Kunst am See

Zugegeben, der Würmsee ist kein wirklicher See, eher ein Teich oder auch nur ein flacher Tümpel. Früher war er angeblich so tief, dass  die Kinder darin schwimmen lernen konnten. Das hat mir zumindest ein Paar erzählt, das aus der Gegend stammt und das ich gestern zufällig am See getroffen habe. Ich erinnere mich daran, dass es in den ersten Jahren, als ich hier war, noch einen Tretbootverleih gab und dass wir im Winter auf dem See Schlittschuh gelaufen sind. Ich habe das Eislaufen hier erst gelernt.

Entstanden ist der Würmsee durch den Torfabbau und weil er – anders als die Moorseen in der Umgebung – permanent Wasser verliert, ist er fast verlandet. Nur weil regelmäßig Grundwasser nachgepumpt wird, ist er jetzt wieder das, was er früher war: ein beliebtes Naherholungsgebiet nicht nur für Leute aus Burgwedel, sondern auch für Leute aus den umliegenden Orten.

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Der Torffresser erinnert daran, wie der See entstanden ist: durch den Torfabbau.

Auch ich war jahrelang gar nicht mehr am Würmsee – aber seit ich ihn vor zwei Jahren zufällig wiederentdeckt habe, fahre ich oft mit dem Fahrrad hin. Meist gehe ein oder zwei Runden um den See, tanke die Portion Wasserblick, die ich für mein Wohlbefinden brauche, und fahre wieder nach Hause. Wenn die Wege matschig sind, begnüge ich mich mit einem Blick auf den See. Und so habe ich erst jetzt entdeckt, was sich hier in den letzten Wochen getan hat. Um den See entsteht der „Erlebnispfad Würmsee“ mit acht Stationen. Die ersten vom Atelier LandArt entworfenen Stationen  machen Lust auf mehr.

Gut, mit den riesigen Vogelnestern, die wie auf Stelzen aus dem flachen Wasser ragen, kann ich nicht so viel anfangen. Vielleicht nehmen ja die Vögel sie in Beschlag, die hier am See wohnen. Die knallig roten Torffresser sind dagegen ein wunderschöner Farbklecks an diesem eher grauen Spätwintertag. Ich bin gespannt, wie sie aussehen, wenn um sie herum alles grün ist.

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(Sozialer) Wohnungsbau für Vögel

Wirklich gut gefällt mir die Stahlrohr-Hütte zwischen den Kiefern, Erinnerung daran, dass am See nach dem Krieg Flüchtlinge einquartiert wurden (ja, wir schaffen das).

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Damals waren die Bauvorschriften offenbar noch nicht so strikt und die Standards eher einfach.

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Und die Stege am See sind einfach toll. Auf ihnen oder in der Stahlrohr-Hütte werde ich sicher manches Mal sitzen, wenn es ein bisschen wärmer ist. Kunst zum Anfassen, zum Nutzen. Ich bin gespannt auf die nächsten Kunstwerke, die bis zum Sommer hier entstehen.

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Sommersitz

Film ab

Durchschnittlich 1,5 mal im Jahr geht – rein statistisch – jede/r Bundesbürger/in jährlich ins Kino, meldete das Statistische Bundesamt, das jetzt DESTATIS heißt, Ende Januar. Ich liege deutlich über dem Durchschnitt.

Seit Anfang des Jahres habe ich mir bereits fünf Filme angesehen. Ich tue also etwas fürs Wohlergehen der Filmbranche.

Die ersten beiden Film erzählten die Geschichte der Schriftstellerinnen Astrid Lindgren und  Colette. Auch bei Film Nummer drei stand eine Frau im Mittelpunkt – die Frau eines erfolgreichen Schriftstellers. Sie tat, was auch Colette am Anfang getan hatte: Sie schrieb  Bücher, die ihr Mann unter seinem Namen veröffentlichte. Während sich aber Colette Anfang des 20. Jahrhunderts befreite und eine erfolgreiche Schriftstellerin wurde, gelingt das Joan Castleman im Roman nicht: Sie bleibt im Schatten ihres Mannes, opfert ihm die eigene Karriere, das eigene Talentt. Wie oft ist das früher geschehen, wie oft geschieht das heute noch.

Nachdem ich den Film „Die Frau des Nobelpreisträgers“ gesehen habe, habe ich auch den Roman von Meg Wolitzer gelesen – und so eine Autorin entdeckt, die ich bisher nicht kannte.

Die Autobiographie von Hape Kerkeling werde ich sicher nicht lesen. Aber der Film: „Der Junge muss an die frische Luft“ hat mich und alle, denen ich ihn empfohlen habe, begeistert. Schon allein wegen der tollen Schauspieler, allen voran Julius Weckauf, der den kleinen Hape spielt. Ein Film, in dem Lachen und Weinen ganz nah beieinander liegen, in einem Säckchen sind, wie es früher bei uns hieß.

Und nach vier überzeugenden Filmen war da noch Film Nummer 5. Kein Spiel-, sondern ein Dokumentarfilm: Ein Mann wandert 700 km durch den Harz und filmt sich und die Landschaft dabei. Eine gute Idee eigentlich, aber gut gedacht ist ja bekanntlich das Gegenteil von gut gemacht. Eine Werbung für den Harz war der Film meiner Meinung nach nicht. Das lag vielleicht auch daran, dass es auf der Tour gefühlt fast immer regnete. Aber Freunde, die fast alle Strecken selbst gewandert sind, behaupten, sie hätten auf ihren Touren bessere Aufnahmen gemacht und schönere Stellen gefunden als die gezeigten.

Ein Ereignis war der Kinobesuch trotzdem, denn so einen Ansturm habe ich selten erlebt. Vor dem Kino bildete sich schon eine dreiviertel Stunde vor Beginn eine Schlange, die vom Eingang im Hinterhof bis zur Straße reichte. So etwas habe ich zuletzt bei der Rocky Horror Picture Show in meiner Studentenzeit in den Siebzigern erlebt. Wer keine Karte reserviert hatte, musste draußen bleiben. Und als der Film mit Verspätung um viertel nach sieben startete, standen draußen noch immer Leute Schlange, die sich Karten für die Zusatzvorstellung am Sonntag sichern wollten. Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet, hätte ich zumindest einen der Wartenden glücklich gemacht, ihm meine Karte verkauft und vielleicht ganz nebenbei eine neue Karriere als Schwarzmarkthändlerin gestartet.

Von Städten und Bildern

Eigentlich wollte ich heute nach Tübingen fahren, weil ich die Universitätsstadt am Neckar schon immer mal gerne sehen wollte. Uhland und viele Romantiker haben hier gelebt und Hölderlin, von dem ich, ich gestehe es zu meiner Schande, außer ein paar Gedichten nichts gelesen habe. Hermann Hesse hat in Tübingen eine Buchhändlerlehre gemacht, Claus Kleber Jura studiert, Papst Benedikt Theologie gelehrt, Dietrich Bonhoeffer hat sie  praktiziert. Und Walter Jens war hier Rhetorikprofessor. Zudem soll die Stadt sehr hübsch sein. Gründe genug für einen Abstecher. Und von Bruchsal nach Tübingen ist es ja auch nur ein Katzensprung.

Ich hatte also Tübingen fest eingeplant, meinen Aufenthalt bei meiner Freundin um einen Tag verlängert, mich mit einem neuen Anorak gegen schlechtes Wetter gewappnet und mir Züge ausgesucht, mit denen ich fahren wollte: morgens um halb 9 hin, nachmittags gegen 15 Uhr zurück. Nicht viel Zeit, um eine Stadt kennen zu lernen, aber immerhin genug, um einen ersten Eindruck zu gewinnen – und zu entscheiden, ob es sich lohnt, wiederzukommen. Im Sommer, wenn das Wetter hoffentlich besser ist.

Ich wollte also eigentlich nach Tübingen fahren, doch dann zwang mich die Deutsche Bahn zu einer Planänderung. Denn als ich früh morgens noch einmal nachschauen wollte, wann ich genau abfahren und wo ich umsteigen muss, zeigte sich auf dem Bildschirm das gefürchtete rote Warndreieck

„Weichenstörung: Auf der Strecke Stuttgart Hbf – Tübingen Hbf zwischen Stuttgart Hbf und Esslingen(Neckar). Es kommt zu Verspätungen in beide Richtungen im Regionalverkehr der Deutschen Bahn.“

Weil mein Zeitfenster ohnehin eng war und für Verspätungen keine Zeit, disponierte ich um und blieb zu Hause. Zum Glück. Denn selbst nach 10 war noch keine Besserung in Sicht: „Die Weichenstörung in Stuttgart Hbf besteht leider weiterhin; Züge fahren langsamer. Bitte rechnen Sie mit Verspätungen und vereinzelten Zugausfällen. Die Störung dauert an. Ende noch nicht abschätzbar. Update folgt“, hieß es auf der Bahn-Website.

Mein Reiseupdate sieht statt Tübingen jetzt einen Besuch in Mannheim vor. Auf den ersten Blick vielleicht kein adäquater Ersatz, doch gerade gestern hat mich – meiner Freundin sei Dank – schon eine andere Stadt positiv überrascht. Baden-Baden stand überhaupt nicht auf meiner To-visit-Liste. Doch allein das Museum Frieder Burda ist eine Reise wert.

Das Museum ist schon architektonisch ein Highlight. Und dann war dort das Banskys „Girl with Balloon“ alias „Love is in the Bin“  zu sehen. Allen, die sich nicht (mehr) erinnern, sei die Geschichte kurz erzählt: Im vergangenen Herbst hatte eine Sammlerin das Werk des Street-Art-Künstlers bei einer Kunstauktion bei Sotheby’s gerade für schlappe 1,2 Millionen Euro ersteigert – also ein Schnäppchen –, als die untere Hälfte vor den Augen der Anwesenden zerschreddert wurde.

Die obere Hälfte ist jetzt heil im Rahmen zu bewundern, die zweite Hälfte hängt in Streifen geschnitten darunter. Mindestens so interessant wie das Bild selbst waren zwei Filme, die gezeigt wurden – einer über den Street-Art-Künstler und seine (anderen) Arbeiten, der zweite über die Auktion und die Schredderaktion. „Die Strategien des Kunstmarktes zu torpedieren – und gleichzeitig ihre Dynamik zu beflügeln“ – das ist Bansky sicher gelungen. Denn das kaputte Bild ist jetzt wohl viel mehr wert als bei der Auktion.

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Banksy:
Love is in the Bin
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2018, Sprayfarbe und Acryl auf Leinwand, 142 x 78 x 18 cm,
Privatsammlung, Foto: Sotheby’s
,
© Banksy

Weil es schon spät war und das Museum schon um 18 Uhr seine Tore schloss, reichte es danach leider nur noch zu einem Schnelldurchgang durch die Brücke-Ausstellung. Wie gesagt: Der Besuch lohnt und auch der kurze Rundgang durch die Stadt machte Lust aufs Wiederkommen. Irgendwie hat Baden-Baden mehr Flair, als ich gedacht hatte. Und so bin ich gespannt auf Mannheim.

Übrigens: Banskys Bild „LOVE IS IN THE BIN“ ist noch bis 3. März  im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen, die Ausstellung „Die Brücke“ noch bis zum 24. März.

Guter Mond …

Heute Morgen hatte ich einen Logenplatz. Während mein Mann – wie es sich für den Vorsitzenden des Vereins Sternwarte Sankt Andreasberg gehört – die Mondfinsternis bei frostigen minus 10 Grad im Harz gemeinsam mit einigen Vorstandskollegen, einem Kamerateam und mehr als 50 Teilzeit-Mondbewunderern beobachtete, saß ich gemütlich in meinem Bett. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand sah ich aus dem Fenster, wie aus dem Vollmond allmählich eine Sichel wurde und dann im Kernschatten der Erde als sogenannter Blutmond sichtbar wurde. Der schien genau genommen nur wirklich rot, wenn ich durch meine Kamera schaute, womit wieder einmal bewiesen wäre, was schon Antoine de Saint Exuperys kleiner Prinz wusste: Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar. Ob allerdings die Kamera es erfasst, erscheint mir fraglich.

Den Mofi-Logenplatz habe ich mir redlich verdient: Schließlich bin ich der wahre Mondfan in der Familie. Ich mag den Mond nicht nur, wenn er sich wie heute oder bei der Mondfinsternis im Sommer spektakulär verhüllt. Ich nehme ihn so, wie er gerade ist: zu- und abnehmend, voll oder neu. Und ich verteidige ihn jedesmal heroisch, wenn mein Mann und andere Amateur-Astronomen ihn als Lichtsau. und Schlimmeres beschimpfen, nur weil er ihrer Meinung nach zu hell scheint und ihnen an manchen Tagen den Blick auf die Sterne erschwert.

Ihnen sei ein für allemal gesagt: Der Mond hat die älteren Rechte, er war schon da, bevor Ihr überhaupt das Teleskop erfunden habt. Und unsere Vorfahren waren dankbar, wenn er ihnen in dunklen Nächten ein bisschen Licht spendete. Das Verschwinden des Mondes, heute ein Medienspektakel, machte ihnen eher Angst. So fürchteten die alten Chinesen, dass ein Drache den Mond verschlingt, bei den Wikingern war‘s angeblich ein Wolf. Der rote Mond galt früher als schlechtes Omen.

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Roter Mond, großer Auftritt – Mondfinsternis mit Teleskop und Profi-Kamera in Andreasberg … (Foto Utz Schmidtko)

Ich tue mein Bestes, um die kollektive Missachtung durch die Amateur-Astronomen von heute wieder gut zu machen. Ich versuche, den Mond positiv zu stimmen, indem ich ihm Gedichte vorsage oder gelegentlich ein Lied vorsumme – guter Mond, du gehst so stille, beispielsweise, oder die Mondnacht von Joseph von Eichendorff.

Auswahl gibt’s genug. Denn Dichter und Schriftsteller haben den Mond zu allen Zeiten geschätzt – und ihn immer wieder besungen. Vielleicht ist die Mondkarte beim Tarot deshalb eine gute Karte für Schriftsteller und Künstler: Sie verheißt ihnen Glück und Inspiration.

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… und das Ende der Finsternis in  Burgwedel

Mich hat der Mond, der längst wieder aus dem Schatten der Erde hervorgekommen ist, zwar nicht zu großen Werken, aber immerhin zu diesem Blogbeitrag inspiriert, den ich statt meiner üblichen Morgenseiten geschrieben habe. Das hat sich der Mond, finde ich, redlich verdient.

Fast zu schön …

Achtsamkeit für meine eigenen Bedürfnisse zählt nicht gerade zu meinen Stärken. Dafür habe ich eine Schwäche für Ratgeber, die, wie mein Mann behauptet, nur die Autoren reich und glücklich machen – und für schöne Bücher.

Deshalb konnte ich nicht widerstehen, als ich gestern in einer Buchhandlung das Achtsamkeitsjournal von Elena Brower entdeckt habe. Natürlich habe ich wie so oft nicht sofort entschieden. Ich bin nämlich auch nicht besonders gut darin, das zu tun, was mir gut tut. Ich ging also zu meinem Termin und kam dann wieder, wie magisch angezogen von den Farben und den einfachen Formen: Ich musste es einfach haben.  Reingelesen habe ich, ganz gegen meine Buch-Kauf-Gewohnheiten, nicht. Und als ich dann zur Bushaltestelle gegangen bin, das Buch unter meinem Mantel versteckt, um es vor dem Regen zu schützen, habe ich mich ein bisschen wie Gollum aus Herr der Ringe gefühlt: my precious.

Ob ich in dem Journal meine Wünsche, Ziele und anderes auflisten werde, das mir helfen soll, mutiger, sanfter, ausdauernder und stärker zu werden, bezweifle ich. Denn  ich gehöre zwar nicht zu den Menschen, die es für ein Sakrileg halten, in Büchern einzelne Zeilen oder ganze Passagen zu unter- und anzustreichen und eigene Gedanken zu notieren. Aber dieses Journal ist (fast) zu schön, um darin zu schreiben. Trotzdem hilft es mir, meine Kreativität zu wecken und Dinge auszuprobieren – wenn vielleicht auch etwas anders als von der Autorin und vom Verlag geplant.

entdecke dich
Do it yourself – vom Journal ins eigene Tagebuch

Das Buch liegt auf meinem Schreibtisch und erinnert mich daran, dass ich mein Leben und auch mein Tagebuch bunter gestalten, dass ich anders, achtsamer leben möchte. Diesen guten Vorsatz vergesse ich im Alltag allzu oft. Immer wieder schlage ich das Journal auf, blättere darin und freue mich daran. Sicher noch lange. Und das ist mehr, als man von vielen anderen Ratgebern, die halb oder ungelesen in meinen Regalen stehen, sagen kann.

Elena Brower: entdecke dich. Das Achtsamkeits-Journal. Irsiana Verlag, München, 2018

 

To-do- und andere Listen

Ja, ich gebe es zu – ich liebe und schreibe Listen aller Art:

  • To-do-Listen, wahlweise für den Beruf oder fürs Privatleben, für einzelne Tage oder für längere Zeiträume
  • Terminlisten
  • Einkaufslisten
  • Bücherlisten – zu lesende und gelesene
  • Themenlisten, zum Beispiel für diesen Blog
  • Listen möglicher Projekte
  • Pflanzlisten für den Garten
  • Wunschlisten oder
  • Geschenklisten …

Wahrscheinlich brauche ich demnächst eine Liste, um den Überblick über all meine Listen zu behalten. Denn leider notiere und bewahre ich die  Listen an den verschiedensten Stellen – z. B. in meinem Kalender, im Bullet Journal, in Spiralheften, die auf meinen Schreibtischen liegen, in den Ordnern der einzelnen Projekte und auf losen Blättern.

Manche Listen sind ganz simpel, andere, vor allem die für längerfristige Aufgaben im Job, enthalten zum Teil mehrere Unterkategorien und nennen sich manchmal auch vornehm Workflow.

Mein Listen verhindern, dass ich Dinge einfach vergesse, und helfen mir, den Überblick zu bewahren. Vor allem aber geben sie mir das gute Gefühl, etwas geleistet zu haben, wenn ich mich im alltäglichen Hamsterrad drehe. Manchmal, ich gestehe es, schummle ich bei meinen To-do-Listen ein wenig. Dann trage ich Aufgaben ein, die ich gerade schon erledigt habe, nur um sie – als just done – abhaken zu können.

Gestern ist mit dem Zeit-zu-leben-Newsletter eine Liste in meinem Mailkasten gelandet, die mich zum Nachdenken und zu diesem Blogbeitrag angeregt hat. Und so werde ich künftig vielleicht noch weitere Listen führen, zum Beispiel (in alphabetischer Reihenfolge) über

  • Aktiviäten, die mir guttun
  • Dinge, die ich vermissen würde
  • Menschen, die ich mag
  • Orte, an denen ich mich wohlfühle.

Und dann werde ich das warme Gefühl im Bauch genießen, das sich hoffentlich bei diesen Wohlfühllisten einstellt.

Same procedure every day

Sie ist angeblich die Basis nicht nur für einen guten Start in den Tag, sondern garantiert Erfolg und Zufriedenheit. Man (oder frau) erreicht alle Ziele, schöpft sein Potenzial ganz aus, lässt die eigene Mittelmäßigkeit weit hinter sich, wenn man gut, das heißt mit der richtigen Morgenroutine in den Tag startet. Das jedenfalls versprechen zahlreiche Websites und eines dieser Wie-werde-ich-glücklich-reich-und-erfolgreich-Bücher, das ich neulich gelesen habe. Das einzige, was man tun muss, um sein Leben grundlegend zu verändern, ist, jeden Morgen früher aufzustehen – und ein paar Dinge zu tun, die der Autor kurz mit Live-S.A.V.E.R.S zusammenfasst.

Eigentlich ist diese Methode ideal für mich, denn mit dem frühen Aufstehen habe ich keine Probleme. Die ganzen guten Ratschläge, wie man morgens aus dem Bett kommt, konnte ich also getrost überlesen. Einen Wecker brauche ich eigentlich fast nie. Ich wache morgens von selbst früh auf – im Sommer oft gegen vier, im Winter spätestens kurz vor fünf – und bin dann hellwach.  Und seit ich mir schon vor einiger Zeit vorgenommen habe, dass die erste Stunde mir gehört, starte ich ohnehin (fast) immer gleich in den Tag. Was liegt also näher, die Routine um einige Punkte zu erweitern, wenn es denn der guten Sache dient, sprich: meinem Glück und meinem Erfolg.

Ohne Kaffee, ich gestehe es, geht allerdings gar nix. Bevor ich also irgendetwas anderes tue, koche ich morgens Kaffee. Mit meiner Tasse gehe ich dann im Winter in mein Zimmer, im Sommer auf die Empore, wo ich die Sonne aufgehen sehe, während ich die Morgenseiten schreibe. Manchmal höre ich Musik dabei, oft aber genieße ich einfach die Ruhe um mich herum, bevor der Rest der Welt erwacht.

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Einfach mal kopfstehen und die Welt aus einer anderen Perspektive sehen (Foto: Utz Schmidtko)

Schreiben (S) gehört für mich schon lange zur Morgenroutine, neu ist, dass ich mir jeden Morgen – oder fast jeden – Zeit für Yoga (Exercises, E) und Meditation (Stille, S) nehme. Yoga ist prima, auch weil ich mich auf die Übungen beschränke, die mir leicht fallen und mir gefallen. Mit der Meditation tue ich mich schon schwerer. Gerade dann, wenn ich an nichts denken oder mich nur auf mein Atmen konzentrieren soll, fahren meine Gedanken Karussell, schweifen hierhin und dorthin. Besser klappt‘s, seit ich mich an einen Ort zu versetzen, an dem ich mich wohlfühle, wie mir eine gute Bekannte geraten hat.

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An einem so schönen Ort klappt’s auch mit dem Meditieren – einigermaßen (Foto: Utz Schmidtko)

Womit ich fast schon beim nächsten Punkt der Morgenroutine wäre, der Visualisierung (V): Mir vorzustellen, was ich wirklich möchte, was ich tun muss, um es zu erreichen, und wie es wäre, wenn ich es schon erreicht hätte, gelingt mir, zugegebenerweise, noch nicht jeden Morgen. Und auch die Affirmationen (A) vergesse ich immer wieder. Lesen (Reading, R) ist dagegen kein Problem, allerdings greife ich statt zu einem Ratgeberbuch manchmal lieber zu einem Roman – und das manchmal (oder meist) erst später am Tag.

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Ein Stift, ein Buch, Computer und eine Tasse Kaffee – der Tag kann beginnen.

Vielleicht liegt es daran, dass die Wundermethode bei mir nicht ganz funktioniert. Denn (erfolg)reich bin ich immer noch nicht. Und mit dem Glück ist das ja ohnehin so eine Sache. Aber ich arbeite daran.

Immerhin bekommt die Morgenroutine meiner Lieblingszimmerpflanze ausgezeichnet. Seit ich das Zyperngras jeden Morgen mit dem Restwasser gieße, das vom Kaffeekochen am frühen Morgen übrig bleibt, gedeiht es prächtig. Seine zahlreichen Vorgänger haben dagegen meine Pflege nie lange überlebt. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich jetzt endlich den richtigen Platz an der Sonne für es gefunden habe.

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Mein Zyperngras gedeiht prächtig.

Kalender-Geschichte

Alle Jahre wieder, wenn das alte Jahr endet, beginnt sie aufs Neue, meine Suche nach dem idealen Kalender. Ich habe schon unzählige ausprobiert und benutze mitunter verschiedene nebeneinander: Buchkalender, Ringbuchkalender und Wandkalender in verschiedenen Größen und Formen. Das Clipbook von Filofax habe ich vor allem der Farbe wegen gekauft habe, andere wie Frauen- oder Gartenkalender wegen der Inhalte und Motive.

Im vergangenen Jahr, als der Trend nicht mehr zu übersehen war, bin auch ich aufs Bullet Journal gekommen, angeblich die ultimative Lösung aller Organisationsprobleme. Dem Versprechen, dass die Methode hilft, Ordnung in das Chaos der Gedanken zu bringen und den Überblick über sämtliche Aufgaben, Ziele, Ideen und Projekte zu behalten – beruflich und privat – konnte ich natürlich nicht widerstehen.

Die Idee, To-do-Listen, Kalender, Notiz- und eventuell Tagebuch in einem Journal zu vereinen und ganz nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten, ist wirklich verlockend. Wie oft sind in meinen Kalendern ganze Seiten leer geblieben, andere waren so vollgekritzelt, dass von Überblick keine Rede mehr sein konnte.

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Bullet Journal für Anfänger/innen

Keine Frage: Do it yourself macht flexibel. Und all diejenigen, die nicht so kreativ oder künstlerisch begabt sind, finden in Buchhandlungen, Schreibwarenläden und im Internet unendlich viele Anleitungen, Ratgeber und Zubehör: von Kladden – meist gepunktet, warum auch immer – bis zu diversen Aufklebern, Stiften, Vorlagen und Schablonen zur schönen Gestaltung des Journals. So listet Google zum Stichwort „Bullet Journal Ideen“ fast 13 Millionen Einträge. Die Muster-Journalseiten sind mitunter so aufwendig gestaltet, dass ich mich frage, wie man (oder frau) da noch den Überblick behalten soll. Manchmal, so scheint es, ist die Form offenbar wichtiger als der Inhalt.

Bei mir war das Ergebnis eher ernüchternd – nicht nur, weil mein Bullet Journal nicht annähernd so bunt und hübsch aussah wie die Vorlagen. Auch den totalen Über- und Durchblick habe ich leider nicht bekommen. Das liegt möglicherweise weniger am System als an mir. Ich bin nämlich, fürchte ich, in puncto Zeitmanagement und DiY ein hoffnungsloser Fall.

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Neuer Einsatz für alte Buchhülle

So habe ich es nie geschafft, die verschiedenen Rubriken so konsequent in das Inhaltsverzeichnis einzutragen, wie ich es hätte tun sollen. Und ebensowenig ist es mir gelungen, schon am Anfang des Jahres die Überblicksseiten für das ganze Jahr zu gestalten. Deshalb konnte ich mich von meinem vorgedruckten Kalender, in dem ich möglichst schon am Anfang des Jahres langfristige Termine eintrage, nicht trennen – und von meinem Tagebuch schon gar nicht. Aus diesem Grund habe ich im vergangenen Jahr immer mindestens vier Bücher rumgeschleppt: den Kalender, mein Bullet Journal, mein Tagebuch, das ich immer mitnehme, egal wohin ich gehe, und ein Buch zum Lesen.

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Immer dabei: Tagebuch und Kalender

Um meine Tasche und mein Leben im wahrsten Sinne des Wortes zu erleichtern, starte ich im neuen Jahr  einen neuen Versuch: mit  My-Book-Heften, die einfach mit Gummibändern in einem Umschlag, Neudeutsch Cover, befestigt werden. So kann ich meine geliebte Buchhülle aus Naturleder, den ich vor Jahren einmal gekauft habe, nutzen. In ihr finden neben einem (vorgedruckten) Kalendarium auch noch mehrere Papiereinlagen Platz – für Blog- und andere Ideen beispielsweise und für ein Bullet Journal light. Denn die Idee gefällt mir nach wie vor.

Die Hefte sind dünner als die Kladden, die ich bisher benutzt habe. Dass sie keinen eigenen Schutzumschlag haben,  macht sie leichter und flexibel. Ist ein Heft voll, wird es durch ein neues ersetzt. Das alte wird in einer eigenen Hülle archiviert. Ob ich auf diese Weise den Überblick behalte, wird sich zeigen. Mein Rücken wird es mir auf jeden Fall danken.

Natur-, Kunst- und andere Welten

Kurz vor Jahresende Museumsbesuch Nummer drei auf meiner Hannover-Museums-Liste: das Landesmuseum am Maschsee, das sich auch Weltenmuseum nennt. Drei sogenannte Welten gibt es hier zu sehen: Natur-, Kunst- und Menschenwelten.

Der Auftakt war recht verheißungsvoll: In den NaturWelten kann man lebende Tiere – angeblich  3.350 – und die dazu passenden naturkundlichen Exponate bewundern. Mehr als 200 Tierarten aus unterschiedlichen Lebensräumen – von der kühlen Nordsee bis zur tropischen Südsee – sollen es allein in den Aquarien der Wasserwelt sein. Am besten gefallen mir die bunten Neonsalmler. Die mochte ich schon, als unsere Tochter vor gut zwei Jahrzehnten ihr erstes Aquarium bekam. Die grimmig blickenden Piranhas und die Terrarien mit lebenden Bewohnern des Dschungels sind dagegen nicht mein Ding.

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Lebendiges Museum: leuchtende Neons …
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… und grimmige Piranhas

In den KunstWelten im Obergeschoss führt der Rundgang durch etwa 600 Jahre europäische Kunstgeschichte: von mittelalterlichen Altarbildern bis zu den Im- und frühen Expressionisten. Doch ich kann mit Rubens, Rembrandt, Brueghel und Co wenig anfangen und mit den Bildern von Slevoigt, Beckmann, Corinth oder Paula Modersohn-Becker – den modernsten der Ausstellung – tue ich mich ebenfalls schwer. Eigentlich gefallen mir nur zwei Bilder wirklich: die „Dame im Pelzmantel“ von Lovis Corinth und  Paul Signacs „St. Maria della salute in Venedig“.

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Kunst im Treppenhaus

Die Menschenwelten spare ich mir für meinen nächsten Besuch – dank Musehumscard kann ich Kunst und andere Ausstellungen ja häppchenweise genießen. Dann werde ich mir auch wie die ältesten außerirdischen Objekte des Museums, die angeblich 4.000.000.000 Jahre alten Gibeon-Meteorite, und den vergleichsweise jungen, gerade mal 100.000 Jahre alten Mammutzahn ansehen. Vielleicht ist dann auch Platz im Museumscafé, das zwar gemütlich, aber klein und bis auf den letzten Platz besetzt war.

Schreibort mit Meerblick

Ich gebe zu, ich habe meinen Mann beneidet. Während ich, noch zur arbeitenden Bevölkerung gehörend, nach einer Woche La Palma wieder zurück ins dezembergraue Deutschland geflogen bin, ist er umgezogen: aus unserem wunderschönen, ganz einsam gelegenen Ferienhaus nach Athos. Nein, nicht in die Mönchsrepublik in Griechenland, wo Frauen – also auch mir – der Zutritt ohnehin verwehrt wäre, sondern in ein gleichnamiges Astrocamp. Das liegt wie das griechische Kloster an einem Berg, wenn auch nicht auf einem heiligen, sondern am Roque de los Muchachos.

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Nicht nur für Männer: Hütte nicht am Berg, sondern im Camp Athos (alle Fotos: Utz Schmidtko)

In 900 Meter Höhe auf dem Weg zum Roque-de-los-Muchachos-Observatorium hat ein Astro-Fan aus Deutschland auf dem Gelände einer ehemaligen Finca das Centro Astronomico La Palma geschaffen. Er vermietet Hütten an Amateurastronomen – mit ausgezeichneten Sichtbedingungen und wenn gewünscht mit dem nötigen technischen Equipment, um nachts die Sterne und tagsüber die Sonne zu beobachten. Das tun meist Männer, deshalb passt der Name Athos prima.

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Ausgezeichnete Sichtbedingungen: Meer- und Himmelsblick.

Nicht nur der Blick ist wunderschön:  Wie fast überall auf La Palma kann man auch hier das Meer sehen. Das Ambiente hat mich ebenfalls begeistert. Die Hütten liegen in einer Art botanischem Garten mit vielen für uns Mitteleuropäer exotischen, auf La Palma aber heimischen Pflanzen. Es gibt einen kleinen Teich mit einem Wasserfall und die Orangerie hat ein ganz besonderes Flair. Hier kochen und essen die Gäste oder treffen sich, um zu fachsimpeln oder miteinander zu klönen.

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Die Orangerie von außen …

Und wieder mal kommen mir die Buchmenschen aus Ray Bradburys Roman Fahrenheit 451 in den Sinn: Sie sind aus der totalitären Gesellschaft, in der Bücher verboten sind und verbrannt werden, geflohen und leben gemeinsam, versteckt im Wald. Hier auf Athos wäre ein idealer Ort für sie. Vielleicht auch für mich. Denn manchmal möchte ich aus meinem Alltag fliehen – und: Ja, ich bin ein bisschen neidisch: Ich wünsche mir auch so ein Camp – mit einer Hütte zum Schreiben und der Möglichkeit, andere Schreibende zu treffen, mich mit ihnen austauschen oder auch mal gemeinsam zu schreiben. Eine Community of writers eben.

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… und von innen.

Die Amateur-Astronomen haben solche Orte, die Übersetzer auch – das Europäische Übersetzer-Kollegium in Straelen. In dem internationalen Arbeitszentrum finden literarische Übersetzer ideale Bedingungen für ihre Arbeit. 30 Appartements, Arbeitsräume und eine 125.000-bändige Spezialbibliothek, davon 25.000 Lexika in über 275 Sprachen und Dialekten. In der DDR gab es Häuser, in denen Schriftsteller arbeiten konnten, doch die sind, wie manches andere, der Wende zum Opfer gefallen. Uns Schreiberlingen, Journalisten wie Autoren, fehlt ein solcher Ort.

Eine Hütte mit Blick aufs Meer und die Orangerie als Treffpunkt – hier gibt es alles, was frau für eine Schreib(aus)zeit braucht. Vielleicht, träume ich, könnte man die bei Amateur-Astronomen unbeliebten Vollmond-Zeiten für ein Schreibcamp nutzen.

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Kurze Schreibsession vor dem Astro-Camp.

Der tiefe Blick in den Himmel hat so manchen Schreibenden beflügelt, zum Beispiel Joseph von Eichendorff zu einem meiner Lieblingsgedichte. Es heißt Mondnacht. Ich mag den Anfang, aber vor allem die letzte Strophe.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mondnacht_(Eichendorff)

Zeit zu fliegen, Zeit zu schreiben – time to fly, time to write