Operation Weihnachtsbaum

Der Kauf des Weihnachtsbaums war auch in diesem Jahr wieder eine Sache von ein paar Minuten. Zwar war die Auswahl an Bäumen in der Verkaufsstelle auf dem Parkplatz eines großen Möbelhauses noch riesig. Doch als wir den Mitarbeiter am Eingang nach einer Blaufichte fragte, erklärte er uns „Ganz hinten links am Zaun stehen drei.“

Blaufichten, das wissen wir aus Erfahrung, führen bei Weihnachtsbaumhändlern ein Schattendasein: Die meisten haben gar keine im Sortiment. Denn fast alle Kunden kaufen Nordmanntannen, die mit Abstand beliebtesten und häufigsten Weihnachtsbäume in deutschen Wohnzimmern. Um Blaufichten machen die meisten einen großen Bogen.

Das liegt sicher auch daran, dass die Blaufichten ihrem Namen alle Ehre machen. Ihr richtiger, sprich botanischer Name lautet nämlich Picea pungens oder übersetzt für alle Nicht-Lateiner oder die, deren Lateinunterricht schon lange zurückliegt, Stechfichte.

Wie spitz die Nadeln sind, bekommt man zu spüren, wenn man sich dem Baum ohne Schutzkleidung nähert. Transport, Schmücken und Entschmücken des Baumes können durchaus schmerzhaft sein. Echte Blaufichtenfans wie mich schreckt weder die spitzen Nadeln noch die Tatsache, dass die Hände nach jeder Berührung kleben, weil das Holz sehr harzig ist. Aber dafür duften die Bäume im Gegensatz zu den Nordmann-Tannen nach Wald und Weihnachten.

Die ohnehin magere Auswahl wurde dadurch weiter eingeschränkt, dass zwei der drei Bäume in der hintersten Ecke des Verkaufsstands schon in weiße Transportnetze verpackt waren. Und wer kauft schon gerrne die Katze sprich den Baum im Sack. Der Verkäufer machte keine Anstalten, die Bäume für uns zu entpacken, doch zum Glück gefiel uns der dritte im Bunde. Darüber, dass er ein wenig unsymmetrisch gewachsen und die Zweige an einer Seite deutlich kürzer waren als an der anderen, sahen wir großzügig hinweg. Denn da unser Wohnzimmer nicht so groß ist, steht der Baum ohnehin nicht frei im Raum, sondern an einer Wand.

Dass die Spitze angebrochen war, haben wir indes erst gemerkt, als sie auf dem Weg zum Auto ganz abbrach. Doch mein handwerklich begabter Mann löste das Problem mit einer Spitzen-OP: Mit einem implantierten Schaschlickspieß verband er wieder, was zusammengehörte, und bei der Gelegenheit passte er die Christbaumspitze auch gleich an.

Blut floss dabei nicht, sondern nur ein bisschen Harz, Der Bruch verheilt gut, auch ohne Gips, und der Baum erholte sich schnell. Vielleicht auch, weil ihm sein neuer Schmuck gefällt. Die Operationsstelle ist aus der Distanz überhaupt nnicht zu sehen. Und dafür, dass niemand ihm zu nahe rückt, sorgen die spitzen Nadeln. Denn wie gesagt, die Stechfichte trägt ihren Namen zu recht.