Hauptsache Lesen

E-Book oder richtiges Buch, das war für mich lange keine Frage. Ich bin ein großer Fan gedruckter Bücher – und ich werde es sicher auch bleiben. Digitale Bücher waren für mich eigentlich immer nur Notlösungen. Ich habe sie gekauft oder geliehen, wenn ich verreist bin und sicher gehen wollte, dass mir der Lesestoff nicht ausgeht. Oder wenn mir die Printversion eines Buchs zu teuer war.

Doch meine Einstellung ändert sich allmählich. Immer häufiger entscheide ich mich aus Überzeugung bzw. aus ganz praktischen Gründen für die digitale Variante. Ich gehöre nämlich zu den Menschen, die in den Büchern, die sie lesen, Spuren hinterlassen. Ich unterstreiche Dinge, die mir wichtig sind, notiere Anmerkungen am Rand oder Zitate auf Karteikarten, die dann leider manchmal verloren gehen.

Markieren und Notieren geht bei E-Books natürlich auch – aber im E-Book kann ich alles wieder spurlos löschen, wenn ich möchte. Was aber viel entscheidender ist: Seit ich einen neuen E-Book-Reader habe, kann ich Markierungen und Notizen mit wenigen Befehlen an meinen Computer senden und die Datei weiterbearbeiten. Weil ich mir einen Arbeitsgang spare, sind E-Books für mich immer öfter erste Wahl, wenn ich ein Buch nicht nur lesen, sondern auch darüber schreiben möchte, wie zum Beispiel letztens über „Ein Zimmer für sich allein“ von Virginia Woolf.

Weit über 100 Bücher im handlichen Taschenbuchformat

Einmal gekauft und abgespeichert, habe ich die Bücher immer dabei – im handlichen Tachenbuchformat, ohne zentnerweise Papier mit mir rumschleppen zu müssen. Und während ich manchmal gefühlt stundenlang in meinen Bücherregalen nach einem bestimmten Buch suche, finde ich meine E-Books problemlos wieder. Das liegt nicht nur daran, dass meine digitale Bibliothek noch recht überschaubar ist. Mein E-Book-Reader ist zugegebenerweise einfach viel ordentlicher und systematischer als ich. Er ordnet Bücher nie falsch ein und auf Knopfdruck sortiert er sie in Sekundenschnelle neu – wahlweise nach Titel, Autor, Aktualität oder vielleicht auch nach anderen Kriterien, die ich bislang nicht entdeckt habe.

Dass ich E-Books im Dunkeln lesen kann, ohne Licht zu machen, ist – gerade wenn wir mit dem Wohnmobil unterwegs sind und auf engem Raum zusammenleben – ein weiterer Vorteil. Wenn ich wach werde, kann ich lesen, ohne Licht zu machen und meinen Mann zu stören. Außerdem sind die elektronischen Buchläden rund um die Uhr geöffnet – auch an Sonn- und Feiertagen. Und so kann ich mir heute, am Welttag des Buches, selbst ein Buch schenken. Schließlich geht der 1995 von der UNESCO eingerichtete Aktionstag für das Lesen, für Bücher und für die Rechte von Autoren auf die katalanische Tradition zurück, am Namenstag des Heiligen St. Georg Rosen und Bücher zu verschenken. Der 23. April ist übrigens nicht nur der Georgstag, sondern laut Wikipedia auch das (vermutete) Geburts- sowie das Todesdatum von William Shakespeare, von Miguel de Cervantes sowie der Geburtstag des isländischen Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness (https://de.wikipedia.org/wiki/Welttag_des_Buches).

Welches Buch ich mir herunterladen werde, weiß ich noch nicht. Vielleicht eines meiner Lieblingsbücher, Fahrenheit 451 von Ray Bradbury. Der Roman spielt in einer totalitären Gesellschaft, in der Lesen verboten ist und Bücher, wenn sie entdeckt werden, verbrannt werden. Eine fürchterliche Vorstellung. Denn die Geschichte hat gezeigt, dass Heinrich Heine recht hatte, als er sagte: „Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man irgendwann auch Menschen.“

Was für ein Glück, dass ich in einem Land lebe, in dem ich jedes Buch kaufen und lesen darf, das ich möchte. Ob digital oder ganz klassisch auf Papier ist eigentlich egal – Hauptsache Lesen.

Kultur pur

So viel geballte Kultur in einer Woche gönne ich mir selten bis nie: am Mittwoch Kino im Amtshof in Burgwedel, am Samstagabend Mittwochstheater in Hannover-Linden und dazwischen drei Ausstellungen in drei verschiedenen Museen.

Zufall oder nicht: Sowohl der Film, den ich am Mittwoch gesehen habe, als auch das Theaterstück am Samstagabend spielen in Frankreich: „Das Beste kommt noch“ erzählt die Geschichte von zwei sehr ungleichen Freunden. Als einer unheilbar an Krebs erkrankt, möchten die beiden möglichst viel der noch verbleibenden Zeit miteinander verbringen. Sie reisen zusammen in die Vergangenheit und tun, mehr um dem anderen einen Gefallen zu tun als aus Überzeugung, auch Dinge, vor denen sie sich bislang gedrückt haben. Und weil der Kranke meint, nicht er, sondern sein Freund sei todkrank, kommt es zu einigen Missverständnissen.

„Alles was sie wollen“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière habe ich mir mit einer Schreibfreundin angesehen. Im Mittelpunkt des Stücks steht die berühmte Schriftstellerin Lucie Arnaud, die kurz vor der Premiere ihres neuen Theaterstücks noch kein einziges Wort geschrieben hat.

Schreibblockaden kenne ich, im Mittwochstheater war ich bislang noch nie. Aber mein erster Besuch war sicher nicht mein letzter. Denn die Atmosphäre in dem alten Haus auf dem Lindener Berg gefällt mir: Es erinnert mich ein bisschen an das Unterhaus in Mainz, in dem ich als Studentin – also vor fast 100 Jahren – öfter gewesen bin. Und vielleicht sind die beiden Abstecher nach Frankreich ein Zeichen, dass ich meine Französischkenntnisse aus Realschulzeiten wieder aufbessern sollte. Eine Vokabelbox „Französisch Grundwortschatz“ habe ich letztens vor der Altpapiersammlung gerettet.

Vor der Vorstellung habe ich mir die Doppelausstellung des britischen Malers und Bildhauers Glenn Brown im Landes- und im Sprengel Museum angesehen. Es ist im Übrigen die erste gemeinsame Ausstellung der beiden Museen, die fast direkte Nachbarn sind.

Für die Dauer der Ausstellung – also bis zum 18. Juni – hat Glenn Brown die Kunstsammlungen beider Häuser um 50 eigene Werke erweitert. Die meisten seiner Bilder und Skulpturen wurden bewusst zwischen denen anderer Maler und Bildhauer platziert. Denn Glenn Brown ist, so heißt es in der Pressemitteilung, „bekannt für die Verwendung von kunsthistorischen Referenzen in seinen Gemälden“. Und in einem Interview sagte der Künstler: „Mein Gehirn wurde von anderen Künstlern geformt, sie leben alle in mir. Und ich bin untrennbar mit der Kunstgeschichte verbunden. Alles gehört zusammen.“ Nachzulesen im Ausstellungskatalog.

Ich kannte Glenn Brown und seine Werke bislang nicht – und er wird wohl auch nicht mein Lieblingsmaler. Aber seine Technik und seine Farben haben mich beeindruckt, er erzeugt „in altmeisterlicher Manier mit dünnen, wirbelnden Pinselstrichen … eine fast fotografisch anmutende Oberfläche“. Mein Lieblingswerk ist allerdings kein Bild, sondern eine Skulptur, deren Titel ich mir leider nicht gemerkt habe. Aber da ich ja eine Museumscard habe, werde ich „the real thing“ sicher noch ein zweites Mal besuchen, so wie ich auch ein zweites Mal „Nach Italien“ (https://timetoflyblog.com/nach-italien) gegangen bin. Die Ausstellung, die zur Reise in den Süden einlädt, wurde nämlich bis August verlängert.

Die erste Ausstellung, die ich in der vergangenen Woche besucht habe, war ebenfalls eine Doppelausstellung. Im Museum für Karikatur und Zeichenkunst Wilhelm Busch sind zwei Ausstellungen von insgesamt drei Zeichnern zu sehen. Alles erlaubt“ heißt der Titel des Ausstellungsparts von Achim Greser und Heribert Lenz, die gemeinsam Karikaturen für große deutsche Zeitungen zeichnen.Seit ihrer Zeit bei der Titanic haben Greser & Lenz nach und nach einen gemeinsamen Zeichenstil entwickelt, der inzwischen kaum mehr Rückschlüsse erlaubt, welche Zeichnung von welchem der beiden Zeichner stammt“, ist in der Pressemitteilung des Museums zu lesen. Mir gefallen die Karikaturen sehr gut, spannend finde ich aber auch die ausgestellten Leserbriefe, die zeigen, „welchen Anfeindungen Karikaturist*innen auch in unserer vermeintlich offenen Gesellschaft mitunter ausgesetzt sind“.

Mit den Bildern von Günter Mattei tue ich mich schwerer. Vor allem mit den Tierbildern, ein Schwerpunkt seines Ausstellungsteils „Kommst du“, kann ich wenig anfangen. Aber die Geschmäcker sind eben verschieden, bekanntlich ist ja – um bei Tierbildern zu bleiben – „Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall“.

Gelohnt hat sich der Besuch im Wilhelm Busch Museum trotzdem. Und auch die Ausstellung werde ich mir sicher noch ein zweites Mal ansehen.

Ist er wieder da?

Ist er’s – oder ist er’s nicht? Diese Frage stelle ich mir, seit vor etwa zwei Wochen Knospen an einer Narzisse sichtbar wurden. Sie sind spät dran, ihre Verwandten im Garten sind schon längst aufgeblüht. Und sie stehen auch nicht an genau der Stelle, an der ich die Zwiebeln im letzten Jahr eingepflanzt habe, aber immerhin in der Nähe.

Dass sie es nicht an dem ihnen zugewiesenen Platz ausgehalten haben, sondern ein Stück gewandert sind, nährt meinen Verdacht, dass es Rip van Winkle sein könnte. Denn Namen – lateinisch Nomen – sind ja angeblich nicht Schall und Rauch, sondern Omen. Und Rip van Winkle, der Namenspatron der von mir vermissten Narzisse, war ja der Kyffhäusersage nach ein Herumtreiber und Tunichtgut. Er hielt nicht viel von Arbeit, streifte stattdessen lieber durch die Gegend, vergaß dabei gerne die Zeit und ließ seine Mitmenschen warten. Von seinem letzten Waldspaziergang kehrte er angeblich erst nach 20 Jahren wieder zurück.

So lange muss ich nicht warten. In den nächsten Tagen werden auch die Nachzügler-Narzissen ihre Blüten öffnen und ihr Geheimnis lüften. Und während in der Sage niemand den alten Mann kannte, der behauptete, dass er schon immer im Dorf gelebt hatte, werde ich Rip van Winkle erkennen. Schließlich ist sie die einzige gefüllte Narzisse in meinem Garten. Denn ihre Vorgänger, die ich vor ein paar Jahren in den Herrenhäuser Gärten gekauft und eingepflanzt habe, sind und bleiben verschwunden (https://timetoflyblog.com/gartenerkenntnisse; https://timetoflyblog.com/rip-van-winkle-bleibt-verschwunden).

Sie blühten nur einen Frühling und sind danach verschwunden

Rip van Winkles weiter Weg aus der Kyffhäusersage in den modernen Roman wird unter https://de.wikipedia.org/wiki/Rip_Van_Winkle beschrieben.

Ein(e) Art Journal

Mit guten Vorsätzen ist das so eine Sache. Manchmal muss man sie brechen. Oder besser gesagt: abändern. So habe ich mir trotz meines Vorsatzes, bis Ostern konsumzufasten, drei Bücher gekauft.

Nun ist fraglich, ob Bücher überhaupt unter meinen freiwilligen Konsumverzicht fallen. Denn ein Leben ohne Bücher geht für mich gar nicht. Sie sind für mich eine Art Lebensmittel, auf jeden Fall aber Dinge des täglichen Bedarfs – die ich kaufen darf. Außerdem hatte ich gute Gründe, Ausnahmen zu machen: Ein Buch brauchte ich für einen Blogbeitrag, das zweite ist beim Verlag vergriffen, in den Bibliotheken in Hannover nicht vorhanden – und im modernen Antiquariat wurde nur noch ein einziges Exemplar angeboten. Das Risiko, dass ich das Buch nach Ostern gar nicht mehr bekomme oder nur zu einem wesentlich höheren Preis, wollte ich nicht eingehen.

Zum Kauf von Buch Nummer drei, einem Skizzenbuch, hat mich ein Instagram-Beitrag einer Schreibfreundin inspiriert. Sie schrieb, dass sie jetzt ein Art Journal führt (https://www.instagram.com/p/Cpo4pSgN_c0/). Das wollte ich auch schon lange, hatte es bislang aber immer wieder aufgeschoben, weil ich kein Talent zum Zeichnen und Malen habe. Stifte und Farben habe ich mir im Laufe der Jahre viele gekauft. Doch irgendwie fehlte mir der Mut, anzufangen.

Da ich so lange gezögert hatte, hätte ich natürlich auch noch ein paar Wochen warten können. Aber mir kam ein Zitat von Elke Heidenreich in den Sinn, das ich vor Jahren einmal gelesen und nie mehr vergessen habe. „Zu lange aufgeschobene Wünsche brennen nicht mehr, zu tief weggepackte Träume sind von den Motten zerfressen.“ Und vom römische Kaiser Marc Aurel stammt der Satz „Man bereut nie, was man getan, sondern immer, was man nicht getan hat.“

Außerdem erfuhr ich kurz nachdem ich frau_landaus alias Tina Kolbecks (https://tinakolbeck.de/) Instagram-Beitrag gelesen hatte, dass ein Bekannter plötzlich gestorben ist. Er war jünger als ich und kerngesund. Das gibt frau schon zu denken, wie viel Zeit noch bleibt. Als dann noch ein Kollege ein Treffen erst absagte, als ich schon auf dem Bahnhof und auf dem Weg in die Stadt war, war es für mich ein Zeichen: Ich habe die gewonnene Zeit für einen Besuch in einem Kunstladen genutzt.

Mein neues Skizzenbuch soll mehr Farbe in mein Leben und meine Aufzeichnungen bringen. Ich will in meinem kreativen Tagebuch Zeichnungen und Skizzen, Fotos und Bilder, Texte – eigene und fremde – kombinieren. Ich will mit Farben und mit Worten spielen. Wie es mir gefällt. Den Anspruch, Kunst zu machen, habe ich nicht, es wird also kein Art Journal, sondern eher ein(e) Art Journal.

Sehnsucht nach Meer

Wiederentdeckt: Ein Zimmer für sich allein

Eigentlich war es Zufall, dass ich Virginia Woolfs „Ein Zimmer für sich allein“ jetzt wieder gelesen und wiederentdeckt habe. In ihrem Buch „FrauenZimmerSchreiben“* schreibt die Herausgeberin Christiane Palm-Hoffmeister als Einleitung einen Brief an die Autorin des viel zitierten Essays.

Ich habe Virginia Woolfs Buch zum ersten Mal während des Studiums gelesen, auf Englisch, wie die 1977 gekaufte Penguin-Ausgabe von „A Room of One‘s Own“ verrät. 1989 habe ich mir dann eine Ausgabe auf Deutsch gekauft, weil mein Englisch inzwischen etwas eingerostet war. Für ein eigenes Zimmer war damals in unserem Haus kein Platz, weil wir drei Kinderzimmer brauchten. Als gemeinsames Arbeitszimmer diente meinem Mann und mir zeitweise ein Teil des Wohnzimmers, den wir mit Regalen und einer Sperrholzwand provisorisch abgetrennt hatten. Aber lieber arbeitete und schrieb ich auf dem freien Platz neben der Treppe, wo auch jetzt wieder ein Schreibtisch steht. Eigentlich brauche ich diesen Schreibplatz nicht mehr, denn ich habe inzwischen sogar zwei Arbeitszimmer für mich allein. Und ich muss – anders als damals – nicht mehr Kinder, Haushalt und Beruf unter den bekannten Hut bringen.

Vielleicht liegt es am freieren Teilzeit-Rentnerinnen-Leben, dass ich Virginia Woolfs Essay diesmal an einem Tag und in einer halben Nacht gelesen habe. Vielleicht kam die Anregung aber auch gerade zur richtigen Zeit. In den vergangenen Jahren hatte ich mehrere Wieder-Lese-Versuche gestartet und das Buch dann – unausgelesen – zur Seite gelegt.

Mir war vor allem der Satz im Gedächtnis geblieben, der dem Essay seinen Namen gab: „Eine Frau braucht Geld und ein eigenes Zimmer, um schreiben zu können“ (Seite 3)**. Dabei ist wirklich bemerkens- und lesenswert, wie treffend und umfassend Virginia Woolf schon in den Zwanzigerjahren die Situation von Frauen in der Literatur und im Leben beschrieben und analysiert hat. „In der Poesie füllt sie (die Frau) Bände, in der Geschichte kommt sie nicht vor“, schreibt sie. Und im richtigen Leben wurden und werden Mädchen und Frauen häufig „eingesperrt, geschlagen und durchs Zimmer geschleudert“ (Seite 49).

Zwar hat sich vieles geändert, seit Virginia Woolf ihren Essay schrieb. Doch manches ist leider noch so aktuell wie vor fast hundert Jahren. In Deutschland wird laut BMFSFJ „etwa jede vierte Frau … mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner“ (https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/haeusliche-gewalt/formen-der-gewalt-erkennen-80642). Und obwohl es zumindest hierzulande inzwischen selbstverständlich ist, dass Mädchen und Frauen zur Schule gehen, studieren, einen Beruf lernen und berufstätig sind, sind Frauen auch heute noch das arme Geschlecht. So verdienten Frauen nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) im vergangenen Jahr in Deutschland pro Stunde 18 Prozent weniger als Männer (https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-GenderPayGap/_inhalt.html). Ein Teil der Lohnunterschiede kann durch Lohn- und Gehaltsunterschiede in verschiedenen Berufen und Branchen erklärt werden. Anders als von Virginia Woolf vorausgedacht, gibt es nämlich immer noch typisch weibliche und typisch männliche Berufe. Und ErzieherInnen, Kranken- oder AltenpflegerInnen werden auch heute noch schlechter bezahlt als AutomechanikerInnen oder InstallateurInnen. Aber selbst wenn sie die gleiche Arbeit leisten, verdienen Frauen oft weniger als ihre männlichen Kollegen. Das liegt sicher auch daran, dass Männer oft selbstsicherer sind und sich und ihre Leistung besser verkaufen können.

Verwunderlich ist das nicht: Jahrhundertelang wurde behauptet, dass Frauen Männern mental, moralisch, physisch und intellektuell unterlegen sind. Dieses Vorurteil hat sich, so scheint es, bei beiden Geschlechtern ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Wenn Männer „ein Zimmer betreten, sagen sie sich, ich bin der Hälfte der Menschen hier überlegen, und deshalb sprechen sie voller Selbstvertrauen, voller Selbstgewissheit“, schreibt Virginia Woolf (S. 41). Dieses Gefühl sei wahrscheinlich „eine der Hauptquellen“ männlicher Macht (S. 39).

„Frauen haben in all diesen Jahrhunderten als Spiegel gedient, ausgestattet mit der magischen und köstlichen Kraft, die Gestalt des Mannes doppelt so groß wiederzugeben“, schreibt sie. „Welchen Nutzen Spiegel in zivilisierten Gesellschaften auch haben mögen, für jede gewalttätige und heroische Tat sind sie unabdingbar. Deshalb bestehen Napoleon und Mussolini so emphatisch auf der Unterlegenheit der Frauen, denn wären sie nicht unterlegen, würden sie nicht länger vergrößern“ (S. 40f). Dem ist mit Blick auf die großen und kleinen Mussolinis und Napoleons unserer Zeit nichts hinzuzufügen. Oder nur, dass es sich wirklich lohnt, Virginia Woolfs Essay wieder zu lesen.

*Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung

**Zitiert nach Woolf, V. (2019). Ein Zimmer für sich allein (Kampa Pocket) (German Edition) [Kindle Android version]. Retrieved from Amazon.com, übersetzt von Antje Ravik Strubel


Fasse dich kurz

Die Fastenzeit hat gefühlt gerade erst begonnen, der Februar – und damit der „NaHaiWriMo“ – ist am Dienstag zu Ende gegangen. Dass der kürzeste Monat des Jahres der „National Haiku Writing Month“ ist, wusste ich bis vor Kurzem nicht, ja, ich wusste nicht einmal, dass es ein Haiku-schreib-Monat gibt. Das habe ich erst gelesen, als ich heute vor einem Monat mein elektronisches Postfach aufgeräumt und bei der Gelegenheit einen Blogbeitrag von Christine Kämmer genauer gelesen habe (https://christinekaemmer.com/haiku-schreiben/).

Der war pünktlich Anfang Februar in meinem Posteingang gelandet, aber beim flüchtigen Hinschauen habe ich geglaubt, dass es in der Mail um den „NaNoWriMo“ geht. Weil der ja erst wieder im November stattfindet, habe ich den Beitrag erst einmal weggeklickt – und meinen Irrtum dann erst ein paar Tage später bemerkt.

„NaHaiWriMo“ und „NaNoWriMo“ – beide Kürzel ähneln sich wirklich. Dabei können Schreibziele kaum unterschiedlicher sein. Beim „NaNoWriMo“ im November sollen oder wollen die TeilnehmerInnen in 30 Tagen einen ganzen kurzen Roman von 50.000 Wörtern verfassen – das sind pro Tag durchschnittlich 1.666,666 Wörten. Im „NaHaiWriMo“ ist es Ziel, jeden Tag ein Haiku zu schreiben.

Mit dem „NaNoWriMo“ habe ich so meine Probleme: Mir gefällt die Idee, sich ein besonderes Schreibziel zu setzen. Aber 1.667 Wörter pro Tag zu schreiben, ist für mich als Langsamschreiberin völlig illusorisch. Denn ich tue immer das, was man während des „NaNoWriMo“ nicht tun soll: Ich überdenke und korrigiere Texte, während ich schreibe. Beim Vielschreiben soll der innere Kritiker außen vor bleiben. Doch das funktioniert bei mir nie – meine Zensorin sitzt immer neben meiner Tastatur oder – schlimmer noch – in meinem Kopf. Außerdem bezweifle ich, dass es Sinn macht, möglichst viel schreiben zu wollen. Denn wo es nur oder vor allem um Quantität geht, bleibt bekanntlich oft die Qualität auf der Strecke. Nicht nur, aber auch beim Schreiben. Deshalb mache ich bei der Schreibaktion im November zwar mit, setze mir aber eigene Ziele: Ich schreibe, so viel ich kann (https://timetoflyblog.com/schreibsovieldukano).

Die Aufgabe, im „NaHaiWriMo“ ein Haiku täglich zu schreiben, kam mir dagegen gerade recht. Denn ich interessiere mir schon lange für die traditionellen japanischen Gedichte. Haikus reimen sich nicht und bestehen – zumindest in westlichen Ländern – (fast) immer aus drei Zeilen: Die erste soll fünf, die zweite sieben und die dritte wieder fünf Zeilen lang sein.

Aber das ist, wie ich gelernt habe, eine Kann- und keine Muss-Empfehlung. „Der Haiku als ,Dreizeiler‘ ist eine reine Erfindung des Westens“, wird in dem Beitrag auf haiku-heute.de Arata Takeda, ein aus Japan stammender Literatur- und Kulturwissenschaftler zitiert. Ursprünglich soll der Haiku ein Einzeiler gewesen sein – oder ein Einspalter, da im Japanischen in Spalten geschrieben wird (https://www.haiku-heute.de/das-haiku/merkmale-des-haiku/).

Und auch bei der Silbenzahl sind Ausnahmen erlaubt, schon weil die Moren, das sind die Lauteinheiten, in die japanische Wörter unterteilt sind, nicht den deutschen Silben entsprechen. Japanische Moren haben laut Volker Friebel „im Durchschnitt weniger Inhalt als eine deutsche Silbe: 17 japanische Lauteinheiten entsprechen dem Inhalt von etwa 10 deutschen Silben.“

Bei den Themen sind moderne Haikus freier als ihre traditionellen Vorbilder, bei denen es immer um Jahreszeiten und Natur geht. Ein wesentliches Merkmal der Gedichte war und ist jedoch die Kürze; die Kunst im Haiku besteht laut Volker Friebel darin, einen Text zu schreiben, der „sich ohne Qualitätsverlust nicht weiter kürzen lässt“. Wenn es gelingt, sagen 17 Silben eben manchmal mehr als 50.000 Wörter.

Sich kurz zu fassen, ist eine Kunst, ebenso wie das Verfassen von Haikus. Aber der NaHaiWriMo war für mich ein Anlass, beides zu üben – und mit dem Schreiben von Kurzgedichten anzufangen. Täglich ist mindestens eins entstanden, meist Haikus, gelegentlich auch Elfchen. Das sind – all denen, die sich mit Schreiben im Allgemeinen und Lyrik im Besonderen nicht so gut auskennen, sei’s gesagt – kurze Gedichte, die aus elf Worten bestehen, aufgeteilt auf fünf Zeilen.

Haiku – japanische Vorbilder und eigene Übungsseiten

Weil mein persönlicher NaHaiWriMo erst am 5. Februar begonnen hat, endet er auch erst heute, am 5. März. Ich werde aber weiter Kurzgedichte schreiben. Denn es hat mir viel Spaß gemacht. Und mir gefällt die Idee, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, alles Unnötige wegzulassen – beim Schreiben und im Leben.

Noch ein Neues …

Gestern ist mein neues Notizbuch gekommen. „Noch eins“, sagen wahrscheinlich manche, die meine Vorliebe – oder soll ich sagen Schwäche – für gutes Papier und schöne Schreibhefte kennen. Und sie haben natürlich irgendwie recht. Denn in meinen Regalen stehen zahlreiche Kladden und Spiralhefte, leere, vollgeschriebene, vor allem aber viele angefangene. Aber obwohl ich schon manches ausprobiert habe, bin immer noch auf der Suche nach dem idealen Notizbuch. Das neue (Ring)Buch soll mir helfen, Ordnung in mein Notiz-Chaos zu bringen – und die leeren Seiten in den angefangenen Büchern zu nutzen.

Stapelweise angefangene Notizbücher

Die lose Zettelwirtschaft habe ich ebenso wie Notizen auf Karteikarten schon lange aufgegeben. Wenn ich aber meine Einfälle zu verschiedenen Projekten in einem Heft notiere, verliere ich schnell den Überblick. Denn ich schaffe es nur selten – oder besser gesagt nie – meine handschriftlichen Notizen regelmäßig zu bearbeiten oder zumindest im entsprechenden Ordner auf meinem Computer abzuspeichern. So manche gute Idee gerät dadurch in Vergessenheit – bis ich sie irgendwann, manchmal erst nach Abschluss des Projekts, per Zufall wiederentdecke. Nach anderen Formulierungen oder Notizen suche ich stunden- oder tagelang – manchmal vergebens.

Mit einem größeren Projekt beginne ich meist ein neues Notizbuch. Ist das Projekt dann im besten Fall beendet oder ich breche es unvollendet ab, bleiben in der Kladde oder im Spiralheft meist einige oder sogar viele Seiten leer. Sie werde ich künftig heraustrennen, lochen und in meinem neuen Notizbuch nach Projekten geordnet abheften. So bekommen zum Beispiel die noch unbeschriebenen Seiten aus dem wunderschönen Spiralheft, das ich mir vor Jahren im Dali-Museum in Figueres gekauft haben, ein neues Leben. Und das Cover werde ich mir, sobald das Spiralheft leer ist, an die Wand hängen. Denn „The Galatea of the Spheres“ ist eines meiner Lieblingsbilder von Salvador Dalí. Es zeigt Dalís Frau und Muse Gala, aus zahlreichen Kugeln zusammengesetzt.

Auch den Inhalt meines neuen Notizbuchs kann ich nach Belieben zusammenstellen, Blätter können in dem Ringbuch nach Bedarf ergänzt, verschoben und entfernt werden. Das Buch besteht laut Hersteller aus „veganem Leder“, nämlich aus SnapPap (http://www.vabelli.de/traveler-journals/). Das ist ein waschbares Papier in Lederoptik, das aus Zellulose und Latex hergestellt wird. Es enthält kein PVC, BPA oder Pentachlorphenol, soll nicht gesundheits- oder umweltschädlich, dafür aber reiß-, abriebfest und unempfindlich sein. Gepflegt werden muss mein neues, handgemachtes Notizbuch nach Herstellerangaben „eigentlich nicht“. Flecken können „vorsichtig mit einem feuchten Tuch“ entfernt werden“. Auch waschen und bügeln könnte ich es „theoretisch“ – allerdings nicht in der Waschmaschine, doch das habe ich ohnehin nicht vor.

Das Ringbuch muss allerdings einiges aushalten. Denn weil mir, wie vielen schreibenden Menschen, die besten Ideen oder Formulierungen eben nicht einfallen, wenn ich am Schreibtisch sitze, sondern irgendwann beim Einkaufen, beim Wandern oder im Cafe, in der Badewanne oder im Bett, habe ich mein Notizheft eigentlich immer dabei. Und unterwegs ist es in meinen Taschen manchem Stoß ausgesetzt und wird nicht immer pfleglich behandelt.

Veganes Leder rechts neu – und echtes Leder – mit Patina

Tagebuch, Kalender und Bulletjournal verkraften – geschützt durch einen  Lederumschlag – die Dauerbeanspruchung, der sie ausgesetzt sind, gut. Das Leder wird mit Zeit und Patina eigentlich immer schöner. Auch der Ordner aus SnaPap soll „durch die Benutzung eine lederähnliche Struktur“ bekommen, schreibt die Herstellerin. Ich bin gespannt.

Ilon Wikland: Eine lange Reise

Zurück in die Kindheit – oder in die Welt der Kinderbücher. Im Museum Wilhelm Busch habe ich noch einmal die Ausstellung „Von Haapsalu bis Bullerbü“ besucht, in der Bilder von Ilon Wikland gezeigt wurden. Bei meinem ersten Besuch vor einem Monat war es voll, zu voll, um sich die Zeichnungen in Ruhe anzusehen. Jetzt, kurz vor dem Ende der Ausstellung, war sie immer noch – oder wieder – ziemlich gut besucht.

Das Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover, kurz Museum Wilhelm Busch

Kein Wunder – Ilon Wiklands Bilder kennen die meisten Kinder und viele Erwachsene. Denn sie hat außer „Michel aus Lönneberga“ und „Pippi Langstrumpf“ alle Kinderbücher von Astrid Lindgren, aber auch Bücher anderer AutorInnen illustriert.

Ich habe die Bücher von Astrid Lindgren erst spät entdeckt, die Illustrationen von Ilon Wikland sogar erst, als ich meiner Tochter die Bücher von Astrid Lindgren gekauft und vorgelesen habe. Als Kind habe ich nur „Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker“ gelesen, eine Detektivgeschichte, die ich nicht sonderlich spannend fand.

Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgrens wohl bekanntestes Buch, habe ich, wenn ich mich recht erinnere, erst Anfang der 70er-Jahre kennengelernt, als die Geschichten mit Inger Nilsson verfilmt wurden. Denn bei uns im Dorf gab es keinen Buchladen – und die kirchliche Leihbücherei war meist geschlossen. Pippi Langstrumpf habe ich dort ohnehin nicht gesehen, obwohl ich in der Bücherei geholfen habe. Die Geschichte eines selbstbewussten Mädchens, das alleine lebt, sich von Erwachsenen nichts vorschreiben lässt und sich die Welt macht, wie es ihm gefällt, in den Augen der für die Bibliothek und unser Seelenheil Verantwortlichen – und auch für meine Eltern – wohl keine geeignete Lektüre. Für „Die Kinder von Bullerbü“ konnte ich mich nie begeistern. Irgendwie war mir das im Buch geschilderte Dorf- und Familienleben viel zu idyllisch und mit meinen eigenen Erfahrungen nicht kompatibel.

Auch viele Zeichnungen von Ilon Wikland sind bunt und fröhlich, zeigen eine idyllische, heile Welt, wie man es (damals) in Kinderbüchern erwartete. Spielende, tobende Kinder oder Tischszenen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bücher und das Werk der Illustratorin. Aber immer wieder tauchen auch Kinder auf, die einsam und allein am Fenster, an der Tür oder wie auf dem Titel des autobiografischen Buchs einsam auf dem Bahnsteig stehen.

Traurig und tröstlich zugleich ist die Geschichte der „Brüder Löwenherz“. Ich habe sie vor zwei Jahren wiederentdeckt und wieder gelesen, als kurz nacheinander ein Freund und eine Freundin starben.

Meiner Tochter habe ich am liebsten die Geschichten von Lotta aus der Krachmacherstraße vorgelesen. Und als meine Enkelin neulich bei uns zu Besuch war, haben wir uns gemeinsam die alten Lotta-Filme angesehen und dann verschiedene Astrid-Lindgren-Bücher gelesen, die ich immer noch aufbewahre und in die ich immer wieder gerne hineinschaue.

Foto aus der Ausstellung. Die Rechte an den Zeichnungen liegen bei Ilon Wikland.

Dass Ilon Wikland ein Buch über ihre Kindheit in Estland und ihre Flucht nach Schweden gezeichnet hat, habe ich erst in der Ausstellung erfahren. Die Illustratorin, 1930 in Estland geboren, lebte nach der Trennung der Eltern bei ihren Großeltern in Haapsalu. Aus Furcht vor den Deportationen der Roten Armee schickte die Großmutter ihre erst 14 Jahre alte Enkelin 1944 allein nach Schweden. Dort wurde sie von einer Tante aufgenommen, besuchte die Schule und studierte anschließend an der Kunstakademie in Stockholm und in London. Seit den 1950er-Jahren arbeitete Ilon Wikland als Grafikerin für verschiedene Verlage und wurde von Astrid Lindgren entdeckt, die sie mit Probe-Illustrationen zu ihrem Kinderbuch „Mio, mein Mio“ beauftragte.

Inzwischen ist Ilon Wikland über 90 Jahre alt. Ihre Erlebnisse in der Kindheit in Estland, auf der Flucht nach und im Exil in Schweden hat sie in dem Buch „Die lange, lange Reise“ thematisiert und verarbeitet. Es ist laut Pressemitteilung des Wilhelm Busch Museums, „das einzige von ihr illustrierte Buch, bei dem es erst die Bilder und dann den Text gab“. Den Text dazu hat Rose Lagercrantz geschrieben.

Ich würde die Geschichte gerne lesen, denn die Zeichnungen in der Ausstellung haben mich wirklich beeindruckt. Doch leider ist das Buch derzeit vergriffen. Aber vielleicht findet sich ja ein Verlag, der es neu auflegt. Denn die Themen Panzer, Krieg, Flucht und Exil sind ja zurzeit leider aktueller denn je.

Wandern und schreiben

Manche Menschen sind sicher, dass höhere Mächte uns unterstützen, wenn wir ein Ziel erreichen, einen Traum oder ein Projekt verwirklichen wollen. Dann geschehen hilfreiche Dinge scheinbar wie von selbst: Türen öffnen sich, wir erhalten Hinweise und Informationen und es werden Wege sichtbar, die wir bislang nicht bemerkt haben. Zufall, meinen die einen, von Gott, dem Universum oder der Vorsehung sprechen andere.

„In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt,
bewegt sich die Vorsehung auch. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen. Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung, und er sorgt, zu den eigenen Gunsten, für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen und Hilfen, die sich kein Mensch vorher je so erträumt haben könnte. Was immer Du kannst, beginne es. Kühnheit trägt Genius, Macht und Magie. Beginne jetzt.“ (https://quozio.com/quote/2f81d90d/1025/in-dem-augenblick-in-dem-man-sich-endgültig-einer-aufgabe). Von wem dieses Zitat stammt, ist ungewiss. Von Johann Wolfgang von Goethe wohl nicht, obwohl es ihm oft zugeschrieben wird. Möglicherweise hat der schottische Bergsteiger und Schriftsteller William Hutchison Murray etwas Ähnliches gesagt oder geschrieben (https://www.gutefrage.net/frage/goethe-zitat–in-dem-augenblick-in-dem-man-sich-endgueltig-einer-aufgabe-verschreibt). Der letzte Satz des „Kuckuckszitats“ ist laut Gerald Krieghofer eine entstellte Rückübersetzung der ohnehin schon sehr freien Übersetzung des irischen Dichters John Anster aus dem „Vorspiel auf dem Theater“ aus Goethes Faust (https://falschzitate.blogspot.com/2018/09/was-immer-du-tun-kannst-oder-ertraumst.html).

War es Zufall, Vorsehung oder Synchronizität, wie der Psychiater und Psychoanalytiker Carl Gustav Jung „zeitlich korrelierende Ereignisse (nennt), die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft sind (die also akausal sind), jedoch als miteinander verbunden, aufeinander bezogen wahrgenommen und gedeutet werden“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Synchronizität)? Ich weiß es nicht. Aber kurz nachdem ich für einen Workshop einen Essay über „Wandern und schreiben“ geschrieben und (endlich) angefangen habe, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen, landete die Ankündigung für ein Wander- und Schreibwochenende in meinem elektronischen Postfach.

Der Zusammenhang von Bewegung, Schreiben und Denken beschäftigt mich schon lange – theoretisch und praktisch. Die Liste der wandernden SchriftstellerInnen und PhilosophInnen ist lang. Auch viele meiner Texte sind beim Laufen oder Gehen entstanden. Wenn ich wandere oder auch nur spazieren gehe, habe ich mein Notizbuch immer dabei.

Die geführten Wanderungen durch die Berge des Allgäus mit Stopps für kurze Schreibeinheiten zwischendurch, die Schreibtrainerin Dorothee Köhler und die Wanderführerin Cilli Bauer vom Deutschen Alpenverein Anfang Juli anbieten, sind für mich eine ideale Verbindung – und die Möglichkeit, meine Alpentauglichkeit zu testen. Denn in nicht allzu ferner Zukunft möchte ich zu Fuß die Alpen überqueren. Ob meine Kondition und meine Trittfestigkeit fürs Hochgebirge reichen, weiß ich nicht. Denn bislang bin ich nur im Mittelgebirgen gewandert; der 1.142 Meter hohe Brocken im Harz ist bislang der höchste Berg, den ich erwandert habe. Doch das wird sich hoffentlich bald ändern.

Drei bis vier Stunden Gehzeit und bis zu 500 Höhenmetern im Aufstieg sind beim Schreib-Wander-Wochenende täglich geplant. Einen ersten Test, ob ich das schaffe, habe ich gleich am vergangenen Wochenende absolviert. Zum Glück – oder der Vorsehung sei Dank – hatte meine Kollegin Foe Zeit, und so sind wir gemeinsam im Harz gewandert.

Knapp 15 Kilometer haben wir in drei Stunden zurückgelegt – und sind dabei 450 Meter bergauf und ebenso viele wieder bergab gegangen. Den steilsten Anstieg – rund 300 Höhenmeter – haben wir gleich am Anfang bewältigt und sind in einer Winterlandschaft gelandet. Damit hatte ich nicht gerechnet – obwohl es noch ziemlich kalt war, bin ich irgendwie schon auf Frühling eingestellt. Spaß gemacht hat es trotzdem. Es war wohl die letzte Schneewanderung in diesem schneearmen Winter. Und vielleicht ist es beim nächsten Mal dann auch warm genug für eine kleine Schreibpause zwischendurch.

Mehr Fotos von der Wanderung gibt es im Blogbeitrag von Foe Rodens (https://foerodens.wordpress.com/2023/02/11/endlich-wieder-sonne-funf-stempelstellen-um-wernigerode/), mehr Infos zum Schreibwanderwochenende auf der Website https://wandernundschreiben.de/wanderungen/. Und wer einen von mir geschriebenen Artikel über die Auswirkungen des Wanderns aufs Lernen und für die Klassengemeinschaft lesen will, findet ihn unter https://www.friedrich-verlag.de/klassenleitung/klassenfahrten-ausfluege/draussen-lernt-sichs-besser/)

Tage-, Skizzen-, Notizbücher und Co

Alle, die meinen Blog regelmäßig oder gelegentlich lesen, wissen es: Ich schreibe gerne und viel mit der Hand und liebe Tage- und Notizbücher aller Art. Ich starte jeden Morgen mit Morgenseiten in den Tag und beende ihn am Abend mit einigen Zeilen in meinem Fünf-Jahresbuch. Ein Kalender und eine Art Bulletjournal sollen mir helfen, den Überblick über meine Termine und die Dinge zu behalten, die ich erledigen möchte oder muss. Außerdem „beherbergt“ der Ledereinband ein Notizheft für Schreibideen, also eine Art Schreibjournal.

In diesem Jahr habe ich ein neues Journal begonnen, in das ich regelmäßig abends eintrage, was am Tag geschehen ist. Ich habe in den vergangenen Jahren schon mehrere Versuche gestartet, aber über ein paar Seiten kam ich nie hinaus.

Das ist mit dem neuen Journal hoffentlich anders. Es hat eine Seite für jeden Tag, die mich vorwurfsvoll ansehen würde, wenn sie leer bliebe. 22 Tage habe ich schon durchgehalten; bis etwas wirklich zur Gewohnheit wird, dauert es nach einer Studie von Phillippa Lally vom University College in London im Durchschnitt allerdings genau dreimal so lange, nämlich 66 Tage. Ein Tag Pause macht der Studie zufolge nichts aus, längere oder öftere Auszeiten sollte man sich dagegen nicht gönnen, wenn frau wirklich eine Routine etablieren möchte.

Auch mit einem anderen guten Vorsatz bin ich auf einem guten Weg: Ich möchte endlich zeichnen lernen und habe mir deshalb vorgenommen, in diesem Jahr jeden Tag eine Skizze anzufertigen. Zu „One Day One Sketch“ hat mich Jens Huebner animiert, bei dem ich vor zwei Jahren mal einen Urban-Sketching-Workshop belegt habe (https://www.facebook.com/jens.huebner.berlin.germany/).

Jeden Abend zeichne ich also irgendwas in mein Skizzenbuch – und vielleicht wird dann auch mein Tagebuch irgendwann wirklich zu einer Art Visual diary. Weil meine Tagebücher bunter werden sollten, habe ich im vergangenen Jahr meine geliebten Claire-Fontaine-Kladden durch Skizzenbücher aus dickerem Papier ersetzt. Wirklich gut funktioniert hat die Kombination von Zeichnen und Schreiben allerdings nicht, Zeichnungen sind in meinen Tagebüchern bislang nur Ausnahmen. Und so bin ich wieder zu Claire Fontaine zurückgekehrt: Das Papier ist für mich – bekennender Papierfreak – zum Schreiben wirklich das beste. Außerdem haben die Hefte – ein weiteres Plus – einen flexiblen Einband.

Neu ist, dass ich meine Tagebücher von beiden Enden beschreibe – vorne Tagebuch, hinten Morgenseiten. Und irgendwann treffen sie sich in der Mitte. Zwei in eins – das macht Sinn. Denn zumindest inhaltlich gehen bei mir Tagebucheinträge und Morgenseiten ineinander über. Und auch den Unterschied zwischen Tagebuch und Journal habe ich, nebenbei bemerkt, nicht wirklich verstanden. Praktisch ist die Tagebuch-Morgenseiten-Kombi allemal: Es verkleinert den Bücherstapel neben meinem Bett – und das Gewicht der Bücher, die ich mitschleppen muss, wenn ich einmal verreise.  

Gewichtig: Fast 2,5 Kilo wiegen die Notiz- und Skizzenbücher, die ich täglich nutze.

PS: Heute ist der Tag der Handschrift. Viele Kinder und auch immer mehr Erwachsene können nicht mehr flüssig schreiben. Dabei ist Schreiben mit der Hand auch im Computerzeitalter keine überflüssige Kulturtechnik . Mehr dazu in einem Artikel von mir in der Zeitschrift Bildung + Lernen (https://viewer.ipaper.io/friedrich-verlag/bildung/bildung-lernen-22019/?Page=20&page=18).