Ich wandere gerne, aber mit der Orientierung ist es so eine Sache: Kartenlesen zählt nicht zu meinen besonderen Stärken. Das liegt sicher auch daran, dass ich Probleme habe, rechts und links zu unterscheiden. Manchmal sage ich rechts, wenn ich links meine – und umgekehrt. Sicher bin ich, nebenbei bemerkt, nur, wenn ich den Daumen meiner rechten Hand sehe. Der ist aber manchmal verdeckt, wenn ich eine große Karte in der Hand halte.
Auch das optimale Kartenformat muss meiner Meinung nach noch erfunden werden. Einmal entfaltet, gelingt es mir nur selten, eine Karte wieder richtig zusammenzufalten. Viel genutzte Karten wie meine Harzwanderkarte lösen sich an den Faltstellen auf – natürlich mit Vorliebe dort, wo ich gerade etwas nachschauen möchte. Regen und der zugegebenerweise nicht immer pflegliche Transport in der Hosen- oder Seitentasche des Rucksacks beeinflussen die Les- und Nutzbarkeit von Wanderkarten zusätzlich.
Da liegt es natürlich nahe, auf Wanderapps zu vertrauen. Die sprechen mit mir und selbst wenn ich das Smartphone nicht in der Hand, sondern in der Tasche trage, sagt sie mir, wo ich hingehen muss, um mein Ziel zu erreichen: rechts, links, geradeaus. Oft sogar mit genauen Entfernungsangaben. In 300 Metern links abbiegen oder in fünf Metern geradeaus gehen. Entscheide ich mich aus Versehen für das andere rechts oder links, sagt mir die App, dass ich den rechten Weg verlassen habe und gefälligst umkehren soll. Dass ich für ein paar Euro in vielen Ländern Karten und fertige Routenvorschläge auf meinem Smartphone abrufen kann, ist ein weiterer Vorzug.
Eigentlich wäre die App also die ideale Begleiterin, doch wirklich beste Freundinnen werden wir wohl doch nie. Zum einen missfällt mir der leicht genervte Ton, in dem sie mich daran erinnert, dass ich mal wieder falsch abgebogen bin. Vor allem aber habe ich das Gefühl, dass ich mich nicht hundertprozentigauf sie verlassen kann. Manchmal lässt sie mich nämlich eine Zeit lang in die falsche Richtung gehen, ehe sie mich warnt: „Du hast die ursprüngliche Route verlassen. Wirf einen Blick in die Karte und kehre um.“ Und manchmal führt sie mich auf Wege, die gar keine (mehr) sind. Bei meiner letzten Harzwanderung zum Beispiel.
Eigentlich wollte ich, vom Elfenstein kommend, dem Wegweiser folgen und links in Richtung Bad Harzburg wandern. Doch weil die App quengelte, kehrte ich um und ging auf dem von ihr vorgeschlagenen oberen Herrenweg weiter. Ein Fehler, wie ich leider zu spät merkte. Nach etwa zwei Kilometern wurde der Weg schlechter, nach einem weiteren Kilometer war er durch frauhohe Gräser, Büsche und umgestürzte Bäume fast unpassierbar. Bei schlechterem Wetter wäre ich sicher umgekehrt, da es aber windstill war und die App versprach, dass ich nach 600 Metern auf einen anderen Weg einbiegen könnte, schlug ich mich durch das Gestrüpp – und erreichte etwas später als geplant und ein bisschen zerkratzt mein Ziel, das Café Winuwuk.
An anderen Tagen zeigt die App ausgewiesene, ausgeschilderte, auf der Karte verzeichnete und sehr gut begehbare Wege nicht an – und weigert sich auch beharrlich, meine Vorschläge anzunehmen. Auf Diskussionen lässt sie sich dann nicht ein – und ich auch nicht: Ich schalte sie dann ab und verlasse mich wie in Vor-App-Zeiten auf Wegweiser und Karte. Letztere nehme ich nämlich nach Möglichkeit mit – auch wenn Kartenlesen nicht zu meinen Stärken gehört.