(K)Ein Zimmer für mich allein

Zwei Dinge habe ich in meiner Kindheit vermisst: Bücher – aber das ist ein anderes Thema – und ein eigenes Zimmer. Denn bis ich nach der zehnten Klasse aufs Gymnasium kam, musste ich das Zimmer mit meiner jüngeren Schwester teilen. Wir haben uns nie verstanden und so war es eine Erlösung für mich, als ich in das kleine Zimmer unterm Dach ziehen durfte. Endlich ein Zimmer für mich allein. Von hier aus konnte ich die Mosel sehen, zumindest ein Stückchen. Viel wichtiger war, dass eine ganze Etage zwischen meiner Familie und mir lag. Niemand mehr, der einfach so hereinplatzte und mich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit störte.

Dass ich aus meinem alten Kinderzimmer mein hässliches Bett (Limba Nachbildung) und meinen ebenso hässlichen Schrank (dito) mit nach oben nehmen musste, nahm ich in Kauf, auch die spießige Blümchentapete, mit der mein Onkel das Zimmer tapezierte. Das Bett baute ich bei der ersten Gelegenheit ab und schlief fortan auf Lattenrost und Matratze auf dem Boden, die Tapete versteckte ich so gut es ging hinter Postern und hinter einem Bücherregal, das sich allmählich mit Büchern füllte.

Ein Zimmer für mich allein – das klappte in den nächsten Jahren nicht immer. Die Wohnungen, in denen ich mit meinem ersten Mann lebte, hatten alle gerade mal zwei

Zimmer – zu wenig für ein Zimmer für mich allein. Meine Examensarbeit habe ich auf dem Esstisch geschrieben, mehr als einmal waren Karteikarten verschwunden und fanden sich dann im Kühlschrank oder zwischen dem Geschirr wieder.

Als ich in das Haus zog, in dem wir heute noch leben, brauchten wir die Zimmer für drei Kinder zwischen 0 und 13: Die sollten nicht auf ein eigenes Zimmer verzichten. Der Versuch, mir mit meinem Mann ein Arbeitszimmer zu teilen, scheiterte kläglich. Die Unordnung auf unseren Schreibtischen potenzierte sich. Und so arbeitete und schrieb ich, wie Frauen es Jahrhunderte vor mir getan hatten, immer da, wo gerade Platz war.

Mein Mann behauptet, dass mein Schreibtisch schon in allen Räumen in unserem Haus gestanden hat, nur nicht in den beiden Bädern und in der Küche – und wenn man Wohn- und Esszimmer als einen Raum betrachtet, hat er Recht. In der Küche habe ich übrigens auch oft gearbeitet, mancher Artikel ist am Küchentisch entstanden. Allerdings weniger weil es nötig war, sondern mehr, weil ich es dort nach wie vor gemütlich finde.

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Arbeitszimmer Nummer eins.

Die Zeiten ohne eigenes Zimmer sind längst vorbei: Seit alle Kinder aus dem Haus sind, habe ich sogar zwei Arbeitszimmer. Vom Frühjahr bis zum Herbst nutze ich außerdem den Wintergarten als  Außenbüro. Von dort habe ich direktem Zugang zu Arbeitsplatz Nummer 4, meinem Terrassenbüro, wo ich diese Zeilen geschrieben habe – beschimpft von unseren Hausamseln, die sich durch meine Anwesenheit in ihrem Garten gestört fühlen.

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Wintergartenbüro …
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… mit direktem Büro zum Terrassenarbeitszimmer.

 

Klein, aber oho

Nein, es muss nicht immer größer, schneller, mehr sein. Dass weniger manchmal mehr ist, ist eine altbekannte Weisheit. Neudeutsch heißt das Minimalismus. Und der Trend macht auch vor der Fotoausrüstung nicht halt. Seit ich Anfang Februar den Blogbeitrag von Andreas gelesen habe (https://14qm.de/minimalimus-fotoausruestung/), denke ich immer wieder darüber nach, meine Fotoausrüstung zu reduzieren. Doch ich die Entscheidung immer wieder aufgeschoben. Zum einen natürlich, weil Entscheidungsfreude nicht zu meinen Kernkompetenzen zählt. Zum anderen aber auch,  weil das Angebot riesig ist und es deshalb wirklich nicht leicht ist, die richtige Kamera zu finden.

Die Systemkameras, die der Blogkollege getestet und für gut befunden hatte, kamen für mich nicht in Frage. Der Vorteil einer Systemkamera gegenüber meiner Spiegelreflexkamera erschließt sich mir nicht wirklich. Wenn, sollte es eine Kompaktkamera sein: Meine Zweitkamera – denn meine alte Nikon werde ich natürlich behalten – soll ohne Wechselobjektive auskommen, einfach zu bedienen, handlich und leicht sein. Filmen können soll sie nach Möglichkeit auch, und zwar in 4k-Qualität, wie mein Mann, der sich mit solchen Sachen auskennt und mich beraten hat, mir dringend ans Herz legt. Natürlich spielt auch der Preis eine Rolle. Qualität hat ihren Preis, aber wie viel möchte ich ausgeben?

Immer wieder habe ich in den vergangenen Wochen Tests gelesen –auf der ersten Etappe meine Hexenstieg-Wanderung war ich fest entschlossen, mir endlich eine neue, kleinere Kamera zu gönnen. Denn beim Wandern fand ich meine Spiegelreflexkamera vorsichtig ausgedrückt suboptimal. Fast 900 Gramm baumelten rund 20 Kilometer an meinem Hals.

Natürlich habe ich mit der Nikon gute Fotos gemacht. Aber ein paar Mal hätte ich mir einen größeren Zoombereich als nur 18 bis 50 gewünscht. Das Zoomobjektiv war, weil immerhin auch fast 400 Gramm schwer, nicht in meinem Wanderrucksack, sondern in meiner Fototasche – mir weit voraus – am Etappenort in der Sternwarte in Sankt Andreasberg.

Manchmal gibt das Schicksal einen Wink. Als ich am nächsten Tag von der Sternwarte zum Goetheplatz spazierte, stellte ich erst nach einem Kilometer fest, dass meine Kamera noch in meinem Zimmer lag. Und so machte mit meiner kleinen Kompaktkamera die Probe aufs Exempel. Das Ergebnis: Für „normale“ Fotos reicht selbst meine preiswerte Nikon allemal. Und die Panasonic DC-TZ91EG-K LUMIX High-End Reisezoom Kamera mit Leica Objektiv hat mehr, als mein Fotografenherz begehrt. Sie wiegt nur knapp 300 Gramm, passt sich klaglos unterschiedlichen Entfernungen und an – und hat sich schon bei Probeaufnahmen bewährt: im eigenen Garten, bei Kunst in Bewegung und bei der Aktion die offene Pforte, Gärten in und um Hannover.

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Erster Einsatz: Kunst in Bewegung, eine Skulptur des Malbildhauers Ulrich Saloga

 

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Test Nummer zwei – die offene Pforte, hier bei Sylvia und Klaus Stannek in Bissendorf

Und vielleicht lernen mit Hilfe dieser Kamera ja auch die Bilder in diesem Blog bald laufen. Kleiner kann nämlich manchmal mehr.

Wandern im Harz: Hexenstieg Teil I

Irgendwann, im nächsten Jahr wahrscheinlich, will ich in den Alpen wandern bzw. sie – in mehreren Etappen – zu Fuß überqueren. Deshalb habe ich mir vor ein paar Wochen neue Wanderschuhe gekauft, die auch für Bergwanderungen geeignet sind. Natürlich müssen sie eingelaufen werden und auch ich muss trainieren, damit die Tour eine Alpentour und keine Alptour wird.

Was liegt näher, als im Harz anzufangen, und zwar – als bekennende Hexe – mit dem Hexenstieg. Der führt von Osterode nach Thale und ist rund 100 km lang. Weil es organisatorisch besser passt, beginne  ich mit der zweiten Etappe von Altenau nach Torfhaus. Von dort soll es dann demnächst weitergehen – über den Brocken nach Schierke.

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Im Harz gibt’s nicht nur Hexen, sondern viele andere Sagengestalten, hier Frau Holle.

 

Ich wandere alleine, nur von Bevana begleitet. Mein Mann bringt mich auf dem Weg zu seiner Sternwarte nach Altenau. Wir finden den Einstieg beim Grabenhaus Rose, obwohl weder das Navi noch die meisten Leute in Altenau das ehemalige Wasserwerk kennen. Dabei versorgte es das Städtchen bis vor einigen Jahren mit Trinkwasser. Allen, die irgendwann diese Etappe wandern wollen, sei es gesagt: Das Grabenhaus Rose liegt hoch über Altenau, kurz hinter dem Friedhof. Vom Parkplatz an der B 498 sind es noch etwa 500 m bis zum Dammgraben – und zum Hexenstieg.

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Gut beschildert: der Einstieg in den Hexenstieg am Grabenhaus Rose.

Hier gibt es viele Hinweisschilder und Markierungen, auf der Strecke geizt man  damit. An Kreuzungen und Abzweigungen suche ich oft vergeblich nach einem Zeichen, wo es weitergeht. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: auf den ersten Kilometern immer am Dammgraben entlang. Problematisch wird’s, als der Dammgraben zum Nabetaler Graben wird. Der Abschnitt vom Nabetaler Wasserfall bis nach Torfhaus ist nämlich gesperrt und weil der Pfad nicht durch Bäume blockiert, sondern abgebrochen war, traute ich mich nicht weiter.

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Hier ist Schluss. Zu Fuß geht’s am Nabetaler Wasserfall nicht weiter.

Die ausgeschilderte Umleitung führt über einen ziemlich langweiligen Wirtschaftsweg, ist schlecht ausgeschildert und viel länger als der eigentliche Weg. Gefühlt Stunden später, nachdem ich das Schild „Torfhaus 3 km“ passiert hatte, hatte ich an der Straße zwischen Altenau und Torfhaus ein deja vue: „Torfhaus 3 Kilometer“, steht auch hier auf einem Wegweiser.

Höllenritt am Hexenstieg

Die Passage, die dann folgt, ist eigentlich so, wie ich sie liebe: ein schmaler, natürlicher Pfad, keine breite befestigte Wanderautobahn. Leider läuft der Weg parallel zur L 504, auf der am Sonnabend die Hölle los, sprich sehr viel Verkehr ist. Um die „Steile Wand“ zumindest von oben zu sehen, hätte ich die vielbefahrene Straße überqueren müssen – am Himmelfahrtswochenende angesichts der vielen Raser auf vier und zwei Rädern ein Himmelfahrtskommando, auf das ich lieber verzichte. Selbst auf dem Wanderweg bin ich nicht ganz sicher. Denn bei meinem Aufstieg Richtung Torfhaus kommen mir auf dem Trampelpfad einige Mountainbikefahrer entgegen, die sich ebenso halsbrecherisch ins Tal stürzen wie ihre motorisierten Kollegen. Ich habe zwar eigentlich keine Lust, jedes Mal auszuweichen, aber die Klügere gibt ja bekanntlich nach.

 

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Nein, ich will keine Harzer Wandernadel. Aber einen Hexenstempel in meinem Tagebuch.

Apropos klüger. Hinterher ist man das meist: Ich hätte mich nicht auf meinen Wanderführer verlassen, sondern mich vorab im Internet informieren sollen. Immerhin hatte ich eine Karte dabei. Und so entdeckte ich kurz vor Torfhaus, der höchst gelegenen Siedlung im Harz, eine Abkürzung zu meinem eigentlichen Etappenziel, die Sternwarte in Sankt Andreasberg.

Tote Bäume, kaputte Wege

Andreasberg liegt auf der Südumgehung des Brockens, der Hexenstieg führt am Oderteich vorbei.

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Idyllisch: der Oderteich.

Der Bohlenweg ist in einem beklagenswerten Zustand: Umgestürzte Bäume haben die Planken teilweise unter sich begraben und versperren den Weg. Noch trauriger ist der Zustand des Waldes. Viele Bäume sind vom Borkenkäfer befallen und abgestorben, die Winterstürme hatten leichtes Spiel und haben viele Baumriesen entwurzelt. Zwischen den Baumgerippen  zu wandern, hatte etwas Gespenstisches. Bis es hier wieder richtig grün ist, werden einige Jahre vergehen. Und so war ich froh, als ich nach fast fünf Stunden die Sternwarte erreichte.

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Frei nach Joseph Freiherr von Eichendorff: Wer hat dich, du schöner Wald,  so fürchterlich zerstört? Der Borkenkäfer war’s. Doch auch die Menschen haben ihr Teil dazu beigetragen.

Fazit

Meine Wanderschuhe haben den Test bestanden, meine Trinkflasche und mein Rucksack dagegen nicht. Meine Trinkflasche ist schon im Auto halb ausgelaufen; ich habe sie direkt am Start durch eine Pfandflasche ersetzt. Das gleiche Schicksal wird mein Wanderrucksack erleiden, denn leider fällt die Trinkflasche aus der Seitentasche heraus. Zum Trinken immer den Rucksack absetzen und öffnen zu müssen, ist nicht besonders komfortabel. Mein Knie hat gehalten, auch wenn ich ihm am nächsten Tag eine Pause gönnte und statt auf den Brocken nur auf den Sonnenberg gegangen bin.

Ich werde den Hexenstieg weiter wandern, auch wenn vor allem im Nationalpark Harz derzeit viele Strecken schwer begehbar oder sogar ganz gesperrt sind. Denn es gibt, Borkenkäfern, Stürmen und saurem Regen zum Trotz, noch viele schöne Stellen.

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Auf dem Sonnenberg über Sankt Andreasberg.

Doch vor den nächsten Etappen werde ich mich besser informieren. Infos gibt es beispielsweise auf der Website

http://www.harz-wanderkarten.de/harz-meldungen.php

Alles schmeckt nach Abschied (II)

Wieder an der Mosel, in dem Ort, wo meine Mutter bis vor drei Monaten gelebt hat. Bei meinem letzten Besuch habe ich den Umzug meiner Mutter vorbereitet und sie am Ende einer anstrengenden Woche mit in ein Altenheim in meiner Nähe genommen. Jetzt bin ich zurückgekommen, um in Ruhe Abschied zu nehmen. Von dem Dorf, in dem ich geboren wurde, von dem Haus, das meine Eltern gebaut haben, das ihr und lange auch mein Zuhause war. Wir werden es verkaufen, weil die Rente meiner Mutter trotz Pflegeversicherung nicht ausreicht, um das Heim zu finanzieren.

Freunde holen mich vom Bahnhof ab, laden mich ein, am nächsten Tag mit ihnen essen zu gehen. Am Abend treffe ich eine Freundin aus der Schulzeit, die gekommen ist, um ihren Vater zu besuchen, am nächsten Vormittag besuche ich die Nachbarn gegenüber. Den Nachbarn ist es zu verdanken, dass meine Mutter so lange alleine leben konnte.  Jetzt empfangen sie mich mit offenen Armen: Ich tauche ein in die Nachbarschaft, gehöre dazu, als sei ich nie weggewesen. Ich bin wieder zu Hause. Auf den ersten Blick ist alles ist wie immer, nur meine Mutter fehlt.

Nicht nur sie, sondern auch eine gute Bekannte, die in der gleichen Woche wie meine Mutter in ein Altersheim umgezogen ist. Die Nachbarschaft, das Dorf verändert sich: In den nächsten Jahren werden 80 Häuser verkauft, weil die Besitzer keine Kinder haben oder deren Kinder weit weg wohnen, rechnet ein Bekannter mir vor. Allein in unserer Straße sind es einige. Wenn die Nachbarn, die in den letzten Jahren nach meiner Mutter geschaut haben, in einigen Jahren so alt sind, dass sie Hilfe brauchen, wird es nur noch wenige junge Nachbarn geben, die helfen können – oder wollen. Und auch die Infrastruktur im Dorf wird schlechter: Viele Läden sind in den vergangenen Jahren verschwunden, noch gibt es zwei Bäcker, einen Metzger und einen kleinen Supermarkt. Doch wenn der geschlossen wird, braucht man ein Auto, um sich mit dem nötigsten zu versorgen. Und was, wenn man nicht mehr fahren kann? Schlechte Voraussetzungen, um alt zu werden. Und sicher auch ein Grund, warum ich nicht mehr an die Mosel zurückziehen will, obwohl ich die Landschaft mag.

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Eine alte Tradition gibt es noch: Als ich am Morgen des 1. Mai laufe,  höre ich Musik. Wie früher spielt der Musikverein von dem kleinen Aussichtsturm auf der gegenüberliegenden Moselseite „Der Mai ist gekommen“ und andere Frühlingslieder. Ich bin, so scheint es, fast die einzige, die das Konzert hört. So früh ist noch kaum jemand auf der Straße.

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Blick vom Türmchen auf Neumagen.

Die nächsten Tage vergehen wie im Flug: Ich arbeite im Garten, kümmere mich um Dinge im und rund ums Haus, die erledigt werden müssen, miste mein Zimmer aus, in dem noch Bücher aus meinen Studienzeiten stehen. Und immer wieder beantworte ich die Frage, wie es meiner Mutter geht, immer mit einem Kloß im Hals. Viele kannten meine Mutter; dass sie ab und zu aus dem Heim weggeht, wundert niemand: Sie war auch hier fast bis zuletzt viel mit ihrem Rollator unterwegs – bei Wind und Wetter: zum Friedhof, zum Einkaufen, manchmal auch bis zur Kirche. Dass ich meine Mutter dank GPS-Tracker schnell orten kann, wenn sie mal nicht mehr zurück ins Heim findet, finden alle gut.

Außerdem unternehme ich Dinge, für die bei meinen Aufenthalten in den vergangenen Jahren keine Zeit blieb: Ich fahre nach Metz und Luxemburg, wandere zur Konstantinhöhe  und zur Märtyrerkapelle: Bis kurz vor Neumagen war der Legende nach angeblich die Mosel rot vom Blut der auf dem Marsfeld in Trier ermordeten Soldaten der Thebäischen Legion. Sie wurden hingerichtet, weil sie dem Christentum abschwören wollten. Und natürlich gehe ich zum Türmchen: Von dort habe ich einen guten Blick aufs Dorf, sehe unser Haus und sogar mein Zimmer.

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Auf dem Weg zur Konstantinhöhe: einer meiner Lieblingsplätze, das Fährfels-Plateau ganz nah …

 

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… und von oben.

Mit der Mosel ist es wie mit meiner Mutter: Es ist ein Abschied auf Raten. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen, irgendwann im Sommer. Und dann werde ich auch den Besuch in Trier nachholen, für den ich jetzt doch noch keine Zeit hatte.

Move-ALARM: Mama geht weg

Eigentlich hatte ich gehofft, dass alles einfacher wird, wenn meine Mutter im Heim ist. Aber ich habe mich geirrt: Für mich sind Aufwand und Belastung größer geworden. Früher war ich etwa alle drei Monate für acht bis zehn Tage bei meiner Mutter. In dieser Zeit habe ich mich zwar um vieles gekümmert, aber es gab auch Freiräume. So habe ich an der Mosel meist „nebenbei“ gearbeitet, notgedrungen, weil ich mir so viele berufliche Auszeiten gar nicht leisten konnte.

Seit meine Mutter in einem Heim in meiner Nähe lebt, besuche ich sie drei-, manchmal, wenn es ihr nicht so gut geht, sogar viermal in der Woche. Als sie eine Woche mit Lungenentzündung im Krankenhaus lag, war ich an fünf Tagen mehrere Stunden bei ihr. Im Alltag dauern meine Besuche meist etwa zwei Stunden, hinzu kommen Fahrtzeiten außerdem diverse Besorgungen – von Shampoo oder Badelatschen bis zum DVBT-Receiver –, Anrufe bei meiner Mutter, bürokratische Dinge wie Einscannen von Unterlagen für meine Schwestern, endlose Mailwechsel mit ihnen, Gespräche mit den Pflegekräften oder Auswahl, Kauf und Installation des GPS-Trackers, mit dem ich meine Mutter „überwache“, seit sie ein paar Mal aus dem Heim weggelaufen ist.

GPS is watching you

Genau genommen geht meine Mutter ja nicht aus dem Heim weg,  sondern irgendwo hin. Denn im Prinzip fühlt sie sich im Heim ganz wohl: Sie findet ihr Zimmer schön, das Essen ist gut und bei den Angeboten im Heim macht sie nach Aussagen der Pflegerinnen gut und schön mit.

Wenn sie geht, hat sie immer einen Grund, den wir „normal Denkenden“ nur nicht richtig verstehen: Sie will Brot kaufen,  das Grab meines Vaters besuchen oder aus dem Büro, in dem sie zu sein glaubte, nach Hause gehen – und findet dann einfach nicht mehr den Weg zurück in ihr neues Zuhause. Dank moderner Technik kann ich sie nicht nur im Notfall orten, wenn sie wieder einmal verschwunden ist. Weil ich einen „elektronischen Zaun“ um das Heim gezogen habe, bekomme ich eine SMS, wenn sie den Bereich verlässt – und kann das Heim informieren, dass und wo sie suchen müssen.

Für mich bedeutet das ein bisschen Leben auf Stand-bye: Ich habe mein Smartphone jetzt (fast) immer bei mir, schaue (noch) häufiger drauf als vorher und achte darauf, dass es immer geladen ist. Dummerweise gibt es auch manchmal Fehlalarme. Der Tracker schlägt (Move-)Alarm, obwohl meine Mutter im Heim war. Natürlich immer im unpassendsten Moment – am letzten Sonntag beispielsweise während eines Konzerts. Das ist zwar nervig, aber eben Murphysches Gesetz. Zurzeit mache ich mir Sorgen, ob die Batterie hält, bis meine Tochter meine Mutter besucht, und den Akku aufladen kann. Und wie lange reicht das Guthaben auf der Prepaid-Karte noch?

Ein bisschen Freiheit – oder mehr Sicherheit

Nein, es ist nicht perfekt, aber meiner Mutter erspart die Technik hoffentlich den Umzug in ein anderes Heim und in eine geschlossene Abteilung. Und sie bietet ein Stück Sicherheit. Wenn auch keine absolute. „Was, wenn Mama nachts wegläuft, das Telefon (des Heims) ‚besetzt‘ ist oder niemand rangeht?“, wendet meine Schwester ein. „Ich möchte mir nicht unbedingt vorstellen, wie weit Mama weg ist, wenn am Wochenende eine Aushilfspflegerin am Patienten arbeitet und nicht sofort reagieren kann.“

Meist wären wir dann in ein paar Minuten vor Ort, denn wir wohnen nicht allzu weit entfernt – und oftt, wenn auch zugegebenerweise nicht immer, ist eineR von uns zu Hause. Ich könnte vorsorglich ein paar Bekannte und Freunde bitten, im Notfall loszufahren. Aber da es jetzt Sommer ist, glaube ich nicht, dass sie in Gefahr ist, wenn es einmal etwas länger dauert, bis sie wieder zurück ins Heim kommt. Und oft ist die die Hin- bzw. Weglauftendenz ja nur vorübergehend.

Ja, ich gebe zu, es bleibt ein Restrisiko: Meine Mutter kann von einem Auto überfahren, von bösen Menschen beklaut oder gar mitgenommen werden. Aber das nehme ich in Kauf. Ganz sicher wäre sie auch in einer geschlossenen Abteilung eines Altersheims sicher nicht. Denn dort nimmt – zumindest in und um Hannover – offenbar die Gewalt von Bewohnern gegen Bewohner massiv zu. Sicher nicht in allen Heimen, aber in einigen. In einem Pflegeheim in Pattensen hat ein Bewohner im vergangenen Jahr eine Mitbewohnerin sogar so schwer verletzt, dass sie starb. Nun ist Hannover und Umgebung nach meiner Erfahrung kein Sündenpfuhl. Dass es in Heimen in Hamburg, Berlin oder wo auch immer generell besser ist, wage ich zu bezweifeln: Vielleicht wird dort nur weniger gefragt oder besser vertuscht.

Außerdem bin (nicht nur) ich sicher, dass meine Mutter dieses Risiko in Kauf nehmen würde, wenn sie noch  selbst entscheiden könnte. Als ein Pfleger sie am Sonntagabend daran hinderte, einkaufen zu gehen, war sie sehr empört. Mein Argument, dass die Läden geschlossen sind, besänftigte sie nicht. Hätte sie totale Sicherheit gewollt, wäre sie schon vor Jahren in ein Heim gezogen. Aber sie wollte eigenständig leben. „Deine Mutter ist immer eine sehr mobile Frau gewesen. Sie ist in ihrem ‚alten‘ Leben auch immer irgendwohin gegangen“, schreibt eine Bekannte, die meine Mutter schon seit mehr als einem halben Jahrhundert kennt. Das soll sie, überwacht von der Technik tun, so lange es geht.

 

Endlich Frühling

Das Warten hat sich gelohnt, zumindest für meinen Lesezwerg. Monatelang war es ziemlich grau und ungemütlich um ihn herum, doch er hat tapfer auf seinem Stammplatz ausgeharrt. Manchmal hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich ihn in seiner abgeblätterten Jacke in der Kälte sitzen sah. Aber er hat sich dort im wahrsten Sinne des Wortes „fest“gesetzt. Jetzt sitzt er wieder  auf seinem blauen Kissen – wie immer in sein Buch vertieft.

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Lesezwerg im Blaukissen, die Ranunkeln passen (fast) zur roten Mütze.

Im gleichen Beet blühen noch Tulpen und Traubenhyazinthen, sie sind spät dran in diesem Jahr, auch Forsythien und Kirschbaum stehen in voller Blüte. Meine Kräuter erwachen langsam aus dem Winterschlaf: Der Salbei hat den Winter nicht überlebt, weder der Echte Salbei (Salvia officinalis) noch Pfirsich- und Ananassalbei, die ich im letzten Jahr gepflanzt habe, weil sie so gut riechen. Auch der Rosmarin schwächelt: Er blüht zwar, aber die Zweige werden braun. Der Lavendel ist, so scheint es, besser über den Winter gekommen.

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Waldmeisterteppich am Teich.

Auch der Waldmeister ist hart im Nehmen, er breitet sich hinterm Teich immer weiter aus. Mir ist es recht, denn ist mag den Duft. Als ich ihn vor zwei oder drei Jahren gepflanzt habe, war ich zuerst enttäuscht. Dass Waldmeister nur duftet, wenn er getrocknet wird, habe ich erst erfahren, als ich mal an einem Wildkräuter-Menü in einem Restaurant teilgenommen habe. Jetzt trocknen und duften ein paar Stengel  im Wintergarten vor sich hin. Der Bärlauch beginnt zu blühen und auch die Maiglöckchen strecken ihre Blätter aus der Erde. Ich hatte schon befürchtet, sie wären verschwunden.

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Veilchen, Maiglöckchen und natürlich – Giersch.

Meine Tonfrösche haben samt Vogeltränke ihr Winterquartier im Wintergarten verlassen und warten auf  gefiederte Besucher. Die werden, wenn es so warm bleibt, der der Tränke sicher bald einen Besuch abstatten und sie, wie im vergangenen Jahr, zum Planschbecken umfunktionieren.

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Endlich wieder draußen.

 

Ihre lebenden Kollegen, die im vergangenen Jahr die beiden Teiche bewohnten, habe ich bislang weder gesehen noch gehört, obwohl es an den Teichen schon recht grün und wohnlich geworden ist.

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Aber das Frühjahr hat ja gerade erst angefangen. Und da ich, anders als nach dem letzten Winter, keine Leichen aus dem Teich fischen musste, bin ich guter Hoffnung, dass sie wiederkommen. (Und während ich diesen Text schreibe, beginnt draußen, mitten in der Nacht, das Froschkonzert. Hoffentlich stört es die Nachbarn nicht.)

Ich selbst habe heute mein Terrassenbüro eröffnet – und ich hoffe, dass es noch oft so warm ist wie heute und ich es in diesem Frühling und Sommer oft nutzen kann. Dann hat sich das Warten auch für mich gelohnt.

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Arbeiten in der Sonne, zwischen Strelitzie und Zitrusfrüchten.

 

Campen mit Meerblick

Papier ist geduldig, die moderne Variante, Websites, auch. Auf der Website sah der Campingplatz, den ich für unseren Kurzurlaub ausgesucht hatte, gut aus. Und der Name Strandcamping war verheißungsvoll: Ich träumte von einem Stellplatz direkt am Strand, mit Blick aufs Wasser, den ich im Alltag vermisse und von dem ich eigentlich nicht genug bekommen kann. Mindestens ebenso lockte mich die Strandsauna – und die Aussicht, mich nach dem Schwitzen in der Ostsee abkühlen zu können.

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Nicht abkühlen, sondern Tai Chi am Strand. Copyright: Utz Schmidtko.

Aber vor Ort sah dann alles anders aus: Dass die Parzellen nach einer Regenperiode teilweise unter Wasser standen, hätte mir nichts ausgemacht. Viel schlimmer war, dass das Meer zwar nahe, aber leider nicht zu sehen war. Denn der Campingplatz liegt hinter einem hohen Deich. Aus gutem Grund. Denn vor allem im Herbst und Winter tost und braust es an der Westküste Fehmarns sicher heftig. Ich möchte jedoch im Urlaub aufs Wasser sehen.

Und auch die Strandsauna lag eben nicht am Strand, sondern hinterm Deich. Direkt im Kurhaus, vor dem bei meiner kurzen Besichtigung junge Männer Bier tranken und Tischtennis spielten. Die Vorstellung, auf dem Weg zum Wasser nur mit Bademantel bekleidet an ihnen und an der Strandbar vorbei zu müssen, begeisterte mich nicht wirklich.

So sind wir nach einer kurzen Besichtigungstour wieder auf dem Campingplatz Flügger Strand gelandet, auf der gleichen Parzelle wie im vergangenen Jahr, nur durch einen breiten Dünenstreifen und einen schmalen Strand vom Meer getrennt. Mit Meerblick vom Aufwachen bis zum Einschlafen.

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Sonnenuntergang am Flügger Strand (Fotot: Utz Schmidtko).

Und eine Sauna gibt es auch. Die konnten wir mieten und hatten sie ganz für uns allein. Direkt am Strand liegt sie zwar auch nicht, aber außer uns waren nur wenige Gäste auf dem Campingplatz. Und die Kleiderordnung unter Camper ist ohnehin eher lässig. Deshalb hätte es sicher niemand gestört, wenn ich zwischen den Wohnwagen durch zum Strand gelaufen wäre und ins kalte Wasser gesprungen wäre. Das werde ich beim nächsten Mal tun, denn ich bin ganz sicher: Wir kommen wieder.

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Diesmal leider nicht geöffnet und nur hinter Gittern – der Leuchtturm

Platzverweis für Efeu und Giersch

Am vergangenen Wochenende, dem ersten Frühlingswochenende in diesem Jahr, habe ich endlich mal wieder im Garten gearbeitet. Es war höchste Zeit. Giersch und Efeu haben meine mehrmonatige wetter- und winterbedingte Gartenabstinenz ausgenutzt, um sich überall breitzumachen.

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Einnehmende (Pflanzen) Wesen.

Natürlich weiß ich, dass Giersch inzwischen in Nobelrestaurants gerne als Salat serviert und dass Efeu schon seit der Antike als Heilmittel eingesetzt wird. Doch leider konnte ich noch kein Restaurant als Abnehmer gewinnen – die haben wahrscheinlich alle selbst genug Giersch im Garten. Und weil ich nur selten krank bin, brauche ich Efeu höchstens in homöopathischen Dosen.

Deshalb gelten für Giersch und Efeu in unserem Garten eigentlich klare Regeln: Sie dürfen an allen Zäunen hochranken und auch den schmalen Streifen hinter der Gartenhütte besetzen. Beete, Rasen und die Hauswand sind dagegen für sie tabu. Wenn ich sie dort erwische, erteile ich Platzverweise – sprich, ich reiße sie aus.

Nun bin ich ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob sie die Regel wirklich verstanden haben. Aber obwohl ich ausdrücklich begrüße, dass der DFB in der vergangenen Woche die Gelb-Rot-Sperre gegen den Freiburger Bundesligaspieler Niels Petersen aufgehoben hat, weil er die erste gelbe Karte nicht gesehen hatte, bleibe ich hart und setze das Platzverbot um.

Das mag inkonsequent sein, aber Konsequenz ist ohnehin nicht meine Stärke. Andere Gartenbesitzer, die erfahrener und erfolgreicher sind als ich, sind im Kampf gegen Efeu und/oder Giersch im Übrigen viel rigoroser. Ein Gärtner-Paar hat den Efeu ganz aus seinem Garten verbannt und eine Bekannte greift gelegentlich zur chemischen Keule, um den Giersch loszuwerden. Das tue ich nicht, ich kämpfe ehrlich, Frau gegen Giersch und Efeu, nur mit meinen Händen, Schippe und Spaten gegen das Wurzelwerk. Allein gegen die Übermacht.

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Wo letzte Woche noch Giersch und Efeu wucherten, ist jetzt Platz für Neues, für Veilchen …

 

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… und Bärlauch beispielsweise.

Der Efeu nimmt übrigens den von mir angebotenen Rückzugsort Zaun dankend an, der Giersch erweist sich dagegen als sehr erdverbunden und traut sich offenbar nicht in höhere Gefilde. Um ihm den neuen Lebensraum schmackhaft zu machen, habe ich ihm sogar eine Zeile aus dem Gedicht von Jan Wagner vorgelesen, in der es heißt dass der Giersch „bis hoch zum giebel kriecht“. Mehr Lyrik sollte es dann allerdings nicht sein, denn schließlich will ich den Giersch nicht auf dumme Gedanken bringen. Denn er ist, um mit Jan Wagner zu sprechen, „nicht zu unterschätzen, der Giersch“.

Alle, die meinen, dass ich übertreibe, können Jan Wagners Gedicht nachlesen unter

http://www.lyrikwelt.de/gedichte/wagnerjang5.htm

Wohnungen sind knapp …

… nicht nur bei Menschen, sondern offenbar auch bei unseren tierischen Nachbarn. Doch während das Baugebiet Am PöttcherTEICH (nomen est omen) noch einer Seenlandschaft gleicht und die Baumaschinen stillstehen, haben Grabowski und Co ganze Arbeit geleistet. Ihre Grabhände kommen offenbar mit widrigen Bau- und Wetterbedingungen besser zurecht als Baggerschaufeln.

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Keine Angst vor Verkehrslärm

Auch bei Maulwürfen ist offenbar verdichtete Bebauung angesagt: Die Maulwurfshügel stehen dicht an dicht und selbst unattraktive Bauplätze direkt an vielbefahrenen Straßen und Radwegen werden genutzt. Längst sind die ersten Familien eingezogen, aber die Bauarbeiten gehen weiter: Täglich kommen neue Hügel hinzu.

Wer dagegen am PÖTTCHERteich baut, braucht nicht nur Geduld, sondern auch gut funktionierende Pumpen. Damit das bislang einzige Haus nicht im Wasser steht, mussten im Winter pro Stunde rund 200 Kubikmeter Wasser aus der Baugrube gepumpt werden. Auf jeden Fall sollten die Bauherren ihr Haus in eine Wanne stellen. Womit wir wieder beim Namen des Baugebiets wären (nomen est omen). Den verdankt es nämlich nicht nur dem normalerweise nur kleinen Teich und der eher feuchten Lage, sondern auch den Pöttchern oder Böttchern, also den Fassmachern, die früher eben nicht nur Fässer, sondern auch Wannen machten.

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Still ruht der Bau. Bevor es richtig losgeht, muss das Wasser abfließen.

Kein Zug war pünktlich*

In diesem Jahr wollte der Winter erst nicht kommen, jetzt will er nicht mehr weichen. Gestern Nacht bin ich unter funkelnden Sternen eingeschlafen – herzliche Grüße an Stephen Hawkins -, als ich heute Morgen, am offiziellen Frühlingsbeginn, aufwachte, war das Dachfenster zugeschneit. Am Wochenende haben uns die Schneemassen – immerhin 8 cm Neuschnee und etwa 5 Grad Minus – eine abenteuerliche Fahrt zur Buchmesse nach Leipzig beschert.

Gut 70 Minuten stand unser Zug am Samstag  in Köthen, denn im Hauptbahnhof von Leipzig ging nichts mehr. Weil die Weichen eingefroren waren, kamen und fuhren gar keine Züge mehr. Einige Mitfahrerinnen, die die Buchmesse nicht in erster Linie wegen der Bücher, sondern als CosplayerInnen besuchten, funktionierten das Abteil kurzerhand in einen Schminksalon um und verwandelten sich in Loki und andere fabelhafte Wesen.

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Verwandlung im Zug – auf dem Weg nach Leipzig und zu Loki.

Vielleicht hätte ich gewarnt sein sollen, denn immerhin reiste ich mit Loki, der, wie ich nachgelesen habe, im Film Thor ein Nachfahre der Eisriesen ist. Auf der Buchmesse kamen wir dann trotzdem an, drei Stunden später als geplant zwar und nach einer Fahrt in einer total überfüllten Straßenbahn.

Ob der junge Mann, der mit uns von Hannover bis Halle im gleichen Abteil  gesessen hat, es bis zur Buchmesse schaffte oder ob er resigniert umkehrte, werde ich wohl nie erfahren. Denn in Halle trennten sich unsere Wege. Wir stiegen, wie alle Besucher/innen der Buchmesse, zunächst dort aus, weil die Schaffnerinnen es uns empfohlen hatten. Doch weil kein Schienenersatzverkehr in Sicht war, wählten meine Begleiterin – inzwischen halb Loki, halb Mensch – und ich dann den Weg über Leipzig Hauptbahnhof. Eine gute Wahl.

Für den jungen Mann hat sich die Fahrt nach Leipzig sicher nicht gelohnt, denn er hatte schon für den Nachmittag um 16 Uhr seine Rückfahrt nach Hannover fest gebucht. Die Zeit reichte, wenn überhaupt, gerade für eine Stippvisite bei der Buchmesse. Doch wahrscheinlich fuhren am Samstagabend die Züge ohnehin noch nicht – und vielleicht irrt er immer noch durch Leipzig.

Selbst am Sonntagnachmittag, als wir nach anderthalb Messetagen nach Hause wollten, wurden mehrere Züge zwischen Leipzig und Hannover storniert. Vom Hauptbahnhof wurden die Messebesucher mit Bussen gen Westen chauffiert, Loki entdeckte, dem Internet sei Dank, eine Verbindung vom Messebahnhof über Bitterfeld nach Hannover. Hier bewahrheitete sich die alte Weisheit, dass wenn etwas schiefgeht, es meist gründlich schiefgeht: Auch dieser Zug war nicht pünktlich. Wir wurden aus irgendeinem Grund über Hildesheim umgeleitet: Immerhin erreichten meine Begleiterin und ich nach einem Sprint noch unsere Anschlüsse und kamen wie geplant zu Hause an. Danke Loki.

Schön war es in Leipzig trotzdem. Ich mag die Buchmesse, auch wenn ich mir vorgenommen habe, im nächsten Jahr schon am Donnerstag oder Freitag zu fahren, bevor der große Ansturm vor allem der CosplayerInnen einsetzt. Sie verleihen der Buchmesse zwar ein besonderes Flair – es ist wirklich faszinierend zu sehen, wie Gestalten aus Büchern und Filmen lebendig werden. Doch manchmal gibt es zwischen Göttern, Elben und Jedis kaum ein Durchkommen und die Bücher geraten für mich ein bisschen zu sehr in den Hintergrund.

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In voller Montur – Loki in Leipzig.

Eine tolle Unterkunft haben wir in Leipzig auch entdeckt. Die werde ich vielleicht im Sommer, wenn der letzte Schnee bestimmt geschmolzen ist, nutzen, um die Stadt endlich einmal kennen zu lernen.

Zimmer Leipzig DSC_2796
Mut zur Farbe – Zimmer in Leipzig.

Denn außer Bahnhof und dem Messegelände habe ich von Leipzig noch nichts gesehen. Ich setze die Stadt auf meine To-visit-Liste. Time to fly.

 

*frei nach Heinrich Bölls: Der Zug war pünktlich