Gute Vorsätze

Das neue Jahr ist schon ein bisschen angebraucht, die ersten guten Vorsätze sind schon wieder gebrochen. Besonders originell waren sie ohnehin nicht, genau genommen unterscheiden sie sich nicht von den guten Vorsätzen der meisten Menschen hierzulande: Weniger Stress, weniger Druck, weniger arbeiten, dafür mehr Zeit für Freunde und Familie, mehr Zeit für mich selbst und für meine Hobbys, mehr reisen, mehr bewegen, abnehmen, weniger fernsehen und weniger Zeit an Computer und Handy.

Natürlich gibt es auch noch ein paar individuelle Vorsätze: Ich will mich mehr um meinen Garten kümmern, endlich anfangen zu malen, um mehr Farbe in mein Leben zu bringen, öfter wandern – und mindestens einen Blogbeitrag pro Woche schreiben. Neu sind diese Vorsätze nicht: Wenn ich in den Tagebüchern nachlese, die ich seit Jahrzehnten führe, sind es (fast) genau die gleichen wie in den vergangenen Jahr(zehnt)en. Dass ich sie jedes Jahr aufs Neue fasse, zeigt, dass ich sie nicht wirklich durchhalte, dass sie noch nicht zu Gewohnheiten geworden sind.

Manches hat gute Gründe: Mehr bewegen und Sport treiben ist normalerweise kein Problem, zurzeit aber nach einer Knieverletzung und kurz nach einer Meniskusoperation (noch) nicht möglich; abnehmen ist dadurch auch schwierig und für Gartenarbeit ist einfach jetzt im Januar nicht die richtige Zeit.

Andere Vorsätze sind schon deshalb schwer durchzuhalten, weil sie sich widersprechen: Wie soll es mir gelingen, in meiner (eher begrenzten) Freizeit mehr Zeit für mich selbst, für neue und alte Hobbys, für Freunde und Familie und für soziales Engagement zu haben. Weniger arbeiten wäre eine Lösung, aber dann habe ich kein Geld, um mehr zu reisen (ein weiterer Vorsatz aus der langen Liste).

Weniger ist mehr, das gilt wohl auch für gute Vorsätze. „Versuchen Sie nie, sich mehr als eine dieser Routinen auf einmal abzugewöhnen. Das gelingt nur selten. Konzentrieren Sie lieber alle Energien zunächst auf die eine lästige“, heißt es in dem sehr informativen Beitrag von Jochen Mai Gewohnheiten ändern: Raus aus der Routine! auf der Website http://karrierebibel.de. Die lese ich, obwohl ich nicht zur Zielgruppe gehöre und eigentlich zu alt (nicht zwischen 18 und 58), zu berufserfahren (kein Young Professional) und sicher nicht erfolgreich genug (kein wichtiger Influencer) bin.

Der Beitrag enthält noch eine schlechte Nachricht für alle, die wie ich Geduld nicht gerade zu ihren Kernkompetenzen zählen. Bis man eine Routine entwickelt, sich eine schlechte Eigenschaft ab- oder eine gute angewöhnt hat, dauert es nicht nur drei Wochen (die berühmten 21 Tage), sondern mehr als dreimal so lang. Nach einer Studie dauert es im Durchschnitt 66 Tage, bis Handlungen zu  Gewohnheit wird. Immerhin schadet es nichts, wenn man gelegentlich einen oder zwei Tage pausiert.

Helfen soll’s, wenn man über seine Pläne spricht – etwa im Blog oder auf Facebook – und damit hilfreichen Druck schafft. Das tue ich mit diesem Blogbeitrag, auch wenn ich damit gegen einen weiteren guten Vorsatz verstoße, mir in diesem Jahr weniger Druck zu machen.

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