Monatsrückblick August 2024

Zwei Drittel des Jahres sind vorbei, mit dem August endet auch der meteorologische Sommer, Er war laut EU-Klimadienst Copernicus der heißeste Sommer seit Aufzeichnungsbeginn, auch das laufende Jahr steuere auf einen Höchstwert zu, meldete die Tagesschau am 6. September (https://www.tagesschau.de/wissen/klima/sommer-hoechststand-temperatur-100.html). Und trotzdem wählen immer mehr Menschen eine Partei, die den Klimawandel oder besser gesagt die Klimakatastrophe leugnet.

Zwischen Nordsee und Harz …

… war ich im August unterwegs. Am Anfang des Monats waren wir mit dem Wohnmobil ein paar Tage an der Nordsee, und zwar wieder auf unseren „Stammstellplatz“ in Duhnen. Der liegt direkt an der Nordsee und in der Nähe von Cuxhaven. Mir gefällt die Stadt mit vielen alten, hübsch restaurierten Häusern und vielen kleinen Läden.  Sie sind geblieben, als oder vielleicht gerade weil die großen Kaufhäuser geschlossen haben. Mein Lieblingsladen ist ein Schreibwarenladen namens Skribifax, dessen Inneneinrichtung noch aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen scheint. Meine Lieblingsschreibhefte gibt es dort auch: A5-Kladden von Claire Fontaine mit flexiblem Einband. Natürlich habe ich mich wieder eingedeckt, weil mein Vorrat zur Neige ging.

Mit meiner Tochter bin ich im Harz an der Ecker entlanggewandert. Vor der Wende verlief hier die innerdeutsche Grenze. Wer versuchte, das Bächlein zu überqueren, riskierte sein Leben. Ein mulmiges Gefühl hatten wir, als wir ein Stück entferntim Gebüsch ein Wildschwein sahen. Schon vorher war uns ein strenger Geruch aufgefallen. Offenbar stimmt es, dass man Wildschweine riecht, bevor man sie sieht. Wir waren auf jeden Fall froh, dass die Tiere ebenso wenig an einer Begegnung mit uns interessiert waren wie wir an einem Treffen mit ihnen.

In Hamburg war ich im August zwei Mal, einmal mit dem Auto, einmal mit dem Zug. Fazit: Mit dem Auto dauerte die Fahrt sonntagsmittagsvon Burgwedel bei Hannover bis nach Burgwedel bei Hamburg drei Stunden, zurück waren wir abendsnicht viel schneller. Mit Nahverkehrszug, U-Bahn und Bus brauche ich nicht länger – und die Fahrt ist nicht nur weniger stressig, sondern dank 49-Euro-Ticket auch viel preiswerter. Vielleicht ist die Deutsche Bahn ja doch nicht ganz so schlecht wie ihr Ruf.

Caspar David Friedrich in Hannover

Eigentlich wollte ich mir ja eine der beiden großen Caspar-David-Friedrich-Ausstellungen ansehen, die im 250. Geburtsjahr des vielleicht bedeutendsten deutschen Malers der deutschen Romantik in Hamburg und Berlin gezeigt wurden. Doch irgendwie kam immer etwas dazwischen.Zum Glück gibt es jetzt eine Kabinettausstellung quasi direkt vor der Haustür. Im Landesmuseum Hannover sind in sechs Gemälde von Caspar David Friedrich aus dem eigenen Bestand zu sehen – darunter die Werkfolge „Vier Tageszeiten“, laut Museum „der einzige vollständig erhaltene Tageszeitenzyklus des Künstlers an einem Ort überhaupt“ (https://www.landesmuseum-hannover.de/tageszeiten).

Die Ausstellung hat mir gefallen, die Erläuterungen haben mir die Bilder und ihre Entstehungnäher gebracht. Aber ein Caspar-David-Friedrich-Fan bin und werde ich sicher nicht. Und so traure ich den versäumten Ausstellungen in Berlin und Hamburg nicht wirklichnach.

Oper Open Air

Besser spät als nie: Was ich im Rückblick auf den Monat Juli über die Konzertreihe Klassik in der Altstadt geschrieben habe, gilt auch für das Klassik Open Air im Maschpark von Hannover. Die Open-Air-Konzerte unter dem Motto „Oper für alle“ gibt es schon seit zehn Jahren, wir waren in diesem Mal zum ersten Mal dabei. Die NDR-Radiophilharmonie und drei OpernsängerInnen – die Sopranistin Pretty Yende, der Tenor Kang Wang und der Bariton Simon Keenlyside – präsentierten im Jubiläumsjahr die Höhepunkte der vergangenen Open-Air-Konzerte. Mit uns waren 25.000 Menschen in den Maschpark gekommen, um Arien und Duette aus „Tosca“, „La Traviata“, „La Bohème“, „Rigoletto“, „Don Giovanni“, „Der Bajazzo“ und „Cavalleria rusticana“ zu hören.

Wir hatten unsere Picknickdecke auf der der Bühne gegenüberliegenden Seite des Maschteichs ausgebreitet und erlebten das Geschehen auf einer Videoleinwand hautnah. Es war ein wunderschöner Abend, der mich an die beiden Opernabende in der Arena von Verona erinnerte. Und mein erstes Klassik Open Air wird sicher nicht mein letztes.

Art Journal

A propos letztes. Im vergangenen März habe ich, angeregt von Frau Landau (https://www.instagram.com/frau_landau/), mein Art Journal angefangen (https://timetoflyblog.com/eine-art-journal). Jetzt, nach fast anderthalb Jahren, habe ich mit einer Seite aus dem Programm des Klassik Open Air die letzte Doppelseite des Buchs gestaltet. Es ist weniger ein Art Journal als ein Erlebnis- oder Reisejournal: Ich habe nur wenig selbst gezeichnet. Aber was beim ersten Art Journal (noch) nicht ist, kann beim nächsten ja werden. Das nächste Journal habe ich schon angefangen. Die ersten Einblicke gibt es vielleicht schon im nächsten Monatsrückblick.

Wandern in der Sächsischen Schweiz

Sächsische Schweiz oder Alpen, das war die Frage. Wir haben uns entschieden, in der Sächsischen Schweiz zu wandern, nicht nur, aber auch, weil die Anfahrt kürzer und wir in Bad Schandau noch eine Unterkunft für den gesamten Zeitraum gefunden haben. Ein Zimmer zwar nur statt der gesuchten Ferienwohnung. Aber es hatte immerhin einen Kühlschrank und eine kleine Kaffeemaschine – Letztere kombiniert mit einer ebenso kleinen Mikrowelle. Und auch die Lage stimmte – weit weg vom Trubel, fast im Grünen, aber nah genug am Ort, um zu Fuß überall hin zu kommen.

Pension im Grünen

Die Sächsische Schweiz hat ihren Namen wirklich verdient. Zerklüftete Felsen, die wie aus dem Nichts wachsen, grandiose Ausblicke, schmale, naturbelassene Waldwege, steile Auf- und Abstiege – und unendlich viele Stufen. Wenn ich je darüber nachdenken sollte, an einer Senioren-Treppenlauf-Meisterschaft teilzunehmen, habe ich sicher das ideale Trainingsgebiet gefunden.

Denn Stufen gibt es hier in den verschiedensten Größen und Materialien: in Stein gehauen oder im Laufe der Jahrhunderte ausgetreten, aus Holz oder aus Metall. Oft dienen Steine – aufgeschichtet oder zufällig daliegend – und Baumwurzeln als natürliche Steighilfen.

Gleich unsere erste Tour von der Neumannsmühle im Kirnitzschtal hinunter an die Elbe bot einen Vorgeschmack auf das, was uns in den nächsten Tagen erwartete: Sie endete mit einem langen Abstieg, bei dem ich erst nach gefühlt etwa der Hälfte der Strecke begonnen habe, zu zählen: Ich kam auf 712 Stufen. Den DIN-Normen für Treppenstufen entsprechen sicher nur wenige – und wenn, dann eher zufällig. Nur bei Treppen und Leitern aus Metall sind zwei aufeinanderfolgende Stufen (etwa) gleich groß.

Die Touren waren für mich – Flachländerin mit recht guter Kondition und einer vor allem im Harz und in den Moselbergen erworbenen Wandererfahrung – anspruchsvoll, die Kletterpartien zwischendurch teilweise eine echte Herausforderung.

In der Wilden Hölle Foto Foe Rodens

Zum Glück ging meine Wanderpartnerin meist voran und half an schwierigen Stellen: mal zog sie mich, wenn der Stein, der erklommen werden musste, zu hoch oder meine Beine zu kurz waren, mal stützte sie mich beim Abstieg, wenn mein ramponiertes Knie mich quälte. Auf diese Weise bin ich unter anderem durch die Wilde Hölle gekommen, habe die Heilige Stiege und den Wildschützensteig bewältigt. Bei dem ein oder anderen Weg habe ich allerdings gestreikt, da ich zwar trittfest, aber weder klettererfahren noch absolut schwindelfrei bin. Die frei in einer Höhle hängende Leiter zum Winterstein habe ich ebenso wenig erklommen wie die Rübezahlstiege, weil dort laut Beschreibung die für Kletterstiege übliche Absicherung fehlt. Vor ein paar Jahren hätte ich es vielleicht gewagt, doch jetzt sind solche Ziele nichts (mehr) für mich, auch wenn eine wunderschöne Aussicht lockt. Aber es gibt genügend andere beeindruckende Aussichtspunkte.

Allen voran die Bastei, die fast 200 m über die Elbe ragt. Die Felsformation gehört laut Wikipedia zu den markantesten Aussichtspunkten der Sächsischen Schweiz – und ist auch der meistbesuchte: Etwa 1,5 Millionen Besucher kommen jährlich. Deshalb haben wir den Rat unserer Vermieterin befolgt: Möglichst nicht am Wochenende hingehen, am besten früh morgens oder abends nach Sonnenuntergang. Und auch ein anderer Rat erwies sich als goldrichtig: Wir haben uns gleich nach der Ankunft in Bad Schandau ein Wochenticket für den ÖPNV besorgt, mit dem wir alle Wanderstart- und Zielpunkte bequem und stressfrei erreicht haben – auch die Bastei.

Als wir morgens kurz nach sieben Uhr mit der Fähre von Rathen nach Neurathen übersetzten, waren wir die einzigen Touristen. Beim Aufstieg begegneten uns einige junge Leute, die noch früher aufgestanden und schon wieder auf dem Weg ins Tal waren. Oben angelangt waren wir zwar nicht die ersten Besucher, aber es war noch erfreulich leer – als wir am späten Vormittag durch das Schwedenloch wieder zurück zur Fähre wanderten, kamen uns ab dem Amselsee Hunderte Menschen entgegen – an einem normalen Donnerstag im Oktober. Am Wochenende ist hier gewiss die Hölle los.

Keine Frage: Der Besuch lohnt. Die Bastei hat mich wirklich beeindruckt: die schroff abfallenden Felsen, die tollen Ausblicke, zum Beispiel auf Lilien- und Königstein und auf die Elbe tief unten im Tal. Und natürlich die Reste der Burg, die vielleicht schon vor fast 1.000 Jahren auf dem nur 100 m breiten, damals nur sehr schwer zugänglichen Plateau gebaut wurde – ohne die technischen Hilfsmittel, die den Handwerkern in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts beim Bau des Hotels und des Restaurants auf der Bastei zur Verfügung standen.

Die Felsenburg als Modell

Die Felsenburg Neurathen wurde erstmals im Jahr 1289 urkundlich erwähnt. Sie soll etwa 220 × 100 Meter groß gewesen sein, die Gebäude bestanden weitgehend aus Holz. Schon 1530 war die Burg wohl nur noch eine Ruine, trotzdem haben die Menschen aus der Umgebung während des 30-jährigen und anderen Kriegen dort und im nahegelegenen Schwedenloch Schutz gesucht. Heute können die ausgehauenen Räume, Durch- und Wehrgänge, Zisterne und die Balkenauflager der einstigen hölzernen Aufbauten im Freilichtmuseum besichtigt werden (https://de.wikipedia.org/wiki/Felsenburg_Neurathen).

Die berühmte Basteibrücke aus Sandstein wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet. Sie ist fast 80 m lang und überbrückt eine etwa 40 Meter tiefe Schlucht, die Mardertelle. Auf Caspar David Friedrichs bekanntem Bild „Felsenpartie im Elbsandsteingebirge“, das in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts gemalt wurde, ist auch ihr Vorgänger, die hölzerne Basteibrücke, nicht zu sehen.

Neurather Felstor im Original – und auf dem bekannten Gemälde von Caspar David Friedrich

Caspar David Friedrich war übrigens nicht der einzige Maler, der die Bastei verewigte. Viele Künstler der Romantik wanderten zu dem Felsmassiv, obwohl der Weg damals noch sehr beschwerlich war. Ihren Spuren folgt heute der Malerweg, einer der beliebtesten Wanderwege Deutschlands.

Im Schwedenloch, einer engen Schlucht auf dem Weg zur Bastei, haben die Menschen früher in Kriegszeiten sich und ihr Hab und Gut versteckt.

Der Weg führt auch an den Schrammsteinen vorbei, die der schönen Aussicht wegen an Wochenenden ebenfalls zum Wander-Hotspot werden. Auch deshalb haben wir sie an unserem ersten Wander(sonn)tag nicht erklommen. Außerdem fühlten wir uns nach rund 20 Kilometern nicht mehr fit genug für eine Wanderung auf dem Grat. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ich werde die Schrammsteine sicher noch ersteigen – beim nächsten Besuch in der Sächsischen Schweiz