Treue lohnt sich nicht. Zumindest nicht in geschäftlichen Beziehungen. Das merkt man beispielsweise, wenn man einen (Bau-)Kredit verlängern will. Die Konditionen von fremden Banken, bei denen man anfragt, sind meist wesentlich günstiger als die der Hausbank – obwohl die weiß, dass man seit Jahren die Raten immer pünktlich bezahlt hat. Und die günstigen Strom- und Gastarife bekommt man bei Energieversorgern nur im ersten und zweiten Jahr nach Vertragsabschluss. Dann geht die Schnäppchen-Jagd von Neuem los, wenn’s billig bleiben soll.
Finanziert werden die Super-Rabatte für Neukunden von altmodischen Deppen wie mir, die – ich gebe es zu teilweise aus Bequemlichkeit – jahrelang bei den gleichen Unternehmen bleiben. So bin ich in meine Krankenkasse quasi hineingeboren – ich bin im Großen und Ganzen zufrieden und wechsle auch nicht, nur weil der Zusatzbeitrag jetzt vielleicht ein bisschen höher ist als bei anderen Kassen und die Sonderleistungen nicht ganz so hoch. Bäumchen-wechsel-dich- und Geiz-ist-geil-Mentalität sind nicht mein Ding – und feilschen kann ich nicht einmal auf dem Flohmarkt.
Als überzeugte Bahnfahrerin habe ich natürlich auch eine Bahncard, die sich alle Jahre wieder um ein weiteres Jahr verlängert. Bequem für die Bahn, teuer für mich, weil ich die neue Bahncard ja nicht immer gleich im Anschluss an die alte brauche. Und von Sonderaktionen zu diversen (Sport-)Großereignissen, bei denen es nicht nur Bahncards zu sehr günstigen Preisen, sondern auch Zusatzgewinne gibt, profitiere ich natürlich auch nicht: Denn warum soll ich mir die EM-Bahncard für drei Monate kaufen, wenn ich schon eine habe. Bei anderen Sonderaktionen werden wohl auch ausschließlich oder überwiegend Gelegenheits-Bahncardkäufer berücksichtigt, um sie zu ködern. So flatterte einer Freundin unlängst ein aufwendig aufgemachtes Angebot ins Haus: Sie konnte zwischen einer Bahncard 25 für 10 Euro für ein Jahr und einer Bahncard 50 für 100 Euro und noch ein paar Gequetschte wählen.
Die vergünstigte Bahncard 50 hätte ich auch gerne und wenn ich demnächst 60 werde, werde ich sie auch kaufen. Leider läuft meine alte Bahncard 25 schon einen Monat vor meinem Geburtstag aus – mir die vergünstigte Bahncard quasi als Treuerabatt schon mit 59 Jahren und elf Monaten und ein paar Tagen zu verkaufen, ist – anders als Super-Sonderangebote für Gelegenheitsfahrer – leider nicht möglich.
Dem Mitarbeiter des Bahncard-Services tat es zwar sehr leid, dass ich „nicht in den Genuss unserer Sonderaktion gekommen“ bin (glaub ich ihm nicht). Er versteht zwar meine Sichtweise (wirklich nett), aber „die Möglichkeit Ihnen vor dem ersten Geltungstag eine ermäßigte BahnCard auszustellen haben wir leider nicht.“ Könnte man aber vielleicht ändern, um treue Kunden nicht zu verärgern.
Hierfür bittet er um Verständnis – bekommt er aber nicht. Denn das mögliche Upgrade von der Bahncard 25 auf die Bahncard 50 nach meinem Geburtstag ist mit erheblichem Aufwand verbunden: ich muss ins Reisezentrum (und dazu in die nächste Großstadt fahren), eine Erstattungsantrag ausfüllen … Und dass die Auswahl der Kunden für solche Aktionen ausschließlich nach dem Zufallsprinzip erfolgt und dass alle Kunden die gleichen Erfolgsaussichten haben, halte ich ebenso für ein Gerücht wie die Behauptung, dass Züge pünktlich, Zugtoiletten sauber und die Renten sicher sind. Oder dass Treue sich lohnt.