Kunst in Burgwedel – Kunst in Bewegung

Noch einmal Kunst in Burgwedel, diesmal Kunst in Bewegung (KIB). Vielleicht zum letzten Mal. Denn die OrganisatorInnen Maria Hausknecht, Karlheinz Schridde und Elke Seitz haben angekündigt, dass sie nicht mehr weitermachen möchten – zumindest nicht mehr so wie bisher. Es fehlt an finanzieller, organisatorischer und tatkräftiger Unterstützung – und auch ein bisschen an jungen KünstlerInnen, die ihre Arbeiten ausstellen. Es wäre schade um die Veranstaltung, die es seit 2006 gibt.

Martin Vietmeyer, Christine Jehne und Britt Buvrin-Wolff haben Kunst in Bewegung initiiert, in den ersten Jahren organisiert – und damit offenbar den Geschmack (nicht nur) der BurgwedelerInnen getroffen. In Scharen pilgerten Kunstinteressiert und Neugierige zu den Ausstellungsorten nicht nur in Großburgwedel selbst, sondern auch in den Burgwedel-Dörfern. An manchen Wochenenden war wirklich, so schien es, halb Burgwedel und Umgebung in Bewegung – viele zu Fuß oder mit dem Rad.

Der besondere Charme lag in den ersten Jahren darin, dass die Burgwedeler KünstlerInnen ihre Ateliers öffneten und ihre Arbeiten dort zeigten, wo sie entstanden. Als immer mehr KünstlerInnen aus der näheren und weiteren Umgebung Kunst in Bewegung entdeckten und mitmachten, verlagerte sich der Schwerpunkt von privaten auf „öffentliche“ Räume wie Volkshochschule, Rathaus, Kirchenkreisamt, Bücherei oder Schulen. Aber auch Restaurants, Anwaltskanzleien, kleine Läden oder Versicherungsagenturen verwandelten sich für ein Wochenende in Galerien. In den vergangenen drei Coronajahren stellten die KünstlerInnen dann zentral und unter freiem Himmel aus – unter anderem im Rathauspark und im Amtspark. In diesem Jahr fand Kunst in Bewegung wieder drinnen statt. Mehr als 30 KünstlerInnen und KunsthandwerkerInnen zeigten ihre Malerei, Fotografie Schmuckstücke und andere Kunstobjekte. Orange Plakate, Fahnen und Fahrräder weisen den Weg zu den zehn Ausstellungsorten.

Einige Orte und KünstlerInnen sind schon seit Jahren dabei: Elke Seitz beispielsweise, eine der Organisatorinnen von Kunst in Bewegung. Ein Besuch in dem versteckten Garten des Atelier Seitz ist für mich ein Muss, besonders beeindrucken mich immer wieder die Objekte aus zerbrochenen Spiegeln. Und ein bisschen fühle ich mich in Elke Seitz Garten wie Alice auf dem Weg ins Wunderland.

Auch die beiden anderen Künstlerinnen, die ihre Bilder an diesem Kunstort zeigen, sind „alte Bekannte“, die schon lange bei Kunst in Bewegung mitmachen: Heidrun Schlieker bannt mit schneller Pinselführung meist norddeutsche Landschaften ausdrucksstark auf die Leinwand. Ihre Skizzenbücher, die ich ganz besonders mag, hat sie diesmal leider nicht dabei.

Bei Christine Küppers gefallen mir vor allem die Frauenbilder, ebenso bei Maria Hausknecht, die ihre meist abstrakten Bilder im Foyer des Amtshof zeigt. Apropos Frauen – sie sind klar in der Mehrzahl, bei MalerInnen und Motiven, aber auch bei den Besucherinnen. Kunst ist, so scheint es, vorwiegend Frauensache, auch wenn sich das in den Medien leider nicht immer widerspiegelt.

Der große Veranstaltungsraum im Amtshof bietet Ausstelllungsfläche für fünf KünstlerInnen und genügend Platz für großformatige Bilder in ganz verschiedenen Techniken, Materialien und Stilrichtungen. Die Bandbreite reicht von eher realistischen Landschaften bis zu abstrakten Darstellungen.

Gleich nebenan entdecke ich in den Räumen der VHS zwei Künstlerinnen, die ich bislang nicht kannte: Bei Annette Böwe trifft Farbe auf Struktur. Ihre auf Leinwand mit Acrylfarbe und Spachteltechnik gestalteten abstrakten Bilder erinnern mich ein wenig an Christine Jehne, eine der Initiatorinnen von Kunst in Bewegung. Sehr farbenfroh sind auch Maike Remanes Bilder, die sich „zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit bewegen“.

In der ältesten Straße Großburgwedels, der immer noch kopfsteingepflasterten Heinrich-Wöhler-Straße, zeigt im ehemaligen Sternerestaurant Ole Deele eine der jüngsten TeilnehmerInnen ihre Arbeiten. Mich fasziniert, wie Kerstin Bäßmann die Motive auf das Wesentliche reduziert und mit wenigen (Tusche)Strichen aufs Papier bannt. Das möchte ich auch können! Im Hof Schirmer trifft Digitales auf Analoges. Silke Jüngst verarbeitet unbeachtete Dinge zu hochwertigem Schmuck – und ritzt Texte im Binärcode auf Kupferplatten oder druckt sie auf Karten. Im Großformat ist binary II im Alten Park in den Ästen eines Baums zu bewundern.  

Zum Schluss meiner Kunsttour durch Burgwedel kehre ich noch einmal zu den Anfängen zurück – Sabine Mazur-Lunze und Katja Blume haben wie früher ihre Häuser und Ateliers für Kunstinteressierte geöffnet. Sabine Mazur-Lunze präsentiert Fotokarten und Fotoleinwände mit Naturmotiven im eigenen Wohnzimmer.

Und Katja Blume erlaubte sogar Einblicke in ihr Atelier smune, in dem ihre Zeichnungen, Handletterings, Druckarbeiten und Bücher übers Handlettering und Zeichnen entstehen. Es wäre wirklich schade, wenn Blicke hinter die Kulissen und in die Werkstätten in Burgwedel künftig gar nicht mehr möglich wären.

Immerhin: Ersatzlos gestrichen wird Kunst in Bewegung vielleicht doch nicht. Organisator Karlheinz Schridde plant laut HAZ vom 22. August (Ausgabe Burgwedel/Isernhagen/Burgdorf) für 2024 eine Veranstaltung „Kunst in Begegnung“, bei der es „vor allem um den Austausch von Kunstschaffenden und Publikum gehen“ soll . Ich bin gespannt.

Kunst am Baum

Der Alte Park an der Thönser Straße in Großburgwedel ist gerade mal einen halben Hektar groß – klein für einen Park, aber recht ansehnlich für eine Galerie. In die verwandelt sich der kleine Park seit 2008 für ein paar Wochen am Ende des Sommers mit der Freiluftausstellung Parkomanie. Mit seinen Ausstellungen möchte der Veranstalter, der Kunstverein Burgwedel-Isernhagen, „dazu beitragen, Hemmschwellen abzubauen, indem sich die Kunst in den öffentlichen und frei zugänglichen Raum, also zum Menschen hin, begibt“, heißt es in der Ausschreibung (https://www.kunstverein-bwi.de/ausstellungen-veranstaltungen-kunstfahrten-2023/). Die Parkomanie sei „ein gezielter Beitrag, Kunst ohne Zwang zu erleben und ihr eine größere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit – und durch sie – zu ermöglichen“.

Rund um die Uhr können alle, die – absichtlich oder zufällig – im Park sind, die Werke anschauen. Sie hängen an oder stehen, passend zum Ausstellungsthema zwischenraum / space between, zwischen den alten Bäumen. Ich gehe gerne durch den Park – und manchmal nehme ich, bekennende Kunstbanausin, mir auch die Zeit, darüber nachzudenken oder auf den Begleittafeln nachzulesen, was die KünstlerInnen mir sagen wollen. Manches verstehe ich auch ohne Erklärung auf Anhieb, anderes erschließt sich mir erst auf den zweiten Blick oder gar nicht.

Wie achtlos weggeworfene Mülltüten sieht die Upcycling-Skulptur „Aufgeblasen“, aus. Die Berlinerin Pia Höhfeld will damit zum Nachdenken und zur Diskussion über Plastik- und anderen Müll anregen. „Der Müll, den wir weggeworfen haben, nimmt in meiner Kunst wieder Raum ein und konfrontiert uns mit unserem eigenen Konsumverhalten“, schreibt sie in ihrem Statement.

Wie ein Spinnennetz spannt sich der rote Faden von W. van Ravenhorst zwischen den Ästen eines Baumes, schafft Verbindungen, die aber nicht immer von Dauer sind. Schon in der ersten Woche hat sich das Netz sichtbar verändert.

Die Nachricht auf den hoch im Baum hängenden Tüchern kann ich nicht entschlüsseln. Denn sie besteht aus lauter Nullen und Einsen. „Es ist ein Songtext“, verrät Silke Jüngst, aber welcher es ist, bleibt ihr Geheimnis. „Digitale Nachricht auf analogem Material. Ungreifbare Datensätze auf haptischem Untergrund. Schwarz auf Weiß, Null und Eins. Der Text in Binärcode, obwohl direkt vor unseren Augen, bleibt verborgen und ist nur für Eingeweihte lesbar. Die analoge Welt hält mit der digitalen nicht mehr mit. Dazwischen Leerraum, Freiraum, Mut zur Lücke? Raum für neues Denken?“, schreibt die Künstlerin in ihrem Statement zu binary II. Der Gedanke fasziniert mich ebenso wie die Frage, ob Hanno Küblers Skulptur „Ohne Titel (großes Nest) ein künstliches Objekt oder ein wirkliches Nest ist. Dass „das Vogelnest zur Zeit wissenschaftlich untersucht (wird), um zu klären, um welche Vogelart es sich handelt und ob sie aufgrund des Klimawandels hier ansässig wird“, glaube ich allerdings nicht. Aber wer weiß es schon?

Meine Lieblingsskulptur steht direkt am Eingang des Alten Parks. Was „Into the Spaceless“ des Wilhelmshavener Künstlers Weibach2 mir sagen will, bleibt mir trotz der Erläuterungen unverständlich – aber ich muss ja nicht alles verstehen. Die Skulptur, die von allen Seiten anders aussieht, gefällt mir einfach. Und das genügt mir als bekennende Kunstbanausin.

Mehr Informationen

kunstverein burgwedel-isernhagen artclub e.v.

https://www.kunstverein-bwi.de/

Quer durchs Land

Vor gut einem Monat sind wir von unserer Wohnmobiltour durch die Toskana zurückgekommen. Seitdem reise ich – viel umweltfreundlicher und auch preiswerter – mit dem 49-Euro-Ticket durchs Land.

Dass es das lang angekündigte Ticket nur als Abo gibt, stört mich nicht. Ein bisschen Verbindlichkeit – und Planungssicherheit für die Verkehrsbetriebe – darf’s für mich durchaus sein. Schwerer tue ich mich damit, dass es die Fahrkarte nur als digitale Version gibt. Ich gehöre nämlich zu denen, die gerne etwas in der Hand haben – schließlich habe ich früher mal gelernt, dass ich getrost nach Hause tragen kann, was ich schwarz auf weiß besitze. Und ich frage mich, warum das, was bei Fahrkarten und Bahnkarten problemlos funktioniert, nicht auch beim Deutschlandticket möglich sein soll. Aber was nicht ist, ist nicht. Und so gewöhne ich mich notgedrungen daran, statt meiner Fahrkarte mein Smartphone zu zeigen, wenn ich kontrolliert werde.

Wie oft ich das Ticket im Mai genutzt habe, kann ich nicht genau sagen. Aber ich war ziemlich viel unterwegs. Für meine Fahrten nach Hannover, zum Künstlerhof in Mehrum oder in die Nachbarorte hätte auch das preiswertere Seniorenticket für die Region Hannover ausgereicht. Aber die Mehrkosten für das 49-Euro-Ticket haben sich allein durch die die beiden Fahrten in den Harz zu meiner Kollegin Foe amortisiert.

Die Kosten sind ohnehin nur ein Aspekt. Mindestens ebenso wichtig – oder noch wichtiger – ist für mich die neu gewonnene „Bewegungsfreiheit“. Ohne das Ticket wären wir sicher nicht spontan an einem Samstagvormittag nach Lüneburg gefahren.

Und wahrscheinlich hätte ich mich bei der Suche nach einem „zeitnahen“ Termin bei einem Facharzt auf die ÄrztInnen der Region beschränkt. So habe ich in ganz Niedersachsen nach einem Radiologen gesucht – und ihn in Goslar gefunden. Und ganz nebenbei habe ich auf dem Weg zu der Praxis auch den Romanischen Garten entdeckt.

Bei meinem nächsten Abstecher in den Harz werde ich nicht auf direktem Weg nach Bad Harzburg fahren, sondern über Bad Gandersheim. Dort möchte ich nicht nur die Landesgartenschau besuchen, sondern auch auf den Spuren von Roswitha von Gandersheim wandeln. Sie gilt als erste deutsche Dichterin und hat um 950 in ihrem Epos: „Das Gedicht von dem Gandersheimischen Klosters“ über die Anfänge des Stifts und der Stiftskirche Gandersheim geschrieben.

Bis jetzt bin ich nur durch Niedersachsen gereist, aber die ersten Fahrten quer durchs Land sind geplant. So stehen Hamburg, Lübeck, Leipzig und Potsdam auf meiner Liste. Außerdem möchte ich endlich meine Museumstour durch Süddeutschland starten. Denn ich liebäugle schon lange mit dem Museums-PASS-Musées. Mit diesem Pass kann ich für 119 Euro ein Jahr lang mehr als 300 Museen, Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Frankreich und der Schweiz besichtigen (https://www.museumspass.com/de) . Wenn ich meine Freundin in Süddeutschland besuche, sind viele Museumsorte mit Öffis gut zu erreichen. Es gibt also viel zu entdecken …

In Florenz

Als der französische Schriftsteller Marie-Henry Beyle, besser bekannt unter dem Namen Stendhal, 1817 Florenz besuchte, war er überwältigt: „Ich befand mich bei dem Gedanken, in Florenz zu sein, und durch die Nähe der großen Männer, deren Gräber ich eben gesehen hatte, in einer Art Ekstase“, schrieb er in seinem Buch „Reise in Italien“. „Als ich Santa Croce verließ, hatte ich starkes Herzklopfen; in Berlin nennt man das einen Nervenanfall; ich war bis zum Äußersten erschöpft und fürchtete umzufallen.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Stendhal-Syndrom).

So wie Stendahl geht es immer wieder TouristInnen, die die Stadt besuchen, die zu Zeiten der Medici das Macht- und Kunstzentrum war und als „Wiege der Renaissance“ gilt. Sie bekommen Herzrasen, Bauchschmerzen oder Panikattacken, manche fallen sogar in Ohnmacht (https://www.gesund-vital.de/stendhal-syndrom/) – alles Symptome des  sogenannten Stendhal-Syndroms, das wohl erstmals Ende der 70er-Jahre von der italienischen Psychologin Graziella Magherini beschrieben und nach dem französischen Schriftsteller benannt wurde. Betroffen sind vor allem junge, unverheiratete, alleinreisende Frauen aus Nordeuropa und den USA.

Bei mir, nicht zur besonders gefährdeten Gruppe gehörend und zudem bekennender Kunstbanause, löste Florenz keine psychosomatischen Symptome aus. Unbehagen bereitete mir auf der Fahrt nach Florenz lediglich die Frage, welche der unzähligen Museen ich besuchen, welche Kunstwerke ich mir anschauen sollte. Weil sich unsere Reise verschoben hatte, erledigten sich die Überlegungen dann von selbst. Kombi-Tickets zu buchen, war so kurzfristig nicht mehr möglich. Und als ich die Schlangen vorangemeldeter! BesucherInnen vor den Uffizien, der Galleria dell’Academia oder dem Dom sah, war mir klar, dass ich die kurze Zeit in Florenz nicht damit verbringen wollte, mit hunderten anderer Menschen auf Einlass zu warten und dann im Pulk an Kunstwerken vorbeizudefilieren.

Ich beschränkte mich also darauf, durch die historische Innenstadt zu spazieren, die eigentlich ein großes Freiluftmuseum ist und 1982 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Ich ließ mich treiben, schlenderte durch die Gassen und über die Plätze, die wohl schon zu Zeiten Dantes, Michelangelos und Galileo Galileis ähnlich ausgesehen haben. Palazzo Vecchio, Galleria Degli Uffizi, Palazzo Pitti, Dom und die meisten anderen Sehenswürdigkeiten, deren Besichtigung für kunst- und kulturinteressierte Menschen eigentlich ein Muss ist, konnte ich nur von außen bewundern. Und auch Michelangelos David habe ich nicht im Original, sondern nur als Kopie gesehen – auf der Piazza della Signoria und, etwas weniger umlagert, weil früher am Morgen und etwas außerhalb des Stadtzentrums gelegen, auf dem Piazzale Michelangelo.

Ich war, ich gestehe es, nur in einem einzigen Museum, im Museum Dante, für das sich außer mir kaum jemand interessierte, obwohl es in der Innenstadt liegt. Auch die Basilica Santa Croce mit den Grabmälern von Machiavelli, Michelangelo, Galileo Galilei und Gioachino Rossini und Gedenkstätten für andere berühmte Italiener habe ich besichtigt.

Ja, ich war beeindruckt, aber spätestens in der unter anderem mit Fresken von Giotto prächtig ausgestatteten Kirche wurde mir klar, dass meine Entscheidung gegen die Besichtigungstour durch Kirchen und Museen richtig war: Ich bin kein Fan der Renaissance-Kunst, ich mag sie, so genial sie auch sein mag, nur wohldosiert, in Maßen. 50 Säle mit mehr als tausend Renaissancekunstwerken in den Uffizien wären einfach zu viel (des Guten) gewesen. Und wenn auch (manche) ExpertInnen die Werke von Michelangelo, da Vinci, Tiziano, Boticelli, Tintoretto, Cranach und Co für die einzig (wahre) Kunst halten, bevorzuge ich modernere Bilder und Skulpturen. Deshalb bedaure ich es im Nachhinein ein bisschen, dass ich nicht im Museo Novecento, dem Museum italienische Kunst des 20. Jahrhunderts, war. Aber aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben.

Gefallen haben mir die Blicke in die vielen kleinen Ateliers, Galerien und Ausstellungen abseits der vielbesuchten Gassen und Plätze …

… und natürlich die beiden Gärten, die ich auf dem Weg ins und aus dem Zentrum entdeckt habe: den Giardino delle Roses unterhalb der Piazzale Michelangelo und den bekannteren Giardino Bardini, der damit wirbt, der Garten mit dem schönsten Blick auf Florenz zu sein.

Der Blick vom Giardino Bardini auf Florenz ist wirklich traumhaft. Und im Giardino delle Roses fand ich neben dem Blick auf Florenz die Mischung aus Pflanzen und Skulpturen des belgischen Bildhauers Folon toll. Leider blühten von den 400 Rosensorten, die es im Giardino delle Roses geben soll, erst wenige. Ein paar Wochen später ist es hier sicher noch schöner, aber gewiss auch nicht mehr so ruhig. Ich war an jenem Morgen die einzige Besucherin im Garten.

Die schönsten Orte waren für mich die, wo ich die Stadt von außen betrachten konnte. „Zu viel Prunk, zu viel Kultur – und vor allem: zu viele Menschen“, habe ich in meinem Art Journal notiert. Und obwohl man diversen Reiseführern zufolge mindestens drei Tage nur für die wichtigsten Sehenswürdigkeiten braucht, sind wir schon nach zwei Tagen weitergefahren, an ebenso schöne, aber etwas ruhigere Orte. Florenz mag vielleicht die Wiege der Renaissance und eine der schönsten Städte der Welt sein; meine Stadt ist es nicht – und leben könnte ich dort gewiss nicht.

Italienische Reise, Teil I

Wir sind wieder da. Zurück aus Italien, genau drei Wochen, nachdem wir – später als eigentlich geplant – losgefahren sind. Und auch die Tourplanung hat sich unterwegs geändert. Ich habe Venedig von der Liste der Etappenziele gestrichen. Nicht nur, weil wir nach drei Wochen wieder zu Hause sein mussten. Sondern auch, weil mir in Florenz klar wurde, dass ich die Stadt nur richtig genießen kann, wenn ich dort übernachte und sie besichtigen kann, bevor morgens Tausende Touristen von außen hineinströmen und nachdem sie abends wieder verschwinden. Aber das ist ja der Vorteil vom Reisen mit dem Wohnmobil: Man muss, zumindest wenn man wie wir nicht in der Hauptsaison verreist, nichts lange im voraus buchen. Man kann an einem Ort länger bleiben oder eben auch früher wieder abreisen. Oder eben (vorerst) gar nicht hinfahren.

Fast 3.200 Kilometer sind wir in drei Wochen gefahren, die meisten – jeweils rund 500 Kilometer – an den insgesamt vier An- und Abreisetagen nach Italien und wieder zurück nach Deutschland. Die meisten Etappen unserer Rundreise durch die Toskana waren vergleichsweise kurz: Neben Florenz standen Lucca, Pisa, Siena, Arezzo und Pieve Santo Stefano auf meinem Programm. Am Anfang und zwischendurch gab‘s auch ein paar „Erholungstage“ am Wasser: Auf der Hinfahrt waren wir drei Tage am Gardasee, zwischendrin drei Tage am Meer, in Vada, einem kleinen Ort bei Livorno an der Maremma-Küste. 

Beim Reisen mit dem Wohnmobil entdeckt frau manche Orte, die sie sonst nie kennenlernen würde. Greding zum Beispiel, das mein Mann eigentlich nur wegen des Stellplatzes direkt an der Autobahn ausgesucht hatte. Wie hübsch der Ort ist, habe ich erst auf der Rückfahrt entdeckt. Laut Wikipedia gibt es in der mittelfränkischen Stadt 154 Baudenkmäler (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Greding#Stadtbefestigung), zum Beispiel die noch fast vollständig erhaltene ehemalige Stadtmauer mit zahlreichen kleinen Wehrtürmen. Oder den Marktplatz mit dem Rathaus und vielen anderen gut restaurierten Gebäuden aus dem 17. bis 19. Jahrhundert.

Auch in Vada sind wir wegen des Campingplatzes gelandet. Der liegt nämlich – anders als viele andere Campingplätze in der Gegend – direkt am Meer. Und für unser Wohnmobil gab es einen Platz in der ersten Reihe, nur durch eine Düne vom Strand getrennt. Der Strand mit dem sehr hellen Sand gilt als einer der schönsten in der Toskana und soll aussehen wie die Strände in der Karibik – was ich nicht bestätigen kann, weil ich noch nie in der Karibik war.

Dass die Abwässer einer Sodafabrik, die früher wohl auch Schwermetalle wie Quecksilber und Arsen enthalten haben, den Sand ausgebleicht haben sollen, wusste ich nicht. (https://www.reisereporter.de/reiseziele/europa/italien/toskana/italien-weisser-traumstrand-in-vada-industrieabfall-ist-schuld-Z5CEJ2PA7WJLZ33264IV4FEOT4.html). Angeblich soll der abgelassene Schlamm jetzt unbedenklich sein. Doch im Nachhinein bin ich froh, dass ich nicht im Meer gebadet habe, sondern nur durch das Wasser gewatet bin. Meine Füße werden es wohl verkraften. Die vielen Kiter und Windsurfer, die stundenlang übers Wasser jagten und auch manches Mal hineinfielen, scheinen sich über die Wasserqualität keine Gedanken zu machen – oder sie sind genauso ahnungslos, wie ich es war, bevor ich diesen Blogbeitrag geschrieben habe.

Gefährlich bleich – der weiße Strand bei Vada?

Im Gardasee sollen die „nach strengen Richtlinien der EU untersuchten Wasserproben … auch in diesem Jahr eine hervorragende Qualität“ aufweisen (https://www.gardasee.de/news/wasserqualitaet). Aber obwohl es südlich der Alpen schon frühlingshaft warm war, habe ich mich – zugegebenerweise – auch hier mit dem Blick aufs Wasser begnügt: bei Spaziergängen am Seeufer zwischen Bardolino und Garda, bei meiner ersten Fahrt mit einem Riesenrad oder auch beim Yoga auf dem Steg.

In den nächsten Tagen folgen weitere Beiträge und Fotos von unserer italienischen Reise.

Thema verfehlt?

Ich fürchte, ich bin ein ziemlich langweiliger, fantasieloser Mensch. Das ist mir wieder einmal bewusst geworden, als ich vergangene Woche die Fastenmail von Frank Muchlinsky gelesen habe. „Tun Sie etwas Unvernünftiges!“, lautete die Wochenaufgabe. Ich habe lange nachgedacht, was ich tun könnte und wollte, und ich muss gestehen, dass mir dazu nicht viel – um nicht zu sagen nichts Vernünftiges – eingefallen ist.

Einfach spontan irgendwohin fahren, war mein erster und nicht sonderlich origineller Gedanke. Doch das kam nicht infrage. Denn während mein Mann in Schweden Nordlichtern nachjagte, habe ich das Haus und danach die Katze von Bekannten gehütet. Und außerdem waren da noch zwei Aufträge, die ich – pflichtbewusst wie ich bin – pünktlich abarbeiten wollte. Um einen Bungeesprung zu buchen, bin ich zu feige, um nackt im nächsten See zu baden, ist es mir einfach zu kalt. Bei besserem Wetter gerne – aber nicht, wenn es so regnerisch, grau und trist ist wie zurzeit.

Vielleicht kam mir wegen des schlechten Wetters das Holifest in den Sinn. Das aus der hinduistischen Überlieferung stammende Frühlingsfest wird in Indien traditionell am ersten Vollmondtag des Monats Phalgun, dem 12. hinduistischen Kalendermonat, gefeiert. Bei diesem Fest besprengen und bestreuen sich die Menschen gegenseitig mit gefärbtem Wasser und gefärbtem Puder, dem Gulal.

Das indische Frühlingsfest war in diesem Jahr schon am 8. März, die westlichen Epigonen, die „Holi Festivals of Colours“ mit viel Musik, dafür aber ohne religiösen Hintergrund, finden erst im Sommer in verschiedenen deutschen Städten statt. Ich werde mir sicher kein Ticket kaufen. Denn ich mag weder Menschenmassen noch Elektro, Minimal und House, also die Musik, die im August beim Festival in Hildesheim gespielt wird.

Aber die Idee, die Welt und das Leben etwas bunter zu machen, gefällt mir. Und so habe ich statt mich selbst mit Farbe zu bemalen, eine Buddha-Statue gefärbt. Mit den neuen Farben erinnert mich die Statue ein wenig an die Grüne Tara oder Shyama-Tara (wörtlich: „grüne Befreierin“). Sie ist laut Wikipedia „ein weiblicher, friedvoller Buddha und Bodhisattva des tibetischen Buddhismus“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Grüne_Tara) und wird „verehrt wie kaum ein anderer Bodhisattva“.

Die Grüne Tara soll vor acht Arten der Angst und vor Gefahren schützen, die Weisheit vermehren, zur Erleuchtung führen und Wünsche – auch weltliche – besonders schnell erfüllen. Diese Bereitschaft wird „durch ihre zum Aufstehen bereite Sitzhaltung symbolisiert“. Letzteres passt gut, zu mir: immer auf dem Sprung, allzeit bereit, das zu tun, was man von mir erwartet. Aber es ist ja angeblich nie zu spät, Dinge zu ändern

Meinen Buddha stören meine Farbspiele nicht: Er sitzt und lächelt, ruht in sich – und passt wirklich gut zum Motto der Fastenwoche: Sieben Wochen unverzagt.

PS 1: Allen, die sich wie ich nicht wirklich gut mit Buddhismus auskennen, sei’s gesagt. Als Bodhisattva (sanskrit, der das Wesen der Erleuchtung hat) wird laut Metzler Lexikon Philosophie „ein auf dem Heilsweg Fortgeschrittener bezeichnet, der aus Mitleid (karuṇā) mit den Lebewesen auf die endgültige Buddhaschaft – das Eingehen in das Nirvāṇa – verzichtet, bis er auch ihnen Erlösung verschafft hat“ (https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/bodhisattva/340).

PS 2: Die Wochenaufgabe habe ich zugegebenerweise nicht wirklich erfüllt, das Thema ist wohl verfehlt. Aber ich habe einen Blogbeitrag geschrieben, mehr Farbe in mein Leben gebracht und eine neue Figur. Manchmal muss frau ihre Prioritäten einfach anders setzen und das tun, was ihr in den Sinn kommt – und was ihr gefällt.

Kultur pur

So viel geballte Kultur in einer Woche gönne ich mir selten bis nie: am Mittwoch Kino im Amtshof in Burgwedel, am Samstagabend Mittwochstheater in Hannover-Linden und dazwischen drei Ausstellungen in drei verschiedenen Museen.

Zufall oder nicht: Sowohl der Film, den ich am Mittwoch gesehen habe, als auch das Theaterstück am Samstagabend spielen in Frankreich: „Das Beste kommt noch“ erzählt die Geschichte von zwei sehr ungleichen Freunden. Als einer unheilbar an Krebs erkrankt, möchten die beiden möglichst viel der noch verbleibenden Zeit miteinander verbringen. Sie reisen zusammen in die Vergangenheit und tun, mehr um dem anderen einen Gefallen zu tun als aus Überzeugung, auch Dinge, vor denen sie sich bislang gedrückt haben. Und weil der Kranke meint, nicht er, sondern sein Freund sei todkrank, kommt es zu einigen Missverständnissen.

„Alles was sie wollen“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière habe ich mir mit einer Schreibfreundin angesehen. Im Mittelpunkt des Stücks steht die berühmte Schriftstellerin Lucie Arnaud, die kurz vor der Premiere ihres neuen Theaterstücks noch kein einziges Wort geschrieben hat.

Schreibblockaden kenne ich, im Mittwochstheater war ich bislang noch nie. Aber mein erster Besuch war sicher nicht mein letzter. Denn die Atmosphäre in dem alten Haus auf dem Lindener Berg gefällt mir: Es erinnert mich ein bisschen an das Unterhaus in Mainz, in dem ich als Studentin – also vor fast 100 Jahren – öfter gewesen bin. Und vielleicht sind die beiden Abstecher nach Frankreich ein Zeichen, dass ich meine Französischkenntnisse aus Realschulzeiten wieder aufbessern sollte. Eine Vokabelbox „Französisch Grundwortschatz“ habe ich letztens vor der Altpapiersammlung gerettet.

Vor der Vorstellung habe ich mir die Doppelausstellung des britischen Malers und Bildhauers Glenn Brown im Landes- und im Sprengel Museum angesehen. Es ist im Übrigen die erste gemeinsame Ausstellung der beiden Museen, die fast direkte Nachbarn sind.

Für die Dauer der Ausstellung – also bis zum 18. Juni – hat Glenn Brown die Kunstsammlungen beider Häuser um 50 eigene Werke erweitert. Die meisten seiner Bilder und Skulpturen wurden bewusst zwischen denen anderer Maler und Bildhauer platziert. Denn Glenn Brown ist, so heißt es in der Pressemitteilung, „bekannt für die Verwendung von kunsthistorischen Referenzen in seinen Gemälden“. Und in einem Interview sagte der Künstler: „Mein Gehirn wurde von anderen Künstlern geformt, sie leben alle in mir. Und ich bin untrennbar mit der Kunstgeschichte verbunden. Alles gehört zusammen.“ Nachzulesen im Ausstellungskatalog.

Ich kannte Glenn Brown und seine Werke bislang nicht – und er wird wohl auch nicht mein Lieblingsmaler. Aber seine Technik und seine Farben haben mich beeindruckt, er erzeugt „in altmeisterlicher Manier mit dünnen, wirbelnden Pinselstrichen … eine fast fotografisch anmutende Oberfläche“. Mein Lieblingswerk ist allerdings kein Bild, sondern eine Skulptur, deren Titel ich mir leider nicht gemerkt habe. Aber da ich ja eine Museumscard habe, werde ich „the real thing“ sicher noch ein zweites Mal besuchen, so wie ich auch ein zweites Mal „Nach Italien“ (https://timetoflyblog.com/nach-italien) gegangen bin. Die Ausstellung, die zur Reise in den Süden einlädt, wurde nämlich bis August verlängert.

Die erste Ausstellung, die ich in der vergangenen Woche besucht habe, war ebenfalls eine Doppelausstellung. Im Museum für Karikatur und Zeichenkunst Wilhelm Busch sind zwei Ausstellungen von insgesamt drei Zeichnern zu sehen. Alles erlaubt“ heißt der Titel des Ausstellungsparts von Achim Greser und Heribert Lenz, die gemeinsam Karikaturen für große deutsche Zeitungen zeichnen.Seit ihrer Zeit bei der Titanic haben Greser & Lenz nach und nach einen gemeinsamen Zeichenstil entwickelt, der inzwischen kaum mehr Rückschlüsse erlaubt, welche Zeichnung von welchem der beiden Zeichner stammt“, ist in der Pressemitteilung des Museums zu lesen. Mir gefallen die Karikaturen sehr gut, spannend finde ich aber auch die ausgestellten Leserbriefe, die zeigen, „welchen Anfeindungen Karikaturist*innen auch in unserer vermeintlich offenen Gesellschaft mitunter ausgesetzt sind“.

Mit den Bildern von Günter Mattei tue ich mich schwerer. Vor allem mit den Tierbildern, ein Schwerpunkt seines Ausstellungsteils „Kommst du“, kann ich wenig anfangen. Aber die Geschmäcker sind eben verschieden, bekanntlich ist ja – um bei Tierbildern zu bleiben – „Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall“.

Gelohnt hat sich der Besuch im Wilhelm Busch Museum trotzdem. Und auch die Ausstellung werde ich mir sicher noch ein zweites Mal ansehen.

Ein(e) Art Journal

Mit guten Vorsätzen ist das so eine Sache. Manchmal muss man sie brechen. Oder besser gesagt: abändern. So habe ich mir trotz meines Vorsatzes, bis Ostern konsumzufasten, drei Bücher gekauft.

Nun ist fraglich, ob Bücher überhaupt unter meinen freiwilligen Konsumverzicht fallen. Denn ein Leben ohne Bücher geht für mich gar nicht. Sie sind für mich eine Art Lebensmittel, auf jeden Fall aber Dinge des täglichen Bedarfs – die ich kaufen darf. Außerdem hatte ich gute Gründe, Ausnahmen zu machen: Ein Buch brauchte ich für einen Blogbeitrag, das zweite ist beim Verlag vergriffen, in den Bibliotheken in Hannover nicht vorhanden – und im modernen Antiquariat wurde nur noch ein einziges Exemplar angeboten. Das Risiko, dass ich das Buch nach Ostern gar nicht mehr bekomme oder nur zu einem wesentlich höheren Preis, wollte ich nicht eingehen.

Zum Kauf von Buch Nummer drei, einem Skizzenbuch, hat mich ein Instagram-Beitrag einer Schreibfreundin inspiriert. Sie schrieb, dass sie jetzt ein Art Journal führt (https://www.instagram.com/p/Cpo4pSgN_c0/). Das wollte ich auch schon lange, hatte es bislang aber immer wieder aufgeschoben, weil ich kein Talent zum Zeichnen und Malen habe. Stifte und Farben habe ich mir im Laufe der Jahre viele gekauft. Doch irgendwie fehlte mir der Mut, anzufangen.

Da ich so lange gezögert hatte, hätte ich natürlich auch noch ein paar Wochen warten können. Aber mir kam ein Zitat von Elke Heidenreich in den Sinn, das ich vor Jahren einmal gelesen und nie mehr vergessen habe. „Zu lange aufgeschobene Wünsche brennen nicht mehr, zu tief weggepackte Träume sind von den Motten zerfressen.“ Und vom römische Kaiser Marc Aurel stammt der Satz „Man bereut nie, was man getan, sondern immer, was man nicht getan hat.“

Außerdem erfuhr ich kurz nachdem ich frau_landaus alias Tina Kolbecks (https://tinakolbeck.de/) Instagram-Beitrag gelesen hatte, dass ein Bekannter plötzlich gestorben ist. Er war jünger als ich und kerngesund. Das gibt frau schon zu denken, wie viel Zeit noch bleibt. Als dann noch ein Kollege ein Treffen erst absagte, als ich schon auf dem Bahnhof und auf dem Weg in die Stadt war, war es für mich ein Zeichen: Ich habe die gewonnene Zeit für einen Besuch in einem Kunstladen genutzt.

Mein neues Skizzenbuch soll mehr Farbe in mein Leben und meine Aufzeichnungen bringen. Ich will in meinem kreativen Tagebuch Zeichnungen und Skizzen, Fotos und Bilder, Texte – eigene und fremde – kombinieren. Ich will mit Farben und mit Worten spielen. Wie es mir gefällt. Den Anspruch, Kunst zu machen, habe ich nicht, es wird also kein Art Journal, sondern eher ein(e) Art Journal.

Sehnsucht nach Meer

Noch ein Neues …

Gestern ist mein neues Notizbuch gekommen. „Noch eins“, sagen wahrscheinlich manche, die meine Vorliebe – oder soll ich sagen Schwäche – für gutes Papier und schöne Schreibhefte kennen. Und sie haben natürlich irgendwie recht. Denn in meinen Regalen stehen zahlreiche Kladden und Spiralhefte, leere, vollgeschriebene, vor allem aber viele angefangene. Aber obwohl ich schon manches ausprobiert habe, bin immer noch auf der Suche nach dem idealen Notizbuch. Das neue (Ring)Buch soll mir helfen, Ordnung in mein Notiz-Chaos zu bringen – und die leeren Seiten in den angefangenen Büchern zu nutzen.

Stapelweise angefangene Notizbücher

Die lose Zettelwirtschaft habe ich ebenso wie Notizen auf Karteikarten schon lange aufgegeben. Wenn ich aber meine Einfälle zu verschiedenen Projekten in einem Heft notiere, verliere ich schnell den Überblick. Denn ich schaffe es nur selten – oder besser gesagt nie – meine handschriftlichen Notizen regelmäßig zu bearbeiten oder zumindest im entsprechenden Ordner auf meinem Computer abzuspeichern. So manche gute Idee gerät dadurch in Vergessenheit – bis ich sie irgendwann, manchmal erst nach Abschluss des Projekts, per Zufall wiederentdecke. Nach anderen Formulierungen oder Notizen suche ich stunden- oder tagelang – manchmal vergebens.

Mit einem größeren Projekt beginne ich meist ein neues Notizbuch. Ist das Projekt dann im besten Fall beendet oder ich breche es unvollendet ab, bleiben in der Kladde oder im Spiralheft meist einige oder sogar viele Seiten leer. Sie werde ich künftig heraustrennen, lochen und in meinem neuen Notizbuch nach Projekten geordnet abheften. So bekommen zum Beispiel die noch unbeschriebenen Seiten aus dem wunderschönen Spiralheft, das ich mir vor Jahren im Dali-Museum in Figueres gekauft haben, ein neues Leben. Und das Cover werde ich mir, sobald das Spiralheft leer ist, an die Wand hängen. Denn „The Galatea of the Spheres“ ist eines meiner Lieblingsbilder von Salvador Dalí. Es zeigt Dalís Frau und Muse Gala, aus zahlreichen Kugeln zusammengesetzt.

Auch den Inhalt meines neuen Notizbuchs kann ich nach Belieben zusammenstellen, Blätter können in dem Ringbuch nach Bedarf ergänzt, verschoben und entfernt werden. Das Buch besteht laut Hersteller aus „veganem Leder“, nämlich aus SnapPap (http://www.vabelli.de/traveler-journals/). Das ist ein waschbares Papier in Lederoptik, das aus Zellulose und Latex hergestellt wird. Es enthält kein PVC, BPA oder Pentachlorphenol, soll nicht gesundheits- oder umweltschädlich, dafür aber reiß-, abriebfest und unempfindlich sein. Gepflegt werden muss mein neues, handgemachtes Notizbuch nach Herstellerangaben „eigentlich nicht“. Flecken können „vorsichtig mit einem feuchten Tuch“ entfernt werden“. Auch waschen und bügeln könnte ich es „theoretisch“ – allerdings nicht in der Waschmaschine, doch das habe ich ohnehin nicht vor.

Das Ringbuch muss allerdings einiges aushalten. Denn weil mir, wie vielen schreibenden Menschen, die besten Ideen oder Formulierungen eben nicht einfallen, wenn ich am Schreibtisch sitze, sondern irgendwann beim Einkaufen, beim Wandern oder im Cafe, in der Badewanne oder im Bett, habe ich mein Notizheft eigentlich immer dabei. Und unterwegs ist es in meinen Taschen manchem Stoß ausgesetzt und wird nicht immer pfleglich behandelt.

Veganes Leder rechts neu – und echtes Leder – mit Patina

Tagebuch, Kalender und Bulletjournal verkraften – geschützt durch einen  Lederumschlag – die Dauerbeanspruchung, der sie ausgesetzt sind, gut. Das Leder wird mit Zeit und Patina eigentlich immer schöner. Auch der Ordner aus SnaPap soll „durch die Benutzung eine lederähnliche Struktur“ bekommen, schreibt die Herstellerin. Ich bin gespannt.

Ilon Wikland: Eine lange Reise

Zurück in die Kindheit – oder in die Welt der Kinderbücher. Im Museum Wilhelm Busch habe ich noch einmal die Ausstellung „Von Haapsalu bis Bullerbü“ besucht, in der Bilder von Ilon Wikland gezeigt wurden. Bei meinem ersten Besuch vor einem Monat war es voll, zu voll, um sich die Zeichnungen in Ruhe anzusehen. Jetzt, kurz vor dem Ende der Ausstellung, war sie immer noch – oder wieder – ziemlich gut besucht.

Das Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover, kurz Museum Wilhelm Busch

Kein Wunder – Ilon Wiklands Bilder kennen die meisten Kinder und viele Erwachsene. Denn sie hat außer „Michel aus Lönneberga“ und „Pippi Langstrumpf“ alle Kinderbücher von Astrid Lindgren, aber auch Bücher anderer AutorInnen illustriert.

Ich habe die Bücher von Astrid Lindgren erst spät entdeckt, die Illustrationen von Ilon Wikland sogar erst, als ich meiner Tochter die Bücher von Astrid Lindgren gekauft und vorgelesen habe. Als Kind habe ich nur „Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker“ gelesen, eine Detektivgeschichte, die ich nicht sonderlich spannend fand.

Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgrens wohl bekanntestes Buch, habe ich, wenn ich mich recht erinnere, erst Anfang der 70er-Jahre kennengelernt, als die Geschichten mit Inger Nilsson verfilmt wurden. Denn bei uns im Dorf gab es keinen Buchladen – und die kirchliche Leihbücherei war meist geschlossen. Pippi Langstrumpf habe ich dort ohnehin nicht gesehen, obwohl ich in der Bücherei geholfen habe. Die Geschichte eines selbstbewussten Mädchens, das alleine lebt, sich von Erwachsenen nichts vorschreiben lässt und sich die Welt macht, wie es ihm gefällt, in den Augen der für die Bibliothek und unser Seelenheil Verantwortlichen – und auch für meine Eltern – wohl keine geeignete Lektüre. Für „Die Kinder von Bullerbü“ konnte ich mich nie begeistern. Irgendwie war mir das im Buch geschilderte Dorf- und Familienleben viel zu idyllisch und mit meinen eigenen Erfahrungen nicht kompatibel.

Auch viele Zeichnungen von Ilon Wikland sind bunt und fröhlich, zeigen eine idyllische, heile Welt, wie man es (damals) in Kinderbüchern erwartete. Spielende, tobende Kinder oder Tischszenen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bücher und das Werk der Illustratorin. Aber immer wieder tauchen auch Kinder auf, die einsam und allein am Fenster, an der Tür oder wie auf dem Titel des autobiografischen Buchs einsam auf dem Bahnsteig stehen.

Traurig und tröstlich zugleich ist die Geschichte der „Brüder Löwenherz“. Ich habe sie vor zwei Jahren wiederentdeckt und wieder gelesen, als kurz nacheinander ein Freund und eine Freundin starben.

Meiner Tochter habe ich am liebsten die Geschichten von Lotta aus der Krachmacherstraße vorgelesen. Und als meine Enkelin neulich bei uns zu Besuch war, haben wir uns gemeinsam die alten Lotta-Filme angesehen und dann verschiedene Astrid-Lindgren-Bücher gelesen, die ich immer noch aufbewahre und in die ich immer wieder gerne hineinschaue.

Foto aus der Ausstellung. Die Rechte an den Zeichnungen liegen bei Ilon Wikland.

Dass Ilon Wikland ein Buch über ihre Kindheit in Estland und ihre Flucht nach Schweden gezeichnet hat, habe ich erst in der Ausstellung erfahren. Die Illustratorin, 1930 in Estland geboren, lebte nach der Trennung der Eltern bei ihren Großeltern in Haapsalu. Aus Furcht vor den Deportationen der Roten Armee schickte die Großmutter ihre erst 14 Jahre alte Enkelin 1944 allein nach Schweden. Dort wurde sie von einer Tante aufgenommen, besuchte die Schule und studierte anschließend an der Kunstakademie in Stockholm und in London. Seit den 1950er-Jahren arbeitete Ilon Wikland als Grafikerin für verschiedene Verlage und wurde von Astrid Lindgren entdeckt, die sie mit Probe-Illustrationen zu ihrem Kinderbuch „Mio, mein Mio“ beauftragte.

Inzwischen ist Ilon Wikland über 90 Jahre alt. Ihre Erlebnisse in der Kindheit in Estland, auf der Flucht nach und im Exil in Schweden hat sie in dem Buch „Die lange, lange Reise“ thematisiert und verarbeitet. Es ist laut Pressemitteilung des Wilhelm Busch Museums, „das einzige von ihr illustrierte Buch, bei dem es erst die Bilder und dann den Text gab“. Den Text dazu hat Rose Lagercrantz geschrieben.

Ich würde die Geschichte gerne lesen, denn die Zeichnungen in der Ausstellung haben mich wirklich beeindruckt. Doch leider ist das Buch derzeit vergriffen. Aber vielleicht findet sich ja ein Verlag, der es neu auflegt. Denn die Themen Panzer, Krieg, Flucht und Exil sind ja zurzeit leider aktueller denn je.