Manchmal hilft wünschen doch

Wünschen hilft, behaupten manche Coachs und Mental-Trainer. Wenn wir uns etwas nur genug wünschen, geht es in Erfüllung. Wir müssen nur fest daran glauben, behaupten sie. Ich bin da zugegebenerweise eher skeptisch, aber es schadet ja nicht, es gelegentlich mal auszuprobieren.

Als ich irgendwann im Februar eine Fahrkarte buchen wollte, hatten mein Computer und/oder die Website der Bahn offenbar keinen guten Tag: Sie behaupteten, dass es am frühen Sonntagmorgen – anders als an Werktagen – keine direkte Verbindung zwischen Hannover und Leipzig gibt. Stattdessen schlugen sie mir vor, zunächst nach Berlin zu fahren und dort in einen Zug nach Leipzig umzusteigen. Um rechtzeitig zu meinem Termin um 11 Uhr in Leipzig zu sein, willigte ich ein – allerdings mit einem mulmigen Gefühl, denn knapp zehn Minuten Zeit zum Umsteigen sind nicht gerade großzügig bemessen.

Drei Tage vor der Fahrt entdeckte ich dann beim Warten auf einen anderen Zug – ganz klassisch auf dem gelben Aushangfahrplan auf dem Bahnhof – eine weitaus bessere Alternative: zwar mit einem langsameren IC, dafür aber ohne Umsteigen, ohne Umweg und deshalb sogar ein paar Minuten schneller.

Doch leider war es zu spät: Der Umtausch hätte mich nicht nur die übliche Gebühr von 15 Euro gekostet, sondern wäre wesentlich teurer geworden: Weil ich Hin- und Rückfahrt gleichzeitig gebucht hatte, hätte ich auch die Rückfahrkarte zurückgeben und neu kaufen müssen. Also beschloss ich, den Umweg in Kauf zu nehmen. Aber ich hoffte natürlich, dass der Zug nach Berlin sich schon in Hannover verspäten würde – und ich einen Anlass hätte, einen anderen Zug zu nehmen.

Ganz funktionierte es nicht: Der Zug stand pünktlich abfahrbereit auf dem Gleis, als ich ankam. Allerdings war der Halt im Hauptbahnhof in Berlin gestrichen – und damit auch die Möglichkeit, dort den Anschlusszug nach Leipzig  zu erreichen. An der Auskunft – pardon, am Service Point – erfreulicherweise diesmal keine Schlange, die Mitarbeiterin war nicht nur ausnahmsweise freundlich, sondern hatte auch ein Einsehen: Warum der Halt in Berlin  gestrichen worden war, wusste sie auch nicht, aber sie hob ohne Zögern die Zugbindung auf – ich konnte wie gewünscht in den IC nach Leipzig steigen. Der stand schon mit vielen leeren Plätzen am Bahnsteig gegenüber und brachte mich pünktlich zu meinem Termin. Manchmal hilft wünschen offenbar doch, und vielleicht versuche ich es gelegentlich auch mit größeren Zielen.

Wahl- und andere Frauenrechte

Vorgestern im Kino: „Suffragette – Taten statt Worte“. Erzählt wird die Geschichte der Wäscherin Maud Watts – und der Sufragetten, der Frauenrechtlerinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in England und den USA ums Wahlrecht für Frauen, gegen Gesetze, die Frauen benachteiligen, und für Gleichberechtigung kämpften.(Für alle, die es wie ich nicht wussten: Suffragette kommt von souffrage – Wahlrecht.)

Weil ihre friedlichen Versuche erfolglos sind und von den Zeitungen  (das Radio wurde damals gerade erst erfunden, andere Medien gab’s noch nicht) totgeschwiegen werden, werden die Aktionen der Frauen radikaler: Sie werfen z. B. Schaufenster und Straßenlampen ein oder sprengen Briefkästen in die Luft. Maude gerät im Jahr 1913 eher zufällig durch eine Kollegin in die Aktionen hinein und wird dann selbst aktiv. Wie viele Frauenrechtlerinnen wird sie dabei  geschlagen, verhaftet, eingesperrt und zwangsernährt. Bisher brave Ehefrau und Mutter, zahlt sie für ihr Engagement einen hohen Preis: Sie verliert ihren Job – und damit ihre Existenzgrundlage -, ihren Mann und ihren Sohn, der von ihrem Mann zur Adoption freigegeben wird.

Darf er das denn, fragt frau sich – ja, er durfte. Denn bis weit ins 20. Jahrhundert bestimmten die Männer nicht nur allein in Politik und Wirtschaft, sondern auch in der Familie und über die Kinder – auch wenn die Frauen die Erziehungsarbeit leisteten.

Zur Erinnerung für alle aus meiner Generation, die es schon vergessen haben – manche Jüngere lesen es vielleicht zum ersten Mal:

Die Vorrechte des Vaters bei der Kindererziehung wurden in der Bundesrepublik erst am 1. Juli 1958 mit dem Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau eingeschränkt; vollständig beseitigt wurden sie erst 1979. Erst durch das Gleichberechtigungsgesetz Ende der 1950er Jahre wurde das Recht des Ehemanns, in allen Eheangelegenheiten die endgültige Entscheidung zu treffen, ersatzlos gestrichen; Frauen dürfen erst seit 1958 über das Vermögen verfügen, das sie selbst in die Ehe eingebracht haben – vorher bestimmten die Männer, was mit dem Geld ihrer Frauen geschah. Bis 1958 durfte der Mann auch das Arbeitsverhältnis seiner Frau ohne ihre Zustimmung fristlos kündigen; ohne Einverständnis ihrer Männer erwerbstätig sein dürfen Frauen erst seit 1977. Bis dahin durften sie nach § 1356 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur arbeiten, „soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie“ vereinbar war. Es ist heute also vieles besser – sicher auch, weil Elisabeth Selbert darum gekämpft hat, dass der heute so selbstverständliche Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz aufgenommen wurde und weil sich nach ihr viele Frauen dafür engagiert haben, dass der Satz auch umgesetzt wird.

Manches, was in dem Film angesprochen wurde, ist noch heute aktuell: So dürfen Frauen in Deutschland zwar seit 1919 wählen – aber nur gut ein Drittel (rund 36 Prozent) der Abgeordneten im Deutschen Bundestag sind derzeit Frauen. In den Landes- und Kommunalparlamenten ist der Frauenanteil – und damit der Einfluss der Frauen – teilweise noch geringer.

Und was die Lohnunterschiede angeht: Im Film erhalten die Frauen pro Woche 17 Schilling Lohn, die Männer 19 Schilling. Das sind 10,5 Prozent weniger (allerdings glaube ich im Film gehört zu haben, dass die Frauen auch länger arbeiten). In Deutschland verdienten Frauen im vergangenen Jahr im Durchschnitt 22 Prozent weniger als Männer. Um ebenso viel zu verdienen wie die Männer in einem Jahr, müssen Frauen 79 Tage länger arbeiten – in diesem Jahr bis zum 19. März, dem Equal pay day. Selbst schuld, heißt es, denn Frauen wählen eben oft die falschen Berufe. Warum es wertvoller oder zumindest besser bezahlt wird, Autos und technische Geräte zu pflegen als Kinder, kranke oder alte Menschen, verstehe ich bis heute nicht. An der (finanziellen) Geringschätzung „weiblicher“ Berufe (und Arbeit) hat sich offenbar noch nichts geändert.

Es gibt also noch viele Gründe zu kämpfen, sich zu engagieren, daran hat mich der Film erinnert. Es lohnt sich, ihn zu anzusehen. Eine gute Filmkritik findet ihr unter http://blog.buecherfrauen.de/suffragetten-100-jahre-und-es-geht-weiter/

Kaffee bitte

Ich gebe zu: Ich bin kaffeesüchtig. Aufs Frühstück kann ich gerne verzichten, auf die Tasse Kaffee nach dem Aufwachen nicht. Ohne Kaffee bin ich unleidlich. Zu Hause brühe ich mir morgens auf, sobald ich wach bin die erste Tasse – von Hand. Bei meiner Freundin, die ich besuche, erledigt das eine Kaffeemaschine. Keine von klassischen mit Filter und Kanne und auch kein Billigmodell, das selbst ein Technik-Analphabet wie ich bedienen kann:  Pad rein, Tasse unterstellen Kaffe raus.  Nein, Sabine besitzt eine Hightechmaschine, die die Bohnen selbst mahlt und je nach gewählter Stärke, Art des Kaffees und Größe der Tasse zuteilt. Das Wunder der Technik steht in ihrem Arbeitszimmer, also direkt neben dem Gästezimmer, in dem ich schlafe. Eigentlich optimal: So bekomme ich frühmorgens meinen Kaffee, ohne alle anderen Hausbewohner zu wecken. Doch mir schwant Böses, denn mit unbekannten Geräten tue ich mich zugegebenerweise schwer.

„Keine Angst, es ist ganz einfach, sie spricht mit dir“, sagt Sabine, als sie meine schreckgeweiteten Augen sieht. Genauer gesagt, sie schreibt mir kurze Botschaften, sobald ich den An-/Aus-Knopf gedrückt habe – und solange meine Freundin neben mit steht, sind die Botschaften eindeutig. Start, Kaffeespezialität auswählen, die Maschine reinigt sich kurz selbst, Tasse unterstellen, alles prima und der Kaffee ist nach kurzem Geknatter fertig. So stark, dass ich sicher bin, dass man meinen Herzschlag noch im Nachbarhaus hört. Kein doubleshot beim nächsten Mal, mir reicht die einfache Bohnen-Dosis.

Als ich am nächsten Morgen mit der Kaffeemaschine alleine bin, wird sie anspruchsvoller. „Wasser auffüllen“, verlangt sie, als ich sie anschalte. Kein Problem, der Wassertank lässt sich mit einem Griff lösen und genauso einfach wieder befestigen. Da ich diese Aufgabe gelöst habe, traut sie mir mehr zu und wünscht eine Rundum-Wartung: „Auffangschale leeren“, schreibt sie. Verständlicherweise, denn die Schale ist wirklich randvoll. Leider habe ich nur im Büro Licht gemacht. Und so balanciere ich mit der offenen Schale vorsichtig durch den dunklen Flur ins ebenso dunkle Badezimmer. Weil auch der Behälter in dem der Kaffeesatz gesammelt ist ziemlich voll ist, leere ich ihn gleich mit. Vorausschauendes Handeln nennt man das oder – weniger freundlich – vorauseilender Gehorsam.

Erwartungsfroh schiebe ich die saubere Auffangschale wieder an ihren Platz, stelle meine Kaffeetasse hin und freue mich auf meinen inzwischen wohlverdienten Kaffee. „Milchschäumer ziehen“, fordert mich die Maschine auf. Ein Blick auf den Kaffeespezialitätenschalter verrät, dass zuletzt jemand einen Café Creme getrunken hat. Zum umwählen ist es offenbar zu spät – sie reagiert nicht, weigert sich, weiterzumachen. Und ich habe keine Milch, die aufgeschäumt werden kann. Wir stehen uns ein paar Sekunden wortlos gegenüber. „Milchschäumer ziehen“, blinkt mir weiter entgegen. Schließlich vertraue ich darauf, dass die Maschine weiß, was sie will.

Ich habe mich getäuscht. Weil ich ihren unausgesprochenen Hunger nach Milch nicht erfüllt habe, faucht sie verärgert und sprüht mir Wasserdampf entgegen wie ein kleiner Drache. Schnell hänge ich die Düse wieder an ihren Platz und drücke auf Start. „Milchsystem reinigen“, schreibt sie. „Nur wenn du bitte sagst“, denke ich laut.

Doch weil ich vergeblich auf das Zauberwort warte, beschließe ich, die Anordnung zu ignorieren. Ich drücke noch einmal auf Start. Sie zögert wieder und fast erwarte ich, dass auf ihrem Display ein energisches „Nein“ oder ein wenig freundliches „Du kannst mal erscheint“ aufleuchtet.

Wieder stehen wir uns stumm gegenüber. „Die Klügere gibt nach“, denke ich. Ich bin inzwischen bereit, heroisch auf den morgendlichen Kaffee verzichten und statt dessen Mineralwasser zu trinken. Ist ohnehin gesünder. Ich will die Maschine gerade ausschalten, als sie losknattert und den Kaffee in die Tasse gießt – mit einem leichten Schaum, schwarz und so stark, dass man meinen Herzschlag noch im Nachbarhaus hört.

Von Handys und Ersatzhandys

Mein Handy hat im November seinen Geist aufgegeben. Das hat mich nicht überrascht, obwohl es damals gerade mal ein halbes Jahr alt war. Das ist selbst für ein Smartphone kein besonders hohes Alter. Aber es hat geschwächelt, seit ich es bekommen habe. Der Akku, der angeblich 300 Stunden Stand-by durchhalten sollte, war spätestens nach 48 Stunden leer. Wenn jemand mich anrief oder eine SMS schickte, oder wenn ich gar wagte, meine Mails abzurufen, machte er meist schon nach einem Tag schlapp.

Das sei normal, behauptete der junge Mann, der es mir verkauft hatte: Dass die Angaben zu den Akkulaufzeiten und damit zum Stromverbrauch nicht stimmen, wisse doch jede/r. Ich wusste es nicht und hatte auf die Angaben des Herstellers vertraut. Aber damals wusste ich  auch noch nicht, dass VW die Abgaswerte der Autos nach unten korrigiert hat. Papier und die moderne IT-Variante Websites sind halt geduldig.

Auch ich brauchte viel Geduld, nicht nur, weil mein Smartphone ständig aufgeladen werden musste. Irgendwann Ende November blieb es dann auch mit aufgeladenem Akku stumm.  Es sagte keinen Ton mehr, ließ sich weder ein- noch ausschalten. Drei Wochen würde die Reparatur dauern, sagte der junge Mann im Handy-Laden. Meinen Hinweis, dass das sehr lange sei für ein Gerät, das man ständig braucht, beantwortete er mit einem Schulterzucken. Immerhin besorgte er mir ein Ersatzhandy: Mein Argument, dass ich auch keine Gebühren zahlen muss, wenn ich mangels internetfähigem Handy weder mobil surfen noch telefonieren kann, überzeugte ihn letztlich doch.

Mit dem Ersatzsmartphone ist es wie mit Ersatzspielern. Sie haben manchmal zwar spielerische und technische Mängel, aber wenn sie mal zum Einsatz kommen, weil die Stammspieler verletzt oder außer Form sind, hängen sich so ins Zeug, dass man die Stammspieler nicht wirklich vermisst. Mich haben vor allem die Kondition und die Einsatzbereitschaft meines Ersatzsmartphones überzeugt: Statt schlappe 36 bis 48 Stunden hielt es mehr als acht Tage, ohne dass der Akku aufgeladen werden musste.

Darüber, dass bei meinem Smartphone aus drei Wochen Verletzungspause sprich Reparaturzeit mehr als sechs wurden, war ich deshalb nicht wirklich traurig. Die „Verletzung“ war schwerer als erwartet. „Die Platine musste ausgetauscht werden“, sagte der junge Mann mit ernster Miene, als ich mein Smartphone Mitte Januar bei ihm abholte. Die Platine ist das „Herz“ des Handys, mein Handy musste also quasi eine Herztransplantation über sich ergehen lassen. Darunter hat auch sein Gehirn gelitten, denn an die gespeicherten Nummern und Daten konnte es sich nicht mehr erinnern. Doch das war nicht zu ändern. Der Akku wurde auch noch mal überprüft“, sagt der junge Mann. „Er ist in Ordnung.“

Vielleicht, dachte ich optimistisch, war der Platinenfehler angeboren und ein Grund für die schwachen Leistungen meines Handys. Vielleicht wird jetzt nach der langen Erholungspause alles besser. Doch meine Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Mein Smartphone ist nach wie vor außer Form. Der Akku hält gerade mal 24 Stunden – und ich denke ernsthaft über eine dauerhafte Auswechslung nach.

Carpe diem

Ich verdiene mein Geld teilweise als Korrektorin und Lektorin. Toll, meinen die meisten, wenn sie das hören. Aber wenn sie dann erfahren, was ich lektoriere und korrigiere, lässt die Begeisterung schnell nach. Keine spannenden Romane nämlich, sondern meist Fachbücher und Fachzeitschriften.

Dabei ist vieles gar nicht so trocken, wie es sich anhört. Für einen Informationsjunkie wie mich ist es genau genommen ein Traumjob. Denn ich erfahre bei der Arbeit Dinge, die ich sonst nie erfahren hätte, weil sie mich auf den ersten Blick gar nicht interessieren.

Zugegeben. Vieles brauche ich sicher nie im Leben und manches wird mir trotz mehrseitiger Erklärung immer ein Rätsel bleiben – beispielsweise wie man einen Zahnriemen wechselt. Aber jetzt weiß ich auch, dass man die Betreuung einer Katze als haushaltsnahe Dienstleistung von der Steuer absetzen kann (leider haben wir keine Katze, weil ich gegen Katzenhaare allergisch bin), was ein Suppenkoma ist (das Tief, das Menschen mittags durchleben) oder ein Beinbrecher. Letzteres habe ich – trotz Geschichtsstudium – erst jetzt erfahren, aus einem Buch, das ich zwischen den Jahren (ja, selbstständig sein bedeutet selbst und ständig arbeiten) korrigiert habe.

Beinbrecher sind Gruben, die nur mit Gittern oder Stäben abgedeckt sind. Damit haben die Menschen früher die Lücken in den Fried- bzw. Kirchhofsmauern geschützt, als es noch keine Friedhofstore gab. Das Vieh des Pfarrers und es Totengräbers, das auf dem Friedhof weiden durfte, konnte dank Beinbrechern nicht hinaus und das Vieh der übrigen Dorfbewohner konnte nicht hinein. Und auch für die Untoten und die Geister waren Beinbrecher ein unüberwindliches Hindernis: Sie mussten auf dem Friedhof bleiben.

Interessant war auch, welche Botschaften man den Lebenden oder auch den Toten mitgab. „Der Tod ist die Pforte zum Leben“ oder das klassische „Carpe diem“ sind die optimistischeren Varianten. Andere Mahnungen sind drastischer, wie die am Friedhof von Segnitz in Unterfranken. Sie stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert, was die ungewöhnliche Rechtschreibung erklärt.
„All die ihr hier für über geht
Und Mein Schräcklich gestalt anseht
Lebt Gotts fürchtig und nembts zu sinn
Den ihr Müsst werden wie ich bin.
(Aus Reiner Sörries: Der Tod ist die Pforte zum Leben. Die Geschichte des Friedhofseingangs vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wiesbaden 2016, S. 51)

Vielleicht hat mich das Buch auch deshalb so berührt, weil mir wieder mal bewusst geworden ist, wie schnell das Leben zu Ende sein kann. Ein ehemaliger Kollege meines Mannes ist an Weihnachten gestorben, er wäre im Mai 40 geworden. Eine Freundin hatte eine ischämische Attacke, kein Schlaganfall, aber eine mögliche Vorstufe, und einer anderen Freundin wurde vor genau einem Jahr ein Aneurysma im Gehirn entfernt. Sie hat die OP, die ihr vermutlich das Leben gerettet hat, unbeschadet überlebt.

Henning Mankell, einer meiner Lieblingsschriftsteller, ist im vergangenen Herbst gestorben, David Bowie und Maja Maranow – als Kommissarin Verena Berthold eine meiner Lieblingskommissarinnen im Fernsehen – erst vor ein paar Tagen. Sie war 54, fünf Jahre jünger als ich.

Das erinnert mich an meine guten Vorsätze fürs neue Jahr: mir Zeit zum Leben nehmen und es bunter machen. Ich habe mich also für den Malkurs angemeldet, den ich schon vor vier Jahren zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Und nächste Woche besuche ich zwei Freundinnen aus Studienzeiten, die ich schon lange, zu lange,  nicht mehr gesehen habe. Carpe diem.

(Für alle, die es interessiert: Das Buch von Reiner Sörries ist im Februar 2016 im Reichert-Verlag in Wiesbaden erschienen).

Gute Vorsätze

Das neue Jahr ist schon ein bisschen angebraucht, die ersten guten Vorsätze sind schon wieder gebrochen. Besonders originell waren sie ohnehin nicht, genau genommen unterscheiden sie sich nicht von den guten Vorsätzen der meisten Menschen hierzulande: Weniger Stress, weniger Druck, weniger arbeiten, dafür mehr Zeit für Freunde und Familie, mehr Zeit für mich selbst und für meine Hobbys, mehr reisen, mehr bewegen, abnehmen, weniger fernsehen und weniger Zeit an Computer und Handy.

Natürlich gibt es auch noch ein paar individuelle Vorsätze: Ich will mich mehr um meinen Garten kümmern, endlich anfangen zu malen, um mehr Farbe in mein Leben zu bringen, öfter wandern – und mindestens einen Blogbeitrag pro Woche schreiben. Neu sind diese Vorsätze nicht: Wenn ich in den Tagebüchern nachlese, die ich seit Jahrzehnten führe, sind es (fast) genau die gleichen wie in den vergangenen Jahr(zehnt)en. Dass ich sie jedes Jahr aufs Neue fasse, zeigt, dass ich sie nicht wirklich durchhalte, dass sie noch nicht zu Gewohnheiten geworden sind.

Manches hat gute Gründe: Mehr bewegen und Sport treiben ist normalerweise kein Problem, zurzeit aber nach einer Knieverletzung und kurz nach einer Meniskusoperation (noch) nicht möglich; abnehmen ist dadurch auch schwierig und für Gartenarbeit ist einfach jetzt im Januar nicht die richtige Zeit.

Andere Vorsätze sind schon deshalb schwer durchzuhalten, weil sie sich widersprechen: Wie soll es mir gelingen, in meiner (eher begrenzten) Freizeit mehr Zeit für mich selbst, für neue und alte Hobbys, für Freunde und Familie und für soziales Engagement zu haben. Weniger arbeiten wäre eine Lösung, aber dann habe ich kein Geld, um mehr zu reisen (ein weiterer Vorsatz aus der langen Liste).

Weniger ist mehr, das gilt wohl auch für gute Vorsätze. „Versuchen Sie nie, sich mehr als eine dieser Routinen auf einmal abzugewöhnen. Das gelingt nur selten. Konzentrieren Sie lieber alle Energien zunächst auf die eine lästige“, heißt es in dem sehr informativen Beitrag von Jochen Mai Gewohnheiten ändern: Raus aus der Routine! auf der Website http://karrierebibel.de. Die lese ich, obwohl ich nicht zur Zielgruppe gehöre und eigentlich zu alt (nicht zwischen 18 und 58), zu berufserfahren (kein Young Professional) und sicher nicht erfolgreich genug (kein wichtiger Influencer) bin.

Der Beitrag enthält noch eine schlechte Nachricht für alle, die wie ich Geduld nicht gerade zu ihren Kernkompetenzen zählen. Bis man eine Routine entwickelt, sich eine schlechte Eigenschaft ab- oder eine gute angewöhnt hat, dauert es nicht nur drei Wochen (die berühmten 21 Tage), sondern mehr als dreimal so lang. Nach einer Studie dauert es im Durchschnitt 66 Tage, bis Handlungen zu  Gewohnheit wird. Immerhin schadet es nichts, wenn man gelegentlich einen oder zwei Tage pausiert.

Helfen soll’s, wenn man über seine Pläne spricht – etwa im Blog oder auf Facebook – und damit hilfreichen Druck schafft. Das tue ich mit diesem Blogbeitrag, auch wenn ich damit gegen einen weiteren guten Vorsatz verstoße, mir in diesem Jahr weniger Druck zu machen.

Von Smartphones, Akkus und anderen Versprechen

Ich habe auch ein Smartphone. Das ist nichts Besonderes, alle haben eins, sogar meine Physiotherapeutin, obwohl sie mit moderner IT wenig am Hut hat. Dass sie ihre Mails nur sehr sporadisch abruft, weiß ich aus Erfahrung, ebenso, dass sie ihre Termine ganz klassisch in einen Kalender einträgt. Vielleicht hört sie mit ihrem Smartphone Musik, wenn sie mit dem Fahrrad zu ihrer Praxis fährt. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie damit nur telefoniert.

Telefonieren konnte ich mit meinem alten Handy auch – und, um nicht ungerecht zu sein, hätte ich auch manches andere damit tun können, was ich nie oder selten getan habe. Fotografieren beispielsweise, wenn auch mit schlechter Qualität, oder auch im Internet surfen. Doch das war bislang einfach zu teuer, was an meinem Tarif lag, nicht am Handy.

Das war ein Dinosaurier unter den Mobiltelefonen, der  mehrere Vertragsverlängerungen überstanden hatte: Es hatte noch richtige Tasten, ein winziges Display, war klein, handlich robust – und sehr genügsam. Es hat mich getreulich an wichtige Daten erinnert und geweckt, wenn ich das wollte. Einmal aufgeladen, war es mir eine Woche oder noch länger zu Diensten. Eigentlich war es gerade richtig. Doch es entlockt dem freundlichen Verkäufer in dem Handyladen nur einen mitleidigen Blick: Dass es so etwas überhaupt noch gibt.

Weil ich mich mit Handys nicht auskenne und auch keine Lust habe, mich intensiv damit zu beschäftigen, schließe ich den vertrag nicht im Internet ab, sondern in einem Telefonladen im Dorf. Das ist zwar teurer – aber Service und gute Beratung sind mir einige Euro mehr im Monat wert. Außerdem fördere ich so die heimische Wirtschaft. Das freut den jungen Mann, der mir das Gerät inklusive Zwei-Jahres-Vertrag mit seinem Anbieter wärmstens empfiehlt. Es ist nicht das neueste Modell, aber genau richtig für mich, weil ich keinen Schnickschnack, sondern ein Mobiltelefon brauche, mit dem ich auch mal ins Internet gehen und Mails abrufen kann.

Mein neues Mobiltelefon – nein keines, das mit einen großen I beginnt, aber auch kein Billiggerät – ist ein richtiger kleiner Computer. Es hat eine interne Speicherkartenkapazität von 8 Gigabyte – mehr als der Computerdinosaurier, der noch irgendwo auf dem Speicher ein unbeachtetes Dasein fristet. Es verfügt nicht nur über eine, sondern über zwei Kamera, die sogar Gesichter erkennt – ob nur meins, weil es mir gehört und ich es regelmäßig auflade, oder auch andere, habe ich noch nicht herausgefunden. Ich kann nicht nur Fotos mit beeindruckenden 8 Millionen Pixeln, machen, sondern auch Videos drehen. Der Bildschirm – natürlich ein Touchscreen – hat immerhin 16 Millionen Farben, die ich leider nicht alle unterscheiden kann. Ich kann nicht nur SMS, sondern auch MMS, Instant Messages und E-Mails versenden, ich kann im Internet surfen, chatten, an Telefonkonferenzen teilnehmen. Ich kann mit dem Smartphone meine Termine planen, Videos anschauen, Radio oder meine Lieblingsmusik hören. Und wenn ich mal verloren ginge, fände ich dank GPS finde gewiss wieder nach Hause zurück.

Doch diese Funktion benötige ich wohl kaum. Denn leider kann ich mit meinem neuen Wunderwerk nicht mehr allzu weit von der nächsten Steckdose entfernen. Die Batterie hält nämlich nicht, was Hersteller S und Telefonanbieter B versprechen: 12 Stunden soll ich damit telefonieren, 11 stunden Video sehen und 49 Stunden Musik hören können. Die Standby-Zeit beträgt angeblich 300 Stunden, das sind bei einer durchschnittlichen Tageslänge von 24 Stunden rund 13 Tage. Mein Akku macht leider schon nach anderthalb Tagen schlapp – und das Handy bleibt stumm. Selbst wenn ich das Handy gar nicht nutze, weder damit surfe (weil ich an meinem Computer sitze) noch telefoniere (weil ich eigentlich meinen Festnetzapparat bevorzuge) hält er maximal 48 Stunden.

Um Strom zu sparen, habe ich (natürlich) die Energiesparfunktionen aktiviert und (fast) alle Funktionen ausgeschaltet: Bluetooth, GPS, mobile Daten, selbst die Lageerkennung. Nur wenn jemand anruft, klingelt es noch. Mehr Stand-by geht meiner Meinung nach nicht. Dennoch verlangt das Telefon mal schon nach 24, spätestens aber nach 36 Stunden, dass ich es wieder ans Ladegerät anschließe.

Als ich dem freundlichen jungen Verkäufer sage, dass mein tolles Handy vermutlich einen defekten Akku hat, der viel zu schnell leer ist, belehrt er mich eines Besseren. Die „bis zu“ Angabe von S. in der Akkulaufzeit „Standby“ sei sehr hoch gegriffen. Ein Smartphone halte bei wenig bis mittlerer Benutzung ca. 1 – 1,5 Tage. Als ich ihn frage, warum er mich nicht auf die kurze Akkulaufzeit hingewiesen habe, ist er fast empört: Das wisse doch jeder, meint er. Ich wusste es nicht! Dass ich mich von ihm schlecht beraten fühle und mich nicht zufrieden geben will, dass der Handy-Akku nicht einmal ein Sechstel der angegebenen Laufzeit hält, kann er gar nicht verstehen, auch nicht, warum ich damit zu ihm komme. Da müsse ich mich an den Hersteller wenden. Zu wem er gehe, wenn der Tank seines neu gekauften Autos schon nach 100 Kilometern leer sei, nicht erst nach 500 oder 600 Kilometern: zu seinem Autohändler oder zum Firmensitz irgendwo in Japan, frage ich ihn. Zum Autohändler, räumt er ein – und ruft selbst beim Hersteller an: Freudestrahlend verkündet mir dann die Lösung des Problems: Ich darf mein Telefon nicht nur nicht benutzen, ich muss auch die SIM-Karte entfernen. Wenn mein Handy also nur noch daliegt und nichts tut, außer da sein und Strom verbrauchen, hält der Akku wie versprochen 300 Stunden. Ein wahres Wunderwerk also.

Um seinen guten Willen zu zeigen, besorgt der freundliche junge Mann mir einen neuen Akku. Ich habe ihn getestet, doch er hält auch nicht länger als der alte. Als ich erneut reklamiere, schickt mir der freundliche Verkäufer die Nachricht, dass er meine Reklamation weitergeleitetet hat. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört.

Jetzt habe ich jetzt nicht nur meine eigenen Termine, sondern auch die meines Akkus im Blick. Dabei könnte mir mein Smartphone helfen, wenn ich es ließe. Doch das kann problematisch werden: Wenn der Akku leer ist, kann ich leider auch meine Termine nicht mehr abrufen. Dabei verlasse ich mich lieber auf meinen Taschenkalender. Der funktioniert auch ohne Strom.

Mein Smartphone leider nicht. Wenn wir am nächsten Tag unterwegs sein wollen und keine Steckdose in Reichweite ist, muss ich es vorher füttern – aber möglichst erst, wenn der Akku ganz leer ist. Und möglichst in der Nacht. Denn während des Aufladens möchte es in Ruhe gelassen werden, damit das Aufladeergebnis nicht beeinträchtigt wird und der Akku länger hält. Auch ein Handy braucht eben seine Auszeiten. Das verstehe ich. Aber vielleicht will ich lieber mein altes Handy zurück.