Zu Gast bei Emil Nolde

Auf der Fahrt zur Insel Romö hatte ich ein Hinweisschild auf das Museum Emil Nolde entdeckt, auf der Rückfahrt sind wir dann nach Seebüll gefahren. Denn Noldes Bilder – vor allem seine Mohnblumen – fand ich schon als Jugendliche toll. Und natürlich hat mir auch sein Image als von den Nazis verfolgter Künstler gefallen. Ich habe, und da bin ich sicher nicht die einzige, die (fiktive) Geschichte Malers Max Ludwig Nansen, die Siegfried Lenz in seinem Roman Deutschstunde erzählt, für eine Art Nolde-Biografie gehalten.

Selbstbildnis Malermensch Nolde

Dass Nolde kein Opfer der Nazis war, wusste ich inzwischen. Dass er ein glühender Anhänger der Nationalsozialisten, Rassist und Antisemit war, wurde mir allerdings erst bewusst, als ich den Besuch des Nolde Museums plante. Und ich habe mir wirklich überlegt, ob ich mir die Bilder eines Menschen ansehen soll, der sich bei Hitler und Co. anbiederte, bis zum Schluss auf den Endsieg hoffte und sich als Vorkämpfer gegen das Judentum sah. Ich bin dann doch hingefahren. Zum Glück, denn das Museum ist wirklich sehenswert. Außerdem habe ich mich dadurch mehr mit Noldes Vergangenheit beschäftigt.

So ist auf der Website der Nolde Stiftung zu lesen, dass Nolde 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten „einen nicht im Detail überlieferten Plan (erarbeitete), der eine territoriale Lösung der sogenannten ‚Judenfrage‘ – eine Aussiedlung der Juden“ vorsah. Diese falsche Behauptung hat er nie zurückgenommen – und er hat sich auch nach Ende des Krieges nie von seinen faschistischen Äußerungen und Einstellungen distanziert. Im Gegenteil: Nolde hat sich nach dem Krieg als Opfer der Nationalsozialisten dargestellt.*

Das gelang ihm wohl auch deshalb problemlos, weil er der berühmteste als „entartet“ verfemte Künstler war. Mehr als 1.000 seiner Arbeiten wurden während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt – so viele wie von keinem anderen Maler. 1941 wurde er aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen und mit einem Ausstellungs-, Verkaufs- und Publikationsverbot belegt. Ein Malverbot gab es indes wohl nie: Nolde durfte weiter malen, seine Bilder aber nicht verkaufen.

Am Hungertuch nagten er und seine Frau Ada trotzdem nicht. Laut Bernhard Fulda gehörte er „zwischen 1933 und 1941 eindeutig zu den Spitzenverdienern unter den Künstlern im ‚Dritten Reich‘“. Zwischen 1937 und 1941 verdiente Nolde mehr als je zuvor: allein im Jahr 1940 nach seiner  Umsatzsteuererklärung fast 80.000 Reichsmark. „Zum Vergleich: Das jährliche Durchschnittseinkommen im Deutschen Reich lag 1940 bei 2156 Reichsmark. Und bildende Künstler verdienten in der Regel deutlich weniger als der durchschnittliche Arbeiter.“

Und so konnten Nolde und seine Frau 1927 nicht nur die Warft kaufen, sondern dort bis 1937 auch nach ihren Entwürfen das Wohn- und Atelierhaus im Bauhausstil errichten, das heute als Museum dient. Alljährlich werden dort in den Sommermonaten Bilder in einer Jahresausstellung gezeigt – die diesjährige steht unter dem Motto „MALERMENSCH“ IN BERLIN.

Mehr als 110 Werke sind noch bis Ende Oktober in Seebüll zu sehen, neben Blumen-, Meer- und Landschaftsbildern auch viele Bilder aus Noldes Berliner Leben. Denn während sie im Sommer abgeschieden in Nordfriesland lebten, verbrachten die Noldes die Winter meist in ihrer Atelierwohnung in der Hauptstadt, besuchten Theater, Museen und Bälle, pflegten Kontakte zu anderen Künstlern, aber auch zu Sammlern und Galeristen.

Von den ausgestellten Bildern haben mir nur wenige wirklich gefallen. Sehr beeindruckt haben mich dagegen die Farben der Räume – und ich habe mich gefragt, wie ein Mensch mit einem so exzellenten Farbgefühl so braun sein konnte. Aber Begabung und politische Blindheit schließen sich leider nicht aus – ein großer Künstler muss eben kein großer Mensch und erst recht kein guter Mensch sein.

Mein Lieblingsraum war die schmale Galerie im Obergeschoss. Dort hätte ich stundenlang sitzen und auf den Garten schauen können, den Emil und Ada Nolde selbst entworfen haben.

Der Garten ist wirklich ein Traum – ein Kunstwerk für sich. Umgeben und geschützt von heimischen Bäumen und Sträuchern wachsen dort rund 500 teilweise sehr alte Stauden, unter anderem Türkischer Mohn, Rittersporn, Pfingstrosen und jetzt im September Dahlien und Astern. Dazwischen blühen verschiedene ein- und zweijährige Sommerblumen und verwandeln den Garten in ein Farbenmeer. Und unter den zahlreichen Obstbäumen sind auch seltene Apfelsorten wie „Agathe von Klanxbüll“ und „Renette von Seebüll“.

Allzu gerne hätte ich einen der verlockend aussehenden Äpfel gepflückt, doch das habe ich nicht gewagt. Denn das Pflücken eines Apfels hatte ja bekanntlich schon einmal die Vertreibung aus dem (Garten)Paradies zur Folge.

* „MALER UND MYTHOS“ ist Titel und Thema eines sehenswerten Films, der im Obergeschoss des FORUMS im Eingangsbereich des Museums gezeigt wird.

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