Gibt es ein unpassenderes Wort in der deutschen Sprache als Schmetterling? Sich das Leben nehmen vielleicht, wenn man das Leben eben nicht (an)nimmt, sondern nicht mehr leben will, sein Leben weggibt wie ein altes Kleidungsstück, das nicht mehr passt oder dessen man einfach überdrüssig geworden ist. Doch das ist ein anderes Thema.
Schmetterlinge also. Einem Schmettern gleicht der Flügelschlag dieser filigranen Wesen kaum. Davon kann man sich derzeit in den Herrenhäuser Gärten in Hannover überzeugen. Dort flattern bis Mitte März etwa 1000 Schmetterlinge im Tropenhaus – bei durchaus frühlingshaften 24 Grad. Die meisten kommen aus Costa Rica, Malaysia, Thailand und von den Philippinen, einige auch aus Afrika, wo sie in speziellen Farmen gezüchtet wurden.
Neben Schmetterlingen sind im Tropenhaus ausnahmsweise auch einmal nimmersatte Raupen gern gesehen. Sie dürfen ihren Hunger unter anderem an eigens für sie gepflanzten Bananen- und Zitruspflanzen, Pfeffergewächsen und Passionsblumen stillen. Die Schmetterlinge bevorzugen dagegen Pflanzen mit leuchtend bunten Blüten voller Nektar und Pollen, beispielsweise den Stern von Ägypten oder das Flammende Käthchen. Oder sie laben sich an Futterstationen mit reifem Obst.
Mit Milchprodukten haben Schmetterlinge dagegen nichts am Hut. Dabei verdanken sie denen vielleicht sogar ihren Namen. Denn der wird angeblich vom ostmitteldeutschen Wort Schmetten abgeleitet. Das bedeutet Sahne. Einem alten Volksglauben nach verwandelten sich nämlich Hexen in Schmetterlinge und stahlen Sahne und andere Milchprodukte. Vielleicht fühle ich mich den Schmetterlingen deshalb so verbunden.
Im Berggarten sind derzeit rund 60 verschiedene Schmetterlingsarten zu Gast – manche fast so groß wie ein Handteller, andere so klein, wie wir es von den heimischen Schmetterlingen gewohnt sind. Und während beispielsweise die Bananenfalter stundenlang reglos an einer Stelle verharren …,
… scheint der Himmelsfalter oder Blaue Morphofalter (Morpho peleides) pausenlos durch die Luft zu flattern. Vergeblich versuche ich, einen an einer Blüte oder auf einer der vielen Futterstationen zu fotografieren. Vielleicht, das merke ich erst später, habe ich ihn aber nur nicht erkannt. Denn nur die Flügelinnenseiten schillern blau – und die sind eben nur im Flug zu sehen. Bei meinem nächsten Besuch werde ich genauer auf ihn achten.
Die Ausstellung „Gaukler der Tropen – Schmetterlinge im Berggarten“ ist noch bis zum 18. März zusehen. Viele Falter werden das Ende nicht mehr erleben. Denn die meisten leben nur zwei bis vier Wochen.
Übrigens:
Laut Edward Lorenz, dem Vater der Chaostheorie und Entdecker des sogenannten Schmetterlingseffekts, kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Shanghai einen Wirbelsturm in New York auslösen. Zumindest theoretisch. Womit wissenschaftlich bewiesen wäre, was wir schon lange wussten: Kleine Ursachen haben oft große Auswirkungen. Und vielleicht haben die Schmetterlinge in Hannover ja wirklich das politische Erdbeben ausgelöst, das derzeit die SPD erschüttert und niederschmettert. Dann wäre der Name doch nicht so unpassend, wie er auf den ersten Blick scheint.
Mehr über die Ausstellung Gaukler der Tropen: Herrenhäuser Gärten, Herrenhäuser Straße 4, 30419 Hannover, Infotelefon (0511) 168-34000, www.herrenhausen.de