„Wat et nit all jitt!“ Dieser Satz kam mir heute Morgen in den Sinn, als ich einen Blogbeitrag über den Drabble Dienstag las. Ich wusste bislang nicht, was ein Drabble ist. Doch dank Christianes Blog (https://365tageasatzaday.wordpress.com/2024/02/20/unterwuerfigkeit-drabble/) und dank Wikipedia ist diese Bildungslücke jetzt geschlossen.
Allen, denen es ähnlich geht wie mir, sei es gesagt: Ein Drabble ist eine Geschichte mit genau 100 Wörtern. Der Begriff geht laut Wikipedia auf Monty Pythons Sketch „Drabbles – a word game for 2 to 4 players“ zurück, der in den 1980er-Jahren in Großbritannien eine „Drabblemanie“ ausgelöst haben soll. „Ursprünglich als Fanfiction betrieben, wird sie aufgrund ihrer einfachen äußeren Form gerne von ungeübten Autoren als Einstieg in Lyrik oder Prosa genutzt. Durch die Beschränkung auf das Wesentliche stellt das Schreiben von Drabbles auch für erfahrene Autoren häufig eine Herausforderung dar.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Drabble)“ Wie wahr. 100 Worte sind wirklich sehr wenig; es gibt jedoch „auch Varianten mit 200, 300 und mehr Wörtern“.
Weil ich kurze Textformen mag, habe ich überlegt, beim Drabble Dienstag mitzumachen. Aber zu den Worten, die die Geschichte zum enthalten sollte, nämlich Gefolge – rostig – aufräumen, ist mir nichts eingefallen (https://wupperpostille.wordpress.com/2024/02/16/drabble-dienstag-3-worte-fuer-den-20-2-2024/). Und so habe ich statt eines Drabbles dieser Blogbeitrag geschrieben. Er hat übrigens 200 Wörter.
„Welche Pflanze kostet euch am meisten Nerven und trotzdem könnt ihr nicht ohne sie?“ Diese Frage wurde vor einigen Tagen auf dem Instagram-Account #mein_schöner_Garten gestellt. Ich beteilige mich nur selten an solchen Umfragen, aber diesmal antwortete ich spontan: „Rittersporn“. Denn mein Verhältnis zu dieser Staude lässt sich kurz beschreiben: Ich liebe sie, aber diese Zuneigung beruht leider nicht auf Gegenseitigkeit.
Seit Jahren versuche ich, den Delphinium, so der offizielle Name des Rittersporns, in unserem Garten anzusiedeln – mal in dem Beet vor dem Wintergarten, meist aber in dem runden Rosenbeet. Denn angeblich ist Rittersporn ja ein idealer Begleiter für Rosen. Und sonnig, wie von Fachleuten empfohlen, sind beide Beete.
Trotzdem gibt der Delphinium in der Regel nur ein kurzes Gastspiel in unserem Garten. Spätestens am Ende des Sommer verschwindet er auf Nimmerwiedersehn. Nur einmal überlebte er den Winter und blühte im nächsten Jahr erneut. Doch mein Gärtnerinnenglück war nur von kurzer Dauer. Nach dem zweiten Saison ereilte auch diesen Rittersporn das Schicksal seiner Vorgänger. Er verblühte und ward nie wieder gesehen.
Leider ist der Rittersporn nicht die einzige Pflanze, die mich weniger mag als sie. Noch weniger Glück habe ich mit Sonnenblumen. In den Gärten der Nachbarn wachsen sie zuhauf, vermehren sich selbst und werden mannshoch, bei uns widersetzen sie sich leider allen Ansiedlungsversuchen. Obwohl ich schon unzählige Sonnenblumensamen ausgesät habe, ist unser Garten quasi eine sonnenblumenfreie Zone. Auch meine Hoffnung, dass sich aus den Kernen, die ich von Herbst bis Frühjahr für die Vögel ausstreue – mit oder ohne Umweg über den Vogelmagen – die eine oder andere Blüte entwickelt, wurde bislang enttäuscht. Wenn ich schon blühende Sonnenblumen mit Wurzeln kaufe und einpflanze, überleben sie oft nicht einmal die erste Nacht im Freien. Ich habe die Schnecken im Verdacht, aber überführen konnte ich sie bislang noch nicht.
Dass man die Hoffnung nie aufgeben soll, zeigen die Winterlinge (Eranthis hyemalis). Angeblich sind sie total pflegeleicht und im Garten einer Freundin bildeten sie in der Tat alle Jahre wieder von Februar bis April einen dichten gelben Teppich. In unseren Beeten zeigte sich dagegen keine einzige gelbe Blüte, so sehr ich mich auch um sie bemühte. Vor drei Jahren habe ich dann ein paar Zwiebeln aus Bärbels Garten aus- und in meinem Garten eingegraben. Leider vergeblich. Das habe ich sehr bedauert, nicht nur, weil ich Winterlinge mag, sondern vor allem, weil meine Freundin kurz nachdem sie mir die Zwiebeln geschenkt hat gestorben ist.
Weil ich ein blühendes Andenken an sie wollte, habe ich auch in diesem Jahr – wie in den beiden vorangegangenen – wieder Winterlinge gekauft und gepflanzt. „Es ist eure letzte Chance“, habe ich beim Einpflanzen gedroht.
Ob es Zufall ist oder ob die Drohung gewirkt hat, weiß ich nicht: Inzwischen haben sich an auch an zwei Stellen im Garten Winterlinge hervorgewagt. Ob sie aus Bärbels Garten stammen, weiß ich nicht und es ist mir auch egal: Hauptsache sie sind da.
… doch in zwei Beeten ……. wagen sich jetzt Winterlinge aus den vergangenen Jahren hervor
Glaubt ihr an Feng Shui? Diese aus China stammende daoistische Harmonielehre, die durch die Gestaltung der Wohn und Lebensräume eine Harmonie zwischen Menschen und ihrer Umgebung erreichen will (https://de.wikipedia.org/wiki/Feng_Shui)? Ich bin zwar für fernöstliches Gedankengut durchaus empfänglich: Ich mache täglich Yoga, und es bekommt mir gut. Und Akupunktur wirkt bei mir Wunder, wenn ich Rückenschmerzen habe. Aber von Feng Shui habe ich üerhaupt keine Ahnung. Vor ein paar Tagen bin ich eher zufällig auf einige Ratschläge gestoßen, wie man sein Arbeitszimmer einrichten soll, damit das Chi, die kreative Energie, frei fließen kann – oder was man besser vermeiden sollte.
So sollte man auf keinen Fall mit dem Rücken zur Tür sitzen. Weil man dann nie weiß, wer sich nähert oder hereinkommt, stört diese Position angeblich die Konzentration und macht unruhig. Außerdem ist es nach Feng Shui nicht ratsam, den Tisch genau vor dem Fenster zu positionieren. Der Blick nach draußen lenkt nämlich unnötig von der Arbeit ab. Ich habe also bei der Einrichtung meines Schreib-/Arbeitszimmers eigentlich alles falsch gemacht.
Nun ist die Gefahr, dass irgendjemand plötzlich in Zimmer kommt, nicht besonders groß. Denn erstens wohnen mein Mann und ich ja alleine im Haus, und zweitens verraten die knarrenden Treppenstufen zuverlässig, wenn jemand sich nähert. Und auch die Ablenkung durch den Blick durchs Fenster hält sich in Grenzen: Durch das Fenster auf der Giebelseite sehe ich nur die Krone des Kirschbaums in unserem Garten und die obere Etage der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo sich zumindest tagsüber, wenn ich am Schreibtisch sitze, nie etwas tut. Und das schräge Dachfenster über dem Zeichentisch gibt nur den Blick auf den derzeit meist grauen Himmel frei. Aber tatsächliche Verhältnisse und uralte Instinkte sind eben zwei völlig verschiedene Dinge.
Nun sind die Gestaltungsmöglichkeiten in meinem Zimmer begrenzt. Die hohen Bücherregale haben eben nur an den geraden Wänden Platz. Am Grundriss und and der Position von Fenstern und Tür läßt sich nichts ändern. Und ich möchte auf keinen der beiden Arbeitstische verzichten. Sie haben zwar weder abgerundete Ecken noch eine geschwungene Form, was für Menschen, die kreativ arbeiten, am günstigsten sein soll. Aber sie sind groß und aus hellem Holz – und sie gefallen mir immer noch ausfesprochen gut. Und so habe ich die Tische nur anders platziert: Sie stehen jetzt jeweils im 90-Grad-Winkel zum Fenster, angeblich die optimale Position. Wenn ich an ihnen sitze, habe ich jetzt die Tür im Blick. Den schwarzen Monitor, den ich eigentlich nur für meine Korrekturaufträge benötige, habe ich bei der Umräumaktion auf einen Extratisch verbannt, an dem ich künftig korrigieren werde. Dort stört er optisch weniger – und ich muss ihn nicht jedes Mal von einem Tisch auf den anderen und wieder zurückhieven.
Die Schreibtische stehen jetzt im 90-Grad-Winkel vor den Fenstern …… und die Tür habe ich beim Schreiben und Malen immer im Blick.
Außerdem habe ich meinen Schreib- und Maltisch getauscht. So habe ich jetzt beim Schreiben und Recherchieren den Raum und die Tür im Blick, beim Zeichnen schaue ich allerdings auf eine Wand. Das sprichwörtliche „Brett vorm Kopf“ ist zwar laut Feng Shui für die Kreativität nicht sonderlich günstig. Aber immerhin verschwindet die Wand teilweise hinter dem Bücherregal – und Bücher machen mich ja bekanntlich glücklich. Und die Bilder von Paula Modersohn, Annette Walz, Edvard Munch und Jack Davis dazwischen inspirieren mich hoffentlich, mehr zu zeichnen.
Ob die Umräumaktion was nützt, wird sich zeigen, aber schaden tut’s gewiss auch nicht, alte bewährte Regeln und Hinweise zu befolgen. Und mir gefällt das Zimmer, wie es jetzt ist. Und das ist eigentlich die Hauptsache.
Natürlich bin ich mit guten Vorsätzen ins neue Jahr gestartet, obwohl ich sie nicht so genannt habe. Denn viele gute Vorsätze überleben bekanntlich den Januar nicht, bei mir sterben manche sogar schon in der ersten oder zweiten Woche des Jahres. Deshalb habe ich meine Ziele diesmal in einer drei Monats-Liste aufgeschrieben – und einiges in der Tat schon im ersten Monat umgesetzt.
So habe ich meinen Vorsatz, jeden Tag einen (nicht mehr gebrauchten) Gegenstand zu wegzuwerfen oder wegzugeben, zumindest im Durchschnitt eingehalten. Ich habe die Sachen allerdings micht täglich, sondern kompakt bei zwei kleineren Ausmistaktionen aussortiert. Und ich habe auch nicht an jedem Tag eine Zeichnung oder Skizze gemacht, aber immerhin an fast jedem, und an manchen sogar zwei. Das gleicht sich fast aus. Daran, jeden Tag mit einer Mischung aus aus Indoor-Walking, Gymnastik, Yoga und Journalschreiben ausklingen zu lassen, habe ich mich inzwischen gewöhnt – und die Abendroutine bekommt mir gut.
Gegangen bin ich laut meinem Fitnesstracker im Januar durchschnittlich 12.120 Schritte – und damit täglich 2000 mehr, als ich mir eigentlich vorgenommen hatte. Daran hatten auch die beiden Wanderungen im Harz ihren Anteil. Bei der ersten bin ich mit meiner Tochter von Bad Harzburg zur Marienteichbaude gewandert, bei der zweiten durch das Okertal zum Romkehaller Wasserfall. Ich staune jedes Mal, was ein paar Kilometer und ein paar Höhenmeter ausmachen. Als wir in Bad Harzburg loswanderten, lag dort kein Schnee, aber schon nach einem Kilometer stapften wir durch eine Winterlandschaft. Der Romkehaller Wasserfall war fast vollständig vereist – und trotzdem hat ein ganz mutiger Kletterer versucht, ihn zu erklimmen. Geschafft hat er es allerdings nicht, solange wir zugesehen haben. Irgendwann gab er auf und seilte sich vom vereisten Fels ab.
Durchs Okertal …… Zum Romkehaller Wasserfall. Fotos: Foe Rodens
Überhaupt war ich im Januar viel unterwegs – mein 49-Euro-Ticket hat sich wieder einmal mehr als bezahlt gemacht. Anfang des Monats habe ich meinen Mann zum Flughafen nach Hamburg gebracht und mir auf dem Rückweg einen kleinen Abstecher an die Binnenalster gegönnt. Es war ein wunderschön sonniger Tag und ich habe den Blick aufs Wasser wirklich genossen. Sonne und Blicke aufs Wasser satt gab es auch am nächsten Tag bei einem kurzen Ausflug zum Altwarmbüchener See in der Nachbargemeinde.
Eine Woche später bin ich dann nach Berlin gefahren – um mir die Munch Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam anzusehen, vor allem aber auch, um zwei Schulfreundinnen wiederzusehen, die in Berlin wohnen. Zu der einen ist der Kontakt nie abgerissen, wir haben uns in den vergangenen Jahren gelegentlich getroffen – entweder in Berlin oder in unserem Heimatort, in dem schon unsere Mütter gemeinsam zur Schule gegangen sind. Die andere, die ich schon aus dem Kindergarten kenne, habe ich nur zweimal gesehen, seit wir vor fast einem halben Jahrhundert an verschiedenen Schulen Abitur gemacht haben. Und obwohl unsere Leben sehr unterschiedlich verlaufen sind, sind wir irgendwie vertraut miteinander¸ es gibt eine gemeinsame Ebene: Wenn wir uns treffen ist es, als hätten wir uns vor ein paar Tagen oder Wochen zuletzt gesehen.
Selbstporträts: Edvard Munch im Museum Barberini in Potsdam …… und Paula Modersohn-Becker im Landesmuseum Hannover
Bei der einen Freundin habe ich übernachtet, mit der anderen habe ich die Munch Ausstellung in Potsdam und das Anne Frank Zentrum in Berlin besucht. Das stand schon lange auf meine To- visit-Liste, jetzt hat es endlich mal geklappt.
Die Dauerausstellung „Alles über Anne“ gewährt nicht nur Einblicke in Anne Franks Leben, sondern schlägt auch eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart. Sie richtet sich vor allem an Kinder unnd Jugendliche, die sich durch Annes Schicksal oft besonders angesprochen fühlen. Denn schließlich war sie in ihrem Alter, als sie mit ihrer Familie untertauchen, sich in einem Hinterhaus verstecken musste, schließlich doch entdeckt, in Konzentrationslager verschleppt und ermordet wurde. „Über die Beschäftigung mit dem Tagebuch und Annes Biografie bekommen die Schülerinnen und Schüler einen persönlichen Zugang zur Geschichte des Nationalsozialismus, des Antisemitismus und des Holocaust. Wir wollen sie aber auch anregen, sich mit Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung und Flucht in der Gegenwart auseinanderzusetzen“, sagte mir Veronika Nahm, die Leiterin des Anne Frank Zentrums, vor einiger Zeit mal in einem Interview (https://www.friedrich-verlag.de/bildung-plus/schulleben/auf-den-spuren-anne-franks/).
Die Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus und Faschismus ist nötiger denn je. Denn der Hass auf nimmt nicht nur in Deutschland seit dem Überfall der Hamas Terroristen auf Israel zu – bei den anstehenden Landtagswahlen in Thüringen wird die rechtsextreme AfD möglicherweise stärkste Fraktion. Doch seit das Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckt hat, wie rassistisch Mitglieder der AfD sind und welche Deportationspläne sie für Deutschland schmieden, gehen Hundertausende Menschen auf die Straße und zeigen, dass sie gegen Faschisten, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und für die Demokratie in unserem Land sind. Auch ich habe im Januar an vier Demos teilgenommen – und an einigen Mahnwachen der Omas gegen rechts vor der Neuen Synagoge in Hannover.
Nach Hannover fahre ich ziemlich häufig, seit ich nicht mehr berufstätig bin. Im Januar habe mir unter anderem zweimal die Paula Modersohn Ausstellung im Landesmuseum angesehen und natürlich war ich dabei, als meine Tochter im Unternehmerinnenzentrum durch ihre erste Fotoausstellung führte*.
Im Unternehmerinnenzentrum: Ausstellung Naturfotografien von Nele SchmidtkoDie Bilder können montags bis freitags von 10 bis 15 Uhr besichtigt werden.
Mit einer Schreibgruppe habe ich mich im Schauspielhaus Hannover getroffen. Das wird mittwochs bis freitags von 14 – 18 Uhr zum Open Haus und öffnet das Foyer für alle, die „Ruhe genießen, Musik hören, für die Uni lernen, coworken, vernetzen, Freund:innen treffen, Yoga mit der Gruppe machen, entspannt ein Buch lesen oder eine Sitzung halten“ – oder natürlich auch allein oder gemeinsam schreiben möchten (https://staatstheater-hannover.de/de_DE/open-haus). Eine wirklich gute Idee – und ein schöner Begegnungsort und Treffpunkt in der Innenstadt von Hannover.
Der monatliche Schreibtreff am ersten Sonntag des Monats ist für mich ein fester Termin. Allerdings haben wir im Januar ausnahmsweise am zweiten Sonntag gemeinsam geschrieben – und auch nicht im AutorInnenzentrum, sondern in den Praxisräumen einer Schreibfreundin. Denn das AutorInnenzentrum musste – oder soll ich schreiben – konnte aus dem Ihmezentrum ausziehen. Für alle, die das Ihmezentrum nicht kennen: Der Hochhauskomplex ist nicht nur meiner Meinung nach das scheußlichste Gebäude in Hannover.
Um Geld zu sparen, haben die Mitglieder des AutorInnenzentrums ihr neues Domizil in der Deisterstraße teilweise selbst renoviert. Auch ich habe an zwei Tagen geholfen, habe Löcher zu- und Wände abgespachtelt, grundiert und gestrichen. Zu Hause konnte ich ebenfalls – notgedrungen – unter Beweis stellen, dass ich handwerklich doch kein ganz hoffnungsloser Fall bin. Weil mein Mann in Nordschweden Polarlichter jagte, musste ich den defekten Abfluss unter der Spüle selbst reparieren. Es hat nicht im ersten Anlauf geklappt, aber inzwischen ist er dicht. Geht doch.
* Die Ausstellung mit Landschafts-, Tier und Naturfotos kann noch bis zum 19. April montags bis freitags von 10 bis 15 Uhr im Unternehmerinnenzentrum in der Hohen Straße in Hannover-Linden besichtigt werden. Mehr Informationen unter https://foerodens.wordpress.com/2023/11/01/meine-erste-fotoausstellung/
Am 9. November vergangenen Jahres stand ich mit drei Dutzend älteren Frauen und ganz wenigen meist noch älteren Männern vor dem Holocaust Mahnmal auf dem Opernplatz in Hannover. Die Omas gegen rechts hatten am 85. Jahrestag der Pogromnacht von 1938 zu einer Mahnwache aufgerufen. Wir wollten nicht nur an die Holocaust-Opfer, sondern auch an die Opfer des Massakers der Hamas in Israel einen Monat zuvor erinnern. Und wir wollten ein Zeichen setzen – gegen den wachsenden Antisemitismus in Deutschland und in vielen anderen Ländern.
In dem Mahnmal sind 1.935 Namen von Jüdinnen und Juden eingemeißelt, die in Hannover lebten, bis sie von den Nazis deportiert wurden. Viele wurden ermordet – wie sechs Millionen Jüdinnen und Juden aus ganz Europa.
Knapp drei Monate später, am internationalen Holocaust Gedenktag, kamen rund 2.000 Menschen zum Mahnmal, um an die Opfer des deutschen Nationalsozialismus zu erinnern und gegen Antisemitismus zu demonstrieren. Junge und Alte, Frauen und Männer.
Das ist nötiger denn je. Denn der Hass auf Jüdinnen und Juden lebte auch nach dem Sieg über Nazideutschland weiter – und nimmt nicht nur in Deutschland zu: Zwischen 2015 und 2021 stieg die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland kontinuierlich: von1.366 im Jahr 2015 auf mehr als 3.000 Delikte im Jahr 2021 (https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-102.html#Statistik). In Frankreich registrierten das Innenministerium und der Schutzdienst der jüdischen Gemeinschaft (SPCJ) laut Tagesschau 2022 436 antisemitische Vorfälle, 2023 waren es 1.676 antisemitische Vorfälle (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/antisemitismus-frankreich-110.html). Vor allem nach dem Massaker der Terrorgruppe Hamas in Israel explodierten die Zahlen.
Das Massaker der Terrorgruppe Hamas am 7. Oktober wirkte, so Yonathan Arfi, Präsident des Rats jüdischer Institutionen in Frankreich (Crif), „wie ein Katalysator des Hasses“ und aktivierte einen „latenten Antisemitismus“. Die Hemmschwellen, Jüdinnen und Juden zu beleidigen oder anzugreifen, sind seither gesunken.
In Deutschland gab es seit dem 7. Oktober nach Aussagen des Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, in Deutschland 2.249 antisemitisch motivierte Straftaten, so viele wie im gesamten Jahr 2023. „Ein erheblicher Teil“ wurde nicht direkt nach dem 7. Oktober begangen, „sondern Wochen und Monate später“ (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/antisemitismus-straftaten-102.html).
Jüdinnen und Juden fühlen sich seit dem größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust auch in Deutschland nicht mehr sicher: Sie sprechen in der Öffentlichkeit nicht mehr Hebräisch, Männer trauen sich nicht mehr, ihre Kippa zu tragen, Kinder gehen nicht mehr in die Kita. Simon von der jüdischen Jugendorganisation Netzer Germany berichtete auf dem Opernplatz, dass PolizistInnen die Mitglieder einer Jugendgruppe bei der Anreise vom Bahnhof zur Unterkunft begleiteten und anschließend das Haus rund um die Uhr beschützten. „Wenn Kinder und Jugendliche sich in einer Ferienfreizeit sicherer fühlen als zu Hause, ist etwas falsch“, sagte er – und er hat recht.
Für mich war die Kundgebung vor dem Holocaust Mahnmal die zweite an diesem Samstag. Mittags hatte ich gemeinsam mit meiner Tochter in Goslar an der Kundgebung „Demokratie verteidigen – AfD stoppen!“ teilgenommen, zu der das Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus aufgerufen hatte. 4.000 Menschen kamen auf den Marktplatz, viel mehr, als ich erwartet hatte (https://www.facebook.com/100064652773517/posts/pfbid0qaUn3Mt7mw7kDY9cC543ufS5XnFprN8SmS7V366JwUdL9NUeEz3qrjGjVFhDX2Myl/?app=fbl). Für einige TeilnehmerInnen war es die erste Demonstration ihres Lebens.
Kreativer Protest gegen rechts
Eigentlich wollte ich von Goslar – ziemlich durchgefroren – direkt nach Hause fahren. Doch als ich beim Umsteigen in Hannover die Pro-Palästina-Demo auf dem Bahnhofsvorplatz sah, beschloss ich, zur Kundgebung des Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus am Holocaust Denkmal zu gehen. Denn Judenhasse darf in Deutschland nie wieder toleriert werden; jede Stimme dagegen zählt.
Es waren immerhin 2.000 Menschen, die auf dem Opernplatz ihre Solidarität zeigten und ein Zeichen gegen Antisemitismus setzten, weit mehr als am 9. November. Denn die Veröffentlichungen des Recherchezentrum Correctiv über die Deportationspläne, die bei einem Treffen von Rechtsextremisten, AfD und CDU-Mitgliedern am 25. November in Potsdam geschmiedet wurden, haben die bislang schweigende Mehrheit aufgeweckt.
Seither gehen überall in Deutschland Menschen auf die Straße – in Frankfurt/Oder im Osten ebenso wie in Trier ganz im Westen der Republik. Allein in Düsseldorf waren es an diesem Wochenende 100.000, die zeigten, dass sie für die Demokratie, gegen rechte Hetze, Rassismus und auch gegen Antisemitismus sind. Und dass die AfD keine Alternative für Deutschland ist. Denn wir sind viele, wir sind das Volk.
Seit ich vor etwas mehr als einem Jahr Rentnerin geworden bin, habe ich mich von manchem getrennt. Ich habe ganze Papierberge in die Altpapiertonne entleert, zahlreiche entleerte Aktenordner verschenkt und noch mehr Newsletter und Pressedienste abbestellt. Außerdem habe ich u. a. die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft sowie diverse Versicherungen gekündigt. Denn als Rentnerin brauche ich weder eine Berufshaftpflicht- noch eine Vermögensschadensversicherung. Und so habe ich heute wohl zum letzten Mal den Fragebogen einer Versicherung ausgefüllt, der mich mein ganzes Berufsleben als Selbstständige begleitet hat und mit dem sichergestellt werden soll, dass mein Versicherungsschutz wenn auch abgelaufen so doch auf dem aktuellen Stand ist.
Ich gebe zu: In den ersten Jahren nach Abschluss der Versicherung habe ich die mir zugesandten Fragebogen schlichtweg ignoriert, weil ich glaubte, man hätte sie mir irrtümlich zugesandt. Keine einzige Frage hatte nämlich irgendetwas mit mir und meiner Tätigkeit als Journalistin und Lektorin zu tun. Denn ich beschäftigte nicht nur keine Service-Kräfte in meinem Auslieferungslager – ich hatte noch nicht mal eins. Meine Texte habe ich in den ersten Jahren per Post, später dann per Fax und per Mail versandt. Und der Redakteur, der gelegentlich meine Artikel mit nach Hannover nahm, als ich noch für die HAZ arbeitete, tat das aus reiner Gefälligkeit. Ich besaß auch weder Hub- und Gabelstapler noch Kräne, Motorschlitten, Winden, Tank- oder Kesselwagen – und ich gedachte auch nicht, derartige Geräte anzuschaffen. Und mein Tätigkeits-, Produktions-, Reparatur- und Lieferprogramm ist im Prinzip immer gleich geblieben, seit ich mich selbstständig gemacht habe: Ich schrieb, korrigierte und lektorierte Texte, wenn auch zu ganz unterschiedlichen Themen.
Nach mehreren Mahnungen und der Drohung, die mir den Versicherungsschutz zu entziehen, wenn ich nicht kooperiere, gab ich nach: Ich füllte den Fragebogen aus und versicherte der Versicherung, dass sie die Allererste wäre, die ich über etwaige Veränderungen meines Lieferprogramms, des Personal- und Fahrzeugbestands in Kenntnis setzen würde. Doch das genügte ihr nicht: Sie bestand auf einem jährlichen Update und so flatterte alljährlich am Jahresende der Fragebogen bzw. die Aufforderung, ihn auszufüllen, ins Haus.
Denn seit einigen Jahren ist dies online möglich und auch die Zahl der Fragen hat sich im Lauf der Jahre deutlich reduziert. So musste ich in diesem Jahr nur zwei Fragen beantworten, nämlich ob
„… sich Änderungen zum versicherten Risiko oder neue Risiken ergeben (haben, Ergänzung von mir, ew), die während des abgelaufenen Versicherungsjahres entstanden sind, insbesondere Änderung des Betriebscharakters, des Tätigkeits-, Produktions- und Lieferprogramms, Montage/ Reparaturarbeiten und /oder direkte Exporte in die USA/ US-Territorien?“ und
„… während des abgelaufenen Geschäftsjahres Anschaffungen oder Investitionen getätigt (wurden, Ergänzung von mir, ew), die zu einer Veränderung der versicherten Sachwerte oder des Risikos geführt haben (z. B. neu hinzu gekommene Betriebsgrundstücke, Gebäude, Betriebseinrichtungen, Baugeräte, Waren, Vorräte)?
Ich habe hinter beiden Fragen mit gutem Gewissen das Nein angeklickt. Doch als ich auf Senden drückte, kam so etwas wie Wehmut auf: Vielleicht werde die Fragen nach meinen Baugeräten, Betriebseinrichtungen und Vorräten im nächsten Jahr doch vermissen. Ich hatte mich so daran gewöhnt.
Von Edvard Munch kannte ich eigentlich nur sein berühmtes Bild „Der Schrei“. Bis ich im Internet auf die Ausstellungen gestoßen bin, die im Museum Barberini in Potsdam und in der Berliner Galerie zu sehen sind bzw. waren. Denn die Ausstellung „Zauber des Nordens“ in Berlin schloss am 22. Januar ihre Tore; die „Lebenslandschaften“ in Potsdam sind noch bis zum 1. April zu sehen. Dann wandert die Ausstellung weiter, ins MUNCH nach Oslo, aus dem einige der gezeigten Bilder ausgeliehen wurden.
Im Museum Barberini werden insgesamt 116 Gemälde, Holzschnitte, Lithographien und Zeichnungen des norwegischen Künstlers gezeigt, berühmte ebenso wie weitgehend unbekannte. Es ist laut Museum die erste Ausstellung zu Edvard Munchs Landschaftsdarstellungen. Denn „obwohl Edvard Munch fast die Hälfte seiner Arbeiten Naturmotiven widmete, wird er bislang nicht als Landschaftsmaler wahrgenommen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Ausstellung will die Bedeutung seiner Naturdarstellungen erforschen, gängige Vorstellungen hinterfragen und neue Sichtweisen auf sein Werk anstoßen.
Der gelbe BaumstammDer dunkle WaldFrühlingspflügen
Meine Reise nach Potsdam hat sich gelohnt. Viele der ausgestellten Bilder haben mir gefallen der gelbe Baumstamm beispielsweise, der Dunkle Tannenwald oder das Frühlingspflügen. Und auch die Mädchen auf der Brücke und die Munchs Bilder von den Sommernächten am Strand haben mich fasziniert.
Mädchen auf der BrückeSommernacht am Strand, 1902/03 Öl auf Leinwand, 103 × 120 cm Privatsammlung, im Museum Barberini
Andere, zum Beispiel „Stoffwechsel – Leben und Tod,“ haben sich mir erst auf den zweiten Blick und dank des Audioguides erschlossen, der mich durch die Ausstellung begleitete. Und manchen Gemälden wie den Badenden kann ich gar nichts abgewinnen. Kaum zu glauben, dass die kraftstrotzenden Männer vom gleichen Künstler gemalt wurden wie der Schrei.
Ausstellungsansicht Museum Barberini, Foto: David von Becker
Der Schrei ist und bleibt mein Lieblingsbild. Wie es entstanden ist, beschreibt Edvard Munch selbst in seinem Violetten Tagebuch unter dem Datum 22.1.1892 (zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schrei):
„Ich ging den Weg entlang mit zwei Freunden – die Sonne ging unter – der Himmel wurde plötzlich blutig rot – Ich fühlte einen Hauch von Wehmut – Ich stand, lehnte mich an den Zaun Todmüde – Ich sah hinüber […] die flammenden Wolken wie Blut und Schwert – den blauschwarzen Fjord und die Stadt – Meine Freunde gingen weiter – ich stand da zitternd vor Angst – und ich fühlte etwas wie einen großen, unendlichen Schrei durch die Natur.“
Das Bild gibt es in verschiedenen Versionen, eine erste Skizze des Motivs findet sich laut Wikipedia bereits 1889/90 in einem Skizzenbuch, die Version mit Öl, Tempera und Pastell beendete Munch Ende 1893. In der Ausstellung ist eine Lithografie aus dem Jahr 1895 zu sehen.
Der Schrei
Mit dem Schrei wurde laut Oskar Kokoschka der Expressionismus geboren, ich sehe mir nach der Munch-Ausstellung noch die Sammlung Hasso Plattner an: Über 100 impressionistische und postimpressionistische Gemälde sind in der Dauerausstellung zu sehen, unter anderem von Claude Monet, Auguste Renoir, Alfred Sisley, Paul Signac und Gustave Caibotte. Nirgendwo außerhalb von Paris werden nach Angaben des Museums mehr Gemälde von Claude Monet an einem Ort gezeigt als in Potsdam. Eines meiner Lieblingsbilder von Monet, der Seerosenteich, ist derzeit leider verliehen, und ich musste mit einem anderen Seerosenbild des malers vorlieb nehmen. Doch so habe ich einen guten Grund, wieder nach Potsdam zu fahren, wenn das Gemälde wieder zurück im Museum Barberini ist.
Das Museum Barberini und die beiden Ausstellungen sind eine Reise wert. Wer will, kann auf der Website des Museums online durch die Ausstellungen wandern und per Audioguide Informationen über verschiedene Gemälde abrufen.
Paula Modersohn-Becker gehört nicht zu meinen LieblingsmalerInnen, oder soll ich sagen, gehörte. Denn natürlich habe ich mir die Ausstellung ihrer Bilder im Landesmuseum in Hannover angesehen. Schließlich zählt Paula-Modersohn Becker zu den bedeutendsten Künstlerinnen der Zeit um 1900 – sie war eine der ersten ExpressionistInnen in Deutschland, wenn nicht die erste überhaupt. Und mich beeindruckt die Zielstrebigkeit, ja Besessenheit, mit der sie ihren Weg ging, an sich und ihr Talent glaubte – zu einer Zeit, in der Kunst vorwiegend Männersache war.
Frauen durften um die Jahrhundertwende noch nicht an Kunstakademien studieren. Wie viele andere Malerinnen, despektierlich Malweiber genannt, nahm auch Paula Becker privaten Malunterricht und besuchte nach ihrer Lehrerinnenausbildung die Zeichen- und Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen. An der „Damenakademie“ hatte vor Paula Becker auch Käthe Kollwitz ihre Ausbildung begonnen und später unterrichtet.
Worpswede besuchte die junge Malerin erstmals im Sommer 1897 mit ihren Eltern , ein Jahr später zog sie zunächst vorübergehend, später dauerhaft in die Künstlerkolonie. Sie nahm Zeichenunterricht bei Fritz Mackensen, lernte ihre Freundin Clare Rilke-Westhoff und auch den elf Jahre älteren Maler Otto Modersohn kennen, den sie 1901 heiratete. Modersohn erkannte ihr Talent, schätzte den Austausch mit ihr und unterstützte sie auch finanziell.
„Wundervoll ist dies wechselseitige Geben und Nehmen; ich fühle, wie ich lerne an ihr und mit ihr. Unser Verhältnis ist zu schön, schöner als ich je gedacht, ich bin wahrhaft glücklich, sie ist eine echte Künstlerin, wie es wenige gibt in der Welt, sie hat etwas ganz Seltenes. […] Keiner kennt sie, keiner schätzt sie – das wird anders werden“, schrieb er am 15. Juni 1902 in sein Tagebuch.
Anders wurde das leider erst nach ihrem Tod im November 1907. Zu ihren Lebzeiten konnte Paula Modersohn-Becker gerade mal eine Handvoll Bilder verkaufen, für die meisten ihrer Worpsweder Malerkollegen war sie nur die Frau von Otto Modersohn. Doch davon ließ sie sich ebenso wenig dauerhaft entmutigen wie von den teilweise vernichtenden Kritiken. Mutig setzte sie sich über viele Konventionen hinweg – künstlerisch und gesellschaftlich.
„Sie haßt das Conventionelle und fällt nun in den Fehler alles lieber eckig, häßlich, bizarr, hölzern zu machen. Die Farbe ist famos, aber die Form? Der Ausdruck! Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Cretins. Sie ladet sich zuviel auf.“, notierte Otto Modersohn im September 1903 in seinem Tagebuch und fügt hinzu „Rath kann man ihr schwer ertheilen, wie meistens“(zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Paula_Modersohn-Becker).
„Daß ich mich verheirate, soll kein Grund sein, daß ich nichts werde“ schrieb Paula im November 1900 an ihre Mutter, die ihre künstlerische Ausbildung förderte und ihre Tochter bestärkte, die Kunst nicht aufzugeben. Auch nach der Heirat malte Paula weiter, sie behielt ihr eigenes Atelier, reiste und lebte mehrere Monate allein in Paris. Inder französischen Hauptstadtentdeckte sie unter anderem die Werke von Paul Cézanne und Paul Gauguin, besuchte Kurse an privaten Akademien, unter anderem Anatomie- und Aktkurse in der École des Beaux-Arts – und malte als erste Künstlerin Selbstakte, unter anderem das »Selbstbildnis mit rotem Blütenkranz.
Blick in die Ausstellung
„Ich werde noch etwas. Wie groß oder wie klein, dies kann ich selbst nicht sagen, aber es wird etwas in sich Geschlossenes“, schrieb Paula im Januar 1906 aus Paris an ihre Mutter. Sie sollte recht behalten: Als sie mit 31 Jahren im November 1907 kurz nach der Geburt ihrer Tochter starb, hinterließ sie rund 800 Gemälde und 2.500 Zeichnungen.
„Es ist nicht auszudenken, was noch alles entstanden wäre, wenn sie noch länger gelebt hätte. Sie träumte in den letzten Monaten viel von Italien, das sie nie gesehen, von Akten im Freien, von großfigurigen Bildern. Man kann nur ahnen, was sie der Welt noch geschenkt hätte“, schrieb Otto Modersohn (Ein Buch der Freundschaft, 1932, zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Paula_Modersohn-Becker).
Nach Paulas Tod organisierten er und Heinrich Vogeler mehrere Ausstellungen, durch die einige Sammler auf sie aufmerksam wurden und ihre Bilder kauften. Unter anderen auch der hannoversche Keksfabrikant, Mäzen und Kunstsammler Hermann Bahlsen. Er schenkte dem Landesmuseum 1910 zwei Bilder von Paula Modersohn-Becker: Das „Stillleben mit Schellfisch“ (das ich persönlich überhaupt nicht mag) und seine ursprüngliche Rück- oder Vorderseite „Rotes Haus mit Birke“. Sie bildeten den Grundstein der Sammlung, die derzeit 39 Gemälde von Paula Modersohn-Becker umfasst und damit laut Landesmuseum die „weltweit größte Sammlung außerhalb Bremens“ ist.
„Die Hannoveraner Modersohn-Becker-Sammlung besticht durch internationale bekannte Hauptwerke wie das »Selbstbildnis mit Hand am Kinn«, aber auch durch eine beeindruckende Themenvielfalt. Sie umfasst Werke aus dem gesamten Schaffensprozess der Künstlerin: Von Landschaftsbildern über Stillleben und Darstellungen von Frauen und Kindern ist alles vertreten“, heißt es in der Pressemitteilung des Museums zu Ausstellung.
Mir hat die Ausstellung gefallen. So gut, dass ich sicher noch mal hingehen werde, bevor sie Ende Februar schließt. Denn manches Bild erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Und Paula Modersohns Weg als Künstlerin verdient die Aufmerksamkeit allemal. Oder um Falko Mohrs, den Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur, zu zitieren: „Paula Modersohn-Becker war eine mutige Künstlerin, die sich gegen gesellschaftliche Konventionen stellte und als Frau an der Spitze der Entwicklung der Moderne in Deutschland stand. … Mit ihrer ungeheuren Schaffenskraft und inneren Stärke kann Paula Modersohn-Becker uns allen als Vorbild dienen.“ Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Die Ausstellung im Landesmuseum ist noch bis zum 25. Februar zu sehen.
Ich habe in den vergangenen 40 Jahren über manches Merkwürdige gelesen und geschrieben: Über die Erfindung der Dauerwelle beispielsweise, über einen Wecker, der davonrennt und sich versteckt, wenn man nach ihm schlägt, oder über einen BH, der auch als Atemschutzmaske dient. Letztere wurden sogar mit dem Ignobel-Preis, einem inzwischen anerkannten Preis für skurrile Forschungsprojekte, ausgezeichnet.
Skurril ist für mich auch das (Teil)Ergebnis einer Umfrage aus dem Jahr 2018, auf die ich bei der Recherche für diesen Blogbeitrag gestoßen bin. Auf die Frage, wie lange sie ihren Weihnachtsbaum (üblicherweise) stehen lassen, antworteten nämlich 6 Prozent der von Statista befragten InternetnutzerInnen, dass sie den Baum vor Heiligabend abbauen; weitere vier Prozent dann schon an den Weihnachtsfeiertagen. Fake, war meine erster Gedanke, aber Statista ist eigentlich ein seriöses Marktforschungsinstitut und immerhin hat auch der Stern über diese Umfrage berichtet (https://www.stern.de/gesellschaft/weihnachtsbaum–so-lange-lassen-ihn-die-deutschen-stehen-8503024.html). Na gut, die Kollegen sind damals auch auf die Hitlertagebücher reingefallen, aber das ist ja schon lange her.
Seit ich die Umfrageergebnisse gelesen habe, grüble ich darüber nach, warum jemand einen Weihnachtsbaum kauft, schmückt – und dann noch vor dem Fest, für das er eigentlich angeschafft wurde, wieder loswerden will. Ebenfalls recht schnell, zwischen Weihnachten und Neujahr, trennen sich 11 Prozent der Befragten von ihrem Baum. Zwischen Neujahr und dem 6. Januar müssen 27 Prozent, am 6. Januar dann weitere 19 Prozent der Bäume weichen. Immerhin fast ein Drittel darf noch länger im warmen Wohnzimmer bleiben.
Stationen eines Weihnachsbaum-Lebens
Für unseren Weihnachtsbaum war ganz traditionell am Dreikönigstag Schluss. Das Fest der Heiligen Drei Könige oder Epiphanias, die Erscheinung des Herrn, ist eines der ältesten kirchlichen Feste. Es erinnert daran, dass laut Matthäus-Evangelium drei Weise, Könige oder Magiere aus dem Morgenland, von einem Stern geleitet, Jesus in Bethlehem fanden – und er damit in der Welt „erschien“.
Für die katholische und evangelische Kirche endet die Weihnachtszeit – und damit auch die Weihnachtsbaumzeit – am Sonntag nach Epiphanias. Dagegen feiern die orthodoxen Kirchen, die sich noch nach dem alten julianischen Kalender richten, z. B die russisch-orthodoxe und die serbisch-orthodoxe, Weihnachten erst am 6. und 7. Januar. Und auch im römisch-katholischen Italien mussten die Kinder früher bis zum 6. Januar auf ihre Geschenke warten. Denn in Italien werden die Kleinen traditionell an Epiphanias von der Weihnachtshexe Befana beschert.
Auch für mich ist der 6. Januar nicht Dreikönigs-, sondern Befanatag. Schließlich habe ich vor ein paar Jahren „die wahre Geschichte der Weihnachtshexe Befana“ aufgedeckt und aufgeschrieben. 🙂
Wann habe ich eigentlich angefangen, jedes Jahr die Bücher zu zählen, die ich gelesen habe, und ihre Titel zu notieren? Die ersten (erhaltenen) Anfänge meiner Bücherlisten reichen ins Jahr 2015 zurück: Damals habe ich mir in Lissabon ein „Diário de leitura“, also ein Büchertagebuch, gekauft. Der erste Eintrag war im Februar 2015 Pascal Merciers „Nachtzug nach Lissabon“. Der Roman war lange Zeit eines meiner Lieblingsbücher und natürlich begleitete er mich auch bei unserem Kurzurlaub in Lissabon. Wahrscheinlich hatte ich mir das Reiseziel überhaupt nur oder hauptsächlich wegen dieses Buchs ausgesucht.
Natürlich war ich wie auch der Protagonist des Romans, der Lateinlehrer Raimund Gregorius, in der Livraria Bertrand, der ältesten durchgehend betriebenen Buchhandlung der Welt. Als ich dort das Büchertagebuch entdeckte, konnte ich nicht widerstehen. Regelmäßig habe ich allerdings erst seit 2020 die gelesenen Bücher eingetragen. Im vergangenen wie auch in diesem Jahr haben mich dann die Blogbeiträge von Christof Herrmann (https://www.einfachbewusst.de/2023/12/gelesen-buecher-2023/) animiert, meine eigene Leseliste zu veröffentlichen.
Mein Büchertagebuch
Ich lese etwa 50 bis 60 Bücher jährlich, im vergangenen Jahr waren es genau 60. Da ich die Listen nicht ganz zuverlässig führe, sind es möglicherweise sogar einige mehr. Außerdem fehlen Bücher, die ich noch nicht ganz zu Ende gelesen habe, im vergangenen Jahr zum Beispiel Siri Hustvedts Essayband „Mütter, Väter und Täter“.
Mein Ziel, jede Woche ein Buch zu lesen, habe ich also übertroffen. Ich habe mit Max Frisch meinen früheren Lieblingsautor wiederentdeckt. Die „Entwürfe zu einem Berliner Tagebuch“ haben mich so beeindruckt, dass ich auch „Die Entwürfe zu einem dritten Tagebuch“ angefangen und im neuen Jahr schon zu Ende gelesen habe. Außerdem liegt Montauk neben meinem Bett. Und ich habe einige AutorInnen neu entdeckt, die ich bislang nicht kannte. Besonders berührt haben mich die Bücher von Alba de Cespedes, Angelika Klüssendorf und Bernardine Evaristo.
Ich bin, ich habe es schon einmal geschrieben, eine unstrukturierte Leserin (https://timetoflyblog.com/die-unstrukturierte-leserin): Viele Bücher entdecke ich mehr oder weniger zufällig, zum Beispiel im Freihandbestand der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover, in den Neuerwerbslisten und in den Regalen der Bücherei in Großburgwedel, in Buchhandlungen oder als Hinweis in anderen Büchern. Bestsellerlisten interessieren mich wenig, mehr als auf die Kritiken und Empfehlungen verschiedener Kulturseiten und -sendungen vertraue ich auf die Tipps meiner (Schreib)Freundinnen.
Apropos Rezensionen und Empfehlungen: Nicole Seifert stellte bei der Recherche für ihr Buch „Frauenliteratur: Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“* fest, dass im April 2018 auf den Literaturseiten von FAZ und Süddeutscher Zeitung jeden Monat 47 Bücher von Autoren, aber nur 16 von Autorinnen besprochen wurden (Nicole Seifert, S, 34f).
Die Studie #frauenzählen, bei der im März 2018 in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock 2.036 Rezensionen und Literaturkritiken in 69 deutschen Medienformaten ausgewertet wurden, kam zu einem ähnlichen, repräsentativen Ergebnis: „Auf jedes besprochene Werk einer Autorin kommen zwei Werke eines Autors (…). Männer sind damit doppelt so häufig vertreten“ – und zwar quer durch alle Mediengattungen. „In Wochenzeitschriften werden Autoren noch etwas stärker präsentiert (70%); allein bei Frauenzeitschriften kehren sich die Verhältnisse um: 64% der rezensierten Werke sind von Autorinnen verfasst“ (Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb, Seite 8, http://www.frauenzählen.de/studie_downloads.html). Ob sich daran inzwischen etwas geändert hat? Ich glaube kaum. Denn der Fortschritt ist bekanntlich eine Schnecke – und manchmal geht es auch nach einem Schritt nach vorn zwei Schritte zurück.
So musste ich in Nicole Seiferts Buch lesen, „dass wir in der Schule praktisch ausschließlich männliche Autoren lasen“ und dass ihr „in acht Jahren Gymnasium inklusiver Deutsch-Leistungskurs in den späten Achtziger- und frühen NeunzigerJahren … mit Annette von Droste-Hülshoff nur eine einzige Autorin“ begegnete. Meine Tochter hat ein paar Jahre später das gleiche Gymnasium besucht. Vielleicht hätte ich mich doch mehr darum kümmern sollen, was sie gelesen und gelernt hat – oder besser gesagt was nicht.
Wie gut und fortschrittlich meine eigenen Deutsch- und GeschichtslehrerInnen an der Realschule in Neumagen und am Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier waren, wurde mir bei der Lektüre von Nicole Seiferts Buch wieder einmal bewusst: Ich selbst habe in dem Jahr Mittlere Reife gemacht, in dem Nicole Seifert geboren wurde. Und natürlich standen in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren vorwiegend Autoren auf dem Lehrplan. Aber wir haben im Unterricht neben der schon damals obligatorischen Judenbuche von Annette von Droste-Hülshoff auch Gedichte von Ina Seidel, Elisabeth Langgässer, Nelly Sachs, Marie Luise Kaschnitz und Ingeborg Bachmann gelesen. Und das „Tagebuch der Anne Frank“ und „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers waren wenn nicht Unterrichtslektüre so doch dringende Lektüreempfehlungen. Vielen Dank nachträglich an Hermann Erschens, Dr. Elisabeth Becker und Dieter Schulz. Sie haben sicher großen Anteil daran, dass ich immer noch eine leidenschaftliche, wenn auch unstrukturierte Leserin bin – mit einem Faible für von Büchern, die von Frauen geschrieben wurden, wie ein Blick auf die unten stehende Liste der gelesenen Bücher zeigt.
Übrigens: „Frauenliteratur: Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“ erscheint im Februar als Taschenbuch. Gespannt bin ich auch auf Nicole Seiferts neues Buch „Einige Herren sagten etwas dazu“, in dem sie die Geschichte der Gruppe 47 aus der Perspektive der Autorinnen erzählt. Es erscheint ebenfalls im Februar im Verlag Kiepenheuer & Witsch.