Hexenküche und andere Felsen

In meinem Blog Chaosgärtnerinnen habe ich Ende Februar das Gedicht „Früh im Jahr“ von Georg Britting erwähnt (https://chaosgaertnerinnen.de/frueh-im-jahr). Für alle, die sich es nicht kennen: Eine alte Frau erzeugt darin in ihrer Küche tief unter der Erde einen Hauch von Frühling und die entsprechenden Gerüche, weil ihr ein Topf „mit Sud vom Gewürztem“ überkocht. Das ist, ich gebe es zu, nur eine verkürzte, sehr prosaische Version der letzten Strophe des Gedichts, das natürlich im Internet zu finden ist (http://britting.de/gedichte/4-135.html).

Gestern bin ich nun bei einer Wanderung im Harz an der Hexenküche vorbeigekommen – zumindest am oberirdischen Teil, einer Felsformation aus Granit. Ob Goethes Faust hier von Mephisto den Zaubertrank bekommen hat, der ihn verjüngte und für alle Frauen attraktiv machte, weiß ich nicht. Den Zugang zur unterirdischen Küche im felsigen Tief habe ich weder gesucht noch gefunden. Denn dunkle Erdhöhlen sind nicht so mein Ding, Felsen und Aussichtspunkte mag ich dagegen sehr. Und davon gab es auf unserer Wanderung von Bad Harzburg ins Okertal einige.

Die Hexenhüche

Die Kästeklippen ganz in der Nähe der Hexenküche zum Beispiel. Zu ihnen gehört auch eine Gesteinsformation, die an ein Gesicht erinnern soll und daher – passend zur alten Frau, die in der Hexenküche kocht – den Namen „Der Alte vom Berge“ trägt. Von der einen Seite der rund 600 Meter hohen Klippen hat man einen schönen Blick über das Okertal bis ins nördliche Harzvorland, von der anderen sieht man den Brocken. Und man bekommt eine Ahnung von den Schäden, die Borkenkäfer und Stürme in den letzten Jahren angerichtet haben.

Blick von den Kästeklippen übers Okertal …

Sie haben auch unsere Wanderung beeinflusst. Denn viele schmale Wanderwege sind von umgestürzten Bäumen blockiert: Teilweise mussten wir leider auf breiten Wirtschaftswegen statt auf naturbelassenen Pfaden wandern. Die Stiefmutterklippen waren gar nicht erreichbar und als wir versuchten, den steilen Naturweg von den Feigenbaumklippen Richtung Romkerhaller Wasserfall hinab zu steigen sind wir umgekehrt, weil der Pfad durch umgefallene Bäume unpassierbar war.

… und von den Feigenbaumklippen. Foto Foe Rodens

Den Wasserfall haben wir dann doch erreicht; ziemlich steil und naturbelassen war auch dieser Pfad entlang der Kleinen Romke. Der Bach speist den Romkerhaller Wasserfall, den höchsten Wasserfall im Harz: Über einen rund 350 Meter langen Kanal wird das Wasser zur Romkeklippe geleitet. Von dort stürzt es 64 Meter tief in ein großes Becken und fließt in die Oker.

Der Wasserfall wurde 1863 künstlich angelegt, um die kurz vorher gebaute Gaststätte, die damals noch „Restauration und Logirhaus“ hieß, attraktiver zu machen. Eine Attraktion ist der Wasserfall heute noch, zumindest wenn es so viel geregnet hat wie in den vergangenen Wochen. In trockenen Sommern wird die Kleine Romke dagegen oft zum Rinnsal – und der Wasserfall entsprechend klein und für viele Besucher eine Enttäuschung.

Viel Regen – viel Wasser

Das gilt auch für die Oker. Sie führt vor allem im Sommer mitunter nur wenig Wasser – nicht nur, aber auch weil die Okertalsperre den Wasserdurchfluss reguliert und reduziert.

Doch davon, dass der Bach mitunter nur still vor sich hinplätschert, darf man sich nicht täuschen lassen: Wenn im Wasserkraftwerk die Turbinen angeworfen werden, strömen nach Angaben der Harzwasserwerke rund 6,5 Kubikmeter pro Sekunde aus dem Wasserkraftwerk in die Oker und verwandeln sie in einen wilden Fluss – und in ein Eldorado für Wildwasserkanuten und -kajakfahrer. Das geschieht meist geplant zu bestimmten Zeiten – in der Regel morgens und abends – , aber gelegentlich auch außerplanmäßig.

Wir werden gewiss wiederkommen – um zu wandern, um noch mehr Klippen zu bewundern und um die Wildwasserfahrer auf der laut Harzwasserwerken anspruchsvollsten Wildwasserstrecke Norddeutschlands in Aktion zu sehen. 

Vom Gehen

Ich gehe. (Noch) nicht wirklich aus Überzeugung, sondern weil mein Knie es will.

Ich bin mein Leben lang gelaufen – alle möglichen Strecken von kurzen Sprints bis zu langen Ultraläufen, von 100 Meter bis 100 Kilometer. Laufen war für mich ein wichtiger Teil des Alltags und meines Lebens: Ich habe laufend Frust und Stress abgebaut, die Seele baumeln lassen, entspannt, die Natur genossen, über Gott und die Welt nachgedacht und mit meinen Mitläuferinnen und Mitläufern viele gute Gespräche geführt. So mancher Text ist teilweise beim Laufen entstanden – und für manches Problem habe ich laufend eine Lösung gefunden. Kein Wunder, dass es mir schwerfällt, das Laufen aufzugeben. Aber nach einem Sturz und einer Operation vor ein paar Jahren quittiert mein Knie jeden Laufversuch mit Schmerzen, zwingt mich, es langsamer angehen zu lassen, zu gehen statt zu laufen.

Eigentlich gehe ich ganz gerne: Ich will in diesem Jahr endlich einmal den Hexenstieg im Harz erwandern, außerdem ein Stück von Rhein- und Moselsteig. Und im Herbst möchte ich zum Wandern in die Alpen. Ich erkunde fremde Orte am liebsten zu Fuß und es käme mir auch nie in den Sinn, mit dem Auto ins Dorf einkaufen zu fahren. Ich fahre mit dem Fahrrad – oder ich gehe. Aber daran „nur“ spazieren zu gehen, muss ich mich erst gewöhnen.

Auf dem Moselsteig …

Vielleicht wirken da die langweiligen Sonntagsnachmittagsspaziergänge nach, die ich als Kind mit meinen Eltern und meinen Geschwistern unternehmen musste. Rennen, auf Baumstämmen oder Mäuerchen balancieren, mit den lackbeschuhten Füßen Steine wegzukicken oder der den vorgeschriebenen Weg zu verlassen, war nicht erlaubt. Höchste Zeit, diesen Erfahrungen Positives entgegenzusetzen.

„Es ist nie zu spät, neu anzufangen“, heißt das Buch von Julia Cameron, das ich gerade lese. Sie hält Gehen für eine der wertvollsten kreativen Techniken. Und sie ist bei Weitem nicht die erste und die einzige, die drauf schwört: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“, sagte einst Johann Wolfgang von Goethe. Und mehr noch: „Was ich nicht erlernt habe, das habe ich erwandert.“ Der Philosoph und Schriftsteller Søren Kierkegaard hat sich, so seine Worte, seine besten Gedanken ergangen und kennt „keinen Kummer, den man nicht weggehen kann“. Virginia Woolf liebte Spaziergänge nicht nur, aber auch in London. Sie nannte sie Street Haunting und verewigte in dem gleichnamigen Essay verewigte. Und für ihre Kollegin Elizabeth von Arnim war wandern „die vollkommenste Art der Fortbewegung, wenn man das wahre Leben entdecken will. Es ist der Weg in die Freiheit.“ Brauche ich noch mehr Gründe, es auch zu versuchen?

Im Stapel der ungelesenen Bücher entdecke ich ein Buch des Schweizer Schriftstellers Franz Hohler mit dem Titel Spaziergänge. Es ist ein Mängelexemplar – ich habe es wohl vor ein paar Jahren antiquarisch gekauft, als ich ahnte, dass ich wohl nicht mehr laufen kann, sondern eher gehen sollte. Jetzt schlage ich es auf und fange an zu lesen: Hohler beschloss vor ziemlich genau zehn Jahren, im März 2010, jede Woche irgendwohin zu gehen und darüber zu schreiben.

Vielleicht ist das ja gar keine schlechte Idee. Julia Cameron empfiehlt in ihrem Buch zwei Spaziergänge pro Woche – allein, ohne Begleitung. Nur meine Kamera, mein Notiz- und mein Tagebuch nehme ich mit – und mein Skizzenbuch. Denn ich will zeichnen lernen. Und es ist ja bekanntlich nie zu spät, neu anzufangen.

Beim Gehen immer dabei: Tagebuch, Skizzenbuch und Notizbuch

Würmsee im Blick

Erfunden hat sie Tabea Heinicker, Eva Fuchs führt die Fotoaktion seit einigen Jahren auf ihrem Blog (https://evafuchs.blogspot.com/search/label/12telBlick) und auf ihrer Instagram-Seite (@verfuchst.insta) fort. Eva Weinig (http://meine-gartenzeit.de/2020/01/13/5-blickwinkel-12-monate-januar/) hat die Idee aufgegriffen und mich inspiriert: Ich werde unseren Garten jeden Monat aus den gleichen Blickwinkeln fotografieren und die Fotos im Blog Chaosgaertnerinnen (https://chaosgaertnerinnen.de/garten-im-blick-januar) veröffentlichen.

Weil mir das Projekt aber so gut gefällt, möchte ich an dieser Stelle ein Jahr lang jeden Monat Fotos von einem meiner Lieblingsorte in meinem Wohnort posten: vom Würmsee im Orts-, pardon Stadtteil Kleinburgwedel.

Würmsee im Februar

Vor fast einem Jahr habe ich den kleinen See schon einmal vorgestellt https://timetoflyblog.com/kunst-am-see: So oft ich kann fahre ich mit dem Rad dorthin – meist gehe oder laufe ich um ihn herum, das dauert, weil der See eigentlich nur ein Teich und ziemlich klein ist, nur ein paar Minuten. Manchmal stehe oder sitze ich aber auch einfach nur am Ufer, genieße die Ruhe und schaue auf das Wasser, das ich, je älter ich werde, umso mehr vermisse.

Wasser zieht nicht nur mich magisch an. Schon vor hundert Jahren war der Würmsee ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Menschen in Burgwedel und Umgebung. In den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts sollen an Wochenenden Hunderte Menschen dorthin gepilgert sein. So viel Betrieb ist heute dort Gott sei Dank nicht, auch wenn der See seit ein paar Jahren wieder eine kleine Renaissance erlebt. Zum Erlebnis Würmsee tragen sicher auch die (Kunst)Objekte am Ufer bei. Sie gefallen nicht allen, aber vielen – mir auch.

… trotzdem wagt eine Dame leicht bekleidet ein Sonnenbad

Die Plätze auf der kleinen Holzplattform und auf den beiden Liegen sind bei schönem Wetter fast immer besetzt – nicht nur von Badenixen aus Pappmaché. Baden kann man heute im See nicht mehr – früher, bevor das Freibad gebaut wurde, haben viele Burgwedeler dort schwimmen gelernt. Wer wollte, konnte ein Boot leihen und in See stechen. Heute würde man leider im Schlamm steckenbleiben. Denn der See verlandet, obwohl ständig Wasser hineingepumpt wird.

Lieblingsplatz Steg

Am gegenüberliegenden Ufer gab es einen kleinen Badestrand mit Sand – heute führt ein Steg in den See hinein. Dort sitze ich im Sommer oft, bis mich die Mücken vertreiben, träume von einem Haus oder einer Hütte am See – leben und schreiben mit Blick aufs Wasser.

Ein paar Meter weiter erinnert eine nachgebaute Hütte an die Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg am See wohnten. Unfreiwillig eher. Denn die einfachen Hütten im Wald boten denen Zuflucht, die ausgebombt waren oder geflüchtet vor einem Krieg, den sie selbst und die von ihnen gewählten Faschisten angezettelt hatten. Ob sie einen Blick hatten für die schöne Seesicht, um die ich sie beneide?

(K)ein Traum von schöner wohnen: Haus am See

Winterwanderung

Den ersten und vermutlich auch den letzten Schnee dieses Winters habe ich am vergangenen Wochenende gesehen. Nicht hier, im norddeutschen Flachland, sondern im Harz. Schnee lag auch dort erst ab ungefähr 800 Meter. Nicht wirklich viel, aber genug für ein bisschen Winterfeeling.

Gemeinsam mit Foe Rodens bin ich an zwei Tagen ab Torfhaus, der Basisstation für Wanderer und Wintersportler, gewandert. Am Freitag ging‘s auf den Brocken, der uns als höchster Berg Norddeutschlands besonders schneesicher schien. In den vergangenen Jahren bin ich gut ein dutzend Mal dort hinauf gewandert – aber noch nie im Winter.

Mystisch: der Brocken im Winter und im Nebel

Die Wanderung im Schnee war ein besonderes Erlebnis – und besonders eindrucksvoll, weil irgendwann unterwegs die Sonne hervorkam und sich der Gipfel unter blauem Himmel präsentierte. Die Landschaft war teilweise im Nebel verschwunden, ich hatte das Gefühl, über den Wolken zu sein, wo die Freiheit ja angeblich grenzenlos ist. Und irgendwann stieg aus dem Nebel ein Heißluftballon hervor.

… und aus dem Nebel steiget …

Unser Wanderziel am Sonnabend hat Foe entdeckt. Zum Glück, denn ich hatte von der Wolfswarte bisher noch nichts gehört. Dabei liegt die Felsformation nur etwa dreieinhalb Kilometer von Torfhaus entfernt – und zählt bei Naturliebhabern zu Recht zu den schönsten Wanderzielen im Harz. Schöner als auf dem viel berühmteren Brocken ist es auf dem Nebengipfel des Bruchbergs allemal – und längst nicht so überlaufen.

Blick von der Wolfswarte über den Harz. Im Hintergrund Altenau

Von der Wolfswarte hat man einen herrlichen Panoramablick über den westlichen Oberharz, zum Beispiel auf Altenau und Teile des Okerstausees. Doch nicht nur wegen des Ausblicks lohnt die Wanderung: Schon der Weg dahin ist so, wie ich mir einen Wanderweg wünsche: schmal, naturbelassen, teilweise recht steinig und feucht und daher bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt recht glatt.

Der Weg ist das Ziel . Foto: Foe Rodens

Ich werde sicher wiederkommen – und vielleicht beim nächsten Mal von Altenau aus das Hochplateau erwandern. Dann werde ich auch den 927 Meter hohen Gipfel des Bruchbergs erklimmen und das Naturdenkmal Okerstein besuchen, ehe ich hoffentlich wieder bei Sonnenschein und höheren Temperaturen den Ausblick von der Wolfswarte genieße.

Lichtmess, Imbolc und die Geburt des Frühlings

Heute ist Lichtmess – der Tag, der jetzt in der katholischen Kirche offiziell Darstellung des Herrn heißt. Am 2. Februar endet – 40 Tagen nach dem Fest – die Weihnachtszeit. Erst an Lichtmess wurden traditionell in manchen katholischen Familien Krippe und Weihnachtsbaum abgeräumt.

So lange schaffen es unsere Weihnachtsbäume nie. Der letzte liegt schon seit Anfang Januar – in kleine Stücke zerschnitten – im Garten und wartet darauf, zur Grünannahme gebracht zu werden. Aber unsere Krippe werde ich heute abbauen und in den Keller bringen. Nur das kleine schwarze Schaf verlässt die heilige Familie und geht seinen eigenen Weg: Es zieht auf meinen Schreibtisch um und begleitet mich in diesem Jahr.

Dagegen verschwinden der Stern über meinem Bett und die Lichterkette am Fenster meines Arbeitszimmers bis Ende November in der Versenkung – sprich in den Weihnachtskisten. Ich brauche sie nicht mehr so dringend, wie in den letzten Wochen. Denn draußen ist es schon merklich länger hell – die Sonne geht etwa 35 Minuten früher auf und etwa 50 Minuten später unter als am kürzesten Tag des Jahres. Es geht wieder aufwärts, wenn auch langsam.

Angeblich haben die Kelten an Lichtmess oder Imbolc, wie der Tag im keltischen Jahreskreis heißt, zuerst alle Lichter in den Höfen gelöscht, bevor sie symbolisch mit heiligem Feuer wieder entzündet wurden. Sie feierten an diesem Tag die Geburt des Frühlings. Und es war der Beginn des bäuerlichen Arbeitsjahrs: Je nach Wetter fing die Feldarbeit wieder an. „An Lichtmess fängt der Bauersmann neu mit des Jahres Arbeit an“, hieß es.

Deshalb wage ich es auch, einige Pflanzen auszuwildern, die bis im Wintergarten überwintert: zwei Gaultherias, eine Christrose und ein paar Tulpen, die mein Mann mir schon Mitte Januar als Vorfrühlingsgruß mitgebracht hat.

Gruppenbild vor dem Umzug

Gaultherias und Helleborus macht Kälte ohnehin nichts aus – und bei Temperaturen, die nicht wirklich winterlich, sondern eher frühlingshaft sind, haben sogar die Tulpen draußen eine faire Chance.

Winter- und Frühlingspflanzen einträchtig nebeneinander: Gaultheria, Schneeglöckchen und Hyazinthe

PS:

Ein Freund aus meinem Heimatort an der Mosel hat den Blogpost gelesen und sich erinnert:

„Bei den Winzern gibt es den Spruch: ‚Mariä Lichtmess – spinnen vergess, Krümmes in de Hand un in de Wingert gerannt‘. Mein Vater hat ihn immer wieder gerne aufgesagt, damit allen klar war, dass jetzt wieder die Arbeit draußen beginnt. Übrigens: In der Weihnachtszeit wurden früher in den Winzerstuben die Weiden gemacht. Die Weiden wurden zuerst in zwei oder drei, sehr selten in vier Teile gespalten und dann mit der Weidenkneip auf der Innenseite geglättet indem man sie unter der Klinge auf einem Stück Leder, das man auf dem Knie festgebunden hatte, durchzog. Die Weiden wurden dann zum Binden der Reben an die Stöcke benutzt. Diese Winterarbeit habe ich als Jugendlicher noch gelernt und gemacht. … das war reine Männersache! Die Männer haben sich gegenseitig besucht, brachten die ein odere andere Flasche vom neuen Wein mit und haben die Weltpolitik wieder ins Lot gebracht … „

Wenn das immer noch funktionieren würde, sollte man auch heute wieder die Reben mit Weiden statt mit Plastik an die Drähte binden. Nötig hätte die Politik es. Und ökologischer wär’s außerdem …

Zwischen den Jahren

Es ist wieder so weit: Heute endet das Jahr, morgen beginnt ein neues Jahr – und die Zwanziger Jahre. Das neue Jahrzehnt startet erst am 1. Januar 2021, weil die weltweit gültige Zeitrechnung kein Jahr 0 kennt, sondern mit dem Jahr 1 nach Christus anfängt, das der Mönch Dionysius Exiguus Anfang des 6. Jahrhunderts festgelegt hat.

Die Zeit zwischen den Jahren dauert noch bis zum 6. Januar. Diese Zwischenzeit hängt zum einen mit der unterschiedlichen Dauer von Mond und Sonnenjahr zusammen. Denn das Mondjahr mit zwölf durchschnittlich etwa 29,5 Tage langen Monaten ist zwölf Tage kürzer als das Sonnenjahr, das in der Regel 365 Tage dauert. Zum anderen endete das alte Jahr bis zur Neuzeit bereits am 24. Dezember, das neue Jahr begann dagegen bis zur Einführung des gregorianischen Kalenders erst am 6. Januar. Die zwölf Nächte zwischen dem Heiligen Abend und dem Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphania oder heilige drei Könige) gelten laut Wikipedia seit dem Konzil von Tours im Jahr 567auch offiziell als besonders verehrungswürdig https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischen_den_Jahren

Auch der Tag der Wintersonnenwende am 21. Dezember gehört seit alters her zu den besonderen, den heiligen Nächten in denen die Tore zu der anderen Welt offenstehen. So gelangen Dämonen, Geister und andere wilde (= raue) Gesellen in unsere Welt, ziehen als wilde Jagd durchs Land und treiben ihr Unwesen. Und weil die Grenze zwischen beiden Welten in dieser Zeit durchlässig ist, nutzen Menschen seit alters her die sogenannten Losnächte, um einen Blick in die Zukunft zu erhaschen. Selbst für diejenigen, die nicht abergläubisch sind, die weder an Geister, an andere Welten und die dazugehörenden Wesen glauben noch an die besondere Kraft der Raunächte, ist der bevorstehende Jahreswechsel Anlass, über das vergangene Jahr nachzudenken, Pläne zu schmieden und gute Vorsätze für das neue Jahr zu fassen.

Für mich war 2019 ein schwieriges Jahr. Anfang des Jahres ist mein Lieblingscousin gestorben, im Juli meine Mutter und Ende des Jahres auch noch ein Klassenkamerad, mit dem ich zusammen Abitur gemacht habe. Mein Mann ist schwer erkrankt, ein Freund hat einen Zusammenbruch nur mit viel Glück überlebt, eine gute Bekannte kämpft gegen den Krebs und um ihr Leben. Die Einschläge kommen näher, aber das ist wohl so, wenn man die 60 überschritten hat.

Lohnender Besuch: Bretten in Baden-Württemberg

Die meisten guten Vorsätze vom Jahresanfang habe ich leider nicht in die Tat umgesetzt. Ich habe es weder geschafft, jede Woche ein Buch zu lesen noch jede Woche einen Blogpost zu schreiben – aber mit rund 50 gelesenen Büchern und 40 Blogbeiträgen fällt die Bilanz besser aus als befürchtet. Aus den geplanten Reisen und Wanderungen ist nichts geworden. Ich war nicht in Amsterdam und nicht in Paris und ich habe auch nicht den gesamten Hexenstieg erwandert. Aber immerhin habe ich ein paar sehr hübsche Orte kennengelernt, die nicht auf meiner To-visit-Liste standen und die ich auch sicher nie besucht hätte, wenn meine Pläne nicht durchkreuzt worden wären. Bretten zum Beispiel, Baden-Baden oder Ratzeburg. Und ich weiß jetzt genau, wo ich ich nie leben möchte – doch die Namen der beiden Orte nenne ich an dieser Stelle nicht.

Dieses Jahr war sicher nicht das beste meines Lebens und ich bin irgendwie froh, dass es bald vorbei ist. Aber ich habe natürlich auch Positives erlebt. Ich konnte zwei große Belastungen hinter mir lassen; mein Mann ist nach zwei Operationen wieder auf dem Weg der Besserung. Ich habe ein neues Hobby entdeckt, das mein Leben im wahrsten Sinne des Wortes bunter macht, eine neue Freundin gefunden und einen alten Freund wiedergefunden. Und viele haben mich in diesem Jahr begleitet, getröstet und unterstützt. Ihnen allen vielen Dank. Es gibt also gute Gründe, positiv ins neue Jahr zu schauen, das am anderen Ende der Erde schon begonnen hat, während ich diese Zeilen schreibe.

Mein Leben wird bunter

Weil die Heiligen Nächte zwischen den Jahren noch andauern, möchte ich den Blog mit einem abgewandelten irischen Segenspruch beenden, der am Tag vor dem Heiligen Abend in meinem Adventskalender gestanden und der mich sehr beeindruckt hat: „In den Heiligen Nächten möge Frieden dein Gast sein und das Licht der Weihnachtskerzen weise dem Glück den Weg zu deinem Haus.“  Und mit einem Foto, das Foe Rodens am anderen Ende der Welt bei Auckland aufgenommen hat, dort, wo die Zwanziger Jahre schon begonnen haben.

Sonnenuntergang bei Auckland, fotografiert von Foe Rodens

Von schönen Geschenken und unerwarteten Gefahren

Jetzt ist Weihnachten wieder vorbei. Die geschenkten Bücher sind leider schon gelesen. Eine neue Tasse bringt mit ihren bunten Punkten frühmorgens, wenn ich noch im Bett den ersten Kaffee trinke, Farbe und Fröhlichkeit in mein Leben. Das Notizbuch habe ich schon eingeweiht, Kalender und Bulletjournal warten noch auf den Beginn des neuen Jahres und auf ihren Einsatz.

Kalender + Notizbuch – handgemacht von Foe Rodens

Meine Blogpartnerin Foe, die mein Faible für schöne Bücher und Notizbücher kennt, hat sie selbst gemacht und mir geschenkt – wer möchte, kann die Ledereinbände für Notizbücher und Kalender bestellen unter https://foerodens.wordpress.com/ledereinbande-fur-notizbucher.

Der Weihnachtsbaum nadelt zwar noch nicht, hat sich aber schon gestern mit den unteren Zweigen auf dem Boden abgestützt, als brauche er zusätzlichen Halt. Heute Morgen neigte er sich bedenklich, drohte auf die Krippe zu stürzen, die wir auch in diesem Jahr wieder aufgestellt haben – wie im vergangenen Jahr, als meine Mutter Weihnachten mit uns feierte. Zum letzten Mal, im Sommer ist sie gestorben.

Um meiner Mutter eine Freude zu bereiten, hatte ich das Essen gekocht, das es in meiner Kindheit bei uns zu Hause gab – Fleischsalat mit Rindfleisch und selbst gemachter Eiermayonnaise. Obwohl ihr Gedächtnis sie immer häufiger im Stich gelassen hat, konnte sie sich genau an das Rezept erinnern – und an die Lieder, die wir gesungen haben. Auch über die Krippenfiguren hat sie sich gefreut. Ich hatte sie vor dem Sperrmüll gerettet und ihnen bei uns Asyl gewährt.

Der Weihnachtsbaum ist wieder im Lot. Über der Krippe leuchtet zwar kein Stern, aber die Menora, der siebenarmige Leuchter.

Doch jetzt drohten der heiligen Familie, den Hirten und Schafen Ungemach von unserem Weihnachtsbaum. Um zu verhindern, dass sie erschlagen werden, haben wir die unteren Zweige abgeschnitten, den Baum wieder aufgerichtet und fest im Ständer verankert. Eine stachlige Angelegenheit, denn der Blaufichte sollte man sich nur mit Schutzkleidung nähern. Der Lohn der Mühe: Die untere Etage duftet jetzt intensiv nach Harz und nach Weihnachten – und dank einiger abgeschnittener Zweige hoffentlich auch mein Arbeits- und Schlafzimmer unterm Dach.

Von Daten- und anderen Umzügen

Einige, die sich über die lange Pause gewundert und versucht haben, Time to fly aufzurufen, haben es gemerkt: Der Blog war eine Zeit lang nicht zu erreichen. Das hatte einen Grund: Der Blog ist umgezogen. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn auch Daten lassen sich offenbar nicht immer ganz einfach transferieren. Da unterscheidet sich der Umzug eines Blogs nicht von einem Umzug im richtigen Leben. Und ohne die Hilfe einer Webmasterin hätte ich es nicht geschafft. Danke Silke.

Warum ich es trotzdem getan habe – aus Bequemlichkeit, weil ich von Technik keine Ahnung habe und wegen der Datensicherheit. Um die Sicherheitsupdates kümmert sich jetzt der Anbieter, der meinen Blog hostet.  Ich schreibe derweil lieber Blogbeiträge – und zwar wieder regelmäßig. Das ist der erste gute Vorsatz fürs neue Jahr, diesmal schon vor Weihnachten.

Für alle, die meinen Blog abonniert haben, ändert sich nichts, die Adresse ist die gleiche geblieben und der Versand funktioniert hoffentlich auch.

Apropos Umzug: Ich habe seit Sommer noch eine zweite Adresse sprich einen zweiten Blog. Gemeinsam mit Foe Rodens blogge ich über Pflanzen, den eigenen und fremde Gärten und Balkongärten. Auch diesen Blog haben wir in den vergangenen Wochen vernachlässigt. Doch auch das soll besser werden. Denn Foe zieht um – und kann in der neuen Wohnung endlich den Traum vom eigenen Garten verwirklichen. Sie hat also ab kommendem Frühjahr viel zu erzählen. Und wenn die heiße Phase des realen Umzugs vorbei ist, wird sie sicher mit der Planung beginnen.

Wer will – und es noch nicht getan hat – kann den Blog abonnieren unter

https://chaosgaertnerinnen.de/

Hildesheim: Kirchen, Kunst und Weltkulturerbe

Letzte Woche war ich in Hildesheim. Die Stadt stand schon lange auf meiner Da-will-ich-unbedingt-mal-hin-Liste – Neudeutsch: To-visit-Liste. Denn obwohl ich schon seit mehr als 30 Jahren bei Hannover lebe, war ich erst einmal in Hildesheim. Und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich außer der Halle, in der meine damals zehnjährige Tochter Tennis gespielt hat, nichts von der Stadt gesehen habe.

Zuerst dachte ich, ich hätte nichts versäumt. Denn der Weg vom Bahnhof in die Innenstadt erinnerte mich ein bisschen an meinen Besuch in Bielefeld – und machte eher Lust aufs Umkehren: Ein Billigladen reiht sich an den anderen, die Leute in Eile, so als wollten sie nur eins – so schnell wie möglich weg. Vielleicht lag das auch am Wetter, das an diesem Novembertag zeitweise nicht sonderlich einladend war. Aber manchmal trügt der erste Eindruck eben doch. Nicht nur die Stadt, auch das Wetter wurde besser.

Schon der Marktplatz von Hildesheim ist eine Reise wert. Dass die  meisten Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, sieht man nicht. Das Rathaus an der Ostseite des Marktplatzes wurde ebenso wieder aufgebaut wie das Tempelhaus mit dem Renaissance-Erker, das Wedekindsche Haus mit den allegorischen Darstellungen an der geschnitzten Fassade, das Rolandhaus mit dem stattlichen gotischen Staffelgiebel, in dem seit Ende des 18. Jahrhunderts die verarmten Töchter evangelischer Bürger leben konnten, und das Bäckeramtshaus mit dem offenen Arkadengang zur Rathausstraße und dem mit Backsteinen gefüllte Fachwerk.

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Wie alt: Der Marktplatz von Hildesheim mit dem Wollenwebergildehaus, Rokokohaus und dem Bäckeramtshaus (von rechts)

Auch die Michaeliskirche und der Mariendom sind nach dem Krieg auferstanden aus Ruinen – und zählen mit ihren sakralen Kunstwerken seit 1985 zum Unesco Weltkulturebe. Der Mariendom, ursprünglich Mitte des 9. Jahrhunderts gebaut, ist eine der ältesten Bischofskirchen Deutschlands. Mir gefällt die Schlichtheit – und natürlich der Kreuzgang mit dem angeblich 1.000 Jahre alten Rosenstock, dem Wahrzeichen der Stadt und des Bistums Hildesheim. Der ist im Übrigen keine Edel-, sondern eine gewöhnliche Heckenrose (Rosa canina L)

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Der Rosenstock, mit dem angeblich alles angefangen hat …

Der Sage nach soll Kaiser Ludwig der Fromme, Sohn und Nachfolger von Karl dem Großen, Anfang des 9. Jahrhunderts ein Reliqiengefäß in den Rosenstock gehängt haben. Als er es wieder an sich nehmen wollte, gelang ihm das nicht. Für Ludwig war das ein göttliches Zeichen – und Anlass, dort eine Kapelle zu errichten.

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… und der Dom, der kurz danach hier entstanden sein soll.

Im März 1945 verbrannte die Rose bei einem Bombenangriff und wurde verschüttet. Doch anders als der Dom überlebte die Rose ohne menschliche Hilfe: Aus ihr wuchsen noch im gleichen Jahr wieder neue Triebe. Womit bewiesen wäre (oder für alle unter meinen Leserinnen und Lesern, die Latein sprechen wie ihre Muttersprache J: Quod erat demonstrandum): Die Natur braucht uns Menschen nicht. Sie kommt auch ohne uns zurecht.

Außerdem war ich im Roemer und Pelizaeus Museum, das seinen Namen nicht den Römern verdankt, sondern seinen Begründern Hermann Roemer  und Wilhelm Pelizaeus. Besonders gut hat mir das Prunkstück, die Altägypten-Sammlung, gefallen; die Sonderausstellung Voodoo war dagegen definitiv nicht mein Ding.

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Sehenswert – außen wie innen: das Roemer und Pelizaeus-Museum

Zum Besuch der Michaeliskirche mit dem berühmten Deckengemälde aus dem 13. Jahrhundert haben meine Zeit bzw. meine Kunst- und Kirchenbegeisterung nicht mehr gereicht. Aber ich komme gewiss bald wieder. Denn ich habe mir die Museumskarte Hildesheim gekauft, mit der ich bis Ende nächsten Jahres auch das Dommuseum  das Dommuseum, das Stadtmuseum im Knochenhauer Amtshaus und das Besucherzentrum Welterbe Hildesheim besichtigen kann.

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Anlaufstelle für Touristen und Weltkulturerbe-Fans: das Tempelhaus

Wer zu spät kommt …

… den bestraft das Leben. Diese Worte von Michail Gorbaschow haben sich auch heute wieder bewahrheitet. Bevor morgen der Herbst beginnt, wollte ich noch einen Punkt von meiner To-do-Liste für diesen Sommer erledigen: schwimmen im Natelsheide See in Bissendorf Wietze. Anderthalb Jahr bin ich auf dem Weg zum Altenheim, in dem meine Mutter gelebt hat, nah am See vorbeigefahren, nie habe ich es geschafft. Im August war ich schon einmal auf dem Weg zum See, als aus heiterem Himmel Gewitterwolken aufgezogen sind und ich umkehrte.

Heute Morgen bin ich dann wieder losgezogen, um im See zu schwimmen, auf der Seeterrasse einen Milchkaffee zu trinken, aufs Wasser zu schauen und die Sonne zu genießen. Doch als ich ankam, war der Campingplatz, auf dem  der See liegt, geschlossen. Kein Kaffee, die Stege gesperrt, und im See hatten sich Algen und Seerosen ausgebreitet. Mit ihnen wollte ich nicht um die Wette schwimmen. Wer zu spät kommt …

Natelsheidesee
Blick durch den Zaun: der Natelsheidesee

Zu einem Bad im See bin ich dann doch noch gekommen, wenn auch der Weg vom Natelsheide in Wedemark-Wietze zum Wietzesee in Langenhagen wesentlich weiter und  im wahrtsten Sinne steinig war. Wer auch immer den Radweg mit so grobem Schotter hat belegen lassen – er hat sicher noch nie in seinem Leben auf einem Rad gesessen. Besonders schön war auch der restliche Weg nicht, dafür hatte ich den Wietzesee fast für mich.

Nur ein paar Sonnenhungrige lagen am Strand bzw. auf der Wiese, im Wasser war niemand. Mein Bad im See war zugegebenerweise kurz, denn das Wasser war zwar sehr klar, aber auch sehr kalt. Doch nach der langen Radtour kam die Abkühlung gerade recht.

Wietzesee
Wietzesee

Schön wars am See, und ich bin sicher, dass ich wieder hinfahren werde – auch wenn ich mir eine andere Route suchen werden. Und im nächsten Jahr werde ich es sicher schaffen, im Natelsheidesee zu  baden. Und ich werde diesen Plan gewiss nicht wieder aufschieben.