Von brotlosen Künsten …

… und warum es sich vielleicht doch lohnt, seinem bliss zu folgen.

Vor ein paar Tagen habe ich mir im Fernsehen einen Dokumentarfilm über das Aufnahmeverfahren der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover angesehen. Wer einen der zehn Studienplätze bekommen will, muss in drei Runden seine „besondere künstlerische Befähigung zur Schauspielerin, zum Schauspieler“ nachweisen. Ich habe keine Ahnung von Schauspielkunst und war ziemlich beeindruckt, wie begeistert und gut vorbereitet die jungen Frauen und Männer waren. Ihre Auftritte hatten eine ganz andere Qualität als die Darbietungen der Selbstdarsteller bei Castingshows wie DSDS. Wer durchkommt, bekommt einen Studienplatz und lernt einen Beruf, der keine besonders rosigen Berufsaussichten bietet.

Natürlich gibt es (einige wenige) Großverdiener und einige mehr, die recht gut verdienen . Aber viele (die meisten?) können von ihrem Verdienst als SchauspielerInnen nicht leben und halten sich finanziell mit anderen Jobs über Wasser.

Am gleichen Abend habe ich ein Interview mit einer jungen deutschen Schauspielerin gesehen, die bereits in vielen Filmen mitgespielt hat. Sie bekommt 1.300 Euro Tagesgage, doppelt so viel wie die Mindestgage, die  laut Tarifvertrag für Schauspieler – ja, auch den gibt es – bei 775 Euro liegt. Das klingt nach viel, aber es relativiert sich, wenn man bedenkt, dass zwischen den Engagements oft viele Tage ohne Engagement und ohne Bezahlung liegen.

Unbefristet waren nach einer Studie zur Arbeits- und Lebenssituation von Schauspielerinnen und Schauspielern (Bema-Studie) gerade mal 4,9 Prozent der Befragten beschäftigt, 36,2 Prozent waren unständig beschäftigt, 46,1 Prozent selbstständig – was wahrscheinlich gleichbedeutend ist mit nicht ständig. Und auch der Verdienst im Traumberuf SchauspielerIn war alles andere als traumhaft: 68,1 Prozent der Befragten hatten in den letzten 12 Monaten bis zu 30.420 Euro verdient – brutto. Die Wirklichkeit sieht noch trauriger aus: Bei fast der Hälfte (45,8 Prozent) waren es weniger als 15.000 Euro.

Und noch ein paar Zahlen: Laut Künstlersozialkasse betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen der Versicherten im Bereich Darstellung Anfang 2016 15.581 Euro – bei den Schauspielerinnen waren es sogar nur 12.594 Euro (aber das ist ein anderes Thema). Nur die freien Musikerinnen und Musikerinnen verdienten noch weniger: durchschnittlich 13.317 Euro im Jahr. Das reicht mancherorts nicht einmal, um die Miete zu bezahlen.

Unter den Blinden ist der einäugige König, heißt ein altes Sprichwort. Und so sind die Versicherten im Bereich Wort – Leute wie ich, also Autoren, Journalisten, Lektoren, Übersetzer, Korrektoren usw. – Großverdiener unter den KSK-Versicherten mit durchschnittlich 19.603 Euro Jahreseinkommen (!). Ich kenne viele, die dafür nicht aufstehen und nicht arbeiten würde. Von wegen Mindestlohn.

Fazit: Kunst ist (oft) brotlos, egal in welchem Bereich. Vom Schreiben können die meisten ebenso wenig leben wie vom Musikmachen, vom Malen oder eben vom Schauspielern. Dabei möchte doch kaum jemand auf Bücher, Bilder, Musik; Filme oder Theater verzichten.

Fast hab ich gewünscht, dass die jungen Leute, die mir in dem Film besonders engagiert und begabt schienen ausscheiden. „Lernt was Anständiges“, wollte ich ihnen zurufen. Studiert Medizin, BWL oder Maschinenbau. Oder Jura: Da könnt ihr bei Auftritten vor Gericht euer Schauspieltalent beweisen. Vielleicht könnt ihr auch Lehrer – da spielt ihr zwar immer vor dem gleichen Publikum, verdient aber mehr und braucht nicht immer neuen Engagements nachzujagen. Das zermürbt auf Dauer (glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche). Aber wahrscheinlich haben die SchauspielerInnen in spe den guten Rat schon von ihren Eltern gehört und ihn ebenso in den Wind geschlagen wie ich selbst vor gefühlt 100 Jahren.

Nein, ich bin nicht Schauspielerin geworden (dafür habe ich gar kein Talent, das ist der Welt erspart geblieben), sondern verdiene mein Geld als Journalistin, Lektorin und Korrektorin. Ich mag meinen Beruf nach all den Jahren noch und ich würde mich wieder dafür entscheiden, wenn ich auch manches anders machen würde. Und ich hoffe, dass es den Jungs und Mädchen, die ich in dem Dokumentarfilm gesehen habe, ähnlich geht. Trotz der Unsicherheit, der schlechten Bezahlung.

Übrigens: Nach der Bema-Studie würden 84,9 Prozent nochmal Schauspielerin oder Schauspieler werden, nur 15,1 Prozent nicht. Vielleicht ist es also doch richtig, das zu tun, woran das Herz hängt.

Hier noch ein Gedicht von Friedrich von Schiller. Er wusste, was er schrieb. Schiller hat zwar Medizin studiert, sich dann aber  doch gegen den festen Job und die sicheren Einnahmen als Militärarzt und für die Kunst entschieden. Zum Glück, nicht nur für ihn.

http://www.ub.uni-heidelberg.de/wir/geschichte/schiller.html

Bericht vom anderen Ende der Welt

Ich bin wieder da. Drei Wochen war ich mit Mann und Tochter in Neuseeland – mit einem Wohnmobil haben wir eine Rundreise über die Südinsel gemacht – von Christchurch nach Christchurch. Rund zweieinhalbtausend Kilometer sind wir – genauer gesagt Utz – gefahren und das war sicher nicht immer einfach. Denn Straßen können die Neuseeländer nicht wirklich gut. Daran, dass sich hinter einem Highway eine Straße versteckt, die gelegentlich auch mal einspurig werden kann, muss man sich als autobahnverwöhnter Mitteleuropäer zuerst mal gewöhnen. Manchmal war es so steil und kurvig, dass ich lieber nicht hingeschaut habe – was nicht gut kommt, wenn man am Steuer sitzt. Und die Gravelroads, die unbefestigten Straßen, sind ohnehin eine Sache für sich. Gravelroads gibt es in Neuseeland überall – leider durften wir sie mit unserem gemieteten Wohnmobil nicht benutzen – ein Riesennachteil bei dieser Art, Urlaub zu machen (Anmerkung am Rande: es macht auch nicht wirklich Spaß, bei einer Fahrt über eine Gravelroad hinten in einem Wohnmobil zu sitzen, die Bootsfahrt bei Regen und doch recht kräftigem Wind auf dem Milford Sound war ruhiger).

Neuseeland ist, zumindest auf der Südinsel, Natur pur. Die Landschaft ist wirklich beeindruckend, die Ausblicke – und die Gegensätze – oft atemberaubend. Hohe, schneebedeckte Berge neben riesigen Yuccas und blühenden Lavendelfeldern und Lupinen, tiefe Schluchten, Wasserfälle, die von hohen Felsen zu Tal stürzen – und am nächsten Tag wieder spurlos verschwinden, wenn die Sonne scheint. Farne so hoch wie Palmen – und es hätte mich nicht verwundert, wenn mir plötzlich bei Milford Sound  aus dem Regenwald ein Dinosaurier entgegen gekommen wäre. Oder ein Hobbit. Denn in der Nähe des Mount Cook haben wir eine Stelle entdeckt, wo bestimmt wilde Hobbits wohnen. Die Hobbits aus den Tolkien-Filmen leben meist auf der Nordinsel, in Hobbiton, das ich leider nur Fotos von Fotos kenne.

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Wo die wilden Hobbits wohnen

Der Aoraki/Mount Cook, mit über 3.700 m der höchste Berg Neuseelands, machte bei unserem Besuch seinem Maori-Namen alle Ehre: Er hüllte sich in Wolken. Einige der über 3.000 m hohen Gipfel haben bei unserem Besuch im Nationalpark trotzdem gesehen – zumindest die unteren Hälften. Wir sind den Hooker Valley Track gewandert –über drei Hängebrücken kamen wir zum Gletschersee am Ende des Tracks. Das Eis auf dem See war reiner und klarer als jedes Eis, das ich bislang gesehen habe.

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Schmelzende Gletscher

Das Gletscherwasser fließt in den Lake Pukaki und gibt ihm, ebenso wie dem Nachbarsee Lake Tekapo, ihre typische türkis-blaue Farbe. Sie ist wirklich so, wie sie auf Postkarten scheint, und entsteht – laut Wikipedia – durch feine Partikel aus dem Abrieb des Gletscheruntergrunds.

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Lake Pukaki

Seen gibt es unendlich viele, oft sind sie sehr groß: Der Lake Wakatipu ist mit fast 300 Quadratkilometern der drittgrößte und mit 80 km der längste der neuseeländischen Seen. Er erstreckt sich von Kingston nach Glenorchy, zwei fast 90-Grad Kurven bei Queenstown verleihen ihm seine unverwechselbare S-Form. Eine Besonderheit: Der See liegt zwar 310 Meter über dem Meeresspiegel, die tiefste Stelle liegt aber rund 70 m darunter. Mit fast  Mein Liebling ist der nördliche der beiden Mavora Lakes. Um ihn zu erreichen, mussten wir einen Wagen mieten, weil er – ungeheuer ruhig und friedlich am Ende einer 40 km langen Gravelroad lag. Aber die Fahrt hat sich gelohnt. Die Schuhe meiner Tochter haben da ein neues Zuhause gefunden. Wir haben sie nach einem Fotoshooting unterm Wagen vergessen.

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Mavora Lakes

Gelohnt hat sich auch die Fahrt nach Glenorchy. Dort habe ich zum ersten Mal auf einem Pferd gesessen. Bryan war sehr hoch, sehr eigenwillig und sehr verfressen. Während seine vierbeinigen Kollegen brav hintereinander weg marschierten, wollte Bryan lieber Gras und junge Sträucher abfressen. Aufgehört hat er nur, wenn ich seine Zügel angezogen und ihm meine Hacken in die Seiten gerammt habe. Das ist mir zunächst schwer gefallen, aber dass ich am Anfang die Zügel locker gelassen habe, hat er gründlich missverstanden. Vielleicht habe ich bei dem Ritt ja doch auch was fürs Leben gelernt.

Apropos leben. Das Leben ist in Neuseeland ziemlich teuer – auch Produkte, die im Land hergestellt werden und nicht importiert werden müssen wie Milch, Brot, Mineralwasser oder Lachs. Extras wie Eis und Schokolade gewöhnt man sich besser direkt ab. In Te Anau kostete eine (winzige) Eiskugel 4,5 Dollar, also etwas mehr als drei Euro. Sie war also fast zweieinhalb Mal so teuer wie eine Eiskugel im Colosseum in Hannover, dafür aber nicht einmal halb so groß und längst nicht so gut. Ausgesprochen gut ist der Service: In Supermärkten packen die Kassiererinnen die Ware in Tüten und verstauen die noch im Wagen. Sehr angenehm, doch der Service hat eben seinen Preis.

Ach ja, zwei Erdbeben haben wir in Neuseeland auch erlebt. Gut, das zweite haben wir eigentlich  am Ufer des Lake Wakatipu friedlich verschlafen. Dass  100 km nördlich die Erde bebte, erfuhren wir erst durchs Internet und die besorgten Mails aus Deutschland. Weil die Fähren und Busse gen Norden auch eine Woche später noch nicht wieder planmäßig fuhren, mussten Mann und Tochter ihre Pläne ändern und nach Wellington fliegen. Schlimmer ist das politische Beben, das nicht nur die USA erschütterte. Donald Trump wird wohl neuer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Gegen den drohenden Tsunami  ist die Ein-Meter-Welle an Neuseelands Küsten ein Kinderspiel. God bless not only America.

Von Buchmenschen und Büchern

Als ich vor Jahren Ray Bradburys Fahrenheit 451 gelesen habe, haben mich vor allem die Buchmenschen fasziniert. Für alle, die das Buch nicht kennen: Es spielt in einem totalitären Staat, in dem Bücher – und damit auch selbstständig denken – verboten sind. Die Feuerwehr löscht keine Brände, sondern verbrennt Bücher, wenn welche entdeckt und die Besitzer verhaftet werden. Fahrenheit 451 ist die Temperatur, bei der Papier brennt. Die Buchmenschen sind aus dieser Gesellschaft geflohen und leben irgendwo versteckt im  Wald. Um zu verhindern, dass mit den Büchern die Inhalte der Bücher unwiederbringlich vernichtet werden, lernt jede/r ein Buch auswendig.

(K)ein Ort für Bücher?

Bei unserer Reise nach Schweden habe ich jetzt den Ort entdeckt, wo die Buchmenschen leben. Nicht wirklich natürlich, aber so etwa habe ich mir ihren Zufluchtsort vorgestellt. Der Campingplatz, das Älvkarleby Fiske & Famil jecamping, liegt auf einer kleinen Insel, die Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile stehen versteckt unter Bäumen, so, als gehörten sie irgendwie dahin. Die meisten wurden  vermutlich seit Jahren nicht mehr bewegt  und haben  schon Wurzeln geschlagen, wie die Bäume, unter denen sie stehen.

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In Wirklichkeit ist der Campingplatz natürlich keine Zuflucht für Buchmenschen, sondern – wie der Name schon sagt – ein Eldorado für Angler. Und wahrscheinlich waren wir die einzigen Gäste, die mehr Bücher als Angeln dabei hatten – Angeln: keine, ich für zwölf Tage zehn richtige Bücher und meinen Kindle, mein Mann nur seinen Kindle, er ist ein absoluter E-Book-Fan, aber das ist ein anderes Thema.

Lieblingsbuch gesucht

Seither überlege ich, welches Buch ich auswendig lernen würde, wenn ich mich denn für eins entscheiden müsste, dass ich vor dem Vergessenwerden retten wollte. Das Ergebnis: Ich weiß es nicht. Meine Lieblingsbücher wechseln. Eine Zeitlang wäre es wahrscheinlich „Nachtzug nach Lissabon“ gewesen, aber auch Siri Hustvedts „Was ich liebte“, „Hannas Töchter“, die Memoiren von Simone de Beauvoir, die Tagebücher von Victor Klemperer und natürlich das Tagebuch der Anne Frank stehen ganz oben auf der Shortlist. Es gibt so viele Bücher, das fällt die Auswahl schwer.

Apropos Shortlist. Die richtigen Büchermenschen treffen sich zurzeit in Frankfurt auf der Buchmesse. Ich fahre in diesem Jahr nicht hin, obwohl mich die Messe immer wieder fasziniert. Und zugegebenerweise ein bisschen erschlägt: So viele Bücher, wer kann, wer soll die alle lesen. Und es werden immer mehr. Denn immer mehr Menschen schreiben Bücher. Irgendwie hat Reither, der Ex-Verleger in Bodo Kirchhoffs Novelle Widerfahrnis, recht mit seiner Einschätzung, dass es allmählich mehr Schreibende als Lesende gibt.

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Alle schreiben, ich natürlich auch. Ein schöner Ort zum Lesen und Schreiben.

 

Auf der Jagd nach Northernlights

Hinweis: Nordlichter können süchtig machen …

Andere fahren nach Skandinavien, um die Mitternachtssonne zu sehen. Uns – oder besser gesagt meinen Mann – zieht es hin, wenn die hellen Nächte vorbei sind, wenn es wieder früher dunkel wird. Auf der Jagd nach den Polarlichtern. Die sind, ich gebe es zu, faszinierend: Irrlichtern gleich tauchen sie auf und verschwinden wieder.

Früher galten die „Götterfackeln“ als Vorboten des Unglücks oder als Zeichen der Toten. Auf Finnisch heißen die Polarlichter nach einer alten lappischen Sage revontulet, also Fuchsfeuer, und die dazu passende Sage gefällt mir. Wenn der Feuerfuchs den Fjellrücken entlangläuft, schlägt sein Schwanz gegen die Schneewehen, so dass Funken auf den Himmel sprühen.

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Der Himmel brennt grün …  (Foto: Utz Schmidtko)

Die Wahrheit ist viel prosaischer – nix ist mit Göttern und Feuerfüchsen: Polarlichter entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen von der Sonne auf das Magnetfeld der Erde treffen. Die Luftmoleküle geben dann einen Teil der erhaltenen Energie als sichtbares Licht weiter. In welcher Farbe wir sie wahrnehmen. hängt von der Höhe ab. Grün sind die Polarlichter, wenn Sauerstoffatome in etwa 100 km Höhe angeregt werden, rot, wenn dies in etwa 200 km Höhe geschieht. Seltener sind violette und blaue Polarlichter: Sie werden durch Stickstoffatome verursacht.

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(Foto: Utz Schmidtko)

Weil statistisch die meisten Nordlichter innerhalb des sogenannten Nordlichtovals in Nordwest-Lappland zu sehen sind, hieß unser Ziel Tromsö: Von dort ging‘s für mich nach zwölf Tagen nach Deutschland zurück, Mann und Wohnmobil blieben in Nordnorwegen, hauptsächlich der Nordlichter wegen. Utz ist süchtig nach Northernlights; er verbringt halbe Nächte draußen – ich schaue mir das Spektakel am Himmel meist nur durch die Scheibe aus dem Schlafsack an. Ich genieße mehr die Tage: Indian Summer mit milden Temperaturen, strahlend blauem Himmel und leuchtenden Herbstfarben. Und viel Wasser. Schön für die Augen – und gut für die Seele.

Die Orte auf der Hinreise durch Schweden waren leider nur Zwischenstationen: Gränna, die zuckersüße Stadt am Vättern ebenso wie das Fiskecamp mitten im Wald, die Campingplätze in Byske und bei der Stadt mit dem unaussprechlichen Namen: Ösköndsvik – schade, ich wäre gerne auf einigen Campingplätzen und an manchen Orten noch länger geblieben.

Wer je Nordlichter sehen will, sollte mit meinem Mann auf die Jagd gehen: Denn es gibt keine Nordlicht-Garantie – aber Utz hat wirklich Talent, am richtigen Ort zu sein, wenn der Himmel grün glüht. Und auch sein Draht zum Wettergott ist überaus gut. Das ist wichtig, denn Nordlichter sieht man nur, wenn der Himmel klar ist. Der Österreicher, den ich kurz vor meinem Rückflug auf dem Campingplatz in Tromsö traf, hatte in drei Wochen auf Nordlichtjagd in Nordnorwegen nur eine Nordlichtnacht erlebt – wir in den ersten fünf Tagen im Bereich des Nordlichtovals schon drei. Die ersten hat Utz bereits in Byske gesehen, zwar nur schwach und nur für geübte Augen bzw. für das viel empfindlichere Auge der Kamera sichtbar, richtig kräftige mit Beamern und einer Corona dann in Jokkmokk am Ufer des Lulealven.

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Morgen im Arcticcamp am Lulealven

In Norwegen und Schweden gibt es das sogenannte Allemansrätten, also eine Art Jedermannsrecht. Man kann überall eine oder mehrere Nächte zelten oder mit dem Wohnmobil stehen, außer auf landwirtschaftlichen genutzten Flächen und in der Nähe von Wohnhäusern. Außerdem darf man im Meer und in Fjorden angeln (kommt für uns nicht in Frage: Wir haben keine Angel, nur kiloweise Fotogepäck) und Pilze pflücken (ist für uns seit Tschernobyl auch nicht mehr angesagt, schon gar nicht in Nordskandinavien, das einen Großteil des nuklearen Fallouts abbekommen hat).

Frei campen ist eigentlich nicht mein Ding. Aber weil der Campingplatz Tromsö weitab vom Fjord liegt und alle anderen Campingplätze in der Umgebung bereits geschlossen waren, fuhren wir weiter. Auf Hillesoy, einer kleinen Insel vor Tromsoya, entdeckten wir einen kleinen Stellplatz – direkt am Wasser, an einem kleinen Sandstrand. Zum Baden war‘s entschieden zu kalt, aber der Blick aufs Meer war genial. Und weil für die Nacht zum Sonntag Polarlichter der Stufe 4 angekündigt waren, blieben wir ein paar Nächte. Als ich wieder in Deutschland war, kehrte Utz wieder auf die Insel zurück.

Ein Highlight für mich: die Wanderung auf den höchsten Berg der Insel. Der ist nicht gerade imposant hoch, aber der Aufstieg ist so steil, dass er durch ein Seil markiert und abgesichert ist. Unterwegs kamen mir Bedenken, aber weil vor mir drei Frauen kletterten – die älteste sicher an die 80, die jüngste in Turnschuhen, die nicht sonderlich trittfest aussahen – kletterte ich weiter. Wo die hoch- und runterkommen, schaffe ich es auch.

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Bergsteigen auf Hillesoy

Es lohnte sich, die Aussicht war beeindruckend: Meer und Himmel unendlich blau, ringsum Wasser, in verschiedenen Farben schimmernd. Hier wäre ich gerne geblieben, in einer kleinen Hütte im typischen Rot. Doch das geht natürlich nicht. Schade eigentlich. Genau genommen ist‘s auch eine Schnapsidee: Ich bin bekennende Frostbeule und brauche nicht nur viel Wärme, sondern ebenso viel Licht. Hier, nördlich des Polarkreises, wird’s im Winter richtig kalt, dunkel und ungemütlich, erzählten mir die drei Frauen, mit denen ich oben auf dem Berg ins Gespräch kam. Die Jüngste studiert in Tromsö, will aber nach dem Studium wieder zurück nach Oslo. Und auch ihre Oma, die eigentlich auf der Nachbarinsel Sommeroy lebt, verbringt als „Klimaflüchtling“ die langen Wintermonate lieber in Südnorwegen.

Indian Summer auf Hillesoy

Wanted: Wohnung, bezahlbar

In meinem Umfeld läuft zurzeit ein munteres Bäumchen-wechsel-dich-Spiel: Viele Leute sind gerade umgezogen oder suchen noch eine neue Wohnung. Das ist nicht leicht. Denn die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Als meine Tochter vor vier Jahren in ihre alte Zwei-Zimmer-Wohnung gezogen ist, besichtigten rund zehn Interessentinnen die kleine Wohnung unterm Dach; als sie jetzt einen Nachmieter suchte, waren es mehr als doppelt so viele.

Nach Angaben des Pestel-Instituts fehlen in den zehn Großstädten mit dem stärksten Wohnungsmangel derzeit schon mehr als 100.000 Mietwohnungen. Wenn nicht mehr Wohnungen gebaut werden, werden es in fünf Jahren schon 400.000 sein. Vor allem kleinere bezahlbare Wohnungen sind rar.

Nach ihrer neuen Wohnung  hat meine Tochter mehrere Monate gesucht: Gefühlt lange, objektiv aber kurz, weil ihre Wunschwohnung – drei Zimmer und ein Balkon sollten es sein – im Wohnungsranking  weit oben steht. Und obwohl sie eigentlich gute Voraussetzungen hat, habensie  längst nicht alle Vermieter, bei denen sie sich beworben hat, zur Besichtigung eingeladen. Eine Bekannte, die demnächst umzieht, hat dagegen auf Anhieb ihre Traumwohnung gefunden, obwohl die Wohnungslage in der Universitätsstadt ziemlich angespannt ist. Aber sie hat auch ein deutlich höheres Mietbudget als die meisten anderen Wohnungssuchenden – und wer holt sich für den Notfall nicht gerne eine Ärztin ins Haus.

Wer – aus welchen Gründen auch immer – nicht dem Ideal der der Vermieter entspricht, hat ganz schlechte Karten. Beispielsweise Menschen wie die Heidi, Verkäuferin des Hannoverschen Straßenmagazins Asphalt. Bei allen, die staatliche Unterstützung brauchen, entscheidet nicht allein der Vermieter; das Sozialamt bestimmt, wie groß und teuer eine Wohnung sein darf.

Mehr über Heidis schwierige Suche nach einer neuen Bleibe in wohnwerken.de, dem neuen Online Magazins der Schlüterschen Verlagsgesellschaft (https://issuu.com/schluetersche/docs/wohnwerken_01_ef691cff1bcac6/18?e=25375043/30000297).

Übrigens – auch Heidis Geschichte hat ein Happyend. Sie hat nach langer Suche inzwischen eine Wohnung gefunden und fühlt sich dort sehr wohl.

Wie geht es deiner Mutter?

… heißt heute die Standardfrage in meinem Bekanntenkreis. Denn viele Freunde und Bekannte haben – oder hatten bis vor Kurzen – Väter, Mütter, Eltern und/oder Schwiegereltern, um die sie sich kümmern oder die sie gar betreuen (lassen) müssen. Das Thema Kinder, lange Zeit Gesprächsthema Nummer 1, ist meist vergleichsweise schnell abgehakt: Unsere Kinder sind groß, haben ihr Studium oder die Ausbildung meist schon abgeschlossen. Sie stehen auf eigenen Füßen und leben ihr eigenes Leben. Und wenn ich früher darüber gestöhnt habe, wie schwierig es ist, Kind und Job unter einen Hut zu bringen, weiß ich heute: Im Vergleich zur Betreuung der alten Eltern war die Betreuung der Kinder ein Kinderspiel.

Kleine Kinder leben bei ihren Eltern, alte Eltern leben dagegen oft weit von ihren erwachsenen Kindern entfernt. Die Fahrt zu meiner Mutter an die Mosel dauert etwa ebenso lang wie ein Flug auf die Kanarischen Inseln oder nach Nordnorwegen. Die Kinder kommen irgendwann in den Kindergarten, dann in die Schule. Für alte Menschen gibt es zu wenige gute Betreuungsangebote – außerdem wollen die meisten von Altenheimen, Tagespflege oder anderen Möglichkeiten nichts wissen. Ein Umzug – ob ins Altenheim, eine betreute Wohnung oder nur in den Wohnort der Kinder kommt für die meisten nicht in Frage: Ein alter Baum lässt sich bekanntlich nicht leicht verpflanzen. Und anders als unsere Kinder, für die wir einfach entscheiden konnten und mussten, entscheiden unsere Eltern selbst über ihr Leben – und damit auch über unseres. Denn wenn die Eltern nicht mehr ganz alleine zurechtkommen und unsere Hilfe brauchen – oder wenn wir das Gefühl haben, dass dies der Fall ist -, werden ihre Probleme (auch) unsere.

Was tun, wenn der demente Vater partout nicht einsieht, dass er nicht mehr Auto fahren kann und er eigentlich Führerschein und Auto abgeben müsste? Wenn die Mutter weiter allein in ihrem Haus leben will, das eigentlich viel zu groß geworden ist. Diese Fragen einen uns alle: Singles und Paare, Eltern und Kinderlose.

Eine Bekannte pendelt derzeit zwischen zwei Altenheimen hin und her, weil für ihre Eltern auf die Schnelle kein Platz in einem Heim zu finden war. Ihr Vater hatte sich jahrelang um seine schon pflegebedürftige Frau gekümmert. Als er irgendwann nach einer Operation selbst pflegebedürftig wurde, war es zu spät. Eine Freundin fuhr jahrelang jedes zweite Wochenende von Berlin, wo sie wohnt und arbeitet, nach Süddeutschland, um ihren Vater bei der Pflege ihrer alzheimerkranken Mutter zu entlasten. Meine Mutter kommt noch gut alleine zurecht: Sie  kauft ein, kocht, wäscht und bügelt; nur fürs Putzen hat sie eine Hilfe. Trotzdem fahren meine Schwestern und ich seit Jahren abwechselnd einmal im Monat für mehrere Tage an die Mosel, um ihr Gesellschaft zu leisten, nach dem rechten zu sehen und die Dinge zu erledigen, die mit 92 eben nicht mehr so leicht fallen: Gartenarbeit beispielsweise oder Gardinen waschen.

Früher war das einfacher: Im Haus meiner Eltern lebten meine Oma und zwei Großtanten – in eigenen kleinen Wohnungen, zwei von ihnen weitgehend selbstständig, bis sie über 80-jährig starben. Meine Mutter kümmerte sich um ihre Mutter und ihre Tanten, kaufte ein war im Notfall einfach da. Das war sicher anstrengend, aber es war auch beruhigend, für alle Beteiligten. Und es war machbar, weil alle im gleichen Ort wohnten und in dem Haus genug Platz war. Heute sind die Häuser und Wohnungen kleiner, die Ansprüche und die Entfernungen dafür umso größer.

Meine Schwestern und ich leben eben nicht mehr am gleichen Ort wie meine Mutter, sondern an verschiedenen Orten am anderen Ende der Republik. Vielen meiner Bekannten geht es ähnlich. Und so pendeln wir zwischen unseren Eltern und unserem eigenen Leben und fragen uns gegenseitig: „Wie geht es deinen Eltern?“

Schwimmen – jein bitte

Vorab: Ich liebe Wasser. Von außen. Aber Wasser ist nicht mein Element. Ich vertraue darauf, dass Gott wusste, was er tat, als er uns Menschen erschaffen hat. Wenn er gewollt hätte, dass ich schwimme, hätte er mir Kiemen gegeben oder zumindest Schwimmhäute oder Flossen.

Natürlich weiß ich, dass es Menschen gibt, die scheinbar mühelos durchs Wasser gleiten. Ich bewundere sie, aber ich gehöre leider nicht dazu. Schwimmen gehört zu den Sportarten, die ich nie beherrschen werde. Ich schwimme eher unorthodox: Es gibt Menschen die behaupten, es sehe aus wie eine Mischung aus Kaulquappe und Schaufelbagger, wenn ich kraule. Brustschwimmen klappt einigermaßen, ist aber derzeit wegen meiner Knieprobleme nicht so angesagt.

Weil ich nicht laufen kann und schwimmen angeblich gut für die Gesundheit sein soll, bin ich in diesem Sommer, der ja kein wirklicher Sommer war, trotzdem manchmal morgens zum Schwimmbad gefahren, wenn keine schwerwiegenden Gründe dagegen sprachen:  zu viel Arbeit beispielsweise, zu kalt, Wasser zu nass oder keine Lust. Inzwischen habe ich auch die fast perfekte Zeit gefunden: irgendwann kurz nach sieben, wenn die Hardcore-Frühschwimmer schon weg und die Schüler aus dem nahegelegenen Schulzentrum noch nicht da sind.

Oles Kampf mit dem Wasser oder die Erfindung des Aquajoggings

Dann schwimme ich meine Bahnen oder genauer gesagt: Ich kämpfe mit dem Wasser. Dabei denke ich oft an einen Jungen – nennen wir ihn Ole –, den ich vor über 20 Jahren kennenlernte, als meine eigene Tochter noch klein war und irgendwelche Schwimmabzeichen machte. Ole war jünger als die anderen Kinder im Seepferdchen-Kurs, aber er machte mit, vielleicht weil er mit seinem großen Bruder schwimmen lernen wollte – oder weil seine Mutter  wollte, dass er früh schwimmen lernte.

Mit  klassischem Schwimmen hatte Oles Schwimmstil wenig zu tun. Er strampelte heftig mit Armen und Beinen und hielt sich irgendwie über Wasser. Aber nie habe ich vorher und nachher jemanden gesehen, der sich so heftig im Wasser bewegte, ohne vorwärts zu kommen. Für die fürs Seepferdchen vorgeschriebenen 25 Meter brauchte er gefühlte Stunden. Aber aufgegeben hat er nicht. Nicht nur bei mir hinterließ Ole einen bleibenden Eindruck. Auch meine Nachbarin erinnert sich genau an ihn – vor allem daran, dass er den Kopf krampfhaft in den Nacken legte, damit sein Gesicht nicht unter Wasser kam. Der Wasserlage war das natürlich eher abträglich. Seine Beine hingen nach unten, er lief mehr, als er schwamm. Wahrscheinlich haben wir die Erfindung des Aquajoggings erlebt, ohne es zu wissen.

Ole ist längst erwachsen und – weil sich ja bekanntlich früh übt, wer ein Meister werden will – wahrscheinlich ein ausgezeichneter Schwimmer. Ich leider nicht. Mein Kampf mit dem Wasser endet meist mit einem für mich schmeichelhaften unentschieden. Unentschieden, weil ich bislang noch nicht ertrunken bin und weil ich je nach Lust und Laune ja 600 bis 1000 m schaffe (für mehr als 1000 m reicht meine Lust nie). Schmeichelhaft, weil ich weiß, dass das Wasser eigentlich stärker ist: Es könnte mich verschlingen, wenn es nur wollte. Will es aber nicht. Aber ganz sicher bin ich nie.

Wie gesagt: Schwimmen ist nicht mein Sport. Dennoch werde ich es vermissen, wenn das  Schwimmbad in ein paar Tagen schließt. Das liegt vielleicht an meinem Ururururahn Tiktaalik. Wenn nämlich Darwin recht hat, stammen wir alle von den Fischen ab. Vor x-Millionen Jahren verließ der  „lange Frischwasserfisch“ das Wasser und ging an Land. Verdenken kann ich es ihm nicht. Nur seine Kiemen hätte er vielleicht für mich mitnehmen sollen.

Lieber Dritte/r?

Nein, ich habe mir den Wecker nicht gestellt. Da ich aber ohnehin wach war, habe ich mir heute Morgen ab 5 Uhr das Finale der Frauen im Beachvolleyball angesehen. Ich habe keine Ahnung von Volleyball und bin kein Volleyballfan, aber die Spiele von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst bei den Olympischen Spielen von Rio haben mich wirklich begeistert. Sie haben sich so souverän und beeindruckend ins Finale gespielt – und verdient gewonnen. Wie sie es schaffen, in dem großen Sandkasten die Bälle anzunehmen und dann noch kontrolliert über das hohe Netz im gegnerischen Feld zu platzieren, ist mir ein Rätsel. Weder vom heftigen Wind noch von den Buhrufen des brasilianischen Publikums haben sie sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Chapeau.

Die Siegerehrung hat wieder einmal bewiesen, dass die Dritten meist zufriedener mit ihrem Platz und ihrer Medaille sind als die Silbermedaillengewinner/innen. Die Amerikanerin Misty May-Treanor und Kerri Walsh freuten sich richtig über ihren dritten Platz, obwohl sie schon dreimal – in Athen, Peking und London – Olympiasiegerinnen waren und es diesmal „nur“ Bronze war. Aber sie hatten das  kleinen Finale und damit die Medaille  gewonnen, für die Brasilianerinnen endete das Turnier mit einer Niederlage. Und natürlich hatten die Amerikanerinnen mehr Zeit, sich an ihre Platzierung zu gewöhnen, als Barbara und Agatha, die ja noch anderthalb Stunden vorher auf den Olympiasieg gehofft hatten. Eine der beiden Brasilianerinnen – Agatha glaube ich – weinte noch bei der Siegerehrung. Nicht vor Freude über die Silbermedaille, sondern weil sie das Filiale verloren und Gold verpasst hatte. Es ist eben doch alles relativ.

Kleine Renten, große Unterschiede

Am 4. August war – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – equal pension day. In diesem Jahr stand der Tag unter dem Motto unter dem Motto „fünf vor zwölf – Altersarmut von Frauen“.

Der traurige Hintergrund des Tages, der seit 2014 vom Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) initiiert wird: Erst Anfang August, also nach 19 Monaten, erreichen Frauen die gleiche Rente wie Männer in den zwölf Monaten des vergangenen Jahr. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern potenziert sich im Alter und wird zur wahren Kluft. Während die Löhne und Gehälter von Frauen in Deutschland rund 22 Prozent niedriger sind als die der Männer, bekommen Frauen nach einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung durchschnittlich 57 % (!) weniger eigene Rente. Immerhin hat sich die Rentenlücke, neudeutsch Gender Pension Gap, in den vergangenen Jahren verringert: 2007 waren es noch 59,6 %. Was wieder einmal beweist: Der Fortschritt ist eben doch nur eine Schnecke.

Kein Wunder also, dass Frauen im Alter öfter arm sind als Männer: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren 2013 in Deutschland 17 % der Frauen ab 65 Jahren armutsgefährdet, bei den gleichaltrigen Männern nur 13%.

Schnelle Besserung ist nicht in Sicht, Altersarmut ist kein Problem der älteren, manchmal noch schlechter ausgebildeten Frauen. Nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums befürchten mehr als die Hälfte der Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren, dass sie trotz ihrer beruflichen Qualifikation und trotz ihrer Erwerbstätigkeit im Alter nicht von ihrer eigenen Rente leben können. Bei den geschiedene Frauen sind es sogar fast drei Viertel (74 %), bei den alleinerziehenden Frauen über zwei Drittel (68 %). Zum Vergleich: 77 % der befragten Männer glauben, dass ihre Rente im Alter ausreicht.

Damit, dass Frauen benachteiligt werden, haben Renten- und Lohnlücke nichts zu tun, sagen manche Wirtschaftsexperten. Frauen entscheiden sich eben oft für Berufe, die schlechter bezahlt werden, und arbeiten öfter für Unternehmen, die weniger bezahlen. Sie steigen viel häufiger als Männer – der Familie wegen – vorübergehend dem Beruf aus, arbeiten nach der Babypause der Kinder wegen oft Teilzeit und machen (auch deshalb) seltener Karriere. Wer wenig verdient, bekommt im Alter eben weniger Rente. Denn die Rente spiegelt ist abhängig von der Erwerbsleistung, nicht von der Lebensleistung. Das ist eigentlich schade – und irgendwie ungerecht. Genau wie die Tatsache, dass typische Frauenberufe schlechter bezahlt werden als typische Männerberufe. Wieso verdient der Techniker, der Maschinen wartet und repariert, eigentlich mehr als die Krankenschwester oder die Altenpflegerin, die Menschen gesund pflegt oder ihnen ein menschenwürdiges Leben im Alter ermöglicht? Und warum wird es besser bezahlt, Computerprogramme zu entwickeln als das Potenzial von Kindern? Klar, das bisschen erziehen und pflegen kann jede(r); das haben Frauen in der Familie schon immer gemacht. Unbezahlt, versteht sich. Die Geringschätzung weiblicher Arbeit.

Zeit, dass sich das ändert. Geschlechtergerechtigkeit ist erreicht, wenn typische Frauenberufe bei gleichwertiger Ausbildung und Qualifikation genauso gut bezahlt werden wie typische Männerberufe, meinen laut Studie „Mitten im Leben“ 96 % der befragten Frauen zwischen 30 und 50 Jahren. Für 92 % ist es ein Zeichen für Geschlechtergerechtigkeit, wenn Frauen etwa so viel eigene Rente bekommen wie Männer. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.Und der Fortschritt ist leider doch nur eine Schnecke.

Für alle, die es interessiert, drei interessante Links mit interessanten Informationen zum Thema

http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_29_2016.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/061/1806148.pdf

http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/20160307-Studie-Mitten-im-Leben,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf

Keine Treuepunkte bei der Bahn

Treue lohnt sich nicht. Zumindest nicht in geschäftlichen Beziehungen. Das merkt man beispielsweise, wenn man einen (Bau-)Kredit verlängern will. Die Konditionen von fremden Banken, bei denen man anfragt, sind meist wesentlich günstiger als die der Hausbank – obwohl die weiß, dass man seit Jahren die Raten immer pünktlich bezahlt hat. Und die günstigen Strom- und Gastarife bekommt man bei Energieversorgern nur im ersten und zweiten Jahr nach Vertragsabschluss. Dann geht die Schnäppchen-Jagd von Neuem los, wenn’s billig bleiben soll.

Finanziert werden die Super-Rabatte für Neukunden von altmodischen Deppen wie mir, die – ich gebe es zu teilweise aus Bequemlichkeit – jahrelang bei den gleichen Unternehmen bleiben. So bin ich in meine Krankenkasse quasi hineingeboren – ich bin im Großen und Ganzen zufrieden und wechsle auch nicht, nur weil der Zusatzbeitrag jetzt vielleicht ein bisschen höher ist als bei anderen Kassen und die Sonderleistungen nicht ganz so hoch. Bäumchen-wechsel-dich- und Geiz-ist-geil-Mentalität sind nicht mein Ding – und feilschen kann ich nicht einmal auf dem Flohmarkt.

Als überzeugte Bahnfahrerin habe ich natürlich auch eine Bahncard, die sich alle Jahre wieder um ein weiteres Jahr verlängert. Bequem für die Bahn, teuer für mich, weil ich die neue Bahncard ja nicht immer gleich im Anschluss an die alte brauche. Und von Sonderaktionen zu diversen (Sport-)Großereignissen, bei denen es nicht nur Bahncards zu sehr günstigen Preisen, sondern auch Zusatzgewinne gibt, profitiere  ich natürlich auch nicht: Denn warum soll ich mir die EM-Bahncard für drei Monate kaufen, wenn ich schon eine habe. Bei anderen Sonderaktionen werden wohl auch ausschließlich oder überwiegend Gelegenheits-Bahncardkäufer berücksichtigt, um sie zu ködern. So flatterte einer Freundin unlängst ein aufwendig aufgemachtes Angebot ins Haus: Sie konnte zwischen einer Bahncard 25 für 10 Euro für ein Jahr und einer Bahncard 50 für 100 Euro und noch ein paar Gequetschte wählen.

Die vergünstigte Bahncard 50 hätte ich auch gerne und wenn ich demnächst 60 werde, werde ich sie auch kaufen. Leider läuft meine alte Bahncard 25 schon einen Monat vor meinem Geburtstag aus – mir die vergünstigte Bahncard quasi als Treuerabatt schon mit 59 Jahren und elf Monaten und ein paar Tagen zu verkaufen, ist – anders als Super-Sonderangebote für Gelegenheitsfahrer – leider nicht möglich.

Dem Mitarbeiter des Bahncard-Services tat es zwar sehr leid, dass ich „nicht in den Genuss unserer Sonderaktion gekommen“ bin (glaub ich ihm nicht). Er versteht zwar meine Sichtweise (wirklich nett), aber „die Möglichkeit Ihnen vor dem ersten Geltungstag eine ermäßigte BahnCard auszustellen haben wir leider nicht.“ Könnte man aber vielleicht ändern, um treue Kunden nicht zu verärgern.

Hierfür bittet er um Verständnis – bekommt er aber nicht. Denn das mögliche Upgrade von der Bahncard 25 auf die Bahncard 50 nach meinem Geburtstag ist mit erheblichem Aufwand verbunden: ich muss ins Reisezentrum (und dazu in die nächste Großstadt fahren), eine Erstattungsantrag ausfüllen … Und dass die Auswahl der Kunden für solche Aktionen ausschließlich nach dem Zufallsprinzip erfolgt und dass alle Kunden die gleichen Erfolgsaussichten haben, halte ich ebenso für ein Gerücht wie die Behauptung, dass Züge pünktlich, Zugtoiletten sauber und die Renten sicher sind. Oder dass Treue sich lohnt.