Vom großen A und kleinen Buchhandlungen

Ja, ich oute mich als Amazon-Fan. Das ist bei „echten“ Bücherfans ziemlch verpönt. Bei Amazon bestellen geht bei vielen gar nicht. Als neulich eine Bücherfrau im Netzwerk  einen Buchtipp mit einem Link zu dem, dessen Namen nicht genannt werden darf, verschickte, gab es heftige Diskussionen. Natürlich ist manches am großen A problematisch: vor allem, wenn kleine Buchhandlungen schließen müssen, weil  immer mehr Kunden ihre Bücher beim großen Bruder online ordern. Dass Amazon in Deutschland keine Steuern zahlt, finde ich zum K… Und auch die Konditionen für Verlage, Bezahlung und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter sollen besch… sein.

Aber wo in der Buchbranche sind sie das nicht? Wer Bücher schreibt, übersetzt oder lektoriert, erreicht oft nicht einmal den Mindestlohn. Auch BuchhändlerInnen gehören nicht zu den GroßverdienerInnen. Und was die Arbeitsbedingungen angeht: Eine Buchhändlerin, die seit Jahrzehnten eine Filiale einer Buchhandlung leitete, erzählte einmal, dass ihr Chef sie nicht ein einziges Mal für den Besuch der Buchmesse freigestellt habe. Von der Übernahme der Kosten ganz zu schweigen.

Kunden können sich indes über das große A kaum beklagen: Der Service ist wirklich gut. Gibt es mal Schwierigkeiten, rufen die Mitarbeiter auf Wunsch sofort zurück oder kümmern sich notfalls um eine Ersatzlieferung. Das ist bei meiner Stammbuchhandlung leider nicht immer so. Und obwohl ich dort seit Jahren für mehrere Hundert Euro jährlich Bücher bestelle und kaufe, kennen die meisten Verkäuferinnen  nicht einmal meinen Namen.

Tante Emma XXL

Wer wie ich in einer kleinen Stadt wohnt oder wirklich jwd auf dem Land  weiß die Bestellung auf Knopfdruck besonders zu schätzen. Sie erspart umständliche und zeitaufwendige Fahrerei. Dass man beim großen A längst nicht nur Bücher, sondern fast alles kaufen kann, ist für Leute wie mich ein unschätzbares Plus. Online-Shopping und die schöne neue Bezahlwelt sind mir nämlich nicht wirklich geheuer; dass ich mich in allen möglichen Shops immer wieder neu registrieren soll, ist mir ein Greuel. Irgendwie ist der einstige Online-Buchhändler längst ein riesengroßer Tante-Emma-Laden, in dem es alles gibt.

Hat schon mal jemand versucht, ein Farbband  für eine elektrische Schreibmaschine zu besorgen. Als meine Mutter das vorletzte Mal ein Farbband brauchte, bin ich knapp 40 Kilometer nach Trier gefahren (one way). Und obwohl ich vorher im Büro- und Schreibwarenladen angerufen hatte (ja, haben wir, kommen Sie vorbei), musste ich dann eine Schnitzeljagd durch alle drei Filialen machen. Natürlich habe ich den gesamten Vorrat (drei) aufgekauft. Doch auch der war irgendwann aufgebraucht. Beim nächsten Mal hieß es: Müssen wir bestellen, ist in zwei Wochen da. Doch da war ich längst wieder abgereist. Amazon lieferte am übernächsten Tag frei Haus. (Von den Spezialisten, bei denen ich Papier und andere Büromaterialien ordere und die mir unaufgefordert Kataloge ins Haus senden, hatte übrigens keiner mehr das Farbband im Programm.) Und als ich bei meinem letzten Moselbesuch mein Handy-Ladegerät vergessen hatte und  für einen Artikel ein Buch brauchte, war das Problem ebenfalls am nächsten Tag behoben, ohne lange Fahrzeiten.

Koexistenz

Ja – ich gebe es zu: Ich kaufe auch Bücher bei Amazon – vor allem antiquarische, die ich mir zum Normalpreis nicht leisten könnte, nicht kaufen würde oder die es im Buchhandel nicht mehr gibt. Oder ich verschicke über den Online-Buchhändler Bücher an Leute, die irgendwo anders wohnen. Die werden dann nämlich pünktlich geliefert – und ich spare Porto und Verpackung. Und wenn’s nicht gefällt, geht’s einfach zurück.

Die meisten Bücher kaufe ich allerdings nach wie vor im Buchladen. Denn ich liebe Buchhandlungen, komme kaum an einer vorbei und nur selten raus, ohne etwas gekauft zu haben. Ich glaube übrigens nicht, dass das große A Schuld am Untergang des Buchhandels ist. Im Gegenteil: Ich bin überzeugt davon, dass Buchhandlungen vom großen Online-Bruder profitieren (können). Der merkt sich nämlich, für was ich mich interessiert und was ich gekauft habe (brave new world, big brother is watching you) – und empfiehlt mir andere, ähnliche Bücher. Und wenn ich ein Buch zu einem bestimmten Thema brauche, verschaffe ich mir meist bei dem, dessen Name nicht genannt werden darf, einen Überblick über das Angebot. Der Schwarm (sprich die LeserInnen) weiß oft mehr als die  BuchhändlerInnen – die können angesichts unendlich vieler Neuerscheinungen die meisten Bücher gar nicht mehr kennen. Oft bestelle ich das ausgewählte Buch dann allerdings bei meinem Buchhändler vor Ort. Amazon verkraftet’s und meinen Buchhändler freut’s.  Manchmal sogar doppelt. Denn wenn ich das Buch dann abhole, entdecke ich oft ein anderes, das ich ebenfalls unbedingt brauche und kaufe. Denn bei Büchern kann ich nur selten widerstehen.

Große Grünedaumengeister und kleine grüne Krachmacher

„Komme der große Grünedaumengeist zum Fest über Dich“, hat mir eine Freundin Ende vergangener Woche gewünscht. Und so habe ich die guten Wünsche, die günstige Gelegenheit (wenig Arbeit) und das leidlich gute Wetter an Pfingsten genutzt, um mich ein bisschen um den Garten zu kümmern.

Los ging es am Sonnabend mit dem Gartenfestival in den Herrenhäuser Gärten: Hier im Georgengarten findet man immer wieder ungewöhnliche Pflanzen und Gartenaccessoires.

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Weil ich mit dem Zug nach Hannover gefahren bin, waren meine Einkaufsmöglichkeiten leider begrenzt. Der Hexe aus Metall konnte ich allerdings nicht widerstehen, obwohl der Transport wegen des Gewichts und der langen Stange, auf der sie thront, nicht ganz leicht war.

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Kräutergartenhexe

Kräuterbeet mit Kräuerhexe

Doch sie hat die Heimfahrt mit U-Bahn, Zug und Bus gut überstanden und bewacht jetzt das kleine Kräuterbeet, das ich neben der Terrasse angelegt habe. Statt Giersch und Franzosenkraut wachsen dort jetzt Zitronenverbene, Ananas- und Pfirsichsalbei neben Mohn und Ringelblumen. Die Rucolapflanze hat ihre neue Heimat in einem blauen Pflanzkasten gefunden, den die Schnecken hoffentlich nicht erklimmen können. Das Glück haben unsere Erdbeeren leider nicht, die erste rote hat eine Schnecke – oder war‘s unsere Hausamsel – schon vor mir entdeckt und angenagt. Die zweite habe ich dann schnell in meinen Bauch in Sicherheit gebracht.

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Kräuterbeet mit Giersch und Franzosenkraut vorher …
Kräuterbeet Nachher DSC_1090
… und mit Zitronenverbene, Pfirsich- und Ananassalbei nachher.

Apropos Beeren: Am schmalen Beet am Zaun zum Nachbargrundstück können wir mit Hilfe des Grünedaumengeistes hoffentlich schon im nächsten Jahr wieder Beeren ernten: schwarze Johannisbeeren für mich, rote für meinen Mann und Stachelbeeren für uns beide. Wem die Taybeeren schmecken, ist noch ungewiss: Sie verdanken ihren Platz in unserem Garten einem Missverständnis: Mein Mann hat sie schlichtweg mit den Himbeeren verwechselt, die eigentlich auf meiner Will-haben-Liste standen. Wirklich begeistert bin ich von der Kreuzung aus Himbeere und Brombeere nicht: Sie ist sehr stachlig, deshalb schwer zu ernten und wird deshalb möglicherweise in die Vogelschutzhecke hinter den Teichen versetzt.

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Nachwuchs für die Vogelschutzhecke – keine Stachelbeere, sondern stachelige Taybeere

Nachwuchs am Teich

Auch von den Teichen gibt’s Zuwachs zu vermelden, allerdings tierischen. Dort sind drei  neue Frösche eingezogen. Während ihre Vorgänger, die den Winter nicht überlebt haben, sehr ruhige Mitbewohner waren, quaken die neuen laut und ausdauernd –  sie haben sich offenbar (noch) viel zu erzählen. Schon morgens um vier sind sie zu hören – und abends nach Mitternacht immer noch. Von den Nachbarn hat sich noch niemand beschwert, allerdings zeigt Fine, die Nachbarkatze, seit einiger Zeit deutlich mehr Interesse an unserem Teich als früher. Dass Frösche unter Naturschutz stehen, weder verletzt noch getötet und nur in Ausnahmefällen (wenn nämlich ihr nächtliches Gequake den Richtwert  von 35 Dezibel um 20 Dezibel übersteigt) mit richterlicher Erlaubnis umgesiedelt werden dürfen, stört Fine wahrscheinlich wenig. Sie folgt ihren eigenen Gesetzen. Darauf, dass Katzen eigentlich wasserscheu sind, sollten sich die kleinen grünen Krachmacher besser nicht verlassen. Fine ist keine gewöhnliche Katze. Ihre Sprungkraft ist gewaltig, ihre Geschicklichkeit auch. Meine Nachbarin berichtet, dass sie auf die obersten Regalbretter springt, ohne irgendetwas umzuwerfen. Kleine Teiche wie unsere überwindet sie wahrscheinlich problemlos mit einem Satz. Zu hoffen ist nur, dass die Frösche schneller und nicht zu sehr ins Gespräch, sprich ins Gequake, vertieft sind.

Kleiner grüner Krachmacher im grünen Dschungel DSC_1091
Kleiner grüner Krachmacher im grünen Dschungel

 

Von Horror- und Balkongärtnerinnen

Manchmal fällt der Apfel doch weit vom Stamm. Und manche Talente und Eigenschaften überspringen eine oder gar zwei Generationen, ehe sie bei den Kindern oder Enkeln wieder zum Vorschein kommen. Ich bin trotz meines Faibles für schöne Gärten leider eine Horrorgärtnerin. Als Gott – oder wer auch immer – die grünen Daumen verteilte, habe ich wohl schlicht gepennt oder war gerade in einem (Garten)Buch versunken. Nachträglich lässt sich das, wie wir aus Schillers Gedicht von der Teilung der Welt wissen, nicht mehr korrigieren. Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben oder der Garten. (Für alle, die sich an das Gedicht nicht mehr genau erinnern: „Was tun?“ spricht Zeus, „die Welt ist weggegeben“, zum Nachlesen http://www.ub.uni-heidelberg.de/wir/geschichte/schiller.html).

Ich bin also, wenn es um Pflanzen geht ziemlich talentfrei. Ich weiß nicht, wie viele Rittersporn ich in den vergangenen Jahren gepflanzt habe – überlebt hat nur ein einziger. Sonnenblumen werden weggefressen, sobald ich sie gesetzt habe. Und selbst die Maiglöckchen verschwinden auf unerklärliche Weise. Erst in diesem Frühjahr habe ich wieder rund ein Dutzend aus dem Garten meiner Mutter in unseren umgesiedelt – mit wenig Erfolg. Und auch die Veilchen aus dem Harz blühen im warmen Klima im niedersächsischen Flachland nicht auf, sondern sind wie vom Erdboden verschluckt.

Richtig gut gedeihen in meinem Garten vor allem Pflanzen, die man früher gemeinhin Unkräuter nannte: Giersch zum Beispiel, Brennnesseln, Sauerampfer oder Gänseblümchen. Außerdem einige ganz Robuste, die sich offenbar von nichts abschrecken lassen wie Beinwell, Topinambur oder auch Zwergastern. Die sind zwar allesamt hübsch anzusehen, aber leider so einnehmend, dass sie sich anschicken, die letzten Winkel meines Gartens zu erobern. Sogar dem Giersch machen sie an manchen Stellen das Leben schwer.

Bei größeren Pflanzaktionen leihe mir manchmal den grünen Daumen meiner Tochter aus. Sie hat nämlich das Talent ihrer Oma väterlicherseits geerbt, die früher als Floristin arbeitete. In ihrer alten Wohnung unterm Dach wuchs die Petersilie meterhoch. Und das Orangenbäumchen bog sich unter der Last der Früchte, während unsere wesentlich größeren Zitruspflanzen zwar blühen (und dabei herrlich duften), aber seit einigen Jahren kaum mehr Früchte tragen.

Bei der Vogelschutzhecke hat der Ausleih-Trick funktioniert: Die Heckenrosen, die wir vor drei Jahren gemeinsam gepflanzt haben, sind inzwischen recht hoch und wachsen in die Breite; Apfelbeeren, rote Heckenberberitzen, Kornelkirschen und Weißdorn, die ich ein paar Wochen später alleine gesetzt habe, brauchen wohl noch eine Zeit, bis sie wie geplant Vögeln katzenfreie Nistmöglichkeiten und Nahrung bieten.

Heckenrosen
Heckenrose am Teich.

Seit ein paar Monaten hat meine Tochter einen eigenen Balkon, den sie in einen Mini-Nutzgarten verwandelt. Kartoffeln, Gurken, Paprika und Tomaten pflanzt sie dort, diverse Kräuter und ein ganzes Obstsortiment: Heidelbeeren, Himbeeren, Erdbeeren, Stachelbeeren, Melonen und sogar einen kleinen Apfelbaum. Der fühlt sich offenbar in seinem Pflanzsack pudelwohl  – und ich bin fast sicher, dass er mehr Früchte tragen wird als der große Apfelbaum in unserem Garten. Der hat im vergangenen Jahr seine wenigen Früchte auf unserem Rasen verteilt, ehe sie reif waren. Auf dem Balkon meiner Tochter gestaltet sich die Ernte wahrscheinlich recht einfach, auch wenn sie üppig ausfällt. Denn bei dem Mini-Baum fällt der Apfel sicher nicht weit vom Stamm.

Heidelbeerblüte
Früh blüht, was einmal  Heidelbeeren werden wollen. Foto: Nele Schmidtko
Balkon Heidelbeeren, Apfel und Kartoffeln
Platz ist auf dem kleinsten Balkon – für Kartoffel, Apfelbaum, Him- und Stachelbeeren und Tomaten (von rechts). Foto: Nele Schmidtko

 

Wien ist eine Reise wert

Wien also. Die Stadt stand schon lange auf meiner Wunschliste, bislang hatte ich es aber noch nicht geschafft. Ein Schreibretreat im writers‘ studio war ein willkommener Anlass, das Vorhaben endlich umzusetzen, ehe aus dem immer Aufgeschoben doch ein Aufgehoben wurde. Zwei Tage schreiben, zwei Tage Wien entdecken. Hin und zurück ging‘ mit dem Nightliner der Bahn. Nachts, wenn ich ohnehin schlafe, so spare ich Zeit, zumindest gefühlt.

Der Auftakt war suboptimal: Der Zug, obwohl erst in Hamburg eingesetzt, hatte in Hannover bereits eine Stunde Verspätung (aber das ist eine andere Geschichte). Endlich eingestiegen, schlief ich auf den zur Liegefläche zusammengeschobenen Sitzen besser als erwartet meinem Ziel entgegen und kam, der Bahn sei Dank, recht ausgeruht in Wien an.

Sonja, meine Gastgeberin in Wien, erwies sich als Glücksfall. Wir verstanden uns auf Anhieb: Wir sind etwa gleich alt, unsere Töchter ebenfalls. Wir schreiben und lesen gerne, teilen die Leidenschaft für Papier und schöne Bücher und haben ähnliche politische Ansichten. So freuten wir uns Sonntagabend gemeinsam über die Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Staatspräsidenten. Nach den Niederländern lassen auch die Wahlen in Frankreich hoffen. Liberté, Egalité, Le Pen adé.

Wien sehen

Sonja hat eine schöne Wohnung mit Balkon mit wirklich toller Aussicht, die ich sofort übernehmen würde. Und sie nahm sich einen ganzen Nachmittag Zeit, mir ihre Stadt zu zeigen. Die kennt sie als geborene und begeisterte Wienerin und lizenzierte Fremdendführerin besser als die meisten anderen. Ich bekam also eine ganz private, kompetente Stadtführung gratis: Stephansdom, Hofburg, Secession, Albertina, Staatsoper, Kaisergruft … – alles nur von außen, weil es am Wochenende zu voll und der Tag einfach zu schön war. Und wegen unserer gemeinsamen Vorliebe für Papier und Bücher kamen wir natürlich auch an einem kleinen, aber feinen Schreibwarenladen und zwei Buchhandlungen nicht vorbei.

Wien lebendiges Museum
Wien ist ein Open-Air-Museum – aber ein sehr lebendiges.

 

Wir aßen belegte Brote, genauer gesagt Brote mit verschiedenen Aufstrichen, bei Trzesnniewski, einem Stehimbiss in der Dorotheengasse, und bekamen wenig später ohne zu warten einen Platz in einem winzigen, meist voll besetzten Café. Eine große Ausnahme, vor allem an einem Sonnabendnachmittag. Wir schlenderten durch  den Burggarten, über den Heldenplatz, wo am folgenden Montag das Fest der Freude über die Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft stattfand, und durch den Volksgarten. Schade, dass die Rosen noch nicht geblüht haben. Mehrere tausend Pflanzen sollen es sein und mehrere hundert Sorten. Beim nächsten Mal …

Wien Rosen
Tausende Rosen, leider die meisten noch nicht blühend.

Am Spätnachmittag kehrten wir beim Heurigen ein: Wir saßen in einem windgeschützten Innenhof in der Sonne,  haben eine Kleinigkeit gegessen und  einen Sommergespritzten mit gemischtem Satz getrunken. Das ist, lernte ich, eine österreichische  Spezialität: Kein anderes Land darf Wein so nennen (für all die, die es genau wissen wollen: festgehalten in der EU-Verordnung 607/2009 vom 14. Juli 2009).

Für einen Wiener Gemischten Satz müssen in einem Weinberg, der in Österreich Weingarten heißt, mindestens drei verschiedene Rebsorten angebaut werden. Sie werden gemeinsam geerntet und gekeltert. Ein gemischter Satz kann aus bis zu 20 unterschiedlichen Rebsorten bestehen. Grüner Veltliner sei meist drin, sagte Sonja. Egal was: Es schmeckte auf jeden Fall lecker. Für den Sommergespritzten werden ein Drittel Wein und zwei Drittel Wasser gemischt. Ich verdünnte noch mehr, weil ich keinen Alkohol vertrage und fürs Schreiben am nächsten Tag fit sein wollte.

Writers‘ Studio

Ich hatte zwar die weiteste Anreise, war aber die Erste im writers‘ studio. Beim Schreibretreat schreibt jeder für sich allein, arbeitet an seinen eigenen Projekten. Das klappte gut, vielleicht lag es an der anregenden Umgebung, vielleicht auch daran, dass ich meiner inneren Kritikerin (nein, ihren Namen verrate ich nicht) direkt zu Beginn eine Reise auf die Insel Criticos spendierte. Da darf sie ein paar Wochen bleiben, da ist sie unter ihresgleichen und fühlt sich hoffentlich so wohl, dass sie ihren Aufenthalt verlängert.

Zwei Tage Freizeit zum Schreiben – ich habe die besondere Atmosphäre genossen,  an unterschiedlichen Texten gearbeitet und dabei meinen Schreibplatz öfter gewechselt. In Innenhof stellte ich meinen Stuhl direkt neben den Fliederstrauch (ich liebe den Duft). Ich habe an einem Schreibtisch von Werkhaus geschrieben (den wollte ich schon immer mal ausprobieren), in der Küche des writers‘ studios, in der Mittagspause auf einer Bank am nahegelegenen Donaukanal und natürlich auch am großen Tisch.

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Schreibidyll im Innenhof des writers‘ studios …
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… und Schreibpause drinnen.

Kunst in Wien

Gegen den grauen Himmel und den Nieselregen an meinem letzten Tag in Wien – beides von den Meteorolügen nicht vorhergesagt – verordnete ich mir farbenfrohe Hundertwasser-Kunst. In dem Mitte der 80er Jahre von Friedensreich Hundertwasser und dem Architekten Josef Krawina geplanten Haus in der Löwengasse gibt es 50 Wohnungen und viel Farbe, aber zumindest von außen wenig gerade Linien. Die sind laut Hundertwasser „eine vom Menschen gemachte Gefahr“ und „dem Menschen, dem Leben, der gesamten Schöpfung wesensfremd“. Das stimmt und passt zu mir, den meine Linien geraten immer krumm und bucklig. Gegenüber lockte das Hundertwasservillage mit vielen Shops mit Hundertwasser- und Wiensouvenirs schon am Morgen sehr viele Menschen. Das Hundertwasser-Museum sparte ich mir für den nächsten Wien-Besuch, stattdessen gehe ich in die Albertina, vor allem wegen der Dauerausstellung von Monet bis Picasso. Die erwies sich leider – von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen – als fast malerinnenfrei. Frauen kommen fast nur als Modelle vor. Immerhin ist eine eigene Ausstellung der österreichischen Malerin Maria Lassnig gewidmet, die  ich bisher nicht kannte. Und auch an der Rolltreppe durfte sich eine Künstlerin, Lotte Lyon, verewigen.

Wien Maria Lassnig
Und es gibt sie doch: Malerinnen, Sonderausstellung Maria Lassnig.
wien albertina Rolltreppe
Rolltreppe – Kunst und Wirklichkeit.

Schreiben in einem Wiener Café ist eigentlich ein Muss, wenn man auch um zu schreiben nach Wien fährt. Leider war das Musik Café Schwarzenberg, das mir Sonja empfohlen hat, sehr voll, aber es war so, wie ich mir ein richtiges Café in Wien vorgestellt habe – einschließlich der beängstigend vornehmen Kellnerinnen und Kellner. Zum Schluss noch einen Abstecher in den Belvedere-Garten. Fürs Schloss selbst und für Schönbrunn reichte die Zeit nicht mehr. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben …

Wien Belvedere
Belvederegarten.

(K)ein Kaffee

Über mein schwieriges Verhältnis zu Kaffeemaschinen habe ich schon geschrieben (www.timetoflyblog.com/2016/01/31/kaffee-bitte/). Dass ich mit der Hightechgerät meiner Freundin gewisse Schwierigkeiten habe, kann ich ja noch hinnehmen. Dass ich aber auch an einer eher simplen Maschine kläglich scheitere, gibt mir  zu denken.

Sonja, meine Gastgeberin bei meinem Wienaufenthalt, hat eine solche Maschine. Und als sie mir kurz nach meiner Ankunft einen Kaffee aufbrühte, sah alles ganz einfach aus. Bis es am nächsten Morgen selbst versuchte. Ich machte alles wie gesehen: Anschalten, warten, bis es aufhört zu blinken, Kaffeegröße auswählen (Espresso oder Lungo) auswählen, all diese Aufgaben löste ich noch ganz souverän. Doch nach der Öffnung, um die Kapseln, einzufüllen, suchte ich vergeblich. Der Bügel, an dem ich zog, bewegte sich nicht. Und auch sonst zeigte sich die Maschine wenig kompromissbereit: Ohne Kapsel spendierte sie mir nur heißes Wasser. Und ich stand da wie der Ochse vor dem berühmten Berg.

Sonja zeigte mir dann noch einmal, wie‘s geht: anschalten, Bügel hochstellen – auch wenn er Widerstand leistet –,  Kapsel einlegen, Bügel runterdrücken, wählen, Kaffee marsch.

Neuer Tag, neues Glück. Am nächsten Morgen näherte ich mich der Kaffeemaschine ganz souverän: Wasser nachfüllen, anschalten, warten, bis das Blinken aufhört, Bügel hochziehen – Sesam öffne dich –, Kapsel einlegen, Bügel schließen, Kaffeetasse unterstellen, Lungo bitte. Es brodelte und zischte, die Kapsel plumpste wie vorgesehen in den Auffangbehälter – und raus kam: heißes Wasser. In meiner Verzweiflung und meiner Gier nach frischem Kaffee suchte ich im Internet nach einer Bedienungsanleitung: Ich hatte alles richtig gemacht – und startete einen zweiten Versuch, auch, weil es keine andere Möglichkeit gibt, die Kapseln einzulegen: Sie passen nur in eine Richtung. Auch Maschinen machen Fehler, vielleicht war auch ihr einer unterlaufen.

Wieder schluckte die Maschine dankbar meine Kapsel – und spuckte nur heißes Wasser aus. Diesmal, wie um mich zu entschädigen, nicht nur in die Tasse, sondern auch aus einer nicht sichtbaren Öffnung auf die Arbeitsplatte. Ich wischte das Wasser auf, bevor es die Küche überschwemmte. Meine Gastgeberin fand heraus, dass ein versteckt liegender Auffangbehälter randvoll war – und die beiden Kapseln immer noch verschlossen. Während Sonja neben mir stand, funktionierte die Maschine reibungslos. der Vorführeffekt eben.

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Corpus delicti

Aller guten Dinge sind drei. Und so wagte ich an meinem letzten Tag in Wien einen letzten Versuch – mit dem festen Vorsatz, die Flugtauglichkeit der Kaffeemaschine zu testen, falls sie nicht macht, was ich will. Same procedure as yesterday, nur dass ich mich diesmal auch beim Herunterdrücken des Hebels nicht davon beeindrucken lasse, dass er Widerstand leistet. Meine Geduld ist erschöpft. Wird schon sehen, was er davon hat. Und siehe da: Es funktioniert. Ich bekomme meinen Kaffee und die Maschine darf an ihrem Platz in der Küche im vierten Stock bleiben.

Ich habe wieder neue Erkenntnisse gewonnen:

Wer zu zaghaft ist, den bestraft das Leben, sprich die Kaffeemaschine.

Wahrscheinlich sind Kaffeemaschinen wie Hunde: Sie spüren, wenn jemand Angst vor ihnen hat und reagieren aggressiv oder machen – wie bei mir – was sie wollen.

Zu Hause habe ich die Konsequenz gezogen: Ich brühe meinen Kaffee von Hand auf. Das Milchaufschäumgerät möchte ich indes nicht missen, aber es weiß, wer Chefin ist: Es gehorcht mir (mehr oder weniger) auf Knopfdruck.

Fehmarn – Besser spät als nie

Manchmal frage ich, warum ich manches erst so spät für mich entdeckt habe. Die Herrenhäuser Gärten beispielsweise, die ich zum ersten Mal besucht habe, als ich schon ein paar Jahre bei Hannover lebte. Seitdem habe ich eine Dauerkarte und gehe oft hin, wenn ich in Hannover bin. Oder Fehmarn. Dabei ist die Ostsee-Insel angeblich die sonnenreichste Insel Deutschlands. Campingplätze gibt es zwar nicht gerade wie Sand am Meer, aber doch sehr viele. Und auch die Entfernung ist einigermaßen akzeptabel. Ohne Stau braucht man von zu Hause aus nur etwa drei Stunden.

Trotzdem haben wir Fehmarn bislang im wahrsten Sinne des Wortes immer links liegen gelassen. Wenn wir ans Meer wollten, sind wir meist vor Lübeck gen Osten abgebogen, um auf den Darß zu fahren. Vielleicht lag‘s daran, dass unser erster und bis dato einziger Fehmarn-Aufenthalt nicht wirklich gelungen war: Der Campingplatz hatte uns trotz fünf Sternen nicht wirklich gefallen. Das gemietete Mobilheim war dunkel, ohne Blick aufs Meer, das Wetter durchwachsen. Und zu allem Überfluss quälte unsere Tochter eine schmerzhafte Augenentzündung, sodass wir fast nach Hause gefahren wären. Kurz: Der Urlaub damals stand offenbar unter keinem guten Stern, vielleicht waren wir einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.

Der erste Eindruck ist ja bekanntlich oft entscheidend. Und so dauerte es rund 20 Jahre, bis wir einen zweiten Versuch wagten: zu einer anderen Zeit, diesmal im Frühjahr, an einem anderen Ort, auf dem Campingplatz Flügger Strand. Bekannte, die den Platz seit Jahren kennen, hatten ihn uns empfohlen.

Aus dem Auto
Das Meer immer im Blick
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Im Vorgarten

Zu Recht: So eine schöne Aussicht hatten wir auf noch keinem Camping- oder Stellplatz in Deutschland. Wir standen in der ersten Reihe, direkt in den Dünen. Rund um die Uhr konnte ich vom Wohnmobil aus das Meer sehen. Auch das Wetter spielte drei Tage lang mit: Es war so, wie die Meteorolügen es vorhergesagt hatten: Die Sonne schien den ganzen Tag, ehe sie abends wie ein roter Feuerball im Meer versank, bestaunt von uns und anderen Campinggästen, die sich dazu am Strand einfanden. Es war faszinierend zu sehen, wie dieses Schauspiel (fast) alle in seinen Bann zog.

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Beeindruckendes Schauspiel: Sonnenuntergang auf Fehmarn (Foto: Utz Schmidtko)

Tagsüber war der Strand oft fast menschenleer, bei unseren Strandspaziergängen trafen wir nur wenige. Nur ein paar Angler standen immer am Strand oder gelegentlich auch bis zur Brust im Wasser. Bemerkenswert war die Ruhe. Obwohl rund um uns alle Stellplätze belegt waren und manche Dauercamper das lange Wochenende nutzten, um ihre Wohnwagen für die bevorstehende Campingsaison fit zu machen, war es still, sehr still. Meist hörte man nur das Branden der Wellen an den Strand und das Brausen des Winds, der uns kräftig um die Ohren blies.

Keine Frage, der Platz ist ideal für eine kleine (digitale) Auszeit zwischendurch. Die mobilen Daten funktionierten auf meinem Smartphone nicht, WLAN gibt es zwar auf dem Campingplatz, aber wir wollten keins. Drei Tage ohne Internet, ohne E-Mails und Computer. Aufs Meer sehen statt fernsehen. Lesen (fast 700 Seiten, „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante und „Fluch des Schlangenmenschen“ von Foe Rodens, beide Bücher haben mir sehr gut gefallen), schreiben (wieder mal per Hand), fotografieren und malen. Ich bin wieder mal gelaufen (fast schmerzfrei), 162 Stufen hoch auf den Flügger Leuchtturm gestiegen, habe Tai Chi am Strand geübt und die Seele baumeln lassen. Nur gebadet habe ich nicht, obwohl ich das eigentlich wollte. Denn das Wasser war zwar glasklar und verlockend, aber so kalt, dass mir schon meine Füße fast abgefroren sind, als ich ein bisschen durchs Wasser watete.

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Flügger Leuchtturm von unten …
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… und Blick von oben auf die Fehmarnsundbrücke

Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ich werde es nachholen, wenn wir das nächste Mal nach Fehmarn fahren. Das wird sicher nicht wieder 20 Jahre dauern. Denn Fehmarn hat das Zeug, meine deutsche Lieblingsinsel zu werden.

PS: Für alle, die es genauer wissen wollen: Die Sanitäranlagen sind modern, sehr gepflegt und sehr sauber, das Essen im Restaurant Dünenhaus bei Annette war prima (wir konnten auf der Terrasse essen), der Service sehr freundlich: Dass wir am Abreisetag bis abends bleiben wollten, um den Stau um Hamburg zu umgehen, war kein Problem. So macht Camping Spaß.

Unverhofft kommt oft, Teil zwei

Durch meinen Blogbeitrag „geschenkter Tag“ fühlt sich die von mir erwähnte höhere Macht offenbar herausgefordert, meine Terminpläne zu durchkreuzen und mir eine weitere Lektion in Gelassenheit zu erteilen. Die zählt, ebenso wie Geduld, ja nicht gerade zu meinen Kernkompetenzen.

So musste ich einen Tag länger an der Mosel bleiben als vorgesehen und einen wichtigen Termin absagen (sorry Frau M.). Mit der Korrektur der Zeitschrift ging es in den Tagen nach Ostern nicht so zügig voran wie geplant. Das rächte sich, als ich dann am Ende der Woche unverhofft im Krankenhaus landete – und der verantwortliche Redakteur auf die Schnelle Ersatz für mich finden musste (tut mir leid T.).

Denn mein Hausarzt war im Urlaub, seiner jungen Kollegin war eine 60-jährige, ihr unbekannte Patientin mit starken, plötzlich auftretenden Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen nicht geheuer. Um die Möglichkeit einer Blutung auszuschließen, schickte sie mich zum CT ins Krankenhaus. Dass die vermeintliche Überweisung eigentlich eine Einweisung war, war mir definitiv nicht klar – sonst hätte ich mich möglicherweise anders entschieden. Doch weil ich schon mal im Krankenhaus war, als ich es merkte, weil es mir wirklich schlecht ging und es keine andere Möglichkeit gab,  ließ mich stationär aufnehmen.

Selbst gestandene Ärzte fühlen sich manchmal hilflos, wenn sie plötzlich Patienten sind, und überlassen sich ihrem Schicksal, sprich ihren Kollegen. Kein Wunder also, dass ich, einmal in der Krankenhausmaschinerie gefangen,  die vorgeschlagenen Untersuchungen brav über mich ergehen ließ: neben dem gewünschten CT  auch eine Lumbalpunktion, obwohl einige (harmlosere) mögliche Nebenwirkungen genau die Symptome waren, deretwegen ich ins Krankenhaus gekommen war: Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Wie heißt es so schön: den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Bis zum Abend fühlte ich mich elend, dann waren die Beschwerden ebenso plötzlich verschwunden, wie sie am Morgen gekommen waren. Warum, weiß niemand. Unverhofft kommt eben oft.  Immerhin weiß ich jetzt, dass ich weder eine Hirnblutung noch eine Gehirnentzündung habe – und dass eine Lumbalpunktion nicht so schmerzhaft ist wie befürchtet.

Auf weitere Untersuchungen verzichtete ich am nächsten Tag, auf eigene Verantwortung, gegen ärztlichen Rat. Trotzdem dauerte es noch fast bis zum Abend, ehe ich entlassen wurde. Denn die Krankenhausmühlen mahlen manchmal eben recht langsam, auch wenn alle sich redlich Mühe geben. Dem geschenkten Sonntag am Meer folgt der verlorene im Krankenhaus. Wie gewonnen, so zerronnen.

Doch damit nicht genug: Während ich diese Zeilen weingummikauend schrieb, habe ich eine Zahnkrone verloren. Und so steht als Nächstes ein ungeplanter Besuch bei meiner Zahnärztin an. Ich rechne übrigens fest damit, dass sie mir genau die Zeit vorschlagen wird, die ich mit Frau M. verabredet habe, um den ausgefallenen Termin von letzter Woche nachzuholen. Denn wie gesagt: Die mir unbekannte Macht setzt zurzeit alles daran, meine Pläne zu durchkreuzen.

Freiwillig fasten

Ostern, Ende der Fastenzeit: Auch ich habe in diesem Jahr „gefastet“, sprich, auf etwas verzichtet. Besonders originell ist das nicht. Nach einer Umfrage der Krankenkasse mhplus hat jeder achte Deutsche in der Fastenzeit auf etwas verzichtet. Offenbar ist die Fastenzeit vor allem bei jungen Menschen beliebt: 17 Prozent der 18- bis 34-Jährigen machen mit, aber nur neun Prozent der über 55-Jährige.

Das wundert mich übrigens nicht, denn viele (katholische) Angehörige der Generation 55+ mussten wohl als Kinder von Aschermittwoch bis  Ostern auf Süßes verzichten. Das ist mir früher viel schwerer gefallen als heute, obwohl – oder weil – wir damals nur wenig Süßigkeiten bekamen und uns ohne Taschengeld auch keine kaufen konnten. Das Angebot in den Läden ind unserem Dorf war sehr überschaubar. Außerdem: In der Fastenzeit dort etwas zum Naschen kaufen, ging gar nicht. Die soziale Kontrolle hat perfekt funktioniert. Wer in der Fastenzeit naschte, hatte ein schlechtes Gewissen.

Was man freiwillig tut, klappt besser. Rund 70 Prozent derer, die in diesem Jahr gefastet haben, haben es laut Umfrage der Krankenkasse geschafft, konsequent Verzicht zu üben. Auch mir ist es gelungen, sicher auch, weil ich selbst bestimmt habe, worauf ich verzichten wollte. So kam der Verzicht auf Kaffee für mich nicht in Frage: ohne Kaffee geht bei mir gar nichts. Das hätte ich nie und nimmer durchgehalten.

Der Verzicht auf Alkohol ist mir dagegen nicht schwer gefallen, denn ich trinke ohnehin nur selten – und wenn, nur sehr wenig. Auch beim von den Kirchen initiierten Autofasten mitzumachen, war leicht – ich bin nur zwei oder dreimal Auto gefahren, wenn es keine vernünftige andere Möglichkeit gab.  Aber ich benutze auch sonst lieber Öffis oder das Fahrrad.

Ein bisschen schwerer war es, sechs Wochen lang keine Schokolade und keine Gummibärchen zu essen. Letzteres habe ich zugegebenerweise an manchen Frusttagen nur geschafft, weil meine Lieblingsweingummis (die original englischen von Bassets) bei uns im Ort nicht aufzutreiben waren. Der Weg nach Hannover war mir einfach zu weit – und die Sucht nicht groß genug.

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Gute Zeit für Osterhasen (Foto: utz Schmidtko)

Aber jetzt ist sie vorbei, die Fasten- und damit auch die Schonzeit für Schokohasen. Darunter leiden musste der arme lila Osterhase: Er hat sein Namensfest leider nicht überlebt!

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Ende der Schonzeit (Foto: Utz Schmidtko)

Eine geschenkter Sonntag

Man kann planen, so viel man will, es kommt immer anders. Oder unverhofft kommt oft. Dass das stimmt, kann ich nur bestätigen. Ich mag es, wenn alles nach Plan verläuft – und bin doch Spezialistin darin, Pläne über den Haufen zu werfen. Meist eher unfreiwillig. Manchmal denke ich, irgendeine (höhere) Macht wartet nur darauf, dass ich einen Termin in meinen Terminkalender eintrage – um dann etwas dagegen zu unternehmen.

Vor ein paar Tagen beispielsweise. Dass ich am Dienstag zu meiner Mutter an die Mosel fahren wollte, war lange geplant – der Termin genau eingepasst zwischen Korrekturterminen von zwei Zeitschriften, für die ich arbeite. Doch weil wir mit der ersten Zeitschrift früher fertig waren als vorgesehen, disponierte ich um, wollte schon am Montag  fahren. Ich hatte gerade meine Mutter informiert und wollte die Fahrkarte buchen, als der Anruf kam: Eine Frau, die ich  interviewen sollte, hatte ausgerechnet am Montagnachmittag für mich Zeit. Alles auf Anfang, zurück auf Los. Sprich: zum ursprünglichen Reisetermin. Wie gut, dass ich inzwischen 60 bin und eine Bahncard 50 für Senioren habe und deshalb flexibel bin.

Doch manchmal ist es gut, wenn Pläne sich ändern. Der unverhofft freie Sonntag und der halbfreie Montag bescherten mir einen wunderschönen Sonn(en)tag am Meer – mit strahlend blauem Himmel, Sonne satt, langen Spaziergängen am Strand und im Watt, Füßen im Sand. Selbst der Wind hatte ein Einsehen und blies an diesem geschenkten Frühlingstag ausnahmsweise nicht.

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Am Meer – Füße im Sand (Fotos: Utz Schmidtko
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Körbe am Strand

Und so konnten wir in der Sonne sitzen, Latte Macchiato und Eis im Strandcafé von Döse und einen Fischteller im vielleicht besten Fischimbiss in und um Cuxhaven genießen.

Nur das Meer machte mal wieder, was es wollte: Es war wieder einmal nicht da, als wir kamen, und schon wieder weg, als wir am Montag wieder nach  Hause fuhren. Doch das war laut Tidenkalender genau nach Plan.