Gelesene Bücher 2022

Der Blogbeitrag von Christof Herrmann (https://www.einfachbewusst.de/2022/12/gelesen-buecher-2022/) hat mich animiert, in diesem Jahr auch mal die Liste der von mir gelesenen Bücher zu veröffentlichen. Es waren 49, zehn weniger als im Jahr 2021.

Vor allem im Sommer, als ich an der Zeitschrift bildungSpezial gearbeitet habe, habe ich bei der Recherche zwar viele Fachartikel und Sachtexte, aber wenige Bücher gelesen. Und auch Bücher, in denen ich nur einzelne Texte oder Kapitel gelesen habe, zum Beispiel verschiedene Essaybände von Siri Hustvedt und Rebecca Solnit oder diverse Reiseführer, erscheinen nicht in dieser Liste.

Immerhin: Mein Ziel, ein Buch je Woche zu lesen, habe ich fast erreicht, obwohl ich das  eine oder andere Buch möglicherweise vergessen habe. Als ich diese Liste zusammengestellt habe, ist mir wieder einmal bewusst geworden, wie unzuverlässig ich gelesene Bücher notiere – und wie sehr sich meine Lese-Vorlieben verändert haben.

Jahrelang habe ich sehr viele Krimis gelesen – in diesem Jahr waren es nur drei. Die Bücher von Donna Leon lese ich, weil ich Familie Brunetti und Venedig mag; der dritte Krimi hat es auf die Liste geschafft, weil er in dem Ort spielt, in dem wir im Oktober zwei Wochen Urlaub gemacht haben: in Jokkmokk in Lappland. Zurzeit lese ich am liebsten autobiografische Bücher und/oder Essays – und ich bewundere jedes Mal aufs Neue, was die Essayistinnen alles wissen, wie viele und welche Bücher sie gelesen und verstanden haben. Um so belesen zu werden, müsste ich nicht nur viel mehr, sondern auch gezielter lesen. Aber ich bin, ich gebe es zu, eine unstrukturierte Leserin: Ich lese vor allem, was mir gefällt (https://timetoflyblog.com/die-unstrukturierte-leserin).

Anders als Christof Hermann vergebe ich keine Punkte für die gelesenen Bücher – denn eigentlich haben mir fast alle Bücher auf dieser Liste gefallen. Das liegt auch daran, dass ich Bücher, die mich nicht fesseln, nicht zu Ende lese, sondern angelesen zur Seite lege. Einige bekommen dann irgendwann eine zweite oder dritte Chance. So hatte ich mir Marion Braschs Buch „Aber jetzt ist Ruhe“ schon vor zwei Jahren einmal ausgeliehen. Jetzt beim zweiten Versuch hat es mir richtig gut gefallen.

Auch für Daniel Schreibers Essay Allein brauchte ich zwei Anläufe. Doch dann hat mich das Buch wirklich beeindruckt. Ulysses werde ich dagegen wohl nie zu Ende lesen. Ich habe pflichtschuldigst mehrere Leseversuche gestartet, den wohl allerletzten im Februar, als der Suhrkamp Verlag zum 100. Jubiläum der Erstausgabe und zum 140. Geburtstag von James Joyce 30 Tage lang jeden Morgen kurze Abschnitte aus dem ersten Teil des Romanklassikers verschickte. Nach einem Monat hätte man dann den ersten Teil komplett gelesen. (https://timetoflyblog.com/ulysses-haeppchenweise). Aber ich habe schon nach zwei Wochen aufgegeben.

Anita Brookner und Tove Ditlevsen habe ich erst in vergangenen Jahr entdeckt. Ihre Bücher „Ein Start ins Leben“ und die Kopenhagen-Trilogie stehen weit oben auf meiner Empfehlungsliste – und „Gesichter“ von Tove Ditlevsen und „Hotel du Lac“ von Anita Brookner auf meiner Leseliste für 2023.

Gelesene Bücher  2022

  1. Hans-Jürgen Ortheil: Ombra
  2. Dora Heldt: Drei Frauen, vier Leben
  3. Walter Tevis: Damengambit
  4. Katherine May. Überwintern
  5. Selene Marian: Ellis
  6. Simone de Beauvoir: Die Unzertrennlichen
  7. Sabine Bode: die vergessene Generation
  8. Erling Kagge: Gehen
  9. Sigrid Damm: Tage- und Nächtebücher aus Lappland
  10. Elke Heidenreich: Hier geht’s lang
  11. Maja Lunde: Als die Welt stehenblieb
  12. Roswitha Quadflieg: Über das Sterben meiner Mutter
  13. Nina Rigg: Die helle Stunde
  14. Sabine Bode: Nachkriegskinder
  15. Romalyn Tilghman: die Bücherfrauen
  16. Pascale Hugues: Mädchenschule
  17. Alena Schröder: Junge Frau, am Fenster stehend, blaues Kleid
  18. Ken Krimstedt: Die drei Leben der Hannah Arend (Graphic Novel)
  19. Tove Ditlevsen: Kindheit
  20. Tove Ditlevsen: Jugend
  21. Tove Ditlevsen: Abhängigkeit
  22. Eva Schmidt: Die untalentierte Lügnerin
  23. Alice Walker: Die Farbe Lila
  24. Alice Walker: Beim Schreiben der Farbe Lila
  25. Deborah Levy: Was das Leben kostet
  26. Bettina Flitner: Meine Schwester
  27. Donna Leon: Himmlische Juwelen
  28. Uta Scheub: Das falsche Leben: Eine Vatersuche
  29. Meike Scharff: Laufet, so werdet ihr finden: Meine Reise auf dem Jakobsweg
  30. Mason Currey: Mein kreatives Geheimnis sind bequeme Schuhe
  31. Anita Brookner: Ein Start ins Leben
  32. Ein glückliches Leben
  33. Bas Kast: Das Buch eines Sommers
  34. Veronika Peters: Das Herz von Paris
  35. Brigitte Helbling: Meine Schwiegermutter, der Mondmann und ich
  36. Simone de Beauvoir: Ein sanfter Tod
  37. Annie Erneaux: Eine Frau
  38. Marion Brasch: Aber jetzt ist Ruhe
  39. John Strelecky: Überraschung im Café am Rande der Welt
  40. Klara Nordin: Septemberschuld
  41. Djaili Amadou Amal: Die ungeduldigen Frauen
  42. Donna Leon: Milde Gaben
  43. Jürgen Becker:  Die folgenden Seiten. Journalgeschichten
  44. Katharina Hacker: Darf ich dir das Sie anbieten
  45. Daniel Schreiber: Allein
  46. Deborah Levy: Was ich nicht wissen will
  47. Thea Dorn: Trost
  48. Zoe Beck: Depression
  49. Mariana Leky: Kummer aller Art

Blogumzug

Es ist vollbracht. Der dritte Umzug innerhalb einiger Wochen ist – hoffentlich erfolgreich – beendet. Er hat mich viel Zeit und mehr Nerven gekostet als der Zimmertausch in der oberen Etage und der Umzug der Pflanzen in den Wintergarten, obwohl die meiste Arbeit eine Webmasterin für mich erledigt hat. Denn nicht ich bin umgezogen, sondern mein Blog. Geplant war das nicht, aber unverhofft kommt ja bekanntlich oft.

Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, im November, dem Schreibsovieldukannst-Monat, jeden zweiten Tag einen Blogbeitrag zu schreiben und zu veröffentlichen. Und in der ersten Monatshälfte klappte das auch ganz gut. Doch dann vertrug sich ein kleines Sicherheitsprogramm, Neudeutsch Plug-in, das ich schon lange meinem Blog installiert habe, nicht mehr mit einem WordPress-Update. Die Folge: Ich wurde aus meinem eigenen Blog ausgesperrt und der Blog war auch zeitweise nicht mehr im Internet erreichbar.

Der Fehler war mit der freundlichen Unterstützung eines ebenso kompetenten wie freundlichen Servicemitarbeiters schnell behoben. Allerdings tauchte er einen Tag später in alter Frische und mit dem gleichen Resultat wieder auf – und ich brauchte wieder Hilfe eines Servicemitarbeiter, der diesmal nicht so freundlich war. Er ließ mich nicht nur spüren, dass er mich für eine IT-Idiotin hielt, sondern er wusste leider auch nicht, wie ich das Problem dauerhaft lösen könnte. Darauf, alle paar Tage in der Warteschleife meines Bloghosters zu hängen, hatte ich definitiv keine Lust.

Für mich war das ein Grund, ein paar Änderungen anzugehen, die längst überfällig waren. Meine berufliche Website hatte ich schon vor einiger Zeit stillgelegt, weil ich sie als Rentnerin nicht mehr brauche. Und weil ich zwar gerne Blogbeiträge schreibe, es mir aber keinen Spaß macht, mich mit Blogtechnik zu beschäftigen, habe ich beschlossen, meine beiden Blogs – timetofly und Chaosgärtnerinnen – zusammenzulegen. So wächst, um Willy Brandt zu zitieren, wieder zusammen, was zusammengehört. Alle meine Gartenbeiträge aus den vergangenen Jahren sind jetzt auf diesem Blog nachzulesen.

Aus drei eins zu machen, sollte nicht nur den Aufwand, sondern auch die Kosten verringern. Doch es war viel schwieriger als gedacht, aus meinen alten Hostingvertrag für drei Websites in einen anderen, preiswerteren für nur einen Blog  zu wechseln. Angeblich hätte der ganze Blog neu aufgebaut, alle Inhalte neu installiert werden müssen. Ich habe gefühlt stundenlang in Warteschleifen gehangen, auf Rückrufe gewartet und verschiedene Angebote verglichen. Dass mir jeder Mitarbeiter, mit dem ich gesprochen habe, etwas anderes empfohlen hat, hat die Sache nicht erleichtert. Irgendwann war ich völlig genervt und habe mich entschieden, den Anbieter zu wechseln. Das hat geklappt, obwohl mein alter, teurer Vertrag sich in der Zwischenzeit automatisch um ein Jahr verlängert hatte. Doch offenbar war mein alter Anbieter ebenso genervt wie ich und hatte keine Lust mehr auf eine Kundin, die die Unterstützung braucht, auch wenn sie seit Jahren dafür zahlt.

Ob mit dem neuen Webhoster alles besser wird, muss sich zeigen; immerhin hat meine Webmasterin mit ihm gute Erfahrungen gemacht. Für ihn sprach auch, dass meine Daten täglich gesichert werden – und natürlich werden sie in Deutschland gespeichert, in einem Rechenzentrum in Frankfurt. Ein Wechsel von einem Vertrag in den anderen soll problemlos möglich sein – das hat mir der Mitarbeiter hoch und heilig versprochen. Und für den Fall der Fälle hat man mir Hilfe beim Umzug angeboten.

Heute Morgen habe ich jetzt die Nachricht bekommen, dass „der Transfer der Domain timetoflyblog.com erfolgreich abgeschlossen“ und „in Kürze“ wieder abrufbar ist. Dieser Beitrag ist also der erste aus der neuen Blog-Wohnung zu euch schicke. Mag sein, dass in der Adresszeile noch nicht der gewohnte Name steht. Ich hoffe aber, dass er Beitrag gut bei allen AbonnentInnen ankommt.

Die letzte Rose des Sommers

Ja, ich weiß, ich habe es schon (mehr als) einmal geschrieben, und ich werde es wahrscheinlich noch öfter tun: „Sommerbild“ von Christian Friedrich Hebbel ist eines meiner Lieblingsgedichte. Nun ist der Sommer längst vorbei, auch wenn sich der November bis vor einigen Tagen manchmal so anfühlte. Und heiß war es an jenem Morgen, als das Foto entstand, auch nicht. Im Gegenteil, die Temperaturen lagen deutlich unter null. Es hatte in der Nacht sogar ein wenig geschneit.

Doch als ich die roten Rosen in unserem Garten sah, kam mir das Hebbelgedicht in den Sinn. Denn auch unsere Rose im Rosenbeet ist, wie die von Hebbel besungene, „als ob sie bluten könnte, rot“. Allerdings ist sie wohl weit widerstandsfähiger als ihre Artgenossin, die der Flügelschlag eines Schmetterlings zerstörte. Sie trotzte selbst dem Frost, der ihr ein paar Eiskristalle auf ihre tiefroten Blütenblätter zauberte, und blühte weiter.

Ihre Zeit ist jedoch jetzt vorbei, ebenso wie die ihrer kleinen, unscheinbaren Verwandten im selben Beet. Aus der weißen Erdbeerblüte wird sicher keine Erdbeere mehr. Die Zeit der Christrose hat dagegen gerade erst begonnen. Sie ist früh dran in diesem Jahr, vielleicht weil der Sommer ungewöhnlich warm war und sich lange hinzog. Denn meist blüht sie erst im Dezember, passend zum Namen immer zur Weihnachtszeit.

Ein seltenes Bild: Erdbeeren (links) und Christrosen blühen in der Regel nicht zur gleichen Zeit.

Wer das Gedicht von Christian Friedrich Hebbel nachlesen möchte, findet es unter https://www.aphorismen.de/gedicht/7163

Zimmerwechsel

Manche Leute ziehen um, wenn sie in Rente gehen. Ich beschränke mich darauf, die obere Etage, seit dem Auszug meiner Tochter vor allem mein Reich, umzuräumen. Nicht zum ersten Mal, wie die LeserInnen meines Blogs wissen – und wahrscheinlich war es auch nicht die letzte Umräumaktion.

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich meine Arbeitsbereiche getrennt: das Schreiben von den Korrekturarbeiten, für die ich einen größeren Monitor brauche. Der nimmt leider viel Platz auf meinem Schreibtisch ein und dominiert – groß und schwarz, wie er ist – das kleine Arbeitszimmer optisch.

Nach dem Umräumen: Mein neues altes Arbeitszimmer …

Weil ich weniger arbeiten möchte, komme ich künftig mit einem Arbeitszimmer aus. Das „Korrekturzimmer“ zum „Kunstraum“ umzufunktionieren, war eine leichte Übung: Ich musste nur das Notebook, den Monitor und einige Bücher in das andere, jetzt einzige, Arbeitszimmer bringen, um Platz für meine Malutensilien schaffen. Jetzt muss ich sie nur noch nutzen und im wahrsten Sinne des Wortes mehr Farbe in mein Leben bringen.

ein Platz zum Malen …

Bei der Gelegenheit habe ich auch mein Keyboard wieder hervorgeholt und aufgebaut. Denn Klavier oder besser gesagt Keyboard spielen gehört zu den Dingen, die ich noch lernen möchte. Es ist ja angeblich nie zu spät, neu anzufangen, und Julia Cameron zitiert in ihrem Buch einen alten Witz, den ich aber noch nicht kannte:

„Frage: Weißt du, wie alt ich sein werde, wenn ich gelernt habe, Klavier zu spielen?

Antwort: Genauso alt, wie wenn du nicht Klavierspiele lernst.“ (Julia Cameron, Es ist nie zu spät, neu anzufangen, S. 46)

Das stimmt. Und wenn ich auch in diesem Leben sicher keine Klaviervirtuosin mehr werde, so reicht es doch vielleicht für einfache Stücke oder Lieder. Auf jeden Fall ist es eine gute Übung fürs Gehirn – mit der rechten und linken Hand unterschiedliche Melodien zu spielen, ist eine echte Herausforderung.

… ein Platz fürs Keyboard …

Eine (körperliche) Herausforderung war es, das zwar nur 90 cm schmale, aber massive und entsprechend schwere Bett im Zimmer meiner Tochter gegen ein 1,40 m breites zu tauschen. Mein Mann hatte das Bett vor Jahren so gebaut, dass es hüpfende und tobende Kinder problemlos aushielt. Weil es nicht nur verschraubt, sondern auch verleimt war, ließ es sich nicht auseinanderbauen und musste als Ganzes abtransportiert werden.

Dass das Treppenhaus in unserem Haus eher eng und verwinkelt ist, erleichterte die Aufgabe nicht. Doch wir haben sie gemeistert – schließlich sind mein Mann und ich im Möbelrücken sehr geübt: Unser Meisterstück haben wir abgelegt, als wir das Badezimmer im Erdgeschoss renovierten und zu zweit eine mehrere Zentner schwere gusseiserne Badewanne ins Freie bugsierten.  Das ist zwar schon Jahre her, aber bei Aktionen wie diesen erinnern wir uns immer daran – sicher auch, um uns Mut zu machen.

Das alte Bett haben wir dem Fairkaufhaus gespendet – es kann in einer anderen Familie noch mehrere Kinder-Generationen überstehen. ich schlafe jetzt auf der Bettcouch, die bisher auf der „Empore“, dem kleinen Platz neben der Treppe, stand. Von meinem neuen Schlafplatz direkt unter dem Dachfenster kann ich jetzt nachts den Himmel und, sofern das Wetter mitspielt, Mond und Sterne sehen. Wenn ich nachts wachliege, denke ich manchmal über einen Satz von Kant nach – es ist, um ehrlich zu sein, einer der wenigen, die ich kenne und halbwegs verstehe: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das Gesetz in mir.“

ein Platz zum Schlafen …

Meist lese oder schreibe ich aber, bis ich wieder müde werde, und manchmal höre ich auch Musik. Ein Regal mit einigen meiner Lieblingsbücher und -CDs steht in Griffweite – und mein Bett ist jetzt breit genug für die Dinge, die ich gerne um mich habe: diverse Notiz- und Tagebücher, beispielsweise, Bücher, die ich gerade lese oder lesen möchte, Bunt- und andere Stifte und ein Tablett für meine Kaffeetasse. Denn in den Wintermonaten, wenn ich lange vor Sonnenaufgang wach bin, schreibe ich meine Morgenseiten gerne gemütlich im Bett sitzend – bei einer Tasse Kaffee.

Erst wenn die Tage im Frühjahr wieder länger werden, werde ich meine Morgenseiten-Höhle verlassen und wieder auf die Empore umziehen. Von dem kleinen Schreibplatz, den ich mir dort eingerichtet, habe, kann ich dann wieder morgens beobachten, wie die Sonne langsam hinter den Häusern hervorkommt und der Tag langsam erwacht.

… und last, but not least, der neue Schreibplatz auf der Empore

SchreibSoVielDuKaNo

Nein, ich habe meine Fähigkeit, ganze Wörter oder Sätze zu bilden, nicht verloren. Und ich werde künftig auch nicht nur in unverständlichen Kürzeln sprechen oder schreiben. Aber kurz nachdem ich gestern meinem Blogbeitrag über den Nanowrimo veröffentlicht habe (https://timetoflyblog.com/nanowrimo), habe ich auf Instagram den #SchreibSoVielDuKaNo entdeckt. Zwei Instagrammerinnen, Kathinka Engel und Kyra Groh, haben im letzten Jahr den „Schreib so viel du kannst November“, ganz kurz KaNo, ins Leben gerufen – quasi einen nanowrimo light und stressfrei: „Für Leute wie uns, die den Gemeinschaftsaspekt des Nano mögen, aber den Druck nicht können, weil sie Schwächlinge sind. Oder sensibel. Oder einfach keine Lust drauf haben“, wie eine der Initiatorinnen am 26. Oktoberauf Facebook schrieb (https://www.facebook.com/kathinkaengel1/).

Wörter werden beim Kano, anders als beim Nanowrimo, nicht gezählt – oder, um noch einmal Kathinka Engel zu zitieren, es geht nicht um den „Word-Count“. „Es geht um Spaß und darum, mit sich und dem Schreiben zufrieden zu sein.“

Das gefällt mir und deshalb mache ich mit, obwohl mir die Instagram-, Facebook- und Web-Welt im Allgemeinen und die Sprache der Nutzerinnen, pardon Userinnen, im Besonderen ziemlich fremd sind – und wohl auch bleiben. Auch wenn ich als Social-Media-Oma nur ahne, was Badges oder Shareables sind, und es vielleicht auch nie erfahren werde, weil ich nicht weiß, was swipen bedeutet, folge ich #SchreibSoVielDuKaNo auf Instagram – und aktiviere bei der Gelegenheit auch meinen Instagram-Account wieder, der seit Monaten still vor sich hinschlummert. Und meinen zweiten Blogbeitrag habe ich ganz nebenbei auch verfasst. Manches geht eben doch schneller, als frau denkt.

NaNoWriMo

Heute, am 1. November, beginnt der „National Novel Writing Month” („Nationaler Monat des Roman-Schreibens”), kurz der NaNoWriMo – und ich habe beschlossen, in diesem Jahr bei dem Schreibprojekt mitzumachen. Ich will zwar keinen Roman schreiben und auch das offizielle Ziel des Projekts – in nur 30 Tagen ein Buch von mindestens 50.000 Wörten zu schreiben – ist für mich, bekennende Langsamschreiberin, völlig utopisch: Ich bin schon zufrieden, wenn ich bei in einem Monat 50.000 Zeichen aufs Papier oder in die Datei bringe.

Denn ich gehöre – zumindest bei meinen „privaten“ Schreibprojekten – zu denen, für die der Amerikaner Chris Baty das Projekt vor mehr als 30 Jahren eigentlich erfunden hat: Ich komme bei Blogs, Geschichten und Co oft nur langsam voran, weil mein innerer Zensor gerne mit am Schreibtisch oder am Computer sitzt und an allem, was ich schreibe, herummäkelt. Leider gelingt es mir nicht immer, ihn – oder genauer gesagt sie – zum Schweigen zu bringen. Und so überarbeite ich schon während ich schreibe, das Geschriebene immer, immer wieder.

Natürlich weiß ich, dass das kontraproduktiv ist – und ich bewundere wirklich alle, die in einem Monat 50.000 Wörter schreiben können. Im Jahr 2009 schafften das laut Wikipedia immerhin mehr als 30.000 der mehr als 165.000 AutorInnen, die sich offiziell am NaNoWriMo beteiligen. Das Schreibprojekte wird übrigens immer beliebter: Im ersten Jahr waren es gerade mal 21 MitschreiberInnen, im vergangenen Jahr haben laut Neobooks-Newsletter mehr als 400.000 teilgenommen, darunter 17.600 aus Deutschland.

Ich zähle nicht dazu, denn ich habe mich nicht offiziell zum NaNoWriMo angemeldet: Ich bin zu alt – oder vielleicht auch zu klug –, unerreichbaren Zielen hinterherzuhecheln. Weil mir aber die Idee gefällt, veranstalte ich meinen eigenen, privaten Schreibmonat und setze mir Ziele, die zu mir passen: So habe ich mir vorgenommen, jeden Tag mindestens eine Stunde zu schreiben – und im November an jedem zweiten Tag einen Blogbeitrag zu veröffentlichen. Auf diese Weise bessere ich meine Blogbilanz auf. Was ich mir am Neujahrsmorgen vorgenommen habe – zwei Blogbeiträge pro Woche – schaffe ich in diesem Jahr wohl nicht mehr; aber vielleicht gelingt es mir ja mindestens, mehr Beiträge als im vergangenen Jahr zu veröffentlichen.

Alle, die jetzt der Schreibehrgeiz gepackt hat, können sich auf der offiziellen Website informieren und registrieren (https://nanowrimo.org/). Infos auf Deutsch gibt es natürlich bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/NaNoWriMo) oder auch im Epubli-Blog (https://www.epubli.de/blog/nanowrimo).

Notabene: 50.000 Worte in 30 Tagen – das sind etwa 1.650 Wörter täglich. Dieser Blogbeitrag hatte bis zu diesem Nachsatz etwa 420 Wörter. Um das NaNoWriMo-Tagessoll zu erreichen, müsste ich fast viermal so viel schreiben – jeden Tag, auch am Wochenende.

Es ist nie zu spät …

… neu anzufangen“  lautet der Titel eines Buches von Julia Cameron, das ich mir sofort nach seinem Erscheinen im Jahr 2017 gekauft habe. Damals war ich gerade 60 geworden und der Untertitel heißt „Der Weg des Künstlers“ ab 60.*

Nun glaube ich nicht, dass ich eine Künstlerin bin oder jemals werde, aber es geht in Julia Camerons Büchern – oder zumindest die beiden, die ich gelesen habe – eigentlich nicht darum, (große) Kunst, was immer es sein mag, zu schaffen. Sondern sie will Menschen ermutigen, an ihre Kreativität zu glauben, herauszufinden, was sie gerne tun möchten – und damit anzufangen, egal ob sie Klavier spielen, Gedichte schreiben, sich sozial engagieren, Fische züchten oder Vögel beobachten wollen.

„Wenn wir behaupten, es ist zu spät für uns, mit etwas anzufangen, drücken wir damit in Wirklichkeit aus, dass wir nicht bereit sind, Anfänger zu sein“, schreibt Julia Cameron, und ich glaube, sie hat recht.

Trotzdemhabe ich das Buch vor fünf Jahren wieder zur Seite gelegt. Irgendwie fehlte mir die Zeit und es war für mich einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt. Denn es richtet sich an Menschen, die in Rente gehen – und von der Rente war ich damals noch mehr als sechs Jahre entfernt. Jetzt ist es so weit, und ich habe vor ein paar Wochen das Zwölf-Wochen-Programm gestartet.

Vier Komponenten sind in allen zwölf Wochen gleich: die Morgenseiten, ein Künstlertreff sowie zwei Spaziergänge von 20 Minuten pro Woche und die Memoiren, die sich in jeder Woche mit einem bestimmten Zeitabschnitt (Faustformel Lebensalter geteilt durch zwölf) befassen. Hinzu kommen jeweils bestimmte Aufgaben und Denkanstöße. Die Freiheit, eine oder andere Aufgabe abzuwandeln oder auszulassen, nehme ich mir. Und manche Woche dauert bei mir eben nicht 7, sondern 14 Tage.

Drei der vier „Basistechniken“ gehören ohnehin schon länger zu meinem Alltag: Spaziergänge oder Wanderungen beispielsweise. Weil ich wegen meiner Knieprobleme nicht mehr laufen, also joggen, kann, habe ich mir zum Ziel gesetzt, täglich mindestens 8000, besser 10.000 Schritte zu gehen. Das schaffe ich zwar nicht jeden Tag, aber im Durchschnitt der Woche haut es meist hin.

Morgenseiten schreibe ich seit Jahren – meist kurz nach dem Aufstehen, allerdings nicht immer, wie von Julia Cameron gefordert, mit der Hand, sondern oft am Computer. Ich habe mämlich festgestellt, dass ich dann offener schreibe – und manchmal schreibe ich nahtlos von den Morgenseiten an einem meiner Schreibprojekte weiter.

Die Idee des Künstlertreffs hat mirschon gefallen, als ich zum ersten Mal in einem anderen Buch Julia Camerons darüber gelesen habe: Einmal in der Woche einen Termin mit sich selbst einplanen, etwas unternehmen, was Spaß macht, etwas Neues entdecken oder etwas Altes, halb vergessenes, wiederzuentdecken – das hat was. In der Vergangenheit habe ich mir dafür allerdings nur selten die Zeit genommen. Das soll sich jetzt ändern und ich habe in den vergangenen sechs Wochen schon einiges unternommen: Ich habe mir zum Beispiel zahlreiche Ateliers hannoverscher KünstlerInnen angesehen, ein samisches Museum, zwei Kunsthandwerk-Ausstellungen und einen Skulpturenpark besichtigt und im Café Winuwuk Kaffee getrunken und geschrieben.

Bei meinen Aktivitäten steht oft Kunst im Mittelpunkt. Irgendwie schleiche ich um das Thema wie die berühmte Katze um den heißen Brei – wohl weil ich noch nicht wirklich den Mut habe, selbst anzufangen zu malen und zu zeichnen. Mein Perfektionismus steht mir im Wege. Denn ich halte mich für völlig talentfrei – und ich habe, ich gestehe es, nicht wirklich den Mut, eine Anfängerin zu sein. Doch auch das gehört zu den Dingen, die ich ändern möchte. Denn es ist ja angeblich nie zu spät, neu anzufangen …

Zum Nachlesen: Julia Cameron: Es ist nie zu spät, neu anzufangen. Der Weg des Künstlers ab 60. Droemer Knaur, München 2017

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Ein Tag im Jahr: Der 27. September

Als ich heute Morgen das Datum meiner Morgenseiten schrieb, wurde es mir bewusst: Heute ist DER 27. September, also der Tag im Jahr, den Christa Wolf ihr ganzes Schriftstellerinnenleben lang – von 1960 bis 2011 – beschrieben hat. Maxim Gorki hatte die Schriftsteller der Welt 1935 dazu aufgerufen, diesen Tag zu porträtieren, die Istwesja hatte den Aufruf 1960 wiederholt (https://timetoflyblog.com/27-september-ein-tag-im-jahr). Ich bin erst vor zwei Jahren durch Christa Wolfs Buch „Ein Tag im Jahr“* auf den Tag aufmerksam geworden – und will die Tradition fort.

Vor einem Jahr, am 27. September 2021, gab der Bundeswahlleiter morgens um 06:00 Uhr das vorläufige Ergebnis der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021 bekannt: Die SPD war mit 25,7 Prozent der Stimmen knapp stärkste Fraktion vor CDU/CSU mit 24,1 Prozent. Olaf Scholz wurde Bundeskanzler, auch wenn das am 27. noch nicht alle wahrhaben wollten.

Ein Jahr später hat Italien gewählt, und wie in Schweden vor einer Woche haben auch in Italien die rechten Parteien die Wahl gewonnen. Die post-faschistischen Fratelli d’Italia sind stärkste Fraktion, dass mit Giorgia Meloni die Brüder anführt und wohl erstmals eine Frau italienische Ministerpräsidentin wird, macht die Sache leider nicht besser. Bleibt nur die Hoffnung, dass sich auch diese Regierung – wie viele italienische vor ihr – nicht allzu lange an der Macht hält. Die Wahlbeteiligung lag bei gerade mal 64 Prozent – laut ZEIT ein „historischer Tiefstand“. Zum Vergleich: An der Bundestagswahl vor einem Jahr beteiligten sich 76,6 Prozent der Wahlberechtigten. Und die AfD kam auf „nur“ 10,3 Prozent.

Halbwegs gute Nachrichten aus Russland: Viele Männer entziehen sich der Teilmobilmachung durch Flucht ins Ausland, in Russland selbst protestieren immer mehr Menschen gegen den Ukrainekrieg – Tausende wurden und werden verhaftet. Trotzdem gehen die Scheinreferenden in den annektierten ukrainischen Gebieten weiter und enden heute. Das Ergebnis steht ohnehin schon fest. Christa Wolf, da bin ich sicher, würde sich im Grabe umdrehen angesichts dieser russischen Politik.

Auch im Iran rumort es: Vor allem Frauen, aber auch viele Männer gehen auf die Straße. Anlass der Demonstrationen gegen die rigiden Kleiderordnungen und das Mullah-regime war der Tod von Mahsa Amini. Die junge Frau war von den Revolutionswächtern verhaftet worden, weil sie ihr Kopftuch „unislamisch“ trug, und in der Haft gestorben. Dass Männer im Iran für Frauenrechte demonstrieren oder gar feministische Parolen rufen, wäre eigentlich eine sehr gute Nachricht, wenn das Regime nicht so gewaltsam gegen die DemonstrantInnen vorgehen würde. Mehr als 30 Menschen sind bereits gestorben, und laut HAZ plant die „iranische Justizbehörde Sondergerichte zur Aburteilung von festgenommenen Demonstrantinnen und Demonstranten“, die in den Augen der Machthaber „Anführer der vom Ausland angeheuerten Unruhestifter“ sind. Was für ein Privileg ist es, in einem Land wie Deutschland zu leben.

Insgesamt war der 27. September 2022 ein eher unspektakulärer Tag, das Protokoll in Kurzfassung. Yoga und Morgenseiten, wie an jedem Morgen, Kaffee trinken, Zeitung lesen. Weil die Artikel der Zeitschrift, die ich gemeinsam mit meiner Kollegin Foe Korrektur lese, auf sich warten lassen, habe ich den den Tag mit Haus- statt Berufsarbeit – das wird künftig, wenn ich Rentnerin bin, häufiger so sein. Ich habe gewaschen, geputzt, auf- und umgeräumt. Ich habe eingekauft und gewählt, weil ich am Wahltag im nächsten Monat nicht in Burgwedel bin. Wenn ich diesen Blog geschrieben und online gestellt habe, lese ich: den Roman von Marion Brasch über ihre fabelhafte Familie: „Ab jetzt ist Ruhe“.

Womit wir wieder beim 27. September wären. Marion Braschs Bruder, der Schriftsteller Thomas Brasch, hat ein Gedicht mit dem Titel „Der schöne 27. September“ geschrieben; zu dem gleichnamigen Gedichtband, der 1980 im Suhrkamp Verlag erschienen ist, hat Christa Wolf das Nachwort geschrieben.

https://www.suhrkamp.de/buch/thomas-brasch-der-schoene-27-september-t-9783518223734

Christa Wolf:

Ein Tag im Jahr: 1960-2000 (suhrkamp taschenbuch)

Ein Tag im Jahr im neuen Jahrhundert (suhrkamp taschenbuch)

*Der Beitrag enthält unbezahlte Werbung.

Auf nach Lüneburg

Wenn ich ein Telenovela-Fan wäre, wäre es mir wohl nicht passiert. Dann hätte ich Lüneburg sicher schon vor Jahren entdeckt. Denn Rote Rosen, nach Sturm der Liebe die am häufigsten ausgestrahlte deutsche Telenovela, spielt in Lüneburg. Seit November 2006 sendete das Erste – immer montags bis freitags – mehr als 3.600 Folgen. Doch ich habe keine einzige gesehen – und auch Lüneburg kannte ich bislang nicht.

Dabei bin ich oft durch Lüneburg gefahren. Denn die Stadt liegt auf der Bahnstrecke von Hannover und Hamburg. Mit dem Metronom, trotz vieler Halts die schnellste und vor allem zuverlässigste Bahnverbindung zwischen Burgwedel und Hamburg, dauert die Fahrt gerade mal anderthalb Stunden – mit einem 20-minütigen Aufenthalt in Uelzen. Den nutze ich gerne, um mir den Hundertwasserbahnhof anzusehen.

Auch beim Halt in Lüneburg habe ich gelegentlich darüber nachgedacht, auszusteigen, die Stadt zu besichtigen und ein oder zwei Stunden später weiterzufahren. Doch dann habe ich es immer wieder verschoben. Auf ein anderes Mal, wenn das Wetter besser oder der Zug nicht zu voll ist, wenn ich kein Gepäck dabei oder mehr Zeit habe. Jetzt war es endlich so weit. Als ich zwei Projekte – ein großes und ein kleines – abgeschlossen hatte, habe ich mir einen freien Tag und einen Besuch in Lüneburg gegönnt. Und bedauert, dass ich das nicht schon viel früher getan habe.

Denn Lüneburg ist wirklich eine Reise wert – nicht nur für Rote-Rosen-Fans. In den Stintmarkt am alten Hafen mit den historischen Giebel- und Fachwerkhäusern, dem Kran und dem Alten Kaufhaus habe ich mich sofort verliebt. Seinen Namen verdankt der Markt dem Stint, einem kleinen Fisch, der angeblich nach Gurken riechen soll. Er galt als Spezialität, wurde früher in Lüneburg und Umgebung massenweise aus der Ilmenau gefischt und im Alten Kaufhaus an den Mann oder an die Frau gebracht – ebenso wie Hering aus der Ostsee, Stoffe, Glas oder Gewürze. Diese und andere Kostbarkeiten brachten die Kaufleute mit, wenn sie das Salz, das wichtigste Lüneburger Handelsgut, über die Ilmenau abtransportierten und in anderen Orten teuer verkauften. Denn das Mineral, das heute nur wenige Cent kostet, war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine Kostbarkeit – das „weiße Gold“ hat die Stadt und viele ihrer BewohnerInnen reich gemacht.

Davon zeugen noch heute prächtige öffentliche Gebäude wie Rathaus, Glockenhaus, Wasserturm, Handwerkerhaus und drei Stadtkirchen, aber auch viele repräsentative und schön restaurierte Bürgerhäuser aus ganz unterschiedlichen Epochen. Rund 1.400 Baudenkmäler soll es in der Stadt geben – sie verleihen der Altstadt mit den engen Gassen, gemütlichen, vielen kleinen Läden und Restaurants besonderes Flair. Hier könnte ich leben.

Zumindest werde ich bald wieder nach Lüneburg fahren. Dann möchte ich nicht nur durch die Stadt bummeln, sondern auch das Museum im Stadtzentrum und das etwas außerhalb gelegene Kloster Lüne besuchen. Denn im Museum des ehemaligen Benediktinerinnenklosters, das in diesem Jahr 850-jähriges Jubiläum feiert, ist im Jubiläumsjahr ein besonderer Schatz zu sehen: ein Briefbuch aus der frühen Neuzeit. Zwischen 1460 und 1555 kopierten die Nonnen ihre gesamte Korrespondenz – insgesamt fast 1.800 private und geschäftliche Briefe – ein Glücksfall für HistorikerInnen. Und bevor das Buch wieder im Archiv verschwindet, möchte ich zumindest einen Blick darauf und hinein werfen.

Traumberuf mit Tücken

Gestern habe ich meinen Rentenantrag gestellt. Eigentlich stand das schon seit einigen Wochen auf meiner To-do-Liste, denn ab 1. Oktober habe ich laut Rentenauskunft Anspruch auf Regelaltersrente. 38 Jahren Jahre und zehn Monate habe ich dann versicherungspflichtig gearbeitet, anders als die meisten meiner Bekannten habe ich keine „Familienpause“ gemacht.

Ich habe bis kurz vor der Geburt meiner Tochter gearbeitet und habe schon ein paar Wochen danach wieder einen Auftrag angenommen. Die Rente, die ich mir in fast vier Jahrzehnten erarbeitet habe, hätte meine Mutter wohl treffend mit dem Satz beschrieben: „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“. Aber so ist es eben, wenn frau das Talent zur Selbstvermarktung und das Selbstvertrauen, angemessene Honorare einzufordern, völlig fehlt – und wenn sie zudem in einer Branche arbeitet, in der Freiberufler:innen meist schlecht bezahlt werden.

Laut Künstlersozialkasse (KSK), in der ich glücklicherweise seit 36 Jahren versichert bin, betrug das durchschnittliche Einkommen der weiblichen Versicherten im Bereich Wort – also von Journalistinnen, Lektorinnen, Korrektorinnen, Übersetzerinnen und Autorinnen – 18.731 Euro. Im Jahr wohlgemerkt, nicht im Monat.

Ich weiß: Für so wenig Geld würden viele nicht aufstehen, geschweige denn arbeiten. Aber unter den freiberuflichen Künstlerinnen und Publizistinnen sind wir „Wortkünstlerinnen“ oder Worthandwerkerinnen die Krösusse: Bildende Künstlerinnen bringen es durchschnittlich gerade mal auf 14.145 Euro, darstellende – also Schauspielerinnen und Tänzerinnen – auf 13.168 Euro Jahreseinkommen. Schlusslicht sind die Musikerinnen, die laut KSK im Jahr durchschnittlich 11.329 Euro verdienen (https://www.kuenstlersozialkasse.de/service/ksk-in-zahlen.html). Die Zahlen stammen aus der Zeit vor Corona – seither hat sich die finanzielle Lage der meisten Freien im Kunst- und Kulturbereich und bei den Medien eher verschlechtert.

Wer wenig verdient bekommt im Alter bekanntlich auch wenig Rente. Zudem wird das Rentenniveau in den kommenden Jahren weiter sinken. Viele meiner jüngeren Kolleginnen werden also im Alter mit weniger Geld auskommen müssen als ich. Also kein Grund zum Jammern.

Wie hoch meine Rente sein wird, erfahre ich wohl in den nächsten Wochen. Aber eins weiß ich schon jetzt: Je ne regret rien, um Edith Piaf zu zitieren, oder zumindest presque rien, also fast nichts. Denn mein Beruf hat mir Spaß gemacht, meistens jedenfalls. Als Studentin habe ich davon geträumt, eine Stelle in einem Verlag zu finden; als es mir gelungen ist, war ich überglücklich. Und auch nach all den Jahren ist es mein Traumberuf: Ich recherchiere und schreibe immer noch gerne und werde damit nicht aufhören, wenn ich demnächst Rentnerin bin. Ich werde weiter schreiben: Artikel, Blogbeiträge, Essays, vielleicht auch wieder ein Buch. Dafür habe ich hoffentlich endlich Zeit und Muße, wenn ich demnächst Rentnerin bin. Die Aufgaben, die mir im Job eher Stress als Freude bereitet haben, mögen dann gerne andere übernehmen.