Kunst am See

Zugegeben, der Würmsee ist kein wirklicher See, eher ein Teich oder auch nur ein flacher Tümpel. Früher war er angeblich so tief, dass  die Kinder darin schwimmen lernen konnten. Das hat mir zumindest ein Paar erzählt, das aus der Gegend stammt und das ich gestern zufällig am See getroffen habe. Ich erinnere mich daran, dass es in den ersten Jahren, als ich hier war, noch einen Tretbootverleih gab und dass wir im Winter auf dem See Schlittschuh gelaufen sind. Ich habe das Eislaufen hier erst gelernt.

Entstanden ist der Würmsee durch den Torfabbau und weil er – anders als die Moorseen in der Umgebung – permanent Wasser verliert, ist er fast verlandet. Nur weil regelmäßig Grundwasser nachgepumpt wird, ist er jetzt wieder das, was er früher war: ein beliebtes Naherholungsgebiet nicht nur für Leute aus Burgwedel, sondern auch für Leute aus den umliegenden Orten.

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Der Torffresser erinnert daran, wie der See entstanden ist: durch den Torfabbau.

Auch ich war jahrelang gar nicht mehr am Würmsee – aber seit ich ihn vor zwei Jahren zufällig wiederentdeckt habe, fahre ich oft mit dem Fahrrad hin. Meist gehe ein oder zwei Runden um den See, tanke die Portion Wasserblick, die ich für mein Wohlbefinden brauche, und fahre wieder nach Hause. Wenn die Wege matschig sind, begnüge ich mich mit einem Blick auf den See. Und so habe ich erst jetzt entdeckt, was sich hier in den letzten Wochen getan hat. Um den See entsteht der „Erlebnispfad Würmsee“ mit acht Stationen. Die ersten vom Atelier LandArt entworfenen Stationen  machen Lust auf mehr.

Gut, mit den riesigen Vogelnestern, die wie auf Stelzen aus dem flachen Wasser ragen, kann ich nicht so viel anfangen. Vielleicht nehmen ja die Vögel sie in Beschlag, die hier am See wohnen. Die knallig roten Torffresser sind dagegen ein wunderschöner Farbklecks an diesem eher grauen Spätwintertag. Ich bin gespannt, wie sie aussehen, wenn um sie herum alles grün ist.

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(Sozialer) Wohnungsbau für Vögel

Wirklich gut gefällt mir die Stahlrohr-Hütte zwischen den Kiefern, Erinnerung daran, dass am See nach dem Krieg Flüchtlinge einquartiert wurden (ja, wir schaffen das).

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Damals waren die Bauvorschriften offenbar noch nicht so strikt und die Standards eher einfach.

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Und die Stege am See sind einfach toll. Auf ihnen oder in der Stahlrohr-Hütte werde ich sicher manches Mal sitzen, wenn es ein bisschen wärmer ist. Kunst zum Anfassen, zum Nutzen. Ich bin gespannt auf die nächsten Kunstwerke, die bis zum Sommer hier entstehen.

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Sommersitz

Von Städten und Bildern

Eigentlich wollte ich heute nach Tübingen fahren, weil ich die Universitätsstadt am Neckar schon immer mal gerne sehen wollte. Uhland und viele Romantiker haben hier gelebt und Hölderlin, von dem ich, ich gestehe es zu meiner Schande, außer ein paar Gedichten nichts gelesen habe. Hermann Hesse hat in Tübingen eine Buchhändlerlehre gemacht, Claus Kleber Jura studiert, Papst Benedikt Theologie gelehrt, Dietrich Bonhoeffer hat sie  praktiziert. Und Walter Jens war hier Rhetorikprofessor. Zudem soll die Stadt sehr hübsch sein. Gründe genug für einen Abstecher. Und von Bruchsal nach Tübingen ist es ja auch nur ein Katzensprung.

Ich hatte also Tübingen fest eingeplant, meinen Aufenthalt bei meiner Freundin um einen Tag verlängert, mich mit einem neuen Anorak gegen schlechtes Wetter gewappnet und mir Züge ausgesucht, mit denen ich fahren wollte: morgens um halb 9 hin, nachmittags gegen 15 Uhr zurück. Nicht viel Zeit, um eine Stadt kennen zu lernen, aber immerhin genug, um einen ersten Eindruck zu gewinnen – und zu entscheiden, ob es sich lohnt, wiederzukommen. Im Sommer, wenn das Wetter hoffentlich besser ist.

Ich wollte also eigentlich nach Tübingen fahren, doch dann zwang mich die Deutsche Bahn zu einer Planänderung. Denn als ich früh morgens noch einmal nachschauen wollte, wann ich genau abfahren und wo ich umsteigen muss, zeigte sich auf dem Bildschirm das gefürchtete rote Warndreieck

„Weichenstörung: Auf der Strecke Stuttgart Hbf – Tübingen Hbf zwischen Stuttgart Hbf und Esslingen(Neckar). Es kommt zu Verspätungen in beide Richtungen im Regionalverkehr der Deutschen Bahn.“

Weil mein Zeitfenster ohnehin eng war und für Verspätungen keine Zeit, disponierte ich um und blieb zu Hause. Zum Glück. Denn selbst nach 10 war noch keine Besserung in Sicht: „Die Weichenstörung in Stuttgart Hbf besteht leider weiterhin; Züge fahren langsamer. Bitte rechnen Sie mit Verspätungen und vereinzelten Zugausfällen. Die Störung dauert an. Ende noch nicht abschätzbar. Update folgt“, hieß es auf der Bahn-Website.

Mein Reiseupdate sieht statt Tübingen jetzt einen Besuch in Mannheim vor. Auf den ersten Blick vielleicht kein adäquater Ersatz, doch gerade gestern hat mich – meiner Freundin sei Dank – schon eine andere Stadt positiv überrascht. Baden-Baden stand überhaupt nicht auf meiner To-visit-Liste. Doch allein das Museum Frieder Burda ist eine Reise wert.

Das Museum ist schon architektonisch ein Highlight. Und dann war dort das Banskys „Girl with Balloon“ alias „Love is in the Bin“  zu sehen. Allen, die sich nicht (mehr) erinnern, sei die Geschichte kurz erzählt: Im vergangenen Herbst hatte eine Sammlerin das Werk des Street-Art-Künstlers bei einer Kunstauktion bei Sotheby’s gerade für schlappe 1,2 Millionen Euro ersteigert – also ein Schnäppchen –, als die untere Hälfte vor den Augen der Anwesenden zerschreddert wurde.

Die obere Hälfte ist jetzt heil im Rahmen zu bewundern, die zweite Hälfte hängt in Streifen geschnitten darunter. Mindestens so interessant wie das Bild selbst waren zwei Filme, die gezeigt wurden – einer über den Street-Art-Künstler und seine (anderen) Arbeiten, der zweite über die Auktion und die Schredderaktion. „Die Strategien des Kunstmarktes zu torpedieren – und gleichzeitig ihre Dynamik zu beflügeln“ – das ist Bansky sicher gelungen. Denn das kaputte Bild ist jetzt wohl viel mehr wert als bei der Auktion.

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Banksy:
Love is in the Bin
,
2018, Sprayfarbe und Acryl auf Leinwand, 142 x 78 x 18 cm,
Privatsammlung, Foto: Sotheby’s
,
© Banksy

Weil es schon spät war und das Museum schon um 18 Uhr seine Tore schloss, reichte es danach leider nur noch zu einem Schnelldurchgang durch die Brücke-Ausstellung. Wie gesagt: Der Besuch lohnt und auch der kurze Rundgang durch die Stadt machte Lust aufs Wiederkommen. Irgendwie hat Baden-Baden mehr Flair, als ich gedacht hatte. Und so bin ich gespannt auf Mannheim.

Übrigens: Banskys Bild „LOVE IS IN THE BIN“ ist noch bis 3. März  im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen, die Ausstellung „Die Brücke“ noch bis zum 24. März.

Kunst kennen lernen

Mit Kunst ist es wie mit Pflanzen: Ich sehe sie gerne, habe aber leider wenig Ahnung davon. Ich bin bekennender Kunstbanause. In der Hoffnung, dass sich das ändert, habe ich mir jetzt eine Musehumscard geschenkt. Ein Jahr lang kann ich neun Museen in Hannover besuchen, so oft ich will. Und ich habe mir fest vorgenommen, in dieser Zeit alle anzusehen – vielleicht mit Ausnahme des Museums für die Geschichte der Elektrizität, das mich nicht wirklich interessiert.

Nun könnte ich freitags ganz umsonst in die meisten Museen gehen. Denn freitags ist in vielen hannoverschen Museen Tag der offenen Tür. Aber erstens habe ich keine Lust, mich mit vielen anderen Besucherinnen und Besuchern vor Bildern und anderen Kunstwerken zu drängen und zweitens gehöre ich noch zur arbeitenden Bevölkerung. Ich arbeite freitags oft. Und außerdem finde ich, dass 60 Euro für ein Jahr Kunst ein fairer Preis und gut investiert sind.

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Kunst als  Spiegel

Den Anfang habe ich gemacht: Zwei Museen habe ich schon besucht, das Wilhelm Busch Museum und das Sprengelmuseum. Im Wilhelm Busch-Museum war eine Ausstellung der Kinderbuchillustratorin Rotraut Susanne Berner zu sehen, im Sprengelmuseum Sonderaustellungen von Anne Collier und  Florentina Pakosta. Von Rotraut Berner hat mir eine Bildergeschichte besonders gut gefallen, der ich seither nachspüre, weil sie nicht im Katalog war. Von Anne Collier mag ich besonders den Augenblick, im Eingangsbereich des Sprengelmuseums hat mich eine Installation beeindruckt, die ein Stück Himmel und Natur einfängt. Den Namen des Künstlers oder der Künstlerin habe ich mir, wie die von vielen Pflanzen, leider nicht gemerkt.

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Augenblick

In der ständigen Ausstellung habe ich ein Bild von Paul Klee entdeckt, das mir bisher noch nicht aufgefallen war. Und wie immer habe ich den Blick auf den Maschsee genossen – geschützt hinter Glas. Ich finde, ein viel versprechender  Auftakt für eine Entdeckungsreise in Sachen Kunst.

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Muse(h)um mit Maschsee

Von brotlosen Künsten …

… und warum es sich vielleicht doch lohnt, seinem bliss zu folgen.

Vor ein paar Tagen habe ich mir im Fernsehen einen Dokumentarfilm über das Aufnahmeverfahren der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover angesehen. Wer einen der zehn Studienplätze bekommen will, muss in drei Runden seine „besondere künstlerische Befähigung zur Schauspielerin, zum Schauspieler“ nachweisen. Ich habe keine Ahnung von Schauspielkunst und war ziemlich beeindruckt, wie begeistert und gut vorbereitet die jungen Frauen und Männer waren. Ihre Auftritte hatten eine ganz andere Qualität als die Darbietungen der Selbstdarsteller bei Castingshows wie DSDS. Wer durchkommt, bekommt einen Studienplatz und lernt einen Beruf, der keine besonders rosigen Berufsaussichten bietet.

Natürlich gibt es (einige wenige) Großverdiener und einige mehr, die recht gut verdienen . Aber viele (die meisten?) können von ihrem Verdienst als SchauspielerInnen nicht leben und halten sich finanziell mit anderen Jobs über Wasser.

Am gleichen Abend habe ich ein Interview mit einer jungen deutschen Schauspielerin gesehen, die bereits in vielen Filmen mitgespielt hat. Sie bekommt 1.300 Euro Tagesgage, doppelt so viel wie die Mindestgage, die  laut Tarifvertrag für Schauspieler – ja, auch den gibt es – bei 775 Euro liegt. Das klingt nach viel, aber es relativiert sich, wenn man bedenkt, dass zwischen den Engagements oft viele Tage ohne Engagement und ohne Bezahlung liegen.

Unbefristet waren nach einer Studie zur Arbeits- und Lebenssituation von Schauspielerinnen und Schauspielern (Bema-Studie) gerade mal 4,9 Prozent der Befragten beschäftigt, 36,2 Prozent waren unständig beschäftigt, 46,1 Prozent selbstständig – was wahrscheinlich gleichbedeutend ist mit nicht ständig. Und auch der Verdienst im Traumberuf SchauspielerIn war alles andere als traumhaft: 68,1 Prozent der Befragten hatten in den letzten 12 Monaten bis zu 30.420 Euro verdient – brutto. Die Wirklichkeit sieht noch trauriger aus: Bei fast der Hälfte (45,8 Prozent) waren es weniger als 15.000 Euro.

Und noch ein paar Zahlen: Laut Künstlersozialkasse betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen der Versicherten im Bereich Darstellung Anfang 2016 15.581 Euro – bei den Schauspielerinnen waren es sogar nur 12.594 Euro (aber das ist ein anderes Thema). Nur die freien Musikerinnen und Musikerinnen verdienten noch weniger: durchschnittlich 13.317 Euro im Jahr. Das reicht mancherorts nicht einmal, um die Miete zu bezahlen.

Unter den Blinden ist der einäugige König, heißt ein altes Sprichwort. Und so sind die Versicherten im Bereich Wort – Leute wie ich, also Autoren, Journalisten, Lektoren, Übersetzer, Korrektoren usw. – Großverdiener unter den KSK-Versicherten mit durchschnittlich 19.603 Euro Jahreseinkommen (!). Ich kenne viele, die dafür nicht aufstehen und nicht arbeiten würde. Von wegen Mindestlohn.

Fazit: Kunst ist (oft) brotlos, egal in welchem Bereich. Vom Schreiben können die meisten ebenso wenig leben wie vom Musikmachen, vom Malen oder eben vom Schauspielern. Dabei möchte doch kaum jemand auf Bücher, Bilder, Musik; Filme oder Theater verzichten.

Fast hab ich gewünscht, dass die jungen Leute, die mir in dem Film besonders engagiert und begabt schienen ausscheiden. „Lernt was Anständiges“, wollte ich ihnen zurufen. Studiert Medizin, BWL oder Maschinenbau. Oder Jura: Da könnt ihr bei Auftritten vor Gericht euer Schauspieltalent beweisen. Vielleicht könnt ihr auch Lehrer – da spielt ihr zwar immer vor dem gleichen Publikum, verdient aber mehr und braucht nicht immer neuen Engagements nachzujagen. Das zermürbt auf Dauer (glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche). Aber wahrscheinlich haben die SchauspielerInnen in spe den guten Rat schon von ihren Eltern gehört und ihn ebenso in den Wind geschlagen wie ich selbst vor gefühlt 100 Jahren.

Nein, ich bin nicht Schauspielerin geworden (dafür habe ich gar kein Talent, das ist der Welt erspart geblieben), sondern verdiene mein Geld als Journalistin, Lektorin und Korrektorin. Ich mag meinen Beruf nach all den Jahren noch und ich würde mich wieder dafür entscheiden, wenn ich auch manches anders machen würde. Und ich hoffe, dass es den Jungs und Mädchen, die ich in dem Dokumentarfilm gesehen habe, ähnlich geht. Trotz der Unsicherheit, der schlechten Bezahlung.

Übrigens: Nach der Bema-Studie würden 84,9 Prozent nochmal Schauspielerin oder Schauspieler werden, nur 15,1 Prozent nicht. Vielleicht ist es also doch richtig, das zu tun, woran das Herz hängt.

Hier noch ein Gedicht von Friedrich von Schiller. Er wusste, was er schrieb. Schiller hat zwar Medizin studiert, sich dann aber  doch gegen den festen Job und die sicheren Einnahmen als Militärarzt und für die Kunst entschieden. Zum Glück, nicht nur für ihn.

http://www.ub.uni-heidelberg.de/wir/geschichte/schiller.html