Wandern im Harz: Auf dem Brocken

Goethe war hier – und hat dem höchsten Berg Norddeutschland im Faust ein literarisches Denkmal gesetzt. Heinrich Heine hat den Brocken ebenfalls bestiegen – und danach die Harzreise verfasst. Ich nehme mir vor nach meiner Wanderung einen Blog zu schreiben (was ich hiermit getan habe).

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Der Brocken fasziniert mich immer wieder: Seit der Berg – zu DDR-Zeiten militärisches Sperrgebiet – im Dezember 1989 wieder geöffnet wurde, war ich sicher ein Dutzend Mal oben. Meist bin ich wie am Sonntag von Torfhaus aus gewandert. Weil ich recht früh unterwegs war, habe ich auf dem Goetheweg nur wenige Menschen getroffen. Und auch auf dem Gipfel war es noch sehr ruhig.

Der Brocken hat für mich eine besondere Bedeutung – nicht nur, weil ich Hexen mag. Ich war auf dem Berg, als mein Vater starb. Am Tag zuvor war ich noch bei ihm gewesen. Fast neun Jahre später nehme ich auf der Wanderung zum Brocken auch ein bisschen Abschied von meiner Mutter. Nein, sie ist nicht gestorben, sie verschwindet nur seit zwei Jahren immer mehr in ihrer Demenz. Es ist ein Abschied auf Raten. Anderthalb Jahre hat sie in einem Heim ganz in meiner Nähe gelebt. Sie hat sich – soweit die Demenz es erlaubt – gut eingelebt und sich wohl gefühlt. Aber meine  Schwestern meinen, dass sie in einem Heim in Norderstedt besser aufgehoben ist – als ich diese Zeilen schreibe, ist sie bereits umgezogen. Ich werde meine Mutter also künftig nicht mehr zwei- oder dreimal in der  Woche, sondern nur noch alle zwei oder drei Wochen einmal besuchen.

Mit dem Wetter habe ich bei all meinen Brockenwanderungen Glück: Das ist bei mehr als 306 Nebel- und mehr als 260 Regentagen keine Selbstverständlichkeit. Es ist mit 8 Grad eher frisch, wenn auch deutlich wärmer als im Jahresdurchschnitt, ziemlich windig und etwas diesig. So zeigt sich das ganze Ausmaß des Waldsterbens zumindest von oben nicht ganz so deutlich. Der tote Silberwald hebt sich nicht ganz so klar vom umgebenden Grün ab – oder umgekehrt.

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Auf dem Brocken: Hexentanzplatz

Auf dem Weg bergab zeigt sich dann, dass der Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet hat. Auf dem Teufelsstieg in Richtung Schierke sind stellenweise nur noch wenige grüne Nadelbäume zu sehen.

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Und dennoch deprimiert mich der Anblick weniger als bei meiner Harzwanderung im vergangenen Jahr. Die riesigen grauen Steine und die toten Bäume im Eckerloch wirken fast mystisch – Sinfonie in Grau. Und wenn man genau hinschaut, sieht man, dass zwischen den toten Nadel- neue Laubbäume wachsen. Der Wald lebt – und ist, wenn man den Fachleuten und der Infotafel auf dem Goetheweg glauben darf, artenreicher und stabiler als zuvor. Irgendwann werden wir dem Borkenkäfer also dankbar sein, dass er der dem Tannen- und Fichteneinerlei den Garaus gemacht hat.

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Die Natur schafft das – hoffentlich

Bis wieder alles grün ist, werde ich allerdings nicht warten. Ich plane schon meine nächste Tour zum Brocken: Auf dem Teufelsstieg von Elend aus entlang der Bode über die Schnarcher- und Mauseklipppen und durch das Eckerloch. Dieser Weg soll dem Aufstieg von Mephisto und Faust nachempfunden sein. Und bergab will ich auf Heines Spuren wandern: durch das Tal der schönen Ilse nach Ilsenburg, angeblich der schönste Wanderweg vom und zum Brocken. Und auch in Thale am anderen Ende des Hexenstiegs will ich in diesem Sommer noch wandern: natürlich zum Hexentanzplatz.

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Kaffeepause auf dem Weg zum Tal der Hexen

Die gar nicht graue Stadt am Meer

Nein, es war keine Liebe auf den ersten Blick, auch nicht auf den zweiten oder dritten, eher eine Vernunftehe, aber die halten ja bekanntlich länger und sind auf Dauer manchmal glücklicher als manche Liebesheirat. Aber das ist ein anderes Thema.

Dass wir eine „kleine Auszeit zwischendurch“ gelegentlich in Cuxhaven verbringen, hat sicher auch sachliche Gründe. So dauert die Fahrt von Hannover nach Cuxhaven gerade mal zwei Stunden, bis zum Darß braucht man oft doppelt so lang. Denn man erspart sich den Dauerstau um Hamburg. Dass die Strände auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst weiter und schöner sind und dass das Wasser an der Nordsee wegen der Gezeiten oft nicht da ist, wenn wir selbst gerade kommen, nehmen wir in Kauf.

Denn inzwischen mag ich Cuxhaven: Mir gefällt, dass ich in dort beides habe – das Meer und eine Stadt in der Nähe mit vielen kleinen Läden. Einen Schreibwarenladen mit so viel Stil und Atmosphäre wie Skribifax in der Deichstraße findet man nur selten – und eine Buchhandlung wie Oliva, in der man nicht nur neue, sondern auch gebrauchte Bücher kaufen kann, ebenfalls.

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Scribifax – Schreibwaren mit Stil

Mich überrascht immer wieder, wie viele schöne alte Gebäude es gibt – auch wenn man die vor allem im Lotsenviertel mitunter erst entdeckt, wenn man in die Höhe blickt. Dass manches originale Fenster im Erdgeschoss einem Schaufenster weichen musste, ist sicher bedauerlich, doch aus Sicht der Einzelhändler verständlich – und im Nachhinein ohnehin mehr zu ändern.

Cuxhaven ist zwar ein Seebad – aber, und auch das ist für in meinen Augen ein Plus, weniger vornehm als andere: eher etwas für die kleinen Leute, weniger für die feinen.

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Schön restaurierte Häuser hinterm Deich …

Hinterm Deich stehen historische Gebäude und moderne Apartementanlagen einträchtig nebeneinander: Denn für mehr als drei Millionen Übernachtungen im Jahr werden natürlich viele Unterkünfte benötigt. Wer sicher sein will, dass er von seinem Zimmer aus über den schützenden Deich blicken kann, sollte mindestens in die dritte Etage ziehen.

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… und davor eine Sinfonie in Blau und Grau. Auch das Watt hat wat.

Beim letzten Cuxhavenbesuch in der vergangenen Woche hatten wir von unserer Wohnung im siebten Stock einen schönen Blick aufs Meer und auf die Elbmündung – für mich die halbe Erholung. Strandfeeling gibt’s übrigens auch in Cuxhaven: gleich nebenan im Stadtteil Duhnen und – fast so schön wie auf dem Darß –  ein paar Kilometer weiter in Sahlenburg.

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Darß-Feeling in Sahlenburg

Dort lohnt auf jeden Fall ein Besuch in dem zwischen Strand und Heide gelegenen Wattenmeer-Besucherzentrum. Von außen ist das moderne Gebäude mit viel Holz und Glas ei echter Hingucker. Drinnen erfährt man viel über das Weltnaturerbe Wattenmeer – über Salzwiese oder Küstenheide, über Wattwürmer und andere kleine und große Tiere, über Umwelt- und Meeresverschmutzung.

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Anschauen lohnt – drinnen und draußen: das Besucherzentrum Wattenmeer

Hier wird auch erklärt, warum man sich keine Sorgen machen muss, wenn das Meer mal weg ist, wenn man selbst gerade ankommt.  Es kommt nämlich immer wieder, versprochen.

Von Städten und Bildern

Eigentlich wollte ich heute nach Tübingen fahren, weil ich die Universitätsstadt am Neckar schon immer mal gerne sehen wollte. Uhland und viele Romantiker haben hier gelebt und Hölderlin, von dem ich, ich gestehe es zu meiner Schande, außer ein paar Gedichten nichts gelesen habe. Hermann Hesse hat in Tübingen eine Buchhändlerlehre gemacht, Claus Kleber Jura studiert, Papst Benedikt Theologie gelehrt, Dietrich Bonhoeffer hat sie  praktiziert. Und Walter Jens war hier Rhetorikprofessor. Zudem soll die Stadt sehr hübsch sein. Gründe genug für einen Abstecher. Und von Bruchsal nach Tübingen ist es ja auch nur ein Katzensprung.

Ich hatte also Tübingen fest eingeplant, meinen Aufenthalt bei meiner Freundin um einen Tag verlängert, mich mit einem neuen Anorak gegen schlechtes Wetter gewappnet und mir Züge ausgesucht, mit denen ich fahren wollte: morgens um halb 9 hin, nachmittags gegen 15 Uhr zurück. Nicht viel Zeit, um eine Stadt kennen zu lernen, aber immerhin genug, um einen ersten Eindruck zu gewinnen – und zu entscheiden, ob es sich lohnt, wiederzukommen. Im Sommer, wenn das Wetter hoffentlich besser ist.

Ich wollte also eigentlich nach Tübingen fahren, doch dann zwang mich die Deutsche Bahn zu einer Planänderung. Denn als ich früh morgens noch einmal nachschauen wollte, wann ich genau abfahren und wo ich umsteigen muss, zeigte sich auf dem Bildschirm das gefürchtete rote Warndreieck

„Weichenstörung: Auf der Strecke Stuttgart Hbf – Tübingen Hbf zwischen Stuttgart Hbf und Esslingen(Neckar). Es kommt zu Verspätungen in beide Richtungen im Regionalverkehr der Deutschen Bahn.“

Weil mein Zeitfenster ohnehin eng war und für Verspätungen keine Zeit, disponierte ich um und blieb zu Hause. Zum Glück. Denn selbst nach 10 war noch keine Besserung in Sicht: „Die Weichenstörung in Stuttgart Hbf besteht leider weiterhin; Züge fahren langsamer. Bitte rechnen Sie mit Verspätungen und vereinzelten Zugausfällen. Die Störung dauert an. Ende noch nicht abschätzbar. Update folgt“, hieß es auf der Bahn-Website.

Mein Reiseupdate sieht statt Tübingen jetzt einen Besuch in Mannheim vor. Auf den ersten Blick vielleicht kein adäquater Ersatz, doch gerade gestern hat mich – meiner Freundin sei Dank – schon eine andere Stadt positiv überrascht. Baden-Baden stand überhaupt nicht auf meiner To-visit-Liste. Doch allein das Museum Frieder Burda ist eine Reise wert.

Das Museum ist schon architektonisch ein Highlight. Und dann war dort das Banskys „Girl with Balloon“ alias „Love is in the Bin“  zu sehen. Allen, die sich nicht (mehr) erinnern, sei die Geschichte kurz erzählt: Im vergangenen Herbst hatte eine Sammlerin das Werk des Street-Art-Künstlers bei einer Kunstauktion bei Sotheby’s gerade für schlappe 1,2 Millionen Euro ersteigert – also ein Schnäppchen –, als die untere Hälfte vor den Augen der Anwesenden zerschreddert wurde.

Die obere Hälfte ist jetzt heil im Rahmen zu bewundern, die zweite Hälfte hängt in Streifen geschnitten darunter. Mindestens so interessant wie das Bild selbst waren zwei Filme, die gezeigt wurden – einer über den Street-Art-Künstler und seine (anderen) Arbeiten, der zweite über die Auktion und die Schredderaktion. „Die Strategien des Kunstmarktes zu torpedieren – und gleichzeitig ihre Dynamik zu beflügeln“ – das ist Bansky sicher gelungen. Denn das kaputte Bild ist jetzt wohl viel mehr wert als bei der Auktion.

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Banksy:
Love is in the Bin
,
2018, Sprayfarbe und Acryl auf Leinwand, 142 x 78 x 18 cm,
Privatsammlung, Foto: Sotheby’s
,
© Banksy

Weil es schon spät war und das Museum schon um 18 Uhr seine Tore schloss, reichte es danach leider nur noch zu einem Schnelldurchgang durch die Brücke-Ausstellung. Wie gesagt: Der Besuch lohnt und auch der kurze Rundgang durch die Stadt machte Lust aufs Wiederkommen. Irgendwie hat Baden-Baden mehr Flair, als ich gedacht hatte. Und so bin ich gespannt auf Mannheim.

Übrigens: Banskys Bild „LOVE IS IN THE BIN“ ist noch bis 3. März  im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen, die Ausstellung „Die Brücke“ noch bis zum 24. März.

Schreibort mit Meerblick

Ich gebe zu, ich habe meinen Mann beneidet. Während ich, noch zur arbeitenden Bevölkerung gehörend, nach einer Woche La Palma wieder zurück ins dezembergraue Deutschland geflogen bin, ist er umgezogen: aus unserem wunderschönen, ganz einsam gelegenen Ferienhaus nach Athos. Nein, nicht in die Mönchsrepublik in Griechenland, wo Frauen – also auch mir – der Zutritt ohnehin verwehrt wäre, sondern in ein gleichnamiges Astrocamp. Das liegt wie das griechische Kloster an einem Berg, wenn auch nicht auf einem heiligen, sondern am Roque de los Muchachos.

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Nicht nur für Männer: Hütte nicht am Berg, sondern im Camp Athos (alle Fotos: Utz Schmidtko)

In 900 Meter Höhe auf dem Weg zum Roque-de-los-Muchachos-Observatorium hat ein Astro-Fan aus Deutschland auf dem Gelände einer ehemaligen Finca das Centro Astronomico La Palma geschaffen. Er vermietet Hütten an Amateurastronomen – mit ausgezeichneten Sichtbedingungen und wenn gewünscht mit dem nötigen technischen Equipment, um nachts die Sterne und tagsüber die Sonne zu beobachten. Das tun meist Männer, deshalb passt der Name Athos prima.

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Ausgezeichnete Sichtbedingungen: Meer- und Himmelsblick.

Nicht nur der Blick ist wunderschön:  Wie fast überall auf La Palma kann man auch hier das Meer sehen. Das Ambiente hat mich ebenfalls begeistert. Die Hütten liegen in einer Art botanischem Garten mit vielen für uns Mitteleuropäer exotischen, auf La Palma aber heimischen Pflanzen. Es gibt einen kleinen Teich mit einem Wasserfall und die Orangerie hat ein ganz besonderes Flair. Hier kochen und essen die Gäste oder treffen sich, um zu fachsimpeln oder miteinander zu klönen.

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Die Orangerie von außen …

Und wieder mal kommen mir die Buchmenschen aus Ray Bradburys Roman Fahrenheit 451 in den Sinn: Sie sind aus der totalitären Gesellschaft, in der Bücher verboten sind und verbrannt werden, geflohen und leben gemeinsam, versteckt im Wald. Hier auf Athos wäre ein idealer Ort für sie. Vielleicht auch für mich. Denn manchmal möchte ich aus meinem Alltag fliehen – und: Ja, ich bin ein bisschen neidisch: Ich wünsche mir auch so ein Camp – mit einer Hütte zum Schreiben und der Möglichkeit, andere Schreibende zu treffen, mich mit ihnen austauschen oder auch mal gemeinsam zu schreiben. Eine Community of writers eben.

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… und von innen.

Die Amateur-Astronomen haben solche Orte, die Übersetzer auch – das Europäische Übersetzer-Kollegium in Straelen. In dem internationalen Arbeitszentrum finden literarische Übersetzer ideale Bedingungen für ihre Arbeit. 30 Appartements, Arbeitsräume und eine 125.000-bändige Spezialbibliothek, davon 25.000 Lexika in über 275 Sprachen und Dialekten. In der DDR gab es Häuser, in denen Schriftsteller arbeiten konnten, doch die sind, wie manches andere, der Wende zum Opfer gefallen. Uns Schreiberlingen, Journalisten wie Autoren, fehlt ein solcher Ort.

Eine Hütte mit Blick aufs Meer und die Orangerie als Treffpunkt – hier gibt es alles, was frau für eine Schreib(aus)zeit braucht. Vielleicht, träume ich, könnte man die bei Amateur-Astronomen unbeliebten Vollmond-Zeiten für ein Schreibcamp nutzen.

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Kurze Schreibsession vor dem Astro-Camp.

Der tiefe Blick in den Himmel hat so manchen Schreibenden beflügelt, zum Beispiel Joseph von Eichendorff zu einem meiner Lieblingsgedichte. Es heißt Mondnacht. Ich mag den Anfang, aber vor allem die letzte Strophe.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mondnacht_(Eichendorff)

Zeit zu fliegen, Zeit zu schreiben – time to fly, time to write

Gigantische Aussichten und neue Einsichten

Eigentlich hasse ich falsche Angaben im Internet – nicht nur, aber auch oder gerade, wenn es um die Urlaubsreise geht.  Wenn man ein Haus oder eine Wohnung bucht, die noch ein Geheimtipp ist, die noch nicht von vielen anderen Nutzern bewertet wurde, muss man sich auf das, was auf der Website steht, verlassen. Schwindeln oder schön schreiben geht also im Prinzip gar nicht. Aber manchmal ist es doch gut, wenn man vorher nicht die ganze Wahrheit kennt. Hätten wir gewusst, wo unser Ferienhaus auf La Palma liegt, hätten wir es wahrscheinlich nicht gebucht – und wir hätten sicher was verpasst.

400 m sollte das Haus von der nächsten Einkaufsmöglichkeit entfernt sein und ebenso weit vom Meer. Prima, dachten wir. Umso mulmiger war das Gefühl, als wir hinter der Frau, von der wir den Schlüssel bekommen sollten, zu unserem Feriendomizil fuhren. Zuerst ging’s raus aus dem Ort, dann runter von der asphaltierten Straße. Was auf den ersten Metern wie eine Querfeldeinparcours aussah, entpuppte sich dann im weiteren Verlauf als veritabler Feldweg, der mich ein wenig an die Gravelroads erinnerte, die wir zwei Jahre zuvor in Neuseeland kennen, aber nicht wirklich lieben lernten.

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Blick aufs Meer

 

Die Anfahrt war also – vorsichtig ausgedrückt – gewöhnungsbedürftig, wenn in dem Auto vor uns nicht eine junge Frau mit ihrem kleinen Sohn und ihrer Mutter gesessen hätte, sondern zwei finster dreinblickende Männer, wir wären sicher umgekehrt und hätten uns eine andere Bleibe gesucht. So fuhren wir brav hinterher – und wurden belohnt. Das Haus war nämlich wirklich so, wie es auf den Fotos zu sehen war. Hoch überm Meer, der Ausblick so grandios, dass wir uns daran gar nicht satt sehen konnten. Zum Haus gehörte ein Pool, ganz für uns allein, und ein Grillhaus mit Glastüren, dass ich sofort zum Schreibzimmer umfunktionierte. Wenn es morgens oder abends auf der Terrasse zu kühl oder einfach nur zu windig wurde, habe ich die Glastüren weit geöffnet und mich dort hingesetzt.

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Mein Schreibzimmer, im richtigen Leben eine Grillhütte

Beeindruckend war nicht nur die Aussicht, sondern auch die Stille. Nur ein paar Vögel waren manchmal zu hören, morgens krähten zwei Hähne irgendwo weit weg. Und dann war es wieder still. Und sobald die Sonne untergegangen, war es bemerkenswert dunkel. Keine unerwünschten Lichter, die den Blick auf den Sternenhimmel beeinträchtigen. Ideal für Amateurastronomen und für Leute wie mich, die einfach gerne Sterne sehen, wenn sie nachts nicht schlafen können.

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Sonnenuntergang in Puntagorda

Im Haus war alles, was man braucht – und außerdem manches, was den Aufenthalt in einem fremden Haus angenehmer macht: Es gab Kaffee,  Filtertüten, Spülmittel und eine Grundausstattung an Gewürzen, dazu eine Flasche Wein, einen riesigen Obstkorb und einen Korb mit Süßigkeiten. So konnten wir uns stärken, bevor wir uns auf den Weg zurück nach Puntagorda und zum Supermarkt machten. Etwa 4 Kilometer zeigte unser Tacho bis zur Ortsmitte – 4000 statt 400 Meter. Manchmal macht eine null doch einen Unterschied.

Die angegebene Entfernung zum Meer stimmte übrigens etwa – Luftlinie. Dass nicht die tatsächliche Distanz gemeint sein konnte, hätten wir wissen können, schließlich lag unser Haus gut 550 m über dem Meer.

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Solarcity Puerto Puntagorda.

Bis ans Meer, genauer gesagt bis nach Puerto Puntagorda, brauchten wir am nächsten Tag zu Fuß etwa anderthalb  Stunden – one way. Die letzten 50 von 450 Stufen, die uns zum Schluss noch vom Meer trennten, haben wir uns dann geschenkt. Denn obwohl es nicht besonders stürmisch, sondern nur etwas windig war, spritzte das Wasser bis zu uns hoch. Auch ohne Schilder, die in drei Sprachen vor plötzlich auftretenden hohen Wellen warnte, wären wir nicht weitergegangen. Aber Schwimmen ist ja ohnehin nicht mein Sport – schon gar nicht im Winter, auch wenn der sich auf La Palma mit über 20 Grad eher von seiner sommerlichen Seite zeigte.

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Zum Einkaufen mal anders

Gelohnt hat sich die Wanderung trotzdem – und auch die anderen in den nächsten Tagen ebenfalls. Und wir werden ganz gewiss wiederkommen, auch wenn der Weg zum nächsten Supermarkt und zum Ort etwas weiter ist als angegeben. Denn so schön, da waren wir uns einig, haben wir noch nie gewohnt. Manchmal ist es eben doch gut, nicht die ganze Wahrheit zu kennen.

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Spiegelbild

Schafft euch Schreibräume

Mai 2017. Ich brauche eine Auszeit, mehrere Schreibprojekte liegen in der Schublade, sprich: in einem Ordner auf meinem Computer. Ich kann mich nicht entscheiden, keines geht voran. Ich bin reif für die Insel, für eine Schreibinsel. Auf nach Wien, in Judith Wolfsbergers Writers Studio (Wien ist eine Reise wert).

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Schreibpause: Writers studio ohne Schreibende

„Schafft euch Schreibräume“, heißt das Buch, an dem Judith während des Schreibtreffs, Neudeutsch:  Schreibretreat, arbeitete. Es ist im Sommer erschienen und natürlich möchte ich es lesen – der Verlag schickt mir ein Rezensionsexemplar.

Judith Wolfsberger nimmt mich mit auf ihre Reisen auf den Spuren Virginia Woolfs – nicht nur nach England, sondern auch in die USA. Dort ist Virginia Woolf zwar nie gewesen, aber gerade dort haben ihre Ideen Spuren hinterlassen.

Auch ich habe natürlich schon vor Jahren bzw. vor Jahrzehnten „A Room of ones own“ gelesen. Schließlich war – und ist – es eine Art Kultbuch der Frauenbewegung. Aber anders als Simone Beauvoir, deren Bücher ich verschlungen habe, konnte  mich  Virginia Woolf nie wirklich begeistern. Jetzt lese ich, ermutigt und angeregt durch viele englischsprachige Zitate im Buch, ihre Bücher im Original – und entdecke sie, nein, eigentlich nicht neu, sondern zum ersten Mal wirklich.

Was Virginia Woolf und Judith Wolfsberger schreiben, spricht mich an. In Judith Wolfsbergers Buch, einer Mischung aus Memoir, Travel-Essays und Sachbuch, geht es vor allem ums Schreiben – und um den Mut, eigene Visionen zu leben.

Kann frau vom Schreiben leben und wie? Was brauchen Frauen, um selbstbestimmt zu schreiben? Wie können sie, wie kann ich, Beruf, Schreiben und Familie verbinden? Diese Fragen beschäftigen auch mich immer wieder. Zu lesen, dass auch andere schreibende Frauen an sich zweifeln und das Gefühl haben, nicht gut genug, nicht wichtig genug zu sein, um sich öffentlich zu äußern, bringt den inneren Kritiker zwar nicht zum Schweigen, ist aber trost- und hilfreich.

“A woman must have money and a room of her own if she is to write fiction“, lautet der wohl meist zitierte Satz aus Virginia Woolfs bekanntem Essay. Keine Frage, ein Rückzugsort, zu Virginias Zeiten für viele Frauen noch eine Ausnahme, ist auch heute noch immens wichtig. Doch ein eigenes Zimmer ist eben nicht genug. Um ihr Schreibpotenzial zu entfalten, brauchen vor allem viele Frauen offenbar eine „Community of writers“, Kontakte zu anderen Schreibenden, die sie unterstützen, mit denen sie gemeinsam schreiben. Denn Schreibzeiten, die man – oder frau – allein für sich einplant, werden, so nicht nur die Erfahrung  Judith Wolfsbergers, schnell mal durch andere wichtigere Termine verdrängt. Das ist bei Schreibverabredungen anders – sie werden meist eingehalten.

Virginia Woolf hatte eine Community of Writers, die Blomsbury Group, eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern, die sich gegenseitig unterstützten. Und auch mit Vita Sackville-West tauschte sie sich regelmäßig aus. Die beiden erfolgreichen Schriftstellerinnen feuerten sich gegenseitig an.

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Vita Sackville-West und Virginia Woolf waren Gartenfans. Schreiben unterm Flieder hätte ihnen gewiss gefallen.

Judith Wolfsberger hat in Wien mit dem Writers Studio nicht nur einen Schreibort zumWohlfühlen geschaffen, sondern auch für sich und andere Schreibende fixe Schreibtreffs. Gemeinsam zu schreiben spornt an, das habe ich selbst erfahren: Die beiden Schreibtage im Writers Studio im vergangenen Jahr haben mein Befana-Buch vorangebracht. Doch Wien ist weit entfernt – und in Hannover fehlt ein solcher Schreibraum. Aber der Gedanke, einen Schreib(t)raum in der Nähe zu haben, lässt mich nicht mehr los, seit ich das Buch gelesen habe. Schafft euch Schreibräume  – eine Aufforderung.

Bis es so weit ist, treffe ich mich mit meiner schreibenden Tochter in einem virtuellen Schreibraum: Wir verabreden uns zum Schreiben, aber weil wir nicht im gleichen Ort leben, schreibt jede in ihrer eigenen Wohnung. Bei unserer Schreibverabredung gestern ist dieser Blogbeitrag entstanden.

Mit meiner Schreibpartnerin möchte ich im nächsten Jahr auch auf dem Southwest Coast Path in Cornwall wandern, am Meer entlang, auf den Spuren Virginia Woolfs. Und noch eins hat dieses Buch bewirkt: Ich werde künftig mehr Bücher im (englischen) Original lesen. Viele gute Vorsätze für ein einziges Buch.

Judith Wolfsberger: Schafft euch Schreibräume! Weibliches Schreiben auf den Spuren Virginia Woolfs. Ein Memoir. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar, 2018, ISBN: 978-3-205-20635-4, 29 Euro.

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Wann wenn nicht jetzt

Die erste Kurzreise nach dem Verkauf des Wohnmobils, ohne Wehmut. Es ist Zeit für einen Neuanfang – und für neue Ziele. Die Hütten auf dem Campingplatz Flügger Strand auf Fehmarn waren alle belegt, die Wohnung in Wustrow, in der wir schon einmal ein paar Tage verbracht haben, und das Hotel auf Norderney mit seiner tollen Saunalandschaft einfach zu teuer. Aber ich bin reif für die Insel – und dieses Wochenende ist das einzige, das in unseren Zeitrahmen passt. Wenn nicht an diesem Wochenende, dann gar nicht mehr, bevor mein Mann gen Norden aufbricht, um Nordlichter zu jagen.

Wir buchen ein Zimmer in einem Hotel bei Burg auf Fehmarn, an der Ostküste der Insel. Das erweist sich als gut ausgestattetes Apartment, von dessen Balkon ich sogar einen Zipfel Meer sehen kann, morgens äsen vor unserem Fenster die Rehe.

Gerade mal 200 Meter Luftlinie sind es zum Strand, der hier allerdings steiniger ist als an der Westküste der Insel, steiler und durch einen schmalen Baumstreifen von den Feldern abgetrennt. Zu Fuß braucht man etwa fünf Minuten. Etwas weiter ist es bis zum Waldpavillon, in dem wir am ersten Abend essen: Mir gefällt vor allem der Blick aufs Wasser, mein Mann ist von der Fischplatte begeistert, die wir uns teilen und die auch mir gut schmeckt.

Wald und Wasser im Morgenlicht
Wald und Wasser im Morgenlicht.

Am nächsten Morgen Regen, doch der hört gegen Mittag auf. Gerade richtig für eine Fahrt nach Burg. Das ist viel größer und touristischer, als ich es in Erinnerung habe. Aber in 20 Jahren seit unserem letzten Besuch hat sich wahrscheinlich viel geändert. Es gibt ganz viele Läden und ich entdecke eine kleine, aber sehr gut sortierte Buchhandlung. Bei drei Büchern kann ich nicht widerstehen, aber es hätten auch mehr sein können. Lag’s am Angebot oder daran, dass ich ruhiger, entspannter war, als in den letzten Wochen und Monaten, in denen ich nur wenig gelesen habe.

Die Sauna haben wir abends für uns allein – sie sieht aus wie neu, obwohl sie schon ein paar Jahre alt ist. Gut gepflegt oder wenig benutzt – oder beides. Ich probiere sämtliche Duschprogramme aus. Der (warme) tropische Regen ist mein Favorit, gefolgt vom kühlen Frühlings- und vom etwas heftigeren sibirischem Regen.

Am nächsten Tag spazieren wir am Meer entlang, Richtung Norden. Der Strand: sicher kein Touristentraum, steinig, ziemlich naturbelassen und fast menschenleer. Mir gefällt’s.

Naturkunst am Strand
Naturkunst am Strand …
Kunsthandwerk auf der Steilküste
… und Kunsthandwerk am Küstenweg.

Einige Steine erinnern mich an die Moeraki Boulders in Neuseeland – und daran, dass ich dort vor fast zwei Jahren die Nachricht bekommen habe, dass Albert, ein Sportfreund aus meiner Jugend, gestorben ist. Ganz plötzlich – mit 62. Er war nicht krank, im Gegenteil. Er war fit, nahm immer noch an Leichtathletik-Wettkämpfen teil. Wenn ich an der Mosel war, habe ich manchmal mit ihm trainiert. Er hatte sich wenig verändert – äußerlich und wie mir bei unseren kurzen Begegnungen schien, auch charakterlich: Er war irgendwie immer noch der Junge von früher, forever young. Und jetzt tot. Und ich? Ich habe in den letzten Monaten zu viel gearbeitet, zu wenig gelebt. Zeit, etwas zu ändern.

Moeraki Boulders en miniature
Moeraki Boulders en miniature – in memoriam Albert Z.

Wir entdecken einen Campingplatz, direkt auf der Steilküste, die ideale Location, um Nordlichter zu fotografieren, wenn sie denn mal in Deutschland zu sehen sind. Wir haben zwar kein Wohnmobil mehr, aber eine niedliche Miethütte und einige Mietwohnwagen stehen direkt in der ersten Reihe. Ich entdecke einen Ort, an den ich mich flüchten kann, den aufzusuchen mir der Autor des neu gekauften Buchs empfiehlt. Ich gehe am nächsten Morgen, am letzten auf Fehmarn, noch einmal alleine hin. Ich genieße den Blick aufs Meer, die Stille, die Weite. Himmel und Wasser verschmelzen im gleißenden Licht der aufgehenden Sonne. Ich tauche ein und bin sicher: Ich komme wieder.

Zwischen Himmel und Wasser
Zwischen Himmel und Wasser.

Time to say goodbye

Alles hat seine Zeit. Diejenigen, die meinen Blog abonniert haben, müssen jetzt nicht in Panik verfallen und mir Bitte-tu-es-nicht-Mails schreiben, weil sie befürchten, künftig nichts mehr von mir zu lesen: Ich blogge weiter, auch wenn ich gerade eine längere Pause gemacht habe. Aber wir verkaufen unser Wohnmobil. Anderthalb Jahrzehnte hat es uns durch Europa geführt, zumindest durch einen Teil. Wir waren in Spanien und Italien, in Frankreich, der Schweiz (nur kurz und eigentlich nur einmal auf der Durchreise und ein zweites Mal, weil ich 100 Kilometer gelaufen bin), in Finnland, Schweden und Norwegen und natürlich an vielen Orten in Deutschland.

Das Wohnmobil hat uns treue Dienste geleistet: Wir habe Orte entdeckt, die wir nicht kennengelernt hätten, wenn wir Hotels oder Ferienwohnungen gebucht hätten. Und wir, vor allem ich, verdanken ihm so manche kleine Auszeit zwischendurch. Die werde ich vielleicht am meisten vermissen – einfach mal losfahren, für einen Tag oder zwei, ans Meer, nach Weimar, Dresden, nach Cuxhaven (ich vor allem des Meers, Utz eher des Fischtellers wegen) oder in den Harz. Ohne lange Planung und ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob irgendwo noch ein Zimmer frei ist.

Ein paar Plätze sind uns besonders in Erinnerung geblieben: zum Beispiel der in Merville-Franceville in der Normandie. Wir standen direkt am Strand, mit unverstellbarem Blick aufs Meer. Jeden Morgen bin ich am Wasser entlang in den nächsten Ort gegangen, habe Croissants und ein Baguette gekauft, das immer schon angeknabbert war, wenn ich schließlich wieder im Wohnmobil war. Sehr schön waren auch der Campingplatz in Skittenelv, nördlich von Tromsö, direkt am Fjord, und natürlich der kleine Stellplatz auf Hillesoy, ebenfalls bei Tromsö.

Wohnmobil Tromsö
In Skittenelv – campen am Fjord

Mein liebster Stadtcampingplatz war der vor den Toren von Granada. Die Parzellen waren so klein, dass wir mit unserem winzigen Wohnmobil gerade auf die größeren gepasst haben – und auf dem Nachbargrundstück aussteigen mussten. Auf keinem anderen Campingplatz haben wir Menschen aus so vielen Ländern getroffen. Die Atmosphäre war wirklich ganz besonders – und die Ausstattung auch: Die Spülbecken waren uralt, aus Stein und mit Mosaik verziert, ebenso wie die Mauern am kleinen Schwimmbecken. Wenn ich dort geschwommen bin, habe ich mich wie eine nasridische Prinzessin gefühlt.

In der Alhambra waren wir natürlich auch. Fast fünf Stunden haben wir für eine Eintrittskarte angestanden, weil das Online-Buchungssystem nicht funktionierte. Es war sehr heiß, wie es sich für Südspanien gehört, aber das Warten hat sich gelohnt. Zum einem der Alhambra wegen, zum anderen weil wir uns wirklich gut mit den anderen Wartenden unterhalten haben, in einem bunten Mix aus Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch.

Es waren schöne Touren, aber jetzt ist es vorbei. Alles hat eben seine Zeit …  time to say goodbye

Klein, aber oho

Nein, es muss nicht immer größer, schneller, mehr sein. Dass weniger manchmal mehr ist, ist eine altbekannte Weisheit. Neudeutsch heißt das Minimalismus. Und der Trend macht auch vor der Fotoausrüstung nicht halt. Seit ich Anfang Februar den Blogbeitrag von Andreas gelesen habe (https://14qm.de/minimalimus-fotoausruestung/), denke ich immer wieder darüber nach, meine Fotoausrüstung zu reduzieren. Doch ich die Entscheidung immer wieder aufgeschoben. Zum einen natürlich, weil Entscheidungsfreude nicht zu meinen Kernkompetenzen zählt. Zum anderen aber auch,  weil das Angebot riesig ist und es deshalb wirklich nicht leicht ist, die richtige Kamera zu finden.

Die Systemkameras, die der Blogkollege getestet und für gut befunden hatte, kamen für mich nicht in Frage. Der Vorteil einer Systemkamera gegenüber meiner Spiegelreflexkamera erschließt sich mir nicht wirklich. Wenn, sollte es eine Kompaktkamera sein: Meine Zweitkamera – denn meine alte Nikon werde ich natürlich behalten – soll ohne Wechselobjektive auskommen, einfach zu bedienen, handlich und leicht sein. Filmen können soll sie nach Möglichkeit auch, und zwar in 4k-Qualität, wie mein Mann, der sich mit solchen Sachen auskennt und mich beraten hat, mir dringend ans Herz legt. Natürlich spielt auch der Preis eine Rolle. Qualität hat ihren Preis, aber wie viel möchte ich ausgeben?

Immer wieder habe ich in den vergangenen Wochen Tests gelesen –auf der ersten Etappe meine Hexenstieg-Wanderung war ich fest entschlossen, mir endlich eine neue, kleinere Kamera zu gönnen. Denn beim Wandern fand ich meine Spiegelreflexkamera vorsichtig ausgedrückt suboptimal. Fast 900 Gramm baumelten rund 20 Kilometer an meinem Hals.

Natürlich habe ich mit der Nikon gute Fotos gemacht. Aber ein paar Mal hätte ich mir einen größeren Zoombereich als nur 18 bis 50 gewünscht. Das Zoomobjektiv war, weil immerhin auch fast 400 Gramm schwer, nicht in meinem Wanderrucksack, sondern in meiner Fototasche – mir weit voraus – am Etappenort in der Sternwarte in Sankt Andreasberg.

Manchmal gibt das Schicksal einen Wink. Als ich am nächsten Tag von der Sternwarte zum Goetheplatz spazierte, stellte ich erst nach einem Kilometer fest, dass meine Kamera noch in meinem Zimmer lag. Und so machte mit meiner kleinen Kompaktkamera die Probe aufs Exempel. Das Ergebnis: Für „normale“ Fotos reicht selbst meine preiswerte Nikon allemal. Und die Panasonic DC-TZ91EG-K LUMIX High-End Reisezoom Kamera mit Leica Objektiv hat mehr, als mein Fotografenherz begehrt. Sie wiegt nur knapp 300 Gramm, passt sich klaglos unterschiedlichen Entfernungen und an – und hat sich schon bei Probeaufnahmen bewährt: im eigenen Garten, bei Kunst in Bewegung und bei der Aktion die offene Pforte, Gärten in und um Hannover.

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Erster Einsatz: Kunst in Bewegung, eine Skulptur des Malbildhauers Ulrich Saloga

 

kamera Stannek P1000045
Test Nummer zwei – die offene Pforte, hier bei Sylvia und Klaus Stannek in Bissendorf

Und vielleicht lernen mit Hilfe dieser Kamera ja auch die Bilder in diesem Blog bald laufen. Kleiner kann nämlich manchmal mehr.

Wandern im Harz: Hexenstieg Teil I

Irgendwann, im nächsten Jahr wahrscheinlich, will ich in den Alpen wandern bzw. sie – in mehreren Etappen – zu Fuß überqueren. Deshalb habe ich mir vor ein paar Wochen neue Wanderschuhe gekauft, die auch für Bergwanderungen geeignet sind. Natürlich müssen sie eingelaufen werden und auch ich muss trainieren, damit die Tour eine Alpentour und keine Alptour wird.

Was liegt näher, als im Harz anzufangen, und zwar – als bekennende Hexe – mit dem Hexenstieg. Der führt von Osterode nach Thale und ist rund 100 km lang. Weil es organisatorisch besser passt, beginne  ich mit der zweiten Etappe von Altenau nach Torfhaus. Von dort soll es dann demnächst weitergehen – über den Brocken nach Schierke.

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Im Harz gibt’s nicht nur Hexen, sondern viele andere Sagengestalten, hier Frau Holle.

 

Ich wandere alleine, nur von Bevana begleitet. Mein Mann bringt mich auf dem Weg zu seiner Sternwarte nach Altenau. Wir finden den Einstieg beim Grabenhaus Rose, obwohl weder das Navi noch die meisten Leute in Altenau das ehemalige Wasserwerk kennen. Dabei versorgte es das Städtchen bis vor einigen Jahren mit Trinkwasser. Allen, die irgendwann diese Etappe wandern wollen, sei es gesagt: Das Grabenhaus Rose liegt hoch über Altenau, kurz hinter dem Friedhof. Vom Parkplatz an der B 498 sind es noch etwa 500 m bis zum Dammgraben – und zum Hexenstieg.

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Gut beschildert: der Einstieg in den Hexenstieg am Grabenhaus Rose.

Hier gibt es viele Hinweisschilder und Markierungen, auf der Strecke geizt man  damit. An Kreuzungen und Abzweigungen suche ich oft vergeblich nach einem Zeichen, wo es weitergeht. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: auf den ersten Kilometern immer am Dammgraben entlang. Problematisch wird’s, als der Dammgraben zum Nabetaler Graben wird. Der Abschnitt vom Nabetaler Wasserfall bis nach Torfhaus ist nämlich gesperrt und weil der Pfad nicht durch Bäume blockiert, sondern abgebrochen war, traute ich mich nicht weiter.

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Hier ist Schluss. Zu Fuß geht’s am Nabetaler Wasserfall nicht weiter.

Die ausgeschilderte Umleitung führt über einen ziemlich langweiligen Wirtschaftsweg, ist schlecht ausgeschildert und viel länger als der eigentliche Weg. Gefühlt Stunden später, nachdem ich das Schild „Torfhaus 3 km“ passiert hatte, hatte ich an der Straße zwischen Altenau und Torfhaus ein deja vue: „Torfhaus 3 Kilometer“, steht auch hier auf einem Wegweiser.

Höllenritt am Hexenstieg

Die Passage, die dann folgt, ist eigentlich so, wie ich sie liebe: ein schmaler, natürlicher Pfad, keine breite befestigte Wanderautobahn. Leider läuft der Weg parallel zur L 504, auf der am Sonnabend die Hölle los, sprich sehr viel Verkehr ist. Um die „Steile Wand“ zumindest von oben zu sehen, hätte ich die vielbefahrene Straße überqueren müssen – am Himmelfahrtswochenende angesichts der vielen Raser auf vier und zwei Rädern ein Himmelfahrtskommando, auf das ich lieber verzichte. Selbst auf dem Wanderweg bin ich nicht ganz sicher. Denn bei meinem Aufstieg Richtung Torfhaus kommen mir auf dem Trampelpfad einige Mountainbikefahrer entgegen, die sich ebenso halsbrecherisch ins Tal stürzen wie ihre motorisierten Kollegen. Ich habe zwar eigentlich keine Lust, jedes Mal auszuweichen, aber die Klügere gibt ja bekanntlich nach.

 

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Nein, ich will keine Harzer Wandernadel. Aber einen Hexenstempel in meinem Tagebuch.

Apropos klüger. Hinterher ist man das meist: Ich hätte mich nicht auf meinen Wanderführer verlassen, sondern mich vorab im Internet informieren sollen. Immerhin hatte ich eine Karte dabei. Und so entdeckte ich kurz vor Torfhaus, der höchst gelegenen Siedlung im Harz, eine Abkürzung zu meinem eigentlichen Etappenziel, die Sternwarte in Sankt Andreasberg.

Tote Bäume, kaputte Wege

Andreasberg liegt auf der Südumgehung des Brockens, der Hexenstieg führt am Oderteich vorbei.

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Idyllisch: der Oderteich.

Der Bohlenweg ist in einem beklagenswerten Zustand: Umgestürzte Bäume haben die Planken teilweise unter sich begraben und versperren den Weg. Noch trauriger ist der Zustand des Waldes. Viele Bäume sind vom Borkenkäfer befallen und abgestorben, die Winterstürme hatten leichtes Spiel und haben viele Baumriesen entwurzelt. Zwischen den Baumgerippen  zu wandern, hatte etwas Gespenstisches. Bis es hier wieder richtig grün ist, werden einige Jahre vergehen. Und so war ich froh, als ich nach fast fünf Stunden die Sternwarte erreichte.

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Frei nach Joseph Freiherr von Eichendorff: Wer hat dich, du schöner Wald,  so fürchterlich zerstört? Der Borkenkäfer war’s. Doch auch die Menschen haben ihr Teil dazu beigetragen.

Fazit

Meine Wanderschuhe haben den Test bestanden, meine Trinkflasche und mein Rucksack dagegen nicht. Meine Trinkflasche ist schon im Auto halb ausgelaufen; ich habe sie direkt am Start durch eine Pfandflasche ersetzt. Das gleiche Schicksal wird mein Wanderrucksack erleiden, denn leider fällt die Trinkflasche aus der Seitentasche heraus. Zum Trinken immer den Rucksack absetzen und öffnen zu müssen, ist nicht besonders komfortabel. Mein Knie hat gehalten, auch wenn ich ihm am nächsten Tag eine Pause gönnte und statt auf den Brocken nur auf den Sonnenberg gegangen bin.

Ich werde den Hexenstieg weiter wandern, auch wenn vor allem im Nationalpark Harz derzeit viele Strecken schwer begehbar oder sogar ganz gesperrt sind. Denn es gibt, Borkenkäfern, Stürmen und saurem Regen zum Trotz, noch viele schöne Stellen.

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Auf dem Sonnenberg über Sankt Andreasberg.

Doch vor den nächsten Etappen werde ich mich besser informieren. Infos gibt es beispielsweise auf der Website

http://www.harz-wanderkarten.de/harz-meldungen.php