Von Handys und Ersatzhandys

Mein Handy hat im November seinen Geist aufgegeben. Das hat mich nicht überrascht, obwohl es damals gerade mal ein halbes Jahr alt war. Das ist selbst für ein Smartphone kein besonders hohes Alter. Aber es hat geschwächelt, seit ich es bekommen habe. Der Akku, der angeblich 300 Stunden Stand-by durchhalten sollte, war spätestens nach 48 Stunden leer. Wenn jemand mich anrief oder eine SMS schickte, oder wenn ich gar wagte, meine Mails abzurufen, machte er meist schon nach einem Tag schlapp.

Das sei normal, behauptete der junge Mann, der es mir verkauft hatte: Dass die Angaben zu den Akkulaufzeiten und damit zum Stromverbrauch nicht stimmen, wisse doch jede/r. Ich wusste es nicht und hatte auf die Angaben des Herstellers vertraut. Aber damals wusste ich  auch noch nicht, dass VW die Abgaswerte der Autos nach unten korrigiert hat. Papier und die moderne IT-Variante Websites sind halt geduldig.

Auch ich brauchte viel Geduld, nicht nur, weil mein Smartphone ständig aufgeladen werden musste. Irgendwann Ende November blieb es dann auch mit aufgeladenem Akku stumm.  Es sagte keinen Ton mehr, ließ sich weder ein- noch ausschalten. Drei Wochen würde die Reparatur dauern, sagte der junge Mann im Handy-Laden. Meinen Hinweis, dass das sehr lange sei für ein Gerät, das man ständig braucht, beantwortete er mit einem Schulterzucken. Immerhin besorgte er mir ein Ersatzhandy: Mein Argument, dass ich auch keine Gebühren zahlen muss, wenn ich mangels internetfähigem Handy weder mobil surfen noch telefonieren kann, überzeugte ihn letztlich doch.

Mit dem Ersatzsmartphone ist es wie mit Ersatzspielern. Sie haben manchmal zwar spielerische und technische Mängel, aber wenn sie mal zum Einsatz kommen, weil die Stammspieler verletzt oder außer Form sind, hängen sich so ins Zeug, dass man die Stammspieler nicht wirklich vermisst. Mich haben vor allem die Kondition und die Einsatzbereitschaft meines Ersatzsmartphones überzeugt: Statt schlappe 36 bis 48 Stunden hielt es mehr als acht Tage, ohne dass der Akku aufgeladen werden musste.

Darüber, dass bei meinem Smartphone aus drei Wochen Verletzungspause sprich Reparaturzeit mehr als sechs wurden, war ich deshalb nicht wirklich traurig. Die „Verletzung“ war schwerer als erwartet. „Die Platine musste ausgetauscht werden“, sagte der junge Mann mit ernster Miene, als ich mein Smartphone Mitte Januar bei ihm abholte. Die Platine ist das „Herz“ des Handys, mein Handy musste also quasi eine Herztransplantation über sich ergehen lassen. Darunter hat auch sein Gehirn gelitten, denn an die gespeicherten Nummern und Daten konnte es sich nicht mehr erinnern. Doch das war nicht zu ändern. Der Akku wurde auch noch mal überprüft“, sagt der junge Mann. „Er ist in Ordnung.“

Vielleicht, dachte ich optimistisch, war der Platinenfehler angeboren und ein Grund für die schwachen Leistungen meines Handys. Vielleicht wird jetzt nach der langen Erholungspause alles besser. Doch meine Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Mein Smartphone ist nach wie vor außer Form. Der Akku hält gerade mal 24 Stunden – und ich denke ernsthaft über eine dauerhafte Auswechslung nach.

Carpe diem

Ich verdiene mein Geld teilweise als Korrektorin und Lektorin. Toll, meinen die meisten, wenn sie das hören. Aber wenn sie dann erfahren, was ich lektoriere und korrigiere, lässt die Begeisterung schnell nach. Keine spannenden Romane nämlich, sondern meist Fachbücher und Fachzeitschriften.

Dabei ist vieles gar nicht so trocken, wie es sich anhört. Für einen Informationsjunkie wie mich ist es genau genommen ein Traumjob. Denn ich erfahre bei der Arbeit Dinge, die ich sonst nie erfahren hätte, weil sie mich auf den ersten Blick gar nicht interessieren.

Zugegeben. Vieles brauche ich sicher nie im Leben und manches wird mir trotz mehrseitiger Erklärung immer ein Rätsel bleiben – beispielsweise wie man einen Zahnriemen wechselt. Aber jetzt weiß ich auch, dass man die Betreuung einer Katze als haushaltsnahe Dienstleistung von der Steuer absetzen kann (leider haben wir keine Katze, weil ich gegen Katzenhaare allergisch bin), was ein Suppenkoma ist (das Tief, das Menschen mittags durchleben) oder ein Beinbrecher. Letzteres habe ich – trotz Geschichtsstudium – erst jetzt erfahren, aus einem Buch, das ich zwischen den Jahren (ja, selbstständig sein bedeutet selbst und ständig arbeiten) korrigiert habe.

Beinbrecher sind Gruben, die nur mit Gittern oder Stäben abgedeckt sind. Damit haben die Menschen früher die Lücken in den Fried- bzw. Kirchhofsmauern geschützt, als es noch keine Friedhofstore gab. Das Vieh des Pfarrers und es Totengräbers, das auf dem Friedhof weiden durfte, konnte dank Beinbrechern nicht hinaus und das Vieh der übrigen Dorfbewohner konnte nicht hinein. Und auch für die Untoten und die Geister waren Beinbrecher ein unüberwindliches Hindernis: Sie mussten auf dem Friedhof bleiben.

Interessant war auch, welche Botschaften man den Lebenden oder auch den Toten mitgab. „Der Tod ist die Pforte zum Leben“ oder das klassische „Carpe diem“ sind die optimistischeren Varianten. Andere Mahnungen sind drastischer, wie die am Friedhof von Segnitz in Unterfranken. Sie stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert, was die ungewöhnliche Rechtschreibung erklärt.
„All die ihr hier für über geht
Und Mein Schräcklich gestalt anseht
Lebt Gotts fürchtig und nembts zu sinn
Den ihr Müsst werden wie ich bin.
(Aus Reiner Sörries: Der Tod ist die Pforte zum Leben. Die Geschichte des Friedhofseingangs vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wiesbaden 2016, S. 51)

Vielleicht hat mich das Buch auch deshalb so berührt, weil mir wieder mal bewusst geworden ist, wie schnell das Leben zu Ende sein kann. Ein ehemaliger Kollege meines Mannes ist an Weihnachten gestorben, er wäre im Mai 40 geworden. Eine Freundin hatte eine ischämische Attacke, kein Schlaganfall, aber eine mögliche Vorstufe, und einer anderen Freundin wurde vor genau einem Jahr ein Aneurysma im Gehirn entfernt. Sie hat die OP, die ihr vermutlich das Leben gerettet hat, unbeschadet überlebt.

Henning Mankell, einer meiner Lieblingsschriftsteller, ist im vergangenen Herbst gestorben, David Bowie und Maja Maranow – als Kommissarin Verena Berthold eine meiner Lieblingskommissarinnen im Fernsehen – erst vor ein paar Tagen. Sie war 54, fünf Jahre jünger als ich.

Das erinnert mich an meine guten Vorsätze fürs neue Jahr: mir Zeit zum Leben nehmen und es bunter machen. Ich habe mich also für den Malkurs angemeldet, den ich schon vor vier Jahren zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Und nächste Woche besuche ich zwei Freundinnen aus Studienzeiten, die ich schon lange, zu lange,  nicht mehr gesehen habe. Carpe diem.

(Für alle, die es interessiert: Das Buch von Reiner Sörries ist im Februar 2016 im Reichert-Verlag in Wiesbaden erschienen).

Gute Vorsätze

Das neue Jahr ist schon ein bisschen angebraucht, die ersten guten Vorsätze sind schon wieder gebrochen. Besonders originell waren sie ohnehin nicht, genau genommen unterscheiden sie sich nicht von den guten Vorsätzen der meisten Menschen hierzulande: Weniger Stress, weniger Druck, weniger arbeiten, dafür mehr Zeit für Freunde und Familie, mehr Zeit für mich selbst und für meine Hobbys, mehr reisen, mehr bewegen, abnehmen, weniger fernsehen und weniger Zeit an Computer und Handy.

Natürlich gibt es auch noch ein paar individuelle Vorsätze: Ich will mich mehr um meinen Garten kümmern, endlich anfangen zu malen, um mehr Farbe in mein Leben zu bringen, öfter wandern – und mindestens einen Blogbeitrag pro Woche schreiben. Neu sind diese Vorsätze nicht: Wenn ich in den Tagebüchern nachlese, die ich seit Jahrzehnten führe, sind es (fast) genau die gleichen wie in den vergangenen Jahr(zehnt)en. Dass ich sie jedes Jahr aufs Neue fasse, zeigt, dass ich sie nicht wirklich durchhalte, dass sie noch nicht zu Gewohnheiten geworden sind.

Manches hat gute Gründe: Mehr bewegen und Sport treiben ist normalerweise kein Problem, zurzeit aber nach einer Knieverletzung und kurz nach einer Meniskusoperation (noch) nicht möglich; abnehmen ist dadurch auch schwierig und für Gartenarbeit ist einfach jetzt im Januar nicht die richtige Zeit.

Andere Vorsätze sind schon deshalb schwer durchzuhalten, weil sie sich widersprechen: Wie soll es mir gelingen, in meiner (eher begrenzten) Freizeit mehr Zeit für mich selbst, für neue und alte Hobbys, für Freunde und Familie und für soziales Engagement zu haben. Weniger arbeiten wäre eine Lösung, aber dann habe ich kein Geld, um mehr zu reisen (ein weiterer Vorsatz aus der langen Liste).

Weniger ist mehr, das gilt wohl auch für gute Vorsätze. „Versuchen Sie nie, sich mehr als eine dieser Routinen auf einmal abzugewöhnen. Das gelingt nur selten. Konzentrieren Sie lieber alle Energien zunächst auf die eine lästige“, heißt es in dem sehr informativen Beitrag von Jochen Mai Gewohnheiten ändern: Raus aus der Routine! auf der Website http://karrierebibel.de. Die lese ich, obwohl ich nicht zur Zielgruppe gehöre und eigentlich zu alt (nicht zwischen 18 und 58), zu berufserfahren (kein Young Professional) und sicher nicht erfolgreich genug (kein wichtiger Influencer) bin.

Der Beitrag enthält noch eine schlechte Nachricht für alle, die wie ich Geduld nicht gerade zu ihren Kernkompetenzen zählen. Bis man eine Routine entwickelt, sich eine schlechte Eigenschaft ab- oder eine gute angewöhnt hat, dauert es nicht nur drei Wochen (die berühmten 21 Tage), sondern mehr als dreimal so lang. Nach einer Studie dauert es im Durchschnitt 66 Tage, bis Handlungen zu  Gewohnheit wird. Immerhin schadet es nichts, wenn man gelegentlich einen oder zwei Tage pausiert.

Helfen soll’s, wenn man über seine Pläne spricht – etwa im Blog oder auf Facebook – und damit hilfreichen Druck schafft. Das tue ich mit diesem Blogbeitrag, auch wenn ich damit gegen einen weiteren guten Vorsatz verstoße, mir in diesem Jahr weniger Druck zu machen.

Gut versichert?!

Alle Jahre wieder in der Vorweihnachtszeit bekomme ich einen Fragebogen von der Versicherung, bei der ich Schäden abgesichert habe, die ich eventuell durch meine berufliche Tätigkeit anrichte. Die Versicherung will wissen, ob in meinem Unternehmen im letzten Jahr neue Geräte und damit neue Risiken hinzugekommen sind. Das ist ihr gutes Recht, dafür habe ich Verständnis. Was mich irritiert ist, wonach gefragt wird.

Ich bin Journalistin und Lektorin – und das habe ich beim Abschluss der Versicherung vor etwa einem Vierteljahrhundert auch wahrheitsgemäß angegeben. Zu meinen Arbeitsgeräten gehören Computer, Fotoapparat, das Internet, ein Festnetz- und ein Mobiltelefon, mehrere Taschen (meine Leidenschaft, deshalb mehr, als ich eigentlich brauche), Bücher (eine noch größere Leidenschaft) und Berge von Papier.

Papierberge sind nicht ungefährlich, sie können umstürzen und den Betriebsinhaber (mich) oder Besucher (eher selten, weil kein Publikumsverkehr) unter sich begraben oder im schlimmsten Fall als Lawine ins Tal, sprich, in die untere Etage fließen und die Menschen, die sich dort aufhalten, gefährden. Mir sind die Gefahr und meine Verantwortung durchaus bewusst. Deshalb, aber eigentlich mehr, um wenigstens ein bisschen Ordnung in mein Arbeitszimmer und damit in mein Leben zu bringen, entsorge ich (unregelmäßig, aber häufig) Papier. Die Papiertonne, die uns der regionale Abfallentsorger zur Verfügung stellt, ist (fast) jede Woche prall gefüllt.

Aber die Versicherung interessiert überhaupt nicht, um wie viele Meter der Papierberg in diesem Jahr angewachsen ist. Sie will auch nicht wissen, wie ich zu meinen Terminen und meinen Auftraggebern komme (meist mit öffentlichen Verkehrsmitteln, seltener mit dem Pkw und mit dem Fahrrad) und auch nicht, wie viele Computer ich habe. Dafür soll ich Auskunft geben, wie viele Service-Kräfte in meinem Auslieferungslager tätig sind (keine, ich versende meine Artikel, meist per E-Mail) und wie viele Hub- und Gabelstapler, Kräne, Motorschlitten, Winden, Tank- oder Kesselwagen ich habe und ob und wie sich die Zahl seit der letzten Erhebung vor einem Jahr verändert hat (nein, ich habe keine und die Zahl hat sich im vergangenen Jahr wie in den 25 Jahren zuvor nicht verändert).

Das ist für meine Branche nicht unüblich. Ich habe mich bei Kollegen umgehört – keine/r besitzt solche Geräte, nur ein Redakteur bei einer Zeitschrift für Baumaschinen hat einige Modelle im Maßstab 1 zu irgendwas, hat sie allerdings der Versicherung nicht gemeldet. Als ich den Vordruck zum ersten Mal bekam, habe ich ihn zugegebenerweise ignoriert, weil ich dachte, man hätte mir den falschen Vordruck zugesandt. Nach zwei Mahnungen und der Drohung, den Bestand zu schätzen oder meine Versicherung zu kündigen habe ich ihn wahrheitsgemäß ausgefüllt. Ich habe außerdem hoch und heilig versprochen, dass die Versicherung die allererste sei, die es erfahren würde, wenn ich mir je ein solches Gerät anschaffen würde. Doch offenbar vertraut die Versicherung mir nicht: Ich bekomme den Vordruck alle Jahre wieder – und fülle ihn brav aus, um lästige Nachfragen zu vermeiden. Und vielleicht bietet sich ja irgendwann die Gelegenheit, einen gebrauchten Hub- oder Gabelstapler günstig zu erstehen. Vielleicht wünsche ich mir auch im nächsten Jahr einen Motorschlitten zu Weihnachten. Mit dem kann ich dann durch die tiefverschneiten niedersächsischen Landschaften fahren.

Gespannt bin ich, ob sich dann die Versicherungsprämie ändert. Wahrscheinlich fällt es aber gar nicht auf, weil niemand die Vordrucke, die ich und Tausende andere Journalisten seit Jahren ausfüllen, wirklich liest. Sie werden wahrscheinlich nur gestapelt, und manchmal stelle ich mir vor, dass der Sachbearbeiter irgendwann einen Kran braucht, um die aktuellen Formulare an den richtigen Platz zu hieven.

Sterbehilfe

Am Freitag entscheidet der Bundestag über die Sterbehilfe – also darüber, ob Schwerkranke, wenn sie sterben möchten, Hilfe bekommen – und von wem. Die meisten Deutschen sind dafür und würden sich verständlicherweise bei dieser wichtigen Frage gerne auf Experten verlassen, sprich: ihren Arzt oder Apotheker fragen. Doch Ärzte sollen, wenn es nach dem Willen vieler Abgeordneter und auch der Fraktionschefs im Deutschen Bundestag geht, beim sogenannten assistierten Suizid auch künftig nicht helfen dürfen.

In Deutschland sind Suizid und auch Beihilfe zum Suizid nicht strafbar. Aktive Sterbehilfe ist dagegen verboten. Nimmt der Betroffene das tödliche Mittel, beispielsweise eine Überdosis eines Schmerz- oder Beruhigungsmedikaments nicht selbst ein, können Helfer wegen Tötung auf Verlangen (§ 216 Strafgesetzbuch), wegen Totschlag oder sogar wegen Mordes verurteilt werden. Auch Menschen, die den Sterbenden nicht allein lassen, sondern bei ihm bleiben, ihn bis zum Schluss begleiten, geraten in eine rechtliche Grauzone – vor allem wenn sie dem Sterbenden nahe stehen. Angehörige, aber auch Ärzte und Pflegepersonal haben als sogenannte Garanten eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber dem alten oder kranken Menschen: Sie können wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt und verurteilt werden. Ärzten, die ihren Patienten beim Sterben assistieren, drohen in vielem Bundesländern standesrechtliche Konsequenzen, im schlimmsten Fall der Verlust der Approbation: Denn in die Berufsordnungen der Landesärztekammern Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Sachsen, Saarland, Thüringen verbieten die Hilfe zur Selbsttötung.

Nach einer Studie des Instituts für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin an der Ruhr-Universität in Bochum wurde allerdings schon jede/r fünfte Arzt/Ärztin  um Hilfe beim Suizid gebeten. 40% der befragten Ärzt/innen können sich – so die Studie – vorstellen, unter bestimmten Bedingungen Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. 42% nicht. Repräsentativ ist die Studie nicht – es beteiligten sich nur 740 Ärztinnen und Ärzten – (auch) weil 12 der 17 deutschen Ärztekammern den Forschern die Unterstützung verweigerten.

Und noch ein paar Zahlen: Nach einer Umfrage im Auftrag der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung aus dem Jahr 2012 würde jede/r zweite Deutsche würde sich gerne kostenlos beim Suizid begleiten lassen, wenn er oder sie pflegebedürftig ist. 7 % sind unentschieden. Die Angst, im Alter auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, anderen zur Last zu fallen und nicht mehr selbst entscheiden zu können, ist groß.

Zwar ist bei jungen Menschen zwischen 15 und 20 Jahren Suizid nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache. Doch das höchste Suizidrisiko haben alte Menschen: Das zeigen die sogenannten Suizidraten oder -ziffern, also die Zahl der an Suizid Gestorbenen je 100.000 Menschen der jeweiligen Gruppe. In Deutschland lag die Suizidrate 2013 bei 12,5 (Männer: 18,9, Frauen: 6,4). Bei den 20- bis 25-Jährigen starben 11,3 Männer bzw. 2,8 Frauen je 100.000 gleichaltrige Einwohner durch Suizid. Bei den 85- bis 90-jährigen Männern waren es 89,7, bei den Frauen bei 17,4. Fast die Hälfte aller Frauen (49 %) und etwa 43 % der Männer, die in Deutschland durch Suizid sterben, sind älter als 60. Der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung liegt bei nur 21 %.

Insgesamt nehmen sich in Deutschland jedes Jahr etwa 10.000 Menschen das Leben, sie töten sich selbst. Jährlich sterben hierzulande mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, illegale Drogen, Gewaltverbrechen und Aids zusammen. Nicht mitgerechnet sind dabei die Suizide, die unentdeckt bleiben und beispielweise als Verkehrs- oder andere Unfälle oder als natürlicher Tod in die Statistik eingehen.

Übrigens: Einen Artikel von mir zum Thema Suizid gibt’s in der aktuellen Ausgabe des Magazins Asphalt.

Am Wasser – nicht im

Ich liebe Wasser – zumindest von außen. Oder genauer gesagt: den Blick aufs Wasser. Vielleicht liegt es daran, dass ich an einem Fluss geboren bin und in der ersten Hälfte meines Lebens immer an Flüssen gelebt habe. Die zwei winzigen Teiche in unserem Garten sind nur ein schlechter Ersatz. Jetzt machen wir Kurzurlaub an der Ostsee, auf der Halbinsel mit dem ganz langen Namen Fischland, Darß, Zingst. Hier ist überall Wasser. Das Meer, der Bodden und zwischendrin Gräben und kleine Seen. Eigentlich ist es ungerecht, wie so vieles im Leben.

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Hafen von Wustrow

Wieder Wustrow. Wustrow ist mein Lieblingsort an der Ostsee. Hier ist es ruhiger und beschaulicher als im Nachbarort Ahrenshoop oder in Zingst. Wustrow – auf dem ersten Teil der Halbinsel auf dem Fischland gelegen – ist längst nicht so bekannt und so schick wie die berühmte Künstlerkolonie, weniger mondän und weniger vornehm als der Zingst. Viel ursprünglicher noch. Nicht so überlaufen. Aber vor allem: An keiner anderen Stelle liegen Bodden und Meer so dicht beieinander. Wenn ich auf der Düne stehe, die unseren Stellplatz vom Meer trennt, sind beide zum Greifen nah. Links das Meer, weit und manchmal wild, rechts der Bodden, flach, ruhig und oft auch dann spiegelglatt und friedlich, wenn auf der Ostsee die Wellen und auch die Surfer oder Kiterherzen hoch schlagen.

Zwischen Bodden und Meer
Zwischen Bodden und Meer

„Unseren“ Stellplatz, das Surfcenter Wustrow, haben wir vor einigen Jahren durch Zufall entdeckt. In jenem Sommer waren alle Campingplätze an der Ostsee überfüllt. Keine Chance für Leute wie uns, die einfach losgefahren waren. Nur auf dem Stellplatz etwa einen Kilometer vor Wustrow war noch ein Plätzchen frei. Wir waren offensichtlich nicht die einzigen, die hier gestrandet waren.
Eigentlich wollten wir nur eine Nacht bleiben, denn besonders schön ist es hier auf den ersten Blick nicht. Der Platz ist eigentlich nichts anderes als ein Parkplatz mit einem schmalen Grünstreifen; die Wohnwagen der Dauercamper verstecken sich hinter ein paar Büschen und Bäumen. die Wohnmobile und Autos stehen im Sommer meist dicht an dicht. Die Ausstattung eher spartanisch: Gespült wird im Freien, an zwei überdachten Spülen, in den ersten Jahren nur mit kaltem Wasser. Im Sanitärgebäude: Zwei Duschen, vier Waschbecken und vier Toiletten für Damen, ebenso viele für Herren. Bemerkenswert: Anstehen musste ich nie – und es ist sauberer als auf manchem Campingplatz, der von einem bekannten Campingführer mit drei Sternen bewertet wurde.

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Das besondere ist die Lage – bis zum Meer sind’s nur wenige Meter – und die Atmosphäre: Deshalb kommen wir seit dem ersten Besuch immer wieder, obwohl ich nur im Internet surfe.
Hier verbringen Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten ihren Urlaub oder auch nur ein paar freie Tage. Wer im Hotel oder in einer Ferienwohnung Urlaub macht, trifft meist nur Leute aus einer ähnlichen Schicht, nämlich die, die sich die Übernachtung in einer bestimmten Preisklasse leisten können. Hier zahlen alle (fast) das Gleiche. Und so steht das Wohnmobil für 150.000 Euro neben unserem kleinen; andere schlafen in Lieferwagen mit Luftmatratzen auf dem Boden oder auf der heruntergeklappten Rückbank ihres Autos. Da sind die eingefleischten Surf- und Kitefans, Kinder und Jugendliche, die morgens von ihren Eltern zum Surfunterricht gebracht und abends wieder abgeholt werden, Erwachsene, die surfen oder Kiten lernen möchten – und viele andere, die wie ich nie im Leben auf ein wackliges Brett steigen würden. Ich habe einmal ein Wochenende lang versucht, Kanu fahren zu lernen – mit eher bescheidenem Erfolg.
Mir genügt es, das Wasser zu sehen, am Wasser entlang zu gehen, mit nackten Füßen durchs Wasser zu waten. Immerhin: Einmal traue ich mich ganz hinein. Mutig. Für etwa 30 Sekunden. Es ist wirklich sehr kalt, obwohl die Sonne scheint. Aber der Sommer ist vorbei; es ist schon September. Der Stellplatz ist fast leer, so leer wie noch nie. Aber wir waren auch noch nie außerhalb der Ferien hier. Jetzt sind fast nur Rentner unterwegs – oder Leute ohne schulpflichtige Kinder. Und Stechmücken. Sie überfallen uns, sobald wir stehen bleiben, sogar direkt am Meer. Sie greifen an, ohne uns durch Surren vorzuwarnen und stechen zu, selbst durch T-Shirt und Strümpfe. Mückenschutzmittel nützen nichts. Wir flüchten ins Wohnmobil, schlagen beim Ein- und Aussteigen die Tür so schnell wie möglich hinter uns zu, damit die Quälgeister draußen bleiben.
Die Hard-core-Camper, die wir zwei Tage später auf dem Campingplatz in Zingst treffen, sind weniger empfindlich – und schlimmeres gewöhnt. In der letzten Woche sei es viel schlimmer gewesen. Jetzt sei die Mückenplage fast wieder vorbei, sagt unsere Nachbarin auf Zeit. Sie liegt unbeeindruckt auf dem Liegestuhl vor ihrem Wohnwagen und genießt die September-Sonne. „Das ist hier so.“ Wer Meer und Strand will, muss Mücken in Kauf nehmen.
Stimmt. Und so genießen wir das Camping-Kontrastprogramm in Zingst: Sanitäranlagen vom Feinsten und vor allem: ein Wellness-Bereich mit vier Saunen und ein fast leeres Natur-Hallenbad mit ungechlortem Süßwasser und vielen Pflanzen, die das Wasser reinigen – und ohne Mücken. Ich schwimme täglich ein paar Runden. Zwischen zwei Saunagängen. Denn so sehr ich den Blick aufs Wasser liebe und vermisse: Wasser ist definitiv nicht mein Element, zu kalt und zu nass.

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Bahnfahren Teil 2: Von Gutscheinen, Servicecentern und anderen Unannehmlichkeiten

Die Bahn ist unpünktlich. Nicht immer, aber oft. Wenn ich beispielsweise von Trier nach Hannover fahre, komme ich oft eine Stunde später an als geplant. Wenn ich sie dann freundlich an meine Fahrgastrechte erinnere, bedauert Nicole Bahrmann, Leiterin im Servicecenter Fahrgastrechte, die mir entstandenen Unannehmlichkeiten und beteiligt sich netterweise an meinen Fahrtkosten. Meist erstattet sie mir 25 % des gezahlten Fahrpreises, Mal überweist sie mir das Geld, manchmal – wenn ich nicht aufpasse, welche Erstattungsart ich ankreuze – schickt sie mir einen Gutschein. Und damit fängt dann die eigentliche Geschichte an.

Ein paar Mal versuche ich, den Gutschein beim Kauf einer Fahrkarte im Internet einzulösen, doch jedes Mal scheitere ich kläglich. Egal, ob ich per Direktüberweisung, per Bankeinzug, mit meiner Kreditkarte oder mit paypal zahlen möchte – Immer bekomme ich die Antwort, dass gerade bei dieser Bezahlart der sechsstellige Code nicht gilt. Einen anderen Code oder eine andere Bezahlart gibt es leider nicht.

Der Mitarbeiter am Servicetelefon, dem ich mein Leid klage, versteht mein Problem, aber weiterhelfen kann er mir nicht. Immerhin verspricht er, das Problem an die IT-Abteilung weiter zu melden. Doch die haben verständlicherweise wichtigeres zu tun als sich um sechsstellige Buchstabencodes zu kümmern: Drei Monate später akzeptiert das System meinen Code immer noch nicht. Damit der Gutschein nicht verfällt, beschließe ich, ihn am Bahnhof einzulösen.

Ich fahre mit dem Bus von Biebrich nach Wiesbaden Hauptbahnhof. Mit Fahrkarte aus dem Internet hätte ich den Zug um 9 Uhr 5 noch erreicht. Hätte. Stattdessen stehe ich kurz nach neun vor dem Automaten, der die Nummern an all diejenigen vergibt, die ihre Fahrkarten nicht am Automaten oder im Internet, sondern bei richtigen Menschen kaufen möchten. Das hat die Bahn offenbar nicht so gerne, deshalb sind auch nur zwei der fünf Schalter besetzt. Meine Nummer verheißt nichts Gutes: N 1095. Der Bildschirm zeigt die aktuelle Nummer N 1067. Fast 30 Nummern trennen mich von meiner Fahrkarte und der Gutschrift von 17,89 Euro.

Die Mitarbeiterin an Schalter 1 braucht zuerst eine Auszeit: Als sie einen Kunden bedient hat, verschwindet sie und kommt erst nach fünf Minuten wieder. Ihre Kollegin an Schalter drei hat offenbar nur besonders schwere Fälle oder sie ist besonders langsam: in mehr als einer halben Stunde bedient sie gerade mal drei Kunden – mich eingeschlossen.

Die Mitarbeiterin am Schalter eins ist schneller. Sie kommt wieder, verkauft eine Fahrkarte – um dann wieder zu verschwinden. Zur Freude aller, die mit mir warten, taucht ein junger Mann auf, doch ehe er den ersten Kunden bedienen kann, muss sein Arbeitsplatz vorbereitet werden: Das tut er sehr sorgfältig; er faltete mehrere Blätter, einzeln, versteht sich, damit die Ecken wirklich übereinander liegen. Und ganz kollegial bereitet er auch noch den Arbeitsplatz des Kollegen an Schalter zwei vor, der irgendwann seinen Dienst beginnen muss. Nachdem auch er noch einmal hinter den Kulissen verschwunden ist, ist er endlich einsatzbereit. Trotzdem geht alles viel schneller als befürchtet. Nicht weil ein plötzlicher Energieschub die drei Bahnmitarbeiter erfasst, nein, zu vielen Nummern, die aufgerufen werden, gibt es keine Kunden mehr. Sie haben aufgegeben, sind verschwunden, sitzen (hoffentlich) längst in ihren Zügen, haben ihre Fahrkarten am Automaten gekauft oder fahren schwarz.

Kurz vor zehn bin auch ich an der Reihe. Bedächtig gibt die Mitarbeiterin den Code ein – und siehe da: es funktioniert. Ich bekomme meine Fahrkarte, meine Gutschrift und erreiche sogar noch meinen Zug.

Während ich das – im Zug sitzend – schreibe, gibt es einen unplanmäßigen Halt. Wegen eines Feuerwehreinsatzes ist der S-Bahntunnel gesperrt, wann es weitergeht, kann der freundliche Schaffner am Lautsprecher nicht sagen. Wenig später verrät er uns, dass der Zug nach Wiesbaden zurückfährt und empfiehlt allen, die nach Frankfurt zum Hauptbahnhof wollen, in Höchst auszusteigen und mit der Straßenbahn weiterzufahren. Dass die Straßenbahn nicht vor dem Bahnhof hält, sondern dass man zunächst eine Viertelstunde durch Höchst laufen muss, verrät er nicht. Auf diese Weise lerne ich wenigstens Frankfurt Höchst kennen. Danke, Bahn. Zwei junge Frauen machen sich mit mir auf die Suche, als wir die Haltestelle endlich gefunden haben, wartet die Straßenbahn. Leider habe ich kein Ticket – und leider möchte der freundliche Kiosk-Besitzer mir kein Einzelticket verkaufen. Eine Monatskarte gerne, aber die brauche ich nicht. Ich möchte nicht wiederkommen! Der erste Automat, an dem ich es versuche, verlangt für eine Einzelkarte mehr als 90 Euro. Der zweite nimmt schließlich mein letztes Kleingeld an.

Wenn ein ganzer Zug in eine Straßenbahn evakuiert wird, wird’s eng. Statt gemütlich in der S-Bahn sitzend fahre ich dann stehend, wie eine Ölsardine eingezwängt, Richtung Hauptbahnhof. Natürlich braucht die Straßenbahn doppelt so lang wie die S-Bahn, Grüne Welle für Öffis gibt es in Frankfurt offenbar nicht, wir halten nicht nur an gefühlt 100 Haltestellen, sondern an mindestens ebenso vielen Ampeln. Kurz vor elf sind wir endlich da, ich hetze durch die Halle und erreiche den Zug nach Hannover gerade noch, eine Stunde später als geplant.

Im Zug ziehe ich Bilanz: Gelohnt hat sich die Aktion nicht wirklich. Rund sechs Euro für Bus und Straßenbahntickets, zwei Stunden Verspätung. Ich werde Frau Bahrmann wieder mal an meine Fahrgastrechte erinnern müssen und sie freundlich auffordern, mir auch das Straßenbahn-Ticket zu erstatten. Und diesmal werde ich genau darauf achten, wo ich das Kreuz machen. Denn vom Fahrkartenverkauf am Schalter habe ich vorerst genug.

Von Smartphones, Akkus und anderen Versprechen

Ich habe auch ein Smartphone. Das ist nichts Besonderes, alle haben eins, sogar meine Physiotherapeutin, obwohl sie mit moderner IT wenig am Hut hat. Dass sie ihre Mails nur sehr sporadisch abruft, weiß ich aus Erfahrung, ebenso, dass sie ihre Termine ganz klassisch in einen Kalender einträgt. Vielleicht hört sie mit ihrem Smartphone Musik, wenn sie mit dem Fahrrad zu ihrer Praxis fährt. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie damit nur telefoniert.

Telefonieren konnte ich mit meinem alten Handy auch – und, um nicht ungerecht zu sein, hätte ich auch manches andere damit tun können, was ich nie oder selten getan habe. Fotografieren beispielsweise, wenn auch mit schlechter Qualität, oder auch im Internet surfen. Doch das war bislang einfach zu teuer, was an meinem Tarif lag, nicht am Handy.

Das war ein Dinosaurier unter den Mobiltelefonen, der  mehrere Vertragsverlängerungen überstanden hatte: Es hatte noch richtige Tasten, ein winziges Display, war klein, handlich robust – und sehr genügsam. Es hat mich getreulich an wichtige Daten erinnert und geweckt, wenn ich das wollte. Einmal aufgeladen, war es mir eine Woche oder noch länger zu Diensten. Eigentlich war es gerade richtig. Doch es entlockt dem freundlichen Verkäufer in dem Handyladen nur einen mitleidigen Blick: Dass es so etwas überhaupt noch gibt.

Weil ich mich mit Handys nicht auskenne und auch keine Lust habe, mich intensiv damit zu beschäftigen, schließe ich den vertrag nicht im Internet ab, sondern in einem Telefonladen im Dorf. Das ist zwar teurer – aber Service und gute Beratung sind mir einige Euro mehr im Monat wert. Außerdem fördere ich so die heimische Wirtschaft. Das freut den jungen Mann, der mir das Gerät inklusive Zwei-Jahres-Vertrag mit seinem Anbieter wärmstens empfiehlt. Es ist nicht das neueste Modell, aber genau richtig für mich, weil ich keinen Schnickschnack, sondern ein Mobiltelefon brauche, mit dem ich auch mal ins Internet gehen und Mails abrufen kann.

Mein neues Mobiltelefon – nein keines, das mit einen großen I beginnt, aber auch kein Billiggerät – ist ein richtiger kleiner Computer. Es hat eine interne Speicherkartenkapazität von 8 Gigabyte – mehr als der Computerdinosaurier, der noch irgendwo auf dem Speicher ein unbeachtetes Dasein fristet. Es verfügt nicht nur über eine, sondern über zwei Kamera, die sogar Gesichter erkennt – ob nur meins, weil es mir gehört und ich es regelmäßig auflade, oder auch andere, habe ich noch nicht herausgefunden. Ich kann nicht nur Fotos mit beeindruckenden 8 Millionen Pixeln, machen, sondern auch Videos drehen. Der Bildschirm – natürlich ein Touchscreen – hat immerhin 16 Millionen Farben, die ich leider nicht alle unterscheiden kann. Ich kann nicht nur SMS, sondern auch MMS, Instant Messages und E-Mails versenden, ich kann im Internet surfen, chatten, an Telefonkonferenzen teilnehmen. Ich kann mit dem Smartphone meine Termine planen, Videos anschauen, Radio oder meine Lieblingsmusik hören. Und wenn ich mal verloren ginge, fände ich dank GPS finde gewiss wieder nach Hause zurück.

Doch diese Funktion benötige ich wohl kaum. Denn leider kann ich mit meinem neuen Wunderwerk nicht mehr allzu weit von der nächsten Steckdose entfernen. Die Batterie hält nämlich nicht, was Hersteller S und Telefonanbieter B versprechen: 12 Stunden soll ich damit telefonieren, 11 stunden Video sehen und 49 Stunden Musik hören können. Die Standby-Zeit beträgt angeblich 300 Stunden, das sind bei einer durchschnittlichen Tageslänge von 24 Stunden rund 13 Tage. Mein Akku macht leider schon nach anderthalb Tagen schlapp – und das Handy bleibt stumm. Selbst wenn ich das Handy gar nicht nutze, weder damit surfe (weil ich an meinem Computer sitze) noch telefoniere (weil ich eigentlich meinen Festnetzapparat bevorzuge) hält er maximal 48 Stunden.

Um Strom zu sparen, habe ich (natürlich) die Energiesparfunktionen aktiviert und (fast) alle Funktionen ausgeschaltet: Bluetooth, GPS, mobile Daten, selbst die Lageerkennung. Nur wenn jemand anruft, klingelt es noch. Mehr Stand-by geht meiner Meinung nach nicht. Dennoch verlangt das Telefon mal schon nach 24, spätestens aber nach 36 Stunden, dass ich es wieder ans Ladegerät anschließe.

Als ich dem freundlichen jungen Verkäufer sage, dass mein tolles Handy vermutlich einen defekten Akku hat, der viel zu schnell leer ist, belehrt er mich eines Besseren. Die „bis zu“ Angabe von S. in der Akkulaufzeit „Standby“ sei sehr hoch gegriffen. Ein Smartphone halte bei wenig bis mittlerer Benutzung ca. 1 – 1,5 Tage. Als ich ihn frage, warum er mich nicht auf die kurze Akkulaufzeit hingewiesen habe, ist er fast empört: Das wisse doch jeder, meint er. Ich wusste es nicht! Dass ich mich von ihm schlecht beraten fühle und mich nicht zufrieden geben will, dass der Handy-Akku nicht einmal ein Sechstel der angegebenen Laufzeit hält, kann er gar nicht verstehen, auch nicht, warum ich damit zu ihm komme. Da müsse ich mich an den Hersteller wenden. Zu wem er gehe, wenn der Tank seines neu gekauften Autos schon nach 100 Kilometern leer sei, nicht erst nach 500 oder 600 Kilometern: zu seinem Autohändler oder zum Firmensitz irgendwo in Japan, frage ich ihn. Zum Autohändler, räumt er ein – und ruft selbst beim Hersteller an: Freudestrahlend verkündet mir dann die Lösung des Problems: Ich darf mein Telefon nicht nur nicht benutzen, ich muss auch die SIM-Karte entfernen. Wenn mein Handy also nur noch daliegt und nichts tut, außer da sein und Strom verbrauchen, hält der Akku wie versprochen 300 Stunden. Ein wahres Wunderwerk also.

Um seinen guten Willen zu zeigen, besorgt der freundliche junge Mann mir einen neuen Akku. Ich habe ihn getestet, doch er hält auch nicht länger als der alte. Als ich erneut reklamiere, schickt mir der freundliche Verkäufer die Nachricht, dass er meine Reklamation weitergeleitetet hat. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört.

Jetzt habe ich jetzt nicht nur meine eigenen Termine, sondern auch die meines Akkus im Blick. Dabei könnte mir mein Smartphone helfen, wenn ich es ließe. Doch das kann problematisch werden: Wenn der Akku leer ist, kann ich leider auch meine Termine nicht mehr abrufen. Dabei verlasse ich mich lieber auf meinen Taschenkalender. Der funktioniert auch ohne Strom.

Mein Smartphone leider nicht. Wenn wir am nächsten Tag unterwegs sein wollen und keine Steckdose in Reichweite ist, muss ich es vorher füttern – aber möglichst erst, wenn der Akku ganz leer ist. Und möglichst in der Nacht. Denn während des Aufladens möchte es in Ruhe gelassen werden, damit das Aufladeergebnis nicht beeinträchtigt wird und der Akku länger hält. Auch ein Handy braucht eben seine Auszeiten. Das verstehe ich. Aber vielleicht will ich lieber mein altes Handy zurück.

Immer am Meer lang

Der erste Eindruck ernüchternd: Wo sind wir hier nur gelandet. Natürlich: Der Blick aufs Meer war so beeindruckend wie im Reiseführer. Und dass die Cinque Terre, die fünf Dörfer an der ligurischen Küste, längst kein Geheimtipp mehr sind, wussten wir natürlich. Meine Friseurin hatte mich gewarnt. Doch wir hatten problemlos eine Ferienwohnung gefunden und – vielleicht auch deshalb – auf keinen Fall mit so vielen Touristen gerechnet. Auf der Promenade von Monterosso drängten sich mehr Menschen als am Tag zuvor auf der Piazza Maggiore in Bologna. Und selbst vor der sixtinischen Kapelle beim Rom-Besuch im vorletzten Jahr war das Gedränge kaum größer. Wir hatten auf einsame Wanderungen entlang der Küste gehofft, jetzt mussten wir uns mit unseren Rucksäcken einen Weg durch die Menschenmenge bahnen. Der Blick meiner Tochter sprach Bände: Wir hätten uns vielleicht doch für einen Ort im Hinterland, weiter weg vom Meer, entscheiden sollen. Doch schon nach knapp 400 Metern wurde es ruhiger, die via IV Noviembre 4, die Querstraße, in der unsere Ferienwohnung lag, war fast menschenleer.

Unsere Vermieter kamen sofort, als wir ihnen eine SMS geschickt hatten: ein sympathisches älteres Ehepaar, mit dem wir uns dank der Italienischkenntnisse meiner Tochter und der Deutschkenntnise von Signor C. nicht nur spontan gut verstanden, sondern auch gut verständigen konnten. Die Wohnung: hell, freundlich, wie im Internet beschrieben, vom Küchen- und vom Wohnzimmerfenster konnte man sogar das Meer sehen, das nur knapp 100 m von der Wohnung entfernt liegt. Das erste Essen in unserem Ferienort: in einem Restaurant direkt am Strand, unter uns brandeten die Wellen an den Strand und an einen Felsen. Ich habe zwar schon besser gegessen, aber selten dabei schöner gesessen. Der Wein wirklich piccolo, aber da ich kaum mehr einen Fingerhut vertrage, ausreichend.

Der erste Eindruck stimmt Gottseidank nicht immer. Das merkten wir in den nächsten Tagen. Monterosso wardoch eine gute Wahl. Mit dem Zug sind die Nachbarorte gut zu erreichen. So konnten wir jeden Tag eine andere Tour planen und alle Cinque-Terre-Dörfer und einige andere Orte in der Umgebung kennenlernen. Die fünf Dörfer auf oder zwischen den Felsen haben ein besonderes Flair. Die Wanderwege sind so, wie wir sie uns wünschen: schmal, naturbelassen, abwechslungsreich, mit vielen Auf- und Abstiegen und zahllosen wirklich beeindruckenden Ausblicken auf die Küste. Und mit Ausnahme des Cinque-Terre-Wegs waren die Wege eigentlich nie überfüllt.

Apropos Cinque-Terre-Weg. Die Tageskarte kostet satte 7,50 Euro; drei der vier Teilstrecken des Cinque-Terre-Wegs sind gesperrt. Doch das ist im Endeffekt kein Nachteil. Der gesperrte Wegteil zwischen Manarola und Riomaggiore gleicht eher einem Wanderhighway – eher etwas für einen Spaziergang als für eine Wanderung. Der begehbare Weg von Monterosso nach Vernazza ist zwar abwechslungsreich und schön, aber das Wandervergnügen trotzdem nur begrenzt: Eingezwängt zwischen zwei langsamen Wandergruppen aus Deutschland, kamen wir auf den ersten Kilometern nur im Gänsemarsch voran. Überholen war auf den schmalen Wegen und Treppen zuerst gar nicht – und auch später nicht immer möglich. Auch daran, das eigene Tempo zu gehen oder ungestört stehen zu bleiben, um zu fotografieren oder einfach nur den Ausblick zu genießen, war nicht zu denken.

Der Rückweg durchs „Hinterland“ durch Wald, Weinberge und Olivenhaine gefiel uns wesentlich besser: Auf dem rund 10 Kilometer langen Weg von Vernazza nach Monterosso begegneten uns nur wenige Menschen; dafür trafen wir unzählige Eidechsen, die sich auf den Steinen und Wegen sonnten und sich ungeniert fotografieren ließen. Das Meer und die Steilküste gerieten auch im sogenannten Hinterland nie aus dem Blick.

Die Wanderwege waren alle gut ausgezeichnet, gerade an Stellen, an denen sich Wege kreuzen, wäre allerdings ein bisschen mehr Mut zur Farbe hilfreich. Die Markierungen waren ausschließlich rot-weiß – und dadurch schwer zu unterscheiden. Verlaufen haben wir uns trotzdem nie, was sicher auch an dem wirklich ausgezeichneten Wanderführer lag: Der Wanderführer Ligurien aus dem Michael Müller Verlag (http://www.michael-mueller-verlag.de/de/wanderfuehrer/italien/ligurien_wandern/) verdient nach der Wertung eines großen Online-Buchhändlers die Bestnote fünf Sterne. Die Touren waren so präzise beschrieben, dass wir keine zusätzliche Karte brauchten. Dank des Formats konnte ich das Buch selbst auf steileren Passagen mit Kamera immer gut in der Hand halten.

Unbedingt empfehlenswert: Die Tour von Riomaggiore nach Porto Venerre, ein Abstecher auf die Insel Palmaria vor Porto Venerre – dort trafen wir nicht nur auf halbwilde Ziegen, sondern auch auf eine mutige Möwenmutter, die uns aus der Nähe ihres Nestes vertrieb – und eine Fahrt mit dem Boot an den Cinque-Terre-Orten entlang. Dabei sieht man die Orte und die Küste aus einer anderen Perspektive.

Fazit: Monterosso war wirklich eine gute Wahl. Wandern in Ligurien lohnt. Und der Wanderurlaub in Ligurien war zwar mein erster, sicher aber nicht mein letzter.

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Gut markiert

Krisenmanagement by Bahn oder Wandern im Bahnhof

Wenn eine eine Reise tut, dann kann sie was erzählen – und manchmal ist die Abreise fast so aufregend wie der Urlaub selbst. Weil meine Reisebegleiterin ungern fliegt, ging‘s mit dem Zug zum Wandern nach Ligurien. Die Hinfahrt mit Zwischenhalt in Bologna war lang, aber problemlos. Zurück gab’s im Zug von Mailand nach Zürich einen Saunagang gratis, weil die Klimaanlage nicht funktionierte. Dass nur unser Abteil betroffen war, tröstete uns wenig.

Richtig heiß wurde es dann auf dem Hauptbahnhof in Zürich. Als wir in den gebuchten Zug einsteigen wollte, erklärte uns der Schaffner, dass wir – und mit uns alle Reisenden mit Reservierungen in vier Wagons – leider nicht mitfahren könnten: Die Wagons seien defekt, ohne festen Platz ist im City-Nightliner keine Mitfahrt möglich. Ausnahmen gibt’s auch im Notfall keine.

Wie wir von Zürich nach Hannover kommen sollten, konnte uns der Schaffner nicht sagen: Mit seinem Zug jedenfalls nicht. Er schickte uns zu seiner Kollegin von der Schweizer Bahn, die immerhin auf dem gleichen Bahnsteig anderen Fahrgästen Auskunft gab. Die Schweizer Schaffnerin schickte uns zurück zum City-Nightliner. Wir sollten alle hier ein- und in Basel wieder aussteigen. Dort würden Busse auf uns warten und uns nach Hannover, Hamburg oder Amsterdam fahren. Alle zurück in den Zug; statt auf Abteilsitze zwängten wir uns in Schlafwagenabteile, was dem für die Wagen zuständigen Schaffner sehr missfiel: Die Plätze seien reserviert, für andere, es sei nicht gestattet, sich auf die Betten zu setzen oder das Gepäck darauf abzustellen, schimpfte er. Wo sich rund 200 Gäste mit gültiger Fahrkarte und Reservierung, aber ohne Platz aufhalten sollten, wusste er nicht, sicher aber nicht in seinem Wagon.

Kaum war der Zug angefahren, gab‘s eine neue Ansage: die Reisenden mit Reservierungen, aber ohne Wagon, sollten nicht erst in Basel, sondern bereits beim nächsten Halt in schweizerischen Baden aussteigen. Auf dem Bahnhofsvorplatz sollten Busse warten, die uns nach Hamburg, Hannover und Amsterdam bringen. Große Lust, die Nacht im Bus zu verbringen, hatte niemand. Doch in Ermangelung wirklicher Alternativen stiegen rund 200 Reisende brav aus, schoben und trugen rund 400 Gepäckstücke vom Gleis die Treppe runter in Richtung Bahnhofsvorplatz. Dort war allerdings kein Bus in Sicht. Busse, erklärten uns die Einheimischen, würden in der Regel hinter dem Bahnhof losfahren. Alles zurück, durch den Bahnhof, hoch zur Bushaltestelle hinter dem Bahnhof. Dort warteten lediglich ein paar Schweizer Jugendliche und ein Bus nach Freimertsdorf, wo immer das liegt. Nach ein paar Minuten zogen ein paar Reisende los, um nach den Bussen zu suchen – und kamen mit der Nachricht zurück, dass die Busse wohl doch auf dem Bahnhofsvorplatz warten würden. Wieder hinunter, in der Unterführung dann eine neue Anordnung: Alle auf Bahnsteig 5, mit einem ICE weiter nach Basel. Wir schöpften Hoffnung – bis zur nächsten Durchsage: In Basel wartete auf Gleis 8 eben jener City-Nightliner auf uns, aus dem wir ein paar Minuten zuvor aussteigen mussten. Er würde uns in fünf Minuten zum Deutschen Bahnhof in Basel bringen, wo wir dann in Busse umsteigen sollten. Von Hannover oder Hamburg war allerdings keine Rede mehr. Die Bahn hatte sich für uns ein neues Ziel ausgedacht: Frankfurt.

Wieder Treppe runter, Treppe rauf. Wir waren dank unseres einwöchigen Wanderurlaubs bestens gerüstet; nur meine Knieverletzung machte sich ohne Bandagen und Schmerzmittel schmerzhaft bemerkbar. Dem älteren Schweizer Ehepaar, das seinen Urlaub auf Norderney verbringen wollte, fiel die Bahnhofs-Wanderung mit mehreren Koffern sichtbar schwer. Die Engländerin, die bei ihren Mitwandernden mehrmals nachfragte, wohin sie denn nun müsse, konnte ihr Erstaunen über das deutsch-schweizerische Organisationschaos kaum verhehlen.

Déjà-vu: Wieder im Euro-Nightliner, wieder drängen sich 200 heimatlose Reisende in den Gängen vor den Liegewagen, hinein in die leeren Kabinen wagt sich keiner mehr, der unfreundliche Schaffner bewacht seine Schlafwagenabteile wie weiland Xerberus den Eingang zur Hölle. Wer nicht ausweicht – wohin nur in dem schmalen Gang – wird angerempelt. So manches Gepäckstück bekommt einen Tritt. Dann die Durchsage, die die Stimmung hebt: Nur für die Reisenden nach Amsterdam geht die Fahrt mit dem Bus weiter. Für alle, die in Richtung Hannover oder Hamburg wollen, werden an der Spitze des Zugs drei Abteile angehängt. Wir müssen auf dem Schweizer Bahnhof zwar noch einmal aussteigen, dürfen aber an der Spitze des Zuges wieder einsteigen, hoffentlich bis nach Hannover, irgendwann am Morgen. Zwei erste Klasse-Abteile versprechen eine recht angenehme Reise.

Es ist eine Art Murphysches Gesetz: Wenn man einen Schaffner sucht, weil man eine Auskunft oder Hilfe braucht, findet man keinen. Kurz vor fünf am Morgen taucht ein junger Mann in unserem Abteil auf: Ob wir einen Schaffner gesehen haben, fragt er, und ob wir eine Ahnung haben, wo wir sind. Er will nach Koblenz. Der Schaffner hatte ihn abends in Basel in die Abteile an der Spitze des Zuges geschickt – und damit in den falschen Zugteil. Die Wagen in Richtung Amsterdam kommen wahrscheinlich gerade in Koblenz an. Wir sind irgendwo in Hessen – zwischen Kassel und Göttingen – und damit kilometerweit von Koblenz entfernt. Er zieht resigniert ab: Seinen Termin in Koblenz kann er vergessen, hoffentlich war’s kein wichtiger. Wir wünschen ihm viel Glück bei der Suche nach dem Schaffner und bei der Weiterfahrt.

Übrigens: Unser Zug(teil) war pünktlich.