich bislang nicht kannte: Bei Annette Böwe trifft Farbe auf Struktur. Ihre auf Leinwand mit Acrylfarbe und Spachteltechnik gestalteten abstrakten Bilder erinnern mich ein wenig an Christine Jehne, eine der Initiatorinnen von Kunst in Bewegung. Sehr farbenfroh sind auch Maike Remanes Bilder, die sich „zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit bewegen“.

In der ältesten Straße Großburgwedels, der immer noch kopfsteingepflasterten Heinrich-Wöhler-Straße, zeigt im ehemaligen Sternerestaurant Ole Deele eine der jüngsten TeilnehmerInnen ihre Arbeiten. Mich fasziniert, wie Kerstin Bäßmann die Motive auf das Wesentliche reduziert und mit wenigen (Tusche)Strichen aufs Papier bannt. Das möchte ich auch können! Im Hof Schirmer trifft Digitales auf Analoges. Silke Jüngst verarbeitet unbeachtete Dinge zu hochwertigem Schmuck – und ritzt Texte im Binärcode auf Kupferplatten oder druckt sie auf Karten. Im Großformat ist binary II im Alten Park in den Ästen eines Baums zu bewundern.  

Zum Schluss meiner Kunsttour durch Burgwedel kehre ich noch einmal zu den Anfängen zurück – Sabine Mazur-Lunze und Katja Blume haben wie früher ihre Häuser und Ateliers für Kunstinteressierte geöffnet. Sabine Mazur-Lunze präsentiert Fotokarten und Fotoleinwände mit Naturmotiven im eigenen Wohnzimmer.

Und Katja Blume erlaubte sogar Einblicke in ihr Atelier smune, in dem ihre Zeichnungen, Handletterings, Druckarbeiten und Bücher übers Handlettering und Zeichnen entstehen. Es wäre wirklich schade, wenn Blicke hinter die Kulissen und in die Werkstätten in Burgwedel künftig gar nicht mehr möglich wären.

Immerhin: Ersatzlos gestrichen wird Kunst in Bewegung vielleicht doch nicht. Organisator Karlheinz Schridde plant laut HAZ vom 22. August (Ausgabe Burgwedel/Isernhagen/Burgdorf) für 2024 eine Veranstaltung „Kunst in Begegnung“, bei der es „vor allem um den Austausch von Kunstschaffenden und Publikum gehen“ soll . Ich bin gespannt.

Kunst am Baum

Der Alte Park an der Thönser Straße in Großburgwedel ist gerade mal einen halben Hektar groß – klein für einen Park, aber recht ansehnlich für eine Galerie. In die verwandelt sich der kleine Park seit 2008 für ein paar Wochen am Ende des Sommers mit der Freiluftausstellung Parkomanie. Mit seinen Ausstellungen möchte der Veranstalter, der Kunstverein Burgwedel-Isernhagen, „dazu beitragen, Hemmschwellen abzubauen, indem sich die Kunst in den öffentlichen und frei zugänglichen Raum, also zum Menschen hin, begibt“, heißt es in der Ausschreibung (https://www.kunstverein-bwi.de/ausstellungen-veranstaltungen-kunstfahrten-2023/). Die Parkomanie sei „ein gezielter Beitrag, Kunst ohne Zwang zu erleben und ihr eine größere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit – und durch sie – zu ermöglichen“.

Rund um die Uhr können alle, die – absichtlich oder zufällig – im Park sind, die Werke anschauen. Sie hängen an oder stehen, passend zum Ausstellungsthema zwischenraum / space between, zwischen den alten Bäumen. Ich gehe gerne durch den Park – und manchmal nehme ich, bekennende Kunstbanausin, mir auch die Zeit, darüber nachzudenken oder auf den Begleittafeln nachzulesen, was die KünstlerInnen mir sagen wollen. Manches verstehe ich auch ohne Erklärung auf Anhieb, anderes erschließt sich mir erst auf den zweiten Blick oder gar nicht.

Wie achtlos weggeworfene Mülltüten sieht die Upcycling-Skulptur „Aufgeblasen“, aus. Die Berlinerin Pia Höhfeld will damit zum Nachdenken und zur Diskussion über Plastik- und anderen Müll anregen. „Der Müll, den wir weggeworfen haben, nimmt in meiner Kunst wieder Raum ein und konfrontiert uns mit unserem eigenen Konsumverhalten“, schreibt sie in ihrem Statement.

Wie ein Spinnennetz spannt sich der rote Faden von W. van Ravenhorst zwischen den Ästen eines Baumes, schafft Verbindungen, die aber nicht immer von Dauer sind. Schon in der ersten Woche hat sich das Netz sichtbar verändert.

Die Nachricht auf den hoch im Baum hängenden Tüchern kann ich nicht entschlüsseln. Denn sie besteht aus lauter Nullen und Einsen. „Es ist ein Songtext“, verrät Silke Jüngst, aber welcher es ist, bleibt ihr Geheimnis. „Digitale Nachricht auf analogem Material. Ungreifbare Datensätze auf haptischem Untergrund. Schwarz auf Weiß, Null und Eins. Der Text in Binärcode, obwohl direkt vor unseren Augen, bleibt verborgen und ist nur für Eingeweihte lesbar. Die analoge Welt hält mit der digitalen nicht mehr mit. Dazwischen Leerraum, Freiraum, Mut zur Lücke? Raum für neues Denken?“, schreibt die Künstlerin in ihrem Statement zu binary II. Der Gedanke fasziniert mich ebenso wie die Frage, ob Hanno Küblers Skulptur „Ohne Titel (großes Nest) ein künstliches Objekt oder ein wirkliches Nest ist. Dass „das Vogelnest zur Zeit wissenschaftlich untersucht (wird), um zu klären, um welche Vogelart es sich handelt und ob sie aufgrund des Klimawandels hier ansässig wird“, glaube ich allerdings nicht. Aber wer weiß es schon?

Meine Lieblingsskulptur steht direkt am Eingang des Alten Parks. Was „Into the Spaceless“ des Wilhelmshavener Künstlers Weibach2 mir sagen will, bleibt mir trotz der Erläuterungen unverständlich – aber ich muss ja nicht alles verstehen. Die Skulptur, die von allen Seiten anders aussieht, gefällt mir einfach. Und das genügt mir als bekennende Kunstbanausin.

Mehr Informationen

kunstverein burgwedel-isernhagen artclub e.v.

https://www.kunstverein-bwi.de/

Wandern in den Weinbergen

Seit ich öfter wandere, weil ich wegen meines kaputten Knies nicht mehr laufen kann, steht der Klettersteig am Calmont zwischen Ediger-Eller und Bremm auf meiner Bucket List – zu deutsch: Löffelliste: also auf der Liste der Dinge, die ich tun möchte, bevor ich den Löffel abgebe.

Die Tourdaten klingen nicht besonders beeindruckend. Gerade mal 380 Meter ist der Calmont hoch, der Gipfel liegt nur 293 Meter über der Mosel. Insgesamt geht es auf dem 6,6 Kilometer langen Rundweg 469 Meter bergauf – und natürlich ebenso viele bergab. Trotzdem war es eine der anspruchvollsten Wanderungen, die ich bislang gemacht habe. Denn die Weinlagen Bremmer Calmont und Ellerer Calmont, durch die der Klettersteig führt, zählen laut Wikipedia mit Hangneigungen von stellenweise bis zu 68 Grad zu den steilsten der Welt (https://de.wikipedia.org/wiki/CalmontCalmont).

Weil Weinbau in Steillagen wirklich aufwendig und anstrengend ist und sich nur lohnt, wenn die dort wachsenden Weine angemessen bezahlt werden, lagen Ende des letzten Jahrtausends viele Weinberge am Calmont brach. Erst in den 2000er-Jahren haben die WinzerInnen den Calmont wiederentdeckt; inzwischen wachsen in den beiden Steillagen fast überall wieder Reben. Trotzdem sind mir unterwegs weit mehr TouristInnen (mindestens drei Dutzend) begegnet, die durch die Weinberge wanderten, als WinzerInnen, die dort arbeiteten (drei).

Die steilsten Weinberge der Welt

Der Calmont-Klettersteig zählt nämlich zu den schönsten Wanderwegen an der Mosel. Angelegt wurde er vor mehr als 20 Jahren vom Deutschem Alpenverein und Freiwilligen aus den umliegenden Dörfern, aus Bremm, Ediger-Eller und Neef. Sie haben die Wege erneuert und schwierige Passagen mit Stahlseilen, Leitern, Trittbügeln und Trittstiften entschärft, sodass jetzt auch Menschen mit wenig Klettererfahrung wie ich auf dem schmalen, aber gut gesicherten Weg die tollen Aussichten genießen können.

Imposante Ausblicke gibt es unterwegs zuhauf – auf die Mosel, auf die Weinberge, auf die Orte im Tal und auf die Ruine des Klosters Stuben, ein im 12. Jahrhundert gegründetes „Augustinerinnenkloster für Jungfrauen und Witwen adligen Standes“. Damals stand das Kloster auf einer Insel; die Schwestern hießen „sorores de insula beati Nicolai in Stuppa“, also Schwestern auf der Sankt-Nikolaus-Insel in Stuben, weil die Klosterkirche dem Heiligen Nikolaus geweiht war. Der Name des Klosters kommt von den Stupa bzw. Stuba, den ‚heizbaren Stuben‘ oder ‚kleinen Häusern‘, in denen die Schwestern wohnten (http://www.calmont-region.de/index.php/kultur-geschichte-klosterstuben).

Apropos Namen. Der Name Calmont kann laut Wikipedia entweder vom lateinischen calidus „warm“ und mons „Berg“ oder vom keltischen kal „hart“ abgeleitet werden. Ob warmer Berg oder Felsenberg – der Calmont macht beiden Namen alle Ehre. Der Weg war steinig und schweißtreibend, Letzteres weil er nicht nur kontinuierlich bergauf, sondern auch über einen Südhang führt, wo die Sonne mittags brennt, wenn sie denn scheint. Das tat sie an diesem Nachmittag glücklicherweise, weil der Boden nach dem Regen am Morgen schnell abtrocknete. Wenn es regnet und/oder der Weg nass ist, kann es rutschig werden. Dann hätte ich meine Wanderung sicher verschoben.  

Der Klettersteig endet in Bremm; kurz vorher bin ich in Richtung Gipfelkreuz abgebogen. Das zwölf Meter hohe Kreuz steht aber nicht auf dem Calmont-Gipfel, sondern acht Meter tiefer, auf nur 372,5 Meter Höhe, und 665 Meter davon entfernt. Doch das habe ich erst nachträglich gelesen.

Vom sogenannten Gipfelkreuz führt der Höhenweg zurück nach Ediger-Eller, vorbei an einem römischen Bergheiligtum aus dem 2. bis 4. Jahrhundert, das seit 2005 ausgegraben und rekonstruiert wurde, und am Vier-Seen-Blick. Der Rückweg durch den Wald war weitgehend flach – doch am Ende bewahrheitete sich, dass man bei einem Rundweg genauso viele Meter bergab wie bergauf gehen muss – und umgekehrt. Als an einer Weggabelung zwei Wege zur Wahl standen – ein etwa fünf Kilometer langer durch das Tal des Ellerbachs und der weitaus kürzere, aber steile Moselsteig – habe mich für den Moselsteig entschieden. So konnte ich auf dem letzten Kilometer bis zum Bahnhof von Eller noch einmal schöne Ausblicke auf die Mosel genießen, auch wenn mein rechtes Knie heftig protestierte.

Die Fahrt nach Ediger-Eller lohnt übrigens nicht nur wegen des Klettersteigs am Calmont. Ediger und Eller sind wirklich hübsche Dörfer mit kopfsteingepflasterten Gassen, künstlerisch bedeutenden, leider veschlossenen Kirchen, ehemaligen Kloster- und Adelshöfen und vielen denkmalgeschützten Fachwerkhäusern, die teilweise schon im 16. Jahrhundert gebaut wurden.

Und mitten im historischen Ortskern von Eller habe ich in einem Gasthaus, das gerade renoviert wird, einen Co-Working-Space entdeckt. Neues Arbeiten in altem Gemäuer. Stehen geblieben ist die Zeit dort nicht. Im Jahre 2010 wurde Ediger-Eller beim Dorferneuerungswettbewerb als einer der zukunftsfähigsten Orte Deutschlands ausgezeichnet.

Co-Working-Space: Neues Arbeiten im alten Gemäuer im historischen Ortskern von Ediger-Eller

Monatsrückblick Juli 2023

Schon lange denke ich darüber nach, regelmäßig am Ende eines Monats bzw. am Anfang des nächsten einen Monatsrückblick zu schreiben. Jetzt ist eine gute Gelegenheit, damit anzufangen. Los geht’s also.

Der Juli begann mit einer guten Nachricht. Ein „zystenartiges Gebilde“ in meiner Bauchspeicheldrüse hat sich bei näherer Betrachtung mittels Endosonografie als harmlose Zyste erwiesen. Darüber, dass es kein Tumor ist, bin ich natürlich sehr erleichtert. Denn mit ihrer Bauchspeicheldrüse legt frau sich besser nicht an, wie meine Freundin Sabine feststellt.

Eins ist mir in den Wochen, in denen ich auf die Untersuchungen wartete, bewusst geworden: Die Zeit, die mir bleibt, ist sehr endlich. Dass ich so gesund und noch so fit bin, ist ein Geschenk – andere haben weit weniger Glück. Und wer weiß, wie lange das Glück anhält. Meine Eltern sind zwar beide recht alt geworden – mein Vater 86, meine Mutter 95 Jahre -, aber das ist keine Garantie für ein langes Leben.

Auch diese Erfahrung hat mich in meiner Entscheidung bestärkt, keine neuen (Schreib)Aufträge mehr anzunehmen. Ich möchte ab jetzt mehr das tun, was ich möchte, nicht das, was andere von mir wollen. Nein zu sagen, fällt mir nicht leicht, aber ich mache Fortschritte und folge immer häufiger dem Rat meiner Tochter: „Do more of what makes you happy.“ So habe ich gestern (ok, das war schon im August) ganz heroisch einen neuen Auftrag abgelehnt.

Eine Woche nach meinem Kurzaufenthalt im Krankenhaus war ich zum ersten Mal in meinem Leben in den Alpen. Über das Schreibwanderwochenende mit Dorothee Köhler und Cilli Bauer in Bad Hindelang habe ich ja schon in diesem Blog geschrieben (https://timetoflyblog.com/das-schreiben-ist-der-wanderin-lust). Die Landschaft hat mich wirklich beeindruckt und die Wanderungen, die wir unternommen haben, lechzen nach mehr. Ich werde sicher wieder in die Alpen fahren, wenn nicht in diesem, dann im nächsten Jahr.

Eins ist klar: Wenn ich die Alpenüberquerung zu Fuß schaffen will, muss ich vorher üben, sprich, regelmäßig wandern. Mit meiner Kollegin Foe habe ich die erste Etappe des Harzer Klosterwanderwegs zurückgelegt, der vom ehemaligen Kloster Neuwerk in Goslar bis zur Klosterkirche St. Marien auf dem Münzenberg in Quedlinburg führt. Die drei ehemaligen Klöster auf der Strecke von Goslar nach Vienenburg – Neuwerk, Grauhof und Wöltingerode – waren sehenswert, auch wenn sie längst keine Klöster mehr sind. Vor allem die Klostergärten haben mir gefallen.

Ob wir den Klosterweg weiter wandern werden, weiß ich nicht. Denn er führte oft über Wirtschaftswege, die Strecke war flach – es gab im wahrsten Sinne des Wortes wenige Höhepunkte. Und auch die nächsten Etappen führen nicht durch den Harz, sondern meist an seinem Rand entlang. Wahrscheinlich werde ich doch eher zuerst auf dem Hexenstieg den Harz von West nach Ost – von Osterode nach Thale – durchqueren.

Bei einem weiteren Kurztripp habe ich noch ein Kloster, Kloster Wienhausen, besucht. Diesmal war ich nicht mit Öffis, sondern mit dem Wohnmobil unterwegs. Und zum ersten Mal bin ich selbst gefahren. Ich fahre nicht gerne Auto, mein Mann ist nicht gerne Beifahrer. Und so hat sich die Rollenverteilung wie von selbst ergeben. Aber das ist natürlich keine Dauerlösung, vor allem auf längeren Strecken macht ein Fahrerwechsel Sinn. Die Fahrt zum Campingplatz Allerstrand war zwar nur kurz, aber ziemlich kurvig und anspruchsvoll. Und wir, mein Mann, unser Auto und ich, haben die Fahrt heil überstanden.

Der Campingplatz Allerstrand ist klein, ruhig und liegt, wie der Name schon sagt, direkt an der Aller. Wir haben zwei wirklich erholsame Tage verbracht, haben viel gelesen und sind natürlich gepaddelt. Es macht riesigen Spaß, mit Paula blue über das Wasser zu gleiten und die Landschaft aus einer anderen Perspektive zu erleben. Paula blue verdankt ihren Namen übrigens Paula Modersohn-Becker und der Tatsache, dass wir vor gut einem Jahr – im Mai 2022 – auf der Hamme bei Worpswede unsere erste Fahrt gemacht haben (https://timetoflyblog.com/camping-kajak-und-kunst).

Mit den Rädern sind wir nach Wienhausen gefahren: Das Kloster habe ich diesmal nicht besichtigt, das werde ich beim nächsten Mal wieder tun. Denn unser erster Aufenthalt am Allerstrand wird nicht der letzte sein.

Kloster Wienhausen

Geschwommen bin ich übrigens auch – und weil es mir viel Spaß gemacht hat, habe ich mir, wieder zurück in Burgwedel, eine Zehnerkarte fürs Schwimmbad gekauft. Ich war inzwischen sogar schon zweimal dort, obwohl ich eigentlich lieber in Seen, Flüssen oder im Meer schwimme. Wenn wir demnächst an die Mosel fahren, habe ich dazu ja wieder Gelegenheit.

Apropos Mosel: Meine Eltern, die die meiste Zeit ihres Lebens dort gelebt haben, sind beide im Juli gestorben: mein Vater am 3. Juli 2010, meine Mutter vor vier Jahren, am 31. Juli. Seither steht ihre Orchidee auf meiner Fensterbank – neben dem  Bärenpärchen, das meine Tochter meinen Eltern zur Goldenen Hochzeit geschenkt hatte.