Wir sind viele

Am 9. November vergangenen Jahres stand ich mit drei Dutzend älteren Frauen und ganz wenigen meist noch älteren Männern vor dem Holocaust Mahnmal auf dem Opernplatz in Hannover. Die Omas gegen rechts hatten am 85. Jahrestag der Pogromnacht von 1938 zu einer Mahnwache aufgerufen. Wir wollten nicht nur an die Holocaust-Opfer, sondern auch an die Opfer des Massakers der Hamas in Israel einen Monat zuvor erinnern. Und wir wollten ein Zeichen setzen – gegen den wachsenden Antisemitismus in Deutschland und in vielen anderen Ländern.

In dem Mahnmal sind 1.935 Namen von Jüdinnen und Juden eingemeißelt, die in Hannover lebten, bis sie von den Nazis deportiert wurden. Viele wurden ermordet – wie sechs Millionen Jüdinnen und Juden aus ganz Europa.

Knapp drei Monate später, am internationalen Holocaust Gedenktag, kamen rund 2.000 Menschen zum Mahnmal, um an die Opfer des deutschen Nationalsozialismus zu erinnern und gegen Antisemitismus zu demonstrieren. Junge und Alte, Frauen und Männer.

Das ist nötiger denn je. Denn der Hass auf Jüdinnen und Juden lebte auch nach dem Sieg über Nazideutschland weiter – und nimmt nicht nur in Deutschland zu: Zwischen 2015 und 2021 stieg die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland kontinuierlich: von1.366 im Jahr 2015 auf mehr als 3.000 Delikte im Jahr 2021 (https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-102.html#Statistik). In Frankreich registrierten das Innenministerium und der Schutzdienst der jüdischen Gemeinschaft (SPCJ) laut Tagesschau 2022 436 antisemitische Vorfälle, 2023 waren es 1.676 antisemitische Vorfälle (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/antisemitismus-frankreich-110.html). Vor allem nach dem Massaker der Terrorgruppe Hamas in Israel explodierten die Zahlen.

Das Massaker der Terrorgruppe Hamas am 7. Oktober wirkte, so Yonathan Arfi, Präsident des Rats jüdischer Institutionen in Frankreich (Crif), „wie ein Katalysator des Hasses“ und aktivierte einen „latenten Antisemitismus“. Die Hemmschwellen, Jüdinnen und Juden zu beleidigen oder anzugreifen, sind seither gesunken.

In Deutschland gab es seit dem 7. Oktober nach Aussagen des Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, in Deutschland 2.249 antisemitisch motivierte Straftaten, so viele wie im gesamten Jahr 2023. „Ein erheblicher Teil“ wurde nicht direkt nach dem 7. Oktober begangen, „sondern Wochen und Monate später“ (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/antisemitismus-straftaten-102.html).

Jüdinnen und Juden fühlen sich seit dem größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust auch in Deutschland nicht mehr sicher: Sie sprechen in der Öffentlichkeit nicht mehr Hebräisch, Männer trauen sich nicht mehr, ihre Kippa zu tragen, Kinder gehen nicht mehr in die Kita. Simon von der jüdischen Jugendorganisation Netzer Germany berichtete auf dem Opernplatz, dass PolizistInnen die Mitglieder einer Jugendgruppe bei der Anreise vom Bahnhof zur Unterkunft begleiteten und anschließend das Haus rund um die Uhr beschützten. „Wenn Kinder und Jugendliche sich in einer Ferienfreizeit sicherer fühlen als zu Hause, ist etwas falsch“, sagte er – und er hat recht.

Für mich war die Kundgebung vor dem Holocaust Mahnmal die zweite an diesem Samstag. Mittags hatte ich gemeinsam mit meiner Tochter in Goslar an der Kundgebung „Demokratie verteidigen – AfD stoppen!“ teilgenommen, zu der das Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus aufgerufen hatte. 4.000 Menschen kamen auf den Marktplatz, viel mehr, als ich erwartet hatte (https://www.facebook.com/100064652773517/posts/pfbid0qaUn3Mt7mw7kDY9cC543ufS5XnFprN8SmS7V366JwUdL9NUeEz3qrjGjVFhDX2Myl/?app=fbl). Für einige TeilnehmerInnen war es die erste Demonstration ihres Lebens.  

Eigentlich wollte ich von Goslar – ziemlich durchgefroren – direkt nach Hause fahren. Doch als ich beim Umsteigen in Hannover die Pro-Palästina-Demo auf dem Bahnhofsvorplatz sah, beschloss ich, zur Kundgebung des Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus am Holocaust Denkmal zu gehen. Denn Judenhasse darf in Deutschland nie wieder toleriert werden; jede Stimme dagegen zählt.

Es waren immerhin 2.000 Menschen, die auf dem Opernplatz ihre Solidarität zeigten und ein Zeichen gegen Antisemitismus setzten, weit mehr als am 9. November. Denn die Veröffentlichungen des Recherchezentrum Correctiv über die Deportationspläne, die bei einem Treffen von Rechtsextremisten, AfD und CDU-Mitgliedern am 25. November in Potsdam geschmiedet wurden, haben die bislang schweigende Mehrheit aufgeweckt.

Seither gehen überall in Deutschland Menschen auf die Straße – in Frankfurt/Oder im Osten ebenso wie in Trier ganz im Westen der Republik. Allein in Düsseldorf waren es an diesem Wochenende 100.000, die zeigten, dass sie für die Demokratie, gegen rechte Hetze, Rassismus und auch gegen Antisemitismus sind. Und dass die AfD keine Alternative für Deutschland ist. Denn wir sind viele, wir sind das Volk.

Der letzte Fragebogen

Seit ich vor etwas mehr als einem Jahr Rentnerin geworden bin, habe ich mich von manchem getrennt. Ich habe ganze Papierberge in die Altpapiertonne entleert, zahlreiche entleerte Aktenordner verschenkt und noch mehr Newsletter und Pressedienste abbestellt. Außerdem habe ich u. a. die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft sowie diverse Versicherungen gekündigt. Denn als Rentnerin brauche ich weder eine Berufshaftpflicht- noch eine Vermögensschadensversicherung. Und so habe ich heute wohl zum letzten Mal den Fragebogen einer Versicherung ausgefüllt, der mich mein ganzes Berufsleben als Selbstständige begleitet hat und mit dem sichergestellt werden soll, dass mein Versicherungsschutz wenn auch abgelaufen so doch auf dem aktuellen Stand ist.

Ich gebe zu: In den ersten Jahren nach Abschluss der Versicherung habe ich die mir zugesandten Fragebogen schlichtweg ignoriert, weil ich glaubte, man hätte sie mir irrtümlich zugesandt. Keine einzige Frage hatte nämlich irgendetwas mit mir und meiner Tätigkeit als Journalistin und Lektorin zu tun. Denn ich beschäftigte nicht nur keine Service-Kräfte in meinem Auslieferungslager – ich hatte noch nicht mal eins. Meine Texte habe ich in den ersten Jahren per Post, später dann per Fax und per Mail versandt. Und der Redakteur, der gelegentlich meine Artikel mit nach Hannover nahm, als ich noch für die HAZ arbeitete, tat das aus reiner Gefälligkeit. Ich besaß auch weder Hub- und Gabelstapler noch Kräne, Motorschlitten, Winden, Tank- oder Kesselwagen – und ich gedachte auch nicht, derartige Geräte anzuschaffen. Und mein Tätigkeits-, Produktions-, Reparatur- und Lieferprogramm ist im Prinzip immer gleich geblieben, seit ich mich selbstständig gemacht habe: Ich schrieb, korrigierte und lektorierte Texte, wenn auch zu ganz unterschiedlichen Themen.

Nach mehreren Mahnungen und der Drohung, die mir den Versicherungsschutz zu entziehen, wenn ich nicht kooperiere, gab ich nach: Ich füllte den Fragebogen aus und versicherte der Versicherung, dass sie die Allererste wäre, die ich über etwaige Veränderungen meines Lieferprogramms, des Personal- und Fahrzeugbestands in Kenntnis setzen würde. Doch das genügte ihr nicht: Sie bestand auf einem jährlichen Update und so flatterte alljährlich am Jahresende der Fragebogen bzw. die Aufforderung, ihn auszufüllen, ins Haus.

Denn seit einigen Jahren ist dies online möglich und auch die Zahl der Fragen hat sich im Lauf der Jahre deutlich reduziert. So musste ich in diesem Jahr nur zwei Fragen beantworten, nämlich ob

  • „… sich Änderungen zum versicherten Risiko oder neue Risiken ergeben (haben, Ergänzung von mir, ew), die während des abgelaufenen Versicherungsjahres entstanden sind, insbesondere Änderung des Betriebscharakters, des Tätigkeits-, Produktions- und Lieferprogramms, Montage/ Reparaturarbeiten und /oder direkte Exporte in die USA/ US-Territorien?“ und
  •  „… während des abgelaufenen Geschäftsjahres Anschaffungen oder Investitionen getätigt (wurden, Ergänzung von mir, ew), die zu einer Veränderung der versicherten Sachwerte oder des Risikos geführt haben (z. B. neu hinzu gekommene Betriebsgrundstücke, Gebäude, Betriebseinrichtungen, Baugeräte, Waren, Vorräte)?

Ich habe hinter beiden Fragen mit gutem Gewissen das Nein angeklickt. Doch als ich auf Senden drückte, kam so etwas wie Wehmut auf: Vielleicht werde die Fragen nach meinen Baugeräten, Betriebseinrichtungen und Vorräten im nächsten Jahr doch vermissen. Ich hatte mich so daran gewöhnt.

Munchs Lebenslandschaften

Von Edvard Munch kannte ich eigentlich nur sein berühmtes Bild „Der Schrei“. Bis ich im Internet auf die Ausstellungen gestoßen bin, die im Museum Barberini in Potsdam und in der Berliner Galerie zu sehen sind bzw. waren. Denn die Ausstellung „Zauber des Nordens“ in Berlin schloss am 22. Januar ihre Tore; die „Lebenslandschaften“ in Potsdam sind noch bis zum 1. April zu sehen. Dann wandert die Ausstellung weiter, ins MUNCH nach Oslo, aus dem einige der gezeigten Bilder ausgeliehen wurden. 

Im Museum Barberini werden insgesamt 116 Gemälde, Holzschnitte, Lithographien und Zeichnungen des norwegischen Künstlers gezeigt, berühmte ebenso wie weitgehend unbekannte. Es ist laut Museum die erste Ausstellung zu Edvard Munchs Landschaftsdarstellungen. Denn „obwohl Edvard Munch fast die Hälfte seiner Arbeiten Naturmotiven widmete, wird er bislang nicht als Landschaftsmaler wahrgenommen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Ausstellung will die Bedeutung seiner Naturdarstellungen erforschen, gängige Vorstellungen hinterfragen und neue Sichtweisen auf sein Werk anstoßen.

Meine Reise nach Potsdam hat sich gelohnt. Viele der ausgestellten Bilder haben mir gefallen der gelbe Baumstamm beispielsweise, der Dunkle Tannenwald oder das Frühlingspflügen. Und auch die Mädchen auf der Brücke und die Munchs Bilder von den Sommernächten am Strand haben mich fasziniert.

Andere, zum Beispiel „Stoffwechsel – Leben und Tod,“ haben sich mir erst auf den zweiten Blick und dank des Audioguides erschlossen, der mich durch die Ausstellung begleitete. Und manchen Gemälden wie den Badenden kann ich gar nichts abgewinnen. Kaum zu glauben, dass die kraftstrotzenden Männer vom gleichen Künstler gemalt wurden wie der Schrei.

Ausstellungsansicht Museum Barberini, Foto: David von Becker

Der Schrei ist und bleibt mein Lieblingsbild. Wie es entstanden ist, beschreibt Edvard Munch selbst in seinem Violetten Tagebuch unter dem Datum 22.1.1892  (zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schrei):

„Ich ging den Weg entlang mit zwei Freunden – die Sonne ging unter – der Himmel wurde plötzlich blutig rot – Ich fühlte einen Hauch von Wehmut – Ich stand, lehnte mich an den Zaun Todmüde – Ich sah hinüber […] die flammenden Wolken wie Blut und Schwert – den blauschwarzen Fjord und die Stadt – Meine Freunde gingen weiter – ich stand da zitternd vor Angst – und ich fühlte etwas wie einen großen, unendlichen Schrei durch die Natur.“

Das Bild gibt es in verschiedenen Versionen, eine erste Skizze des Motivs findet sich laut Wikipedia bereits 1889/90 in einem  Skizzenbuch, die Version mit Öl, Tempera und Pastell beendete Munch Ende 1893. In der Ausstellung ist eine Lithografie aus dem Jahr 1895 zu sehen.

Der Schrei

Mit dem Schrei wurde laut Oskar Kokoschka der Expressionismus geboren, ich sehe mir nach der Munch-Ausstellung noch die Sammlung Hasso Plattner an: Über 100 impressionistische und postimpressionistische Gemälde sind in der Dauerausstellung zu sehen, unter anderem von Claude Monet, Auguste Renoir, Alfred Sisley, Paul Signac und Gustave Caibotte. Nirgendwo außerhalb von Paris werden nach Angaben des Museums mehr Gemälde von Claude Monet an einem Ort gezeigt als in Potsdam. Eines meiner Lieblingsbilder von Monet, der Seerosenteich, ist derzeit leider verliehen, und ich musste mit einem anderen Seerosenbild des malers vorlieb nehmen. Doch so habe ich einen guten Grund, wieder nach Potsdam zu fahren, wenn das Gemälde wieder zurück im Museum Barberini ist.

Sammlung Hasso Plattner, Museum Barberini, Potsdam
© David von Becker

Das Museum Barberini und die beiden Ausstellungen sind eine Reise wert. Wer will, kann auf der Website des Museums online durch die Ausstellungen wandern und per Audioguide Informationen über verschiedene Gemälde abrufen.

https://www.museum-barberini.de

Ach Paula oder „Ich werde noch was“

Paula Modersohn-Becker gehört nicht zu meinen LieblingsmalerInnen, oder soll ich sagen, gehörte. Denn natürlich habe ich mir die Ausstellung ihrer Bilder im Landesmuseum in Hannover angesehen. Schließlich zählt Paula-Modersohn Becker zu den bedeutendsten Künstlerinnen der Zeit um 1900 – sie war eine der ersten ExpressionistInnen in Deutschland, wenn nicht die erste überhaupt. Und mich beeindruckt die Zielstrebigkeit, ja Besessenheit, mit der sie ihren Weg ging, an sich und ihr Talent glaubte – zu einer Zeit, in der Kunst vorwiegend Männersache war.

Frauen durften um die Jahrhundertwende noch nicht an Kunstakademien studieren. Wie viele andere Malerinnen, despektierlich Malweiber genannt, nahm auch Paula Becker privaten Malunterricht und besuchte nach ihrer Lehrerinnenausbildung die Zeichen- und Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen. An der „Damenakademie“ hatte vor Paula Becker auch Käthe Kollwitz ihre Ausbildung begonnen und später unterrichtet.

Worpswede besuchte die junge Malerin erstmals im Sommer 1897 mit ihren Eltern , ein Jahr später zog sie zunächst vorübergehend, später dauerhaft in die Künstlerkolonie. Sie nahm Zeichenunterricht bei Fritz Mackensen, lernte ihre Freundin Clare Rilke-Westhoff und auch den elf Jahre älteren  Maler Otto Modersohn kennen, den sie 1901 heiratete. Modersohn erkannte ihr Talent, schätzte den Austausch mit ihr und unterstützte sie auch finanziell.

„Wundervoll ist dies wechselseitige Geben und Nehmen; ich fühle, wie ich lerne an ihr und mit ihr. Unser Verhältnis ist zu schön, schöner als ich je gedacht, ich bin wahrhaft glücklich, sie ist eine echte Künstlerin, wie es wenige gibt in der Welt, sie hat etwas ganz Seltenes. […] Keiner kennt sie, keiner schätzt sie – das wird anders werden“, schrieb er am 15. Juni 1902 in sein Tagebuch.

Anders wurde das leider erst nach ihrem Tod im November 1907. Zu ihren Lebzeiten konnte Paula Modersohn-Becker gerade mal eine Handvoll Bilder verkaufen, für die meisten ihrer Worpsweder Malerkollegen war sie nur die Frau von Otto Modersohn. Doch davon ließ sie sich ebenso wenig dauerhaft entmutigen wie von den teilweise vernichtenden Kritiken. Mutig setzte sie sich über viele Konventionen hinweg – künstlerisch und gesellschaftlich.

„Sie haßt das Conventionelle und fällt nun in den Fehler alles lieber eckig, häßlich, bizarr, hölzern zu machen. Die Farbe ist famos, aber die Form? Der Ausdruck! Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Cretins. Sie ladet sich zuviel auf.“, notierte Otto Modersohn im September 1903 in seinem Tagebuch und fügt hinzu „Rath kann man ihr schwer ertheilen, wie meistens“(zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Paula_Modersohn-Becker).

„Daß ich mich verheirate, soll kein Grund sein, daß ich nichts werde“ schrieb Paula im November 1900 an ihre Mutter, die ihre künstlerische Ausbildung förderte und ihre Tochter bestärkte, die Kunst nicht aufzugeben. Auch nach der Heirat malte Paula weiter, sie behielt ihr eigenes Atelier, reiste und lebte mehrere Monate allein in Paris. Inder französischen Hauptstadtentdeckte sie unter anderem die Werke von Paul Cézanne und Paul Gauguin, besuchte Kurse an privaten Akademien, unter anderem Anatomie- und Aktkurse in der École des Beaux-Arts – und malte als erste Künstlerin Selbstakte, unter anderem das »Selbstbildnis mit rotem Blütenkranz.

„Ich werde noch etwas. Wie groß oder wie klein, dies kann ich selbst nicht sagen, aber es wird etwas in sich Geschlossenes“, schrieb Paula im Januar 1906 aus Paris an ihre Mutter. Sie sollte recht behalten: Als sie mit 31 Jahren im November 1907 kurz nach der Geburt ihrer Tochter starb, hinterließ sie rund 800 Gemälde und 2.500 Zeichnungen.

„Es ist nicht auszudenken, was noch alles entstanden wäre, wenn sie noch länger gelebt hätte. Sie träumte in den letzten Monaten viel von Italien, das sie nie gesehen, von Akten im Freien, von großfigurigen Bildern. Man kann nur ahnen, was sie der Welt noch geschenkt hätte“, schrieb Otto Modersohn (Ein Buch der Freundschaft, 1932, zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Paula_Modersohn-Becker).

Nach Paulas Tod organisierten er und Heinrich Vogeler mehrere Ausstellungen, durch die einige Sammler auf sie aufmerksam wurden und ihre Bilder kauften. Unter anderen auch der hannoversche Keksfabrikant, Mäzen und Kunstsammler Hermann Bahlsen. Er schenkte dem Landesmuseum 1910 zwei Bilder von Paula Modersohn-Becker: Das „Stillleben mit Schellfisch“ (das ich persönlich überhaupt nicht mag) und seine ursprüngliche Rück- oder Vorderseite „Rotes Haus mit Birke“. Sie bildeten den Grundstein der Sammlung, die derzeit 39 Gemälde von Paula Modersohn-Becker umfasst und damit laut Landesmuseum die „weltweit größte Sammlung außerhalb Bremens“ ist.

„Die Hannoveraner Modersohn-Becker-Sammlung besticht durch internationale bekannte Hauptwerke wie das »Selbstbildnis mit Hand am Kinn«, aber auch durch eine beeindruckende Themenvielfalt. Sie umfasst Werke aus dem gesamten Schaffensprozess der Künstlerin: Von Landschaftsbildern über Stillleben und Darstellungen von Frauen und Kindern ist alles vertreten“, heißt es in der Pressemitteilung des Museums zu Ausstellung.

Mir hat die Ausstellung gefallen. So gut, dass ich sicher noch mal hingehen werde, bevor sie Ende Februar schließt. Denn manches Bild erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Und Paula Modersohns Weg als Künstlerin verdient die Aufmerksamkeit allemal. Oder um Falko Mohrs, den Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur, zu zitieren: „Paula Modersohn-Becker war eine mutige Künstlerin, die sich gegen gesellschaftliche Konventionen stellte und als Frau an der Spitze der Entwicklung der Moderne in Deutschland stand. … Mit ihrer ungeheuren Schaffenskraft und inneren Stärke kann Paula Modersohn-Becker uns allen als Vorbild dienen.“ Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Die Ausstellung im Landesmuseum ist noch bis zum 25. Februar zu sehen.

Bye bye Baum

Ich habe in den vergangenen 40 Jahren über manches Merkwürdige gelesen und geschrieben: Über die Erfindung der Dauerwelle beispielsweise, über einen Wecker, der davonrennt und sich versteckt, wenn man nach ihm schlägt, oder über einen BH, der auch als Atemschutzmaske dient. Letztere wurden sogar mit dem Ignobel-Preis, einem inzwischen anerkannten Preis für skurrile Forschungsprojekte, ausgezeichnet.

Skurril ist für mich auch das (Teil)Ergebnis einer Umfrage aus dem Jahr 2018, auf die ich bei der Recherche für diesen Blogbeitrag gestoßen bin. Auf die Frage, wie lange sie ihren Weihnachtsbaum (üblicherweise) stehen lassen, antworteten nämlich 6 Prozent der von Statista befragten InternetnutzerInnen, dass sie den Baum vor Heiligabend abbauen; weitere vier Prozent dann schon an den Weihnachtsfeiertagen. Fake, war meine erster Gedanke, aber Statista ist eigentlich ein seriöses Marktforschungsinstitut und immerhin hat auch der Stern über diese Umfrage berichtet (https://www.stern.de/gesellschaft/weihnachtsbaum–so-lange-lassen-ihn-die-deutschen-stehen-8503024.html). Na gut, die Kollegen sind damals auch auf die Hitlertagebücher reingefallen, aber das ist ja schon lange her.

Seit ich die Umfrageergebnisse gelesen habe, grüble ich darüber nach, warum jemand einen Weihnachtsbaum kauft, schmückt – und dann noch vor dem Fest, für das er eigentlich angeschafft wurde, wieder loswerden will. Ebenfalls recht schnell, zwischen Weihnachten und Neujahr, trennen sich 11 Prozent der Befragten von ihrem Baum. Zwischen Neujahr und dem 6. Januar müssen 27 Prozent, am 6. Januar dann weitere 19 Prozent der Bäume weichen. Immerhin fast ein Drittel darf noch länger im warmen Wohnzimmer bleiben.

Für unseren Weihnachtsbaum war ganz traditionell am Dreikönigstag Schluss. Das Fest der Heiligen Drei Könige oder Epiphanias, die Erscheinung des Herrn, ist eines der ältesten kirchlichen Feste. Es erinnert daran, dass laut Matthäus-Evangelium drei Weise, Könige oder Magiere aus dem Morgenland, von einem Stern geleitet, Jesus in Bethlehem fanden – und er damit in der Welt „erschien“.

Für die katholische und evangelische Kirche endet die Weihnachtszeit – und damit auch die Weihnachtsbaumzeit – am Sonntag nach Epiphanias. Dagegen feiern die orthodoxen Kirchen, die sich noch nach dem alten julianischen Kalender richten, z. B  die russisch-orthodoxe und die serbisch-orthodoxe, Weihnachten erst am 6. und 7. Januar. Und auch im römisch-katholischen Italien mussten die Kinder früher bis zum 6. Januar auf ihre Geschenke warten. Denn in Italien werden die Kleinen traditionell an Epiphanias von der Weihnachtshexe Befana beschert.

Auch für mich ist der 6. Januar nicht Dreikönigs-, sondern Befanatag. Schließlich habe ich vor ein paar Jahren „die wahre Geschichte der Weihnachtshexe Befana“ aufgedeckt und aufgeschrieben. 🙂

Gelesene Bücher 2023

Wann habe ich eigentlich angefangen, jedes Jahr die Bücher zu zählen, die ich gelesen habe, und ihre Titel zu notieren? Die ersten (erhaltenen) Anfänge meiner Bücherlisten reichen ins Jahr 2015 zurück: Damals habe ich mir in Lissabon ein „Diário de leitura“, also ein Büchertagebuch, gekauft. Der erste Eintrag war im Februar 2015 Pascal Merciers „Nachtzug nach Lissabon“. Der Roman war lange Zeit eines meiner Lieblingsbücher und natürlich begleitete er mich auch bei unserem Kurzurlaub in Lissabon. Wahrscheinlich hatte ich mir das Reiseziel überhaupt nur oder hauptsächlich wegen dieses Buchs ausgesucht.

Natürlich war ich wie auch der Protagonist des Romans, der Lateinlehrer Raimund Gregorius, in der Livraria Bertrand, der ältesten durchgehend betriebenen Buchhandlung der Welt. Als ich dort das Büchertagebuch entdeckte, konnte ich nicht widerstehen. Regelmäßig habe ich allerdings erst seit 2020 die gelesenen Bücher eingetragen. Im vergangenen wie auch in diesem Jahr haben mich dann die Blogbeiträge von Christof Herrmann (https://www.einfachbewusst.de/2023/12/gelesen-buecher-2023/) animiert, meine eigene Leseliste zu veröffentlichen.

Ich lese etwa 50 bis 60 Bücher jährlich, im vergangenen Jahr waren es genau 60. Da ich die Listen nicht ganz zuverlässig führe, sind es möglicherweise sogar einige mehr. Außerdem fehlen Bücher, die ich noch nicht ganz zu Ende gelesen habe, im vergangenen Jahr zum Beispiel Siri Hustvedts Essayband „Mütter, Väter und Täter“.

Mein Ziel, jede Woche ein Buch zu lesen, habe ich also übertroffen. Ich habe mit Max Frisch meinen früheren Lieblingsautor wiederentdeckt. Die „Entwürfe zu einem Berliner Tagebuch“ haben mich so beeindruckt, dass ich auch „Die Entwürfe zu einem dritten Tagebuch“ angefangen und im neuen Jahr schon zu Ende gelesen habe. Außerdem liegt Montauk neben meinem Bett. Und ich habe einige AutorInnen neu entdeckt, die ich bislang nicht kannte. Besonders berührt haben mich die Bücher von Alba de Cespedes, Angelika Klüssendorf und Bernardine Evaristo.

Ich bin, ich habe es schon einmal geschrieben, eine unstrukturierte Leserin (https://timetoflyblog.com/die-unstrukturierte-leserin): Viele Bücher entdecke ich mehr oder weniger zufällig, zum Beispiel im Freihandbestand der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover, in den Neuerwerbslisten und in den Regalen der Bücherei in Großburgwedel, in Buchhandlungen oder als Hinweis in anderen Büchern. Bestsellerlisten interessieren mich wenig, mehr als auf die Kritiken und Empfehlungen verschiedener Kulturseiten und -sendungen vertraue ich auf die Tipps meiner (Schreib)Freundinnen.

Apropos Rezensionen und Empfehlungen: Nicole Seifert stellte bei der Recherche für ihr Buch „Frauenliteratur: Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“* fest, dass im April 2018 auf den Literaturseiten von FAZ und Süddeutscher Zeitung jeden Monat 47 Bücher von Autoren, aber nur 16 von Autorinnen besprochen wurden (Nicole Seifert, S, 34f).

Die Studie #frauenzählen, bei der im März 2018 in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock 2.036 Rezensionen und Literaturkritiken in 69 deutschen Medienformaten ausgewertet wurden, kam zu einem ähnlichen, repräsentativen Ergebnis: „Auf jedes besprochene Werk einer Autorin kommen zwei Werke eines Autors (…). Männer sind damit doppelt so häufig vertreten“ – und zwar quer durch alle Mediengattungen. „In Wochenzeitschriften werden Autoren noch etwas stärker präsentiert (70%); allein bei Frauenzeitschriften kehren sich die Verhältnisse um: 64% der rezensierten Werke sind von Autorinnen verfasst“ (Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb, Seite 8, http://www.frauenzählen.de/studie_downloads.html). Ob sich daran inzwischen etwas geändert hat? Ich glaube kaum. Denn der Fortschritt ist bekanntlich eine Schnecke – und manchmal geht es auch nach einem Schritt nach vorn zwei Schritte zurück.

So musste ich in Nicole Seiferts Buch lesen, „dass wir in der Schule praktisch ausschließlich männliche Autoren lasen“ und dass ihr „in acht Jahren Gymnasium inklusiver Deutsch-Leistungskurs in den späten Achtziger- und frühen NeunzigerJahren  … mit Annette von Droste-Hülshoff nur eine einzige Autorin“ begegnete. Meine Tochter hat ein paar Jahre später das gleiche Gymnasium besucht. Vielleicht hätte ich mich doch mehr darum kümmern sollen, was sie gelesen und gelernt hat – oder besser gesagt was nicht.

Wie gut und fortschrittlich meine eigenen Deutsch- und GeschichtslehrerInnen an der Realschule in Neumagen und am Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier waren, wurde mir bei der Lektüre von Nicole Seiferts Buch wieder einmal bewusst: Ich selbst habe in dem Jahr Mittlere Reife gemacht, in dem Nicole Seifert geboren wurde. Und natürlich standen in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren vorwiegend Autoren auf dem Lehrplan. Aber wir haben im Unterricht neben der schon damals obligatorischen Judenbuche von Annette von Droste-Hülshoff auch Gedichte von Ina Seidel, Elisabeth Langgässer, Nelly Sachs, Marie Luise Kaschnitz und Ingeborg Bachmann gelesen. Und das „Tagebuch der Anne Frank“ und „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers waren wenn nicht Unterrichtslektüre so doch dringende Lektüreempfehlungen. Vielen Dank nachträglich an Hermann Erschens, Dr. Elisabeth Becker und Dieter Schulz. Sie haben sicher großen Anteil daran, dass ich immer noch eine leidenschaftliche, wenn auch unstrukturierte Leserin bin – mit einem Faible für von Büchern, die von Frauen geschrieben wurden, wie ein Blick auf die unten stehende Liste der gelesenen Bücher zeigt.

Übrigens: „Frauenliteratur: Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“ erscheint im Februar als Taschenbuch. Gespannt bin ich auch auf Nicole Seiferts neues Buch „Einige Herren sagten etwas dazu“, in dem sie die Geschichte der Gruppe 47 aus der Perspektive der Autorinnen erzählt. Es erscheint ebenfalls im Februar im Verlag Kiepenheuer & Witsch.

*Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung.

Gelesene Bücher 2023

  1. Elke Heidenreich: Ihr glücklichen Augen
  2. Elizabeth Strout: O William
  3. Dörte Hansen: Zur See
  4. Linda Bostöm Knausgard: Oktoberkind
  5. Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter
  6. Felicitas Hoppe 17° fieber
  7. Alex Schulmann: Verbrenn all meine Briefe
  8. Monika Peetz: Sommerschwestern I
  9. Kristin Valla: Haus überm Fjord
  10. Bonnie Garmus Eine Frage der Chemie
  11. Auszeit Storys
  12. Renate Strobl: Ein Raum für mich
  13. Kerri Maher: Die Buchhändlerin von Paris
  14. Christine Schünemann: Schreiben
  15. Christiane Palm-Hoffmeister: FrauenZimmerSchreiben
  16. Tomas Tromströmer: Lebenserinnerungen
  17. Richard Ford: wie wir schreiben wollen Essays
  18. Virginia Woolf: Ein Zimmer für sich allein
  19. Isabel Allende: Violetta
  20. Dora Heldt: Drei Frauen und ein falsches Leben
  21. Helga Schubert: Der heutige Tag
  22. Anne Gesthuysen: Mädelsabend
  23. Anne Gesthuysen: Wir sind doch Schwestern
  24. Kirsten Hannah: Winterschwestern
  25. Barbara Bronnen: Stadt der Tagebücher
  26. Raynor Winn: Wilde Stille
  27. Marie Luise Kaschnitz: Steht noch dahin
  28. Bernardine Evaristo: Mädchen, Frau etc
  29. Bernardine Evaristo Manifesto
  30. Christoph Hein: Unterm Staub der Zeit
  31. Ewald Arenz: Die Liebe an miesen Tagen
  32. Donna Leon: Wie die Saat, so die Ernte
  33. Christiane Wünsche: Wir sehen uns zu Hause
  34. Deborah Levy: Ein eigenes Haus
  35. Monika Peetz, Sommerschwestern, teil 2
  36. Robert Seethaler: Café ohne Namen
  37. Bettina Storks:  Die Poesie der Liebe
  38. Emily Pine: Botschaften an mich selbst
  39. Judith Herrmann: Wir hätten uns alles gesagt
  40. Judith Hermann: Letti Park
  41. Daniel Schreiber: Zuhause
  42. Nina George: Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
  43. Heike Abidi: Scheißegal, ich mach das jetzt
  44. Cornwall Geschichten
  45. Merian Reiseführer Cornwall
  46. Anja Schreiber: Entfessle dein Selbst durch Journaling
  47. Meike Moshammer: Auszeit in Wanderstiefeln
  48. Susanna Tamaro: Ein denkendes Herz
  49. Ann Patchet: Aus Liebe zum Buch
  50. Susanna Tamaro: Geh wohin dein Herz dich trägt
  51. Volker Weidermann: Mann am Meer
  52. Sylvie Schenk: Maman
  53. Elke Vesper: Jetzt erst recht
  54. Max Frisch: Entwürfe zu einem Berliner Journal
  55. Thomas Mann: Tonio Kröger
  56. Alba de Cespedes: Das verbotene Notizbuch
  57. Angelika Klüssendorf: Risse
  58. Angelika Klüssendorf: Das Mädchen
  59. Susanna Tamaro: Die Demut im Blick
  60. Brigitte Giraud: Schnell leben

Jahresrückblog 2024

Und noch einmal Reinhard Mey. Sein Lied „Einundsiebzigeinhalb“ passt nicht nur zur Halbzeitbilanz, sondern auch zum Jahresrückblog am Ende des Jahres. „Was ist aus all dem geworden, was ich mir am Neujahrsmorgen, ganz fest vorgenommen hab?“ Oder, um den König aus Hermann van Veens Musical die Ente Kwak zu zitieren: „Ist es schon wieder so weit?“

Ja, wieder Silvester: Zeit, Bilanz zu ziehen, zurück, aber auch ein wenig nach vorne zu schauen. Zu diesem Jahresrückblog hat mich Judith Peters gleichnamige Aktion inspiriert – allerdings habe ich ihre Vor- und Ratschläge meinen Bedürfnissen entsprechend modifiziert. So habe ich den Beitrag nicht wie die anderen Teilnehmerinnen am 20. Dezember veröffentlicht. Zum einen, weil ich am Morgen dieses Tages zu einer Untersuchung im Krankenhaus war. Zum anderen nutze ich meinen Blog nicht beruflich, er ist rein privat. Und weil ich zwischen den Jahren weder Urlaub noch eine Auszeit vom Bloggen mache, stelle ich diesen Beitrag am letzten Tag des Jahres online.

Leben

Im vergangenen Jahr hat sich für mich einiges geändert. Ich bin seit Ende 2022 Rentnerin, seit Mitte 2023 nehme ich keine Schreibaufträge mehr an. 40 Jahre Lohnschreiberei sind genug. Ich habe gerne und viel gearbeitet – zeitweise wahrscheinlich zu viel. Und oft habe ich es nicht geschafft, das Leben zu genießen. Zu groß war mein Perfektionismus, zu groß die Angst, Aufträge dauerhaft zu verlieren, wenn ich einmal nein sage. Aber jetzt ist Zeit für das Leben nach der Arbeit – und für die Dinge, die ich gerne tue. Wann, wenn nicht jetzt? Denn wer weiß, wie viel Zeit noch bleibt.

Schreiben und lesen

Ich schreibe gerne, und natürlich werde ich weiter schreiben. Blogbeiträge zum Beispiel. In diesem Jahr habe ich nur 51 veröffentlicht, im nächsten Jahr sollen es ein paar mehr werden. Außerdem möchte ich Essays schreiben und mich an Gedichte wagen. Noch beschränke ich mich meist darauf, Letztere zu lesen – vor dem Einschlafen schlage ich oft den Conrady auf, der neben meinem Bett steht. Oder ich lese mich mit dem lyrischen Kalender durchs Jahr.

Apropos lesen: Ein Leben ohne Bücher kann ich mir nicht vorstellen. 60 habe ich in diesem Jahr gelesen – mehr als eins jede Woche. Die Liste der gelesenen Bücher werde ich in den nächsten Tagen in einem Extra-Beitrag posten.

Kunst

Ich liebe Bücher, seit ich lesen kann. Und ich schreibe, seit ich vor fast 50 Jahren Anne Franks Tagebuch zum ersten Mal gelesen habe. Gezeichnet habe ich dagegen nie. Doch jetzt möchte ich es endlich lernen, möchte mehr Farbe in mein Leben bringen. Deshalb habe ich im November mit einem privaten Zeichenkurs angefangen – und ich habe mir wieder einmal fest vorgenommen, im nächsten Jahr mehr zu zeichnen. Vielleicht klappt es ja in meinem neu eingerichteten Schreib-/Malzimmer, in dem ich nicht nur viel Platz, sondern auch viel Licht habe.

Zu der vorläufig letzten Umräumaktion in unserem Haus haben mich die verschiedenen Atelierspaziergänge angeregt, an denen ich in diesem Jahr teilgenommen habe. Ich bin eine Kunstbanausin, aber ich liebe es, Blicke hinter die Kulissen zu werfen und zu sehen, wie und in welcher Umgebung Kunst entsteht.

Außerdem habe ich viele Museen, Ausstellungen und Galerien besucht. Ein Highlight war sicher das Tate in Saint Ives, nicht nur wegen der Bilder im Museum, sondern auch wegen des tollen Blicks aus dem Museum aufs Meer. Sehr gut gefallen haben mir auch die Ausstellungen von Ilon Wikland und Volker Kriegel im Museum Wilhelm Busch. Und die Ausstellung „Nach Italien“ im Landesmuseum hat dazu geführt, dass wir unsere Reisepläne geändert haben und im Frühjahr statt nach Portugal in die Toskana gefahren sind.

Ganz stolz bin ich auf die erste Ausstellung meiner Tochter: Noch bis April sind im Unternehmerinnenzentrum in Hannover Tier-, Natur- und Landschaftsfotos von ihren Reisen und Wanderungen zu sehen.

Reisen

Gereist bin ich im zu Ende gehenden Jahr viel, nicht nur, aber auch dank des 49-Euro-Tickets. Dass es später kam als angekündigt, habe ich den PolitikerInnen längst verziehen, zumindest solange sie es nicht wieder abschaffen. Und auch daran, dass ich bei Kontrollen keine Karte, sondern mein Smartphone vorzeigen muss, habe ich mich inzwischen gewöhnt.

Durch das Ticket bin ich viel mobiler geworden. Ich kann einfach irgendwohin fahren, umweltfreundlich und preiswert. Auf diese Weise habe ich verschiedene Städte erkundet, die schon lange auf meiner To-visit-Liste standen, Wolfenbüttel zum Beispiel, Bad Gandersheim oder Lübeck. Außerdem bin ich jetzt oft in Hannover – gehe ins Museum, in die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, in die Herrenhäuser Gärten oder an den Maschsee. Und manchmal wandere ich ziellos durch die Straßen und lerne die Stadt kennen, in deren Nähe ich seit mehr als drei Jahrzehnten lebe.

Neben den kurzen Fahrten gab es natürlich auch die großen und kleinen Reisen mit dem Wohnmobil. Anders als geplant sind wir nicht nach Portugal und Skandinavien gefahren, sondern nach Italien und England. Aber das ist ja der Vorteil dieser Art des Reisens: Man kann spontan entscheiden, wohin die Reise geht. Man kann bleiben, wo es einem gefällt, und weiterziehen, wenn man oder frau mag. Und oft ist der Weg das Ziel.

Wann immer es geht, schaue ich mir unterwegs Gärten an, nicht selten sind sie besondere Highlights auf den Reisen. So waren der Giardino Bardini und der Giardino delle Roses meine Lieblingsorte in Florenz. In Saint Ives hat mir der Skulpturengarten von Barbara Hepworth sehr gut gefallen und nach Saint Austell sind wir nur wegen der Lost Gardens of Heligan gefahren.

Gewandert bin ich auch, wenn auch nicht so viel, wie ich eigentlich wollte. Immerhin bin ich auf den Calmont bei Ediger-Eller gestiegen, bin zum ersten Mal in den Alpen und auf dem South West Coast Path in Cornwall gewandert. Beides schmeckt nach mehr. Den Hexenstieg habe ich leider auch in diesem Jahr nicht geschafft. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der Harz liegt ja quasi vor der Tür und ist zudem auch eine ideale Übungsstrecke für Wanderungen aller Art  

Dank meines Fitnesstrackers weiß ich übrigens genau, wie viel ich in diesem Jahr gegangen bin: Es waren durchschnittlich 9.852 Schritte am Tag, also 3.595.980 insgesamt. Das Ziel 10.000 Schritte täglich habe ich also verfehlt, wenn auch nur knapp verfehlt.  

Omas gegen rechts

Seit einiger Zeit beteilige ich mich an Aktionen der Omas gegen rechts. Denn in Zeiten wie diesen genügt es meiner Meinung nach nicht mehr, gegen Antisemitismus und rechtsradikale Parteien zu sein, die unsere Demokratie gefährden – man muss es auch zeigen.

Dass Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder bedroht werden, dass sie Angst haben müssen, mit einer Kippa auf die Straße zu gehen oder in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen, macht mich nicht nur wütend, sondern erfüllt mich mit Scham. Und die politische Entwicklung in Deutschland, Europa und der Welt macht mir zunehmend Angst. Immer öfter denke ich an Martin Niemöllers Worte (https://martin-niemoeller-stiftung.de/martin-niemoeller/als-sie-die-kommunisten-holten):

„Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.“

Von 1937 bis 1945 war Niemöller in Gefängnissen und Konzentrationslagern eingesperrt. Sein Schicksal sollte uns mahnen, rechtzeitig aufzustehen und zu verhindern, dass hierzulande die Höckes, Chrupallas und Weidels an die Macht kommen, unsere Freiheit aushöhlen oder gar abschaffen.

Lieblings-Posts

Nennt eure „drei liebsten eigenen Blogartikel des Jahres“, empfiehlt Judith Peters den TeilnehmerInnen des Jahresrückblogs. Ich musste nicht lange nachdenken. Den Beitrag „Nie wieder ist jetzt“ habe ich nach einer Mahnwache vor dem Holocaust Mahnmal auf dem Opernplatz in Hannover geschrieben. Wir wollten am 9. November, am 85. Jahrestag der Pogromnacht von 1938, nicht nur an die Holocaust-Opfer, sondern auch an die Opfer des Massakers der Hamas in Israel erinnern. Und wir wollten ein Zeichen setzen – gegen den wachsenden Antisemitismus in Deutschland und in vielen anderen Ländern (https://timetoflyblog.com/nie-wieder-ist-jetzt).

Die beiden anderen Beiträge gehören eng zusammen: der Text über die Stadt der Tagebücher (https://timetoflyblog.com/die-stadt-der-tagebuecher) und der Beitrag über Orlando Orlandi Posti. Der junge Italiener, dessen Briefe aus dem Gefängnis im Tagebucharchiv von Pieve Santo Stefano aufbewahrt werden, wurde 1944 von den Nazis in den Adreatinischen Höhlen ermordet (https://timetoflyblog.com/in-memorian-orlando-orlandi-posti).

So etwas darf nie wieder passieren. Nie wieder ist jetzt.

Auf Weihnachtsmarkttour

Ja, ich gebe es zu: Ich liebe Weihnachtsmärkte. Deshalb hatte ich mir im Herbst auch vorgenommen, in diesem Jahr „zwei schöne Weihnachtsmärkte besuchen, die ich noch nicht kenne“.  

Diesen Punkt auf meiner Drei-Monats-Bucket-Liste hatte ich schon vor Beginn der Adventszeit – und damit der traditionellen Weihnachtsmarktzeit – abgehakt. Denn erst mit dem letzten Sonntag im November, dem Toten- oder auch Ewigkeitssonntag, endet das alte Kirchenjahr und das neue fängt mit dem Advent an.

Als sogenannter stiller Feiertag ist der Totensonntag durch die Feiertagsgesetzgebung der Bundesländer besonders geschützt. Öffentliche Sport-, Tanz- und Musikveranstaltungen sowie Märkte sind laut Wikipedia am Totensonntag, der in diesem Jahr auf den 26. November fiel eigentlich verboten. Doch das stört viele Weihnachtsmarktorganisatoren nicht – und die Genehmigungsbehörden drücken vielerorts ein Auge zu, weil die Märkte KundInnen in die Städte locken.

Immer mehr Weihnachtsmärkte öffnen inzwischen schon im November – und viele haben die Öffnungszeiten über die Festtage hinaus bis zum Ende des Jahres verlängert. Denn die Tage zwischen den Jahren, wenn die meisten Menschen frei haben, gehören zu den umsatzstärksten des Jahres. Schließlich müssen die Geldgeschenke an den Mann oder an die Frau gebracht werden.

Meine Tour über die Weihnachtsmärkte begann Ende November hoch im Norden, mit dem Weihnachtsmarkt Schiff Ahoi in Travemünde und der Lübschen Wiehnacht in Lübeck. Der Kunsthandwerkermarkt im historischen Hafenschuppen direkt an der Kaikante ist einer von insgesamt elf Weihnachtsmärkten, die die Hansestadt zu einer Weihnachtsstadt machen. Der Klassiker, der Weihnachtsmarkt rund um das Lübecker Rathaus,  wurde schon 1648 zum ersten Mal urkundlich erwähnt – und startete wie es sich gehört erst am Montag nach dem Totensonntag.  

Es schien, als hätten alle auf die Eröffnung gewartet. Denn obwohl es ein ganz normaler Montagvormittag war, war das Gedränge zwischen den Buden ziemlich groß. Bevor ich nach Travemünde zurückfuhr, schaute ich mir auch noch den historischen Weihnachtsmarkt an. Auf dem Hof der Basilika St. Marien zeigen HandwerkerInnen teilweise lang vergessene Künste und verkaufen ihre Waren an. Den Niederegger Weihnachtsbasar habe ich mir dagegen gespart, Denn ich mag Marzipan überhaupt nicht, auch wenn er in Lübeck angeblich so gut schmeckt wie sonst nirgendwo. Und meinen Kaffee mit Marzipan ungenießbar zu machen, käme mir nie in den Sinn. Nur für meinem Mann ein Päckchen Marzipan-Cappuccino erstanden.

Auch Lebkuchen ist nicht mein Ding. Deshalb kam ich gar nicht in Versuchung, die mit Lebkuchen verzierten Häuschen auf dem Gänsemarkt in Hamburg anzuknabbern. Und auch die Enkelkinder bevorzugen, anders als weiland Hänsel und Gretel, eher Zuckerwatte, gebrannte Mandeln und Pizza und Fahrten. Den Weihnachtsmarkt rund um das Lessingdenkmal habe ich ohnehin eher zufällig besucht: Nach einer Ballettaufführung unserer ältesten Enkeltochter in der Staatsoper lag er quasi auf dem Weg. Die Hexe habe ich zwischen den Lebkuchenhäuschen leider ebenso wenig entdeckt wie die mit dem Porträt des Dichters Gotthold Ephraim Lessing verzierten Tannenbaumkugeln, die wohl auf dem Weihnachtsmarkt verkauft wurden. Schade, ich hätte gerne eine mitgenommen, um unseren Weihnachtsbaum zu verzieren.

Weil der Hildesheimer Weihnachtsmarkt angeblich zu den schönsten Weihnachtsmärkten (Nord)Deutschlands) gehört, bin ich in der Woche vor Weihnachten nach Hildesheim gefahren – und war enttäuscht. Natürlich ist der Marktplatz mit dem berühmten Knochenhauer-Amtshaus, dem Tempelhaus und dem historischen Rathaus eine wunderschöne Kulisse für den Weihnachtsmarkt, aber weihnachtliche Stimmung kam bei mir nicht mehr auf. Vielleicht lag es am Wetter, das alles andere als weihnachtlich war, vielleicht hatte ich mich aber auch einfach sattgesehen an den Buden mit den überall ähnlichen Angeboten – ein wenig Kunsthandwerk und Handgemachtes, Kerzen, vor allem aber Bratwurst, Crepes, Waffeln, Glühwein und andere (alkoholische) Getränke. Die Erkenntnis des schweizerisch-österreichische Arzt Paracelsus, dass „allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“ – oder zumindest unbekömmlich -, gilt offenbar nicht nur für Medikamente und Heilkräuter. Dass sie sich auch auf Weihnachtsmärkte übertragen lässt, wurde mir erst beim Schreiben dieses Blogbeitrags bewusst.

Und so bin ich zwischen den Jahren auch noch zum Weihnachtsmarkt nach Lüneburg gefahren. Denn ich mag die Stadt in der Heide und wollte sie einfach mal weihnachtlich geschmückt und beleuchtet erleben. Doch trotz des schönen Ambientes und der besonderen Atmosphäre fehlte der Zauber – vielleicht auch, weil Weihnachten schon vorbei war. Alles hat bekanntlich seine Zeit – auch die Weihnachtsmärkte.

Bis zum nächsten Jahr ist der Überdruss sicher vergangen. Und so werde ich in elf Monaten wohl wieder einige Weihnachtsmärkte besuchen – wenn auch nicht so viele wie in diesem. Insgesamt zehn Weihnachtsmärkte in vier Wochen waren selbst für einen Weihnachtsmarktfan wie mich zu viel. Weniger ist ja bekanntlich manchmal mehr.

Ab ins Museum

Letzte Woche habe ich meine neue Museumscard Hannover aktiviert. Meine alte war vor einem Monat abgelaufen, die neue, ein Geburtstagsgeschenk, sollte erst mit meinem ersten Museumsbesuch beginnen. Es war allerdings nicht möglich, die Karte an einem Tag x online oder in einem der teilnehmenden Museen zu aktivieren. Ich bekam also einen Gutschein geschenkt, den ich in der Tourist Information am Hauptbahnhof Hannover einlösen musste. Die ist natürlich an Werktagen nur zu bestimmten Zeiten, an Sonn- und Feiertagen gar nicht geöffnet. Der Fortschritt ist wirklich manchmal nur eine Schnecke.

Ich habe lange überlegt, ob ich die Museumscard noch einmal haben möchte. Denn irgendwie stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr – zumindest wenn man die Karte mit anderen vergleicht. Von den acht hannoverschen Museen, die ich als Inhaberin der Museumscard ein Jahr lang besuchen darf, so oft ich will, sind zwei vermutlich lange Zeit geschlossen: das Historische Museum und Schloss Marienburg. Bleiben also sechs. Zum Vergleich: Der Museums-Pass Musées, den mir meine Freundin aus Süddeutschland schenkte, bietet für den doppelten Preis freien Eintritt in mehr als 350 (!) Museen, Schlösser und Gärten in Deutschland, Frankreich und der Schweiz.

„Mit dem Pass können kostenlos alle Sammlungen und Ausstellungen, in Begleitung von 5 Kindern auch ohne verwandtschaftliche Beziehung, besucht werden. Und das 365 Tage im Jahr“, heißt es auf der Website (https://www.museumspass2.com/ot/front/mpm/de/shop/index). Außerdem werden „Laufzeit und Passinhaber … erst beim ersten Museumsbesuch bestimmt“. Von so viel Flexibilität kann frau in Hannover nur träumen. Dort kostet auch die ZusatzkarteFamilie, mit der man bis zu drei Kinder mit in die Museen nehmen kann, acht Euro extra. Und während es im Süden gelingt, Museen in drei Ländern und drei Bundesländern – in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz – für einen gemeinsamen Pass zu gewinnen, ist es in Niedersachsen offenbar nicht einmal möglich, eine gemeinsame Museumskarte der Nachbarstädte Hannover, Hildesheim und Braunschweig anzubieten. Die Museumscard sei ein Angebot der Stadt, erklärte mir die Mitarbeiterin der Tourist Information. Sie war eher pikiert als interessiert, als ich ihr vom Museums-Pass Museés erzählte und sie bat, ihn den EntscheiderInnen in Hannover zur Nachahmung zu empfehlen.

Ja, das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt nicht, wenn frau die beiden Museumskarten vergleicht. Vergleicht man dagegen den Kartenpreis mit den Preisen für einzelne Eintrittskarten ist die Museumscard ein Schnäppchen. Ich genieße es, dass ich in meine Lieblingsmuseen gehen kann, so oft ich möchte. Manchmal schaue ich mir einfach nur einen Teil der Ausstellung oder auch nur ein Bild an. Das würde ich gewiss nicht tun, wenn ich jedes Mal Eintritt zahlen müsste.

Meine neue Karte habe ich übrigens im Wilhelm Busch Museum, dem Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst im Georgengarten, eingeweiht. Dort sind zurzeit neben der Dauerausstellung mit Originalen von Wilhelm Busch vier Sonderausstellungen zu sehen:

  • Frierst du schon? Soziale Kälte in warmen Schuhen
  • Oh oh, so fröhlich heute! Große Feste der Liebe
  • Rolfs Liedergeheimnisse mit Bildern von Sarah Settgast (Familienausstellung) und
  • Climate Change & Climate Justice

Die aktuellen Cartoons zur Klimakrise haben mir besonders gut gefallen. Gezeigt werden in Kooperation mit der „Schule des Ungehorsams“ einige Karikaturen, die für den österreichischen Kaktus Cartoon Award 2023 eingereicht wurden. Dass sich 1.700 KarikaturistInnen aus über 80 Ländern sich am Wettbewerb beteiligten, zeigt, wie wichtig dieses Thema für die KünstlerInnen ist (alle Fotos https://www.karikatur-museum.de/) .

Diese Ausstellung läuft noch bis zum 28. Januar 2024 – und dank meiner Museumscard werde ich sie mir gewiss noch einmal ansehen. Und auch die Paula-Modersohn-Ausstellung im Landesmuseum werde ich sicher in den nächsten Tagen besuchen.

Das ist eben der Vorteil der hannoverschen Museumscard: Die Museen liegen quasi direkt vor der Tür, die Fahrt zu den Museen im Süden ist dagegen leider recht aufwendig. Aber ich werde beide Karten nutzen. Ich habe mir vorgenommen, mich im nächsten Jahr immer mal wieder bei meiner Freundin einzuquartieren und mir viele Museen und Ausstellungen gemeinsam mit ihr anzusehen.

Monatsrückblick November 2023

Rechnet sich das 49-Euro-Ticket für dich, fragte mich eine Bekannte vor ein paar Tagen. Auf jeden Fall, antworte ich spontan, obwohl ich es noch nicht nachgerechnet habe. Als ich für diesen Monatsrückblick meine Fahrten im November aufgelistet habe, bestätigt sich der erste Eindruck: Ich war auch im November viel unterwegs. Ich habe meine Tochter im Harz besucht und die Enkelkinder in Hamburg. Ich bin mit dem Ticket nach Travemünde und zurück gefahren und von dort zweimal nach Lübeck – und retour. Einmal, um die Gedenkhäuser der berühmten Lübecker zu besichtigen – von Thomas und Heinrich Mann, Willy Brandt und Günter Grass –, ein zweites Mal, um über den Weihnachtsmarkt zu gehen, der am 27. November eröffnet wurde.

Zwei berühmte Lübecker, Günter Grass und Willy Brandt. Das Foto habe ich im Günter-Grass-Haus abfotografiert.

Selbst die Fähre über die Trave auf den Priwall konnte ich mit dem Ticket kostenlos nutzen, Dass man nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Nerven spart, weil man sich nicht durch den Tarifdschungel diverser Verkehrsverbünde kämpfen und vor Ticketschaltern anstehen muss, ist ein weiterer Vorteil.

In Hannover bin ich dank des Tickets auch häufiger als früher: Gleich am ersten Sonntag im November habe ich den monatlichen Schreibtreff im Ihmezentrum mit einem Rundgang durch die Ateliers in der List kombiniert.

Die Gruppe Lister Künstler gibt es seit mehr als 20 Jahren – schon in der Gründungsphase entstand wohl die die Idee, die Ateliers zu öffnen, Kunstinteressierten Einblicke in die praktische Arbeit zu geben und ihnen die eigenen Werke – nicht nur die fertigen, sondern auch Skizzen und Entwürfe, zu zeigen. Ich habe den Atelierrundgang durch die List, der immer am ersten Novembersonntag stattfindet, erst in diesem Jahr zufällig entdeckt – und ich war sicher nicht zum letzten Mal dabei. 

Meinem Ziel, zeichnen zu lernen und mehr Farbe in mein Leben zu bringen, bin ich im November ein Stück näher gekommen: Ich lerne seit Anfang des Monats zeichnen bei Heidrun Schlieker, einer Malerin, deren Bilder und vor allem Skizzenbücher ich seit Langem bewundere. Außerdem habe ich an Brigitte Helblings Workshop „Essays schreiben“ im AutorInnenzentrum Hannover teilgenommen. Mich fasziniert diese Form, für die es keine festen Vorgaben gibt, schon lange. Es ist, so Michael Hamburger in seinem Essay über den Essay, ein Spiel, „das seine eigenen Regeln schafft“ (http://culturmag.de/litmag/michael-hamburger-essay-ueber-den-essay/100328).

„Essayist:innen schauen auf die Welt um sich herum – und auf sich selbst – und machen sich dann daran, das Entdeckte, Erlebte, Gesehene in Worte zu fassen“, schreibt Brigitte in  ihrer Ankündigung des Workshops. Das gefällt mir, und vielleicht sind Essays ja genau die Form, die mir besonders liegt. Ich werde es versuchen – was ausgesprochen gut zum Essay passt. Schließlich kommt der Name vom Französischen essayer = versuchen.

Geschrieben habe ich natürlich auch, wenn auch (viel) weniger, als ich es mir vorgenommen habe. Denn der November ist ja der Nanowrimo, der „National novel writing month“. Besonders ehrgeizige und fleißige AutorInnen schreiben in diesem Monat 50.000 Wörter, also einen kurzen Roman. Das ist für mich völlig utopisch. Ich habe aus dem Nanowrimo wie schon im letzten Jahr, angeregt von den Instagrammerinnen Kathinka Engel und Kyra Groh, meinen privaten „Schreib so viel du kannst November“, gemacht, einen „nanowrimo light und stressfrei“ (https://timetoflyblog.com/schreibsovieldukan).

Und so bin ich in Travemünde statt zu schreiben oft am Meer entlangspaziert oder durch die Stadt gebummelt, ohne festes Ziel und fast ohne schlechtes Gewissen. Vielleicht brauche ich nach mehr als 40 Jahren Lohnschreiberei einfach eine Auszeit vom Schreiben, nicht zum Schreiben. Und außerdem kommen mir beim Gehen oft gute Geh-danken.

Schreiben mit Blick aufs Meer in Travemünde

Wer schreiben will, sollte viel lesen, darin sind sich fast alle SchreibratgeberInnen einig. Das habe ich im vergangenen Monat getan. Ich habe unter anderem mit Alba de Céspedes eine Autorin entdeckt, von der ich noch nie etwas von gehört hatte, und mit Max Frisch einen meiner früheren Lieblingsautoren wiederentdeckt. Und weil ich in Lübeck, der Heimatstadt von Thomas Mann war, habe ich auch Tonio Kröger, die frühe Novelle von Thomas Mann, wieder gelesen. Wirklich begeistert war ich zugegebenerweise nicht – und ich überlege, ob ich wirklich noch einen weiteren Versuch starten soll, den Zauberberg zu lesen. Mit dem fast 1000 Seiten dicken Roman, der als einer der großen Romane der klassischen Moderne gilt, habe ich mich bislang schwer getan. Und vielleicht gehört er wie Ulysses von James Joyce zu den Werken der Weltliteratur, die ich nie zu Ende lesen werde.