Vorgestern im Kino: „Suffragette – Taten statt Worte“. Erzählt wird die Geschichte der Wäscherin Maud Watts – und der Sufragetten, der Frauenrechtlerinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in England und den USA ums Wahlrecht für Frauen, gegen Gesetze, die Frauen benachteiligen, und für Gleichberechtigung kämpften.(Für alle, die es wie ich nicht wussten: Suffragette kommt von souffrage – Wahlrecht.)
Weil ihre friedlichen Versuche erfolglos sind und von den Zeitungen (das Radio wurde damals gerade erst erfunden, andere Medien gab’s noch nicht) totgeschwiegen werden, werden die Aktionen der Frauen radikaler: Sie werfen z. B. Schaufenster und Straßenlampen ein oder sprengen Briefkästen in die Luft. Maude gerät im Jahr 1913 eher zufällig durch eine Kollegin in die Aktionen hinein und wird dann selbst aktiv. Wie viele Frauenrechtlerinnen wird sie dabei geschlagen, verhaftet, eingesperrt und zwangsernährt. Bisher brave Ehefrau und Mutter, zahlt sie für ihr Engagement einen hohen Preis: Sie verliert ihren Job – und damit ihre Existenzgrundlage -, ihren Mann und ihren Sohn, der von ihrem Mann zur Adoption freigegeben wird.
Darf er das denn, fragt frau sich – ja, er durfte. Denn bis weit ins 20. Jahrhundert bestimmten die Männer nicht nur allein in Politik und Wirtschaft, sondern auch in der Familie und über die Kinder – auch wenn die Frauen die Erziehungsarbeit leisteten.
Zur Erinnerung für alle aus meiner Generation, die es schon vergessen haben – manche Jüngere lesen es vielleicht zum ersten Mal:
Die Vorrechte des Vaters bei der Kindererziehung wurden in der Bundesrepublik erst am 1. Juli 1958 mit dem Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau eingeschränkt; vollständig beseitigt wurden sie erst 1979. Erst durch das Gleichberechtigungsgesetz Ende der 1950er Jahre wurde das Recht des Ehemanns, in allen Eheangelegenheiten die endgültige Entscheidung zu treffen, ersatzlos gestrichen; Frauen dürfen erst seit 1958 über das Vermögen verfügen, das sie selbst in die Ehe eingebracht haben – vorher bestimmten die Männer, was mit dem Geld ihrer Frauen geschah. Bis 1958 durfte der Mann auch das Arbeitsverhältnis seiner Frau ohne ihre Zustimmung fristlos kündigen; ohne Einverständnis ihrer Männer erwerbstätig sein dürfen Frauen erst seit 1977. Bis dahin durften sie nach § 1356 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur arbeiten, „soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie“ vereinbar war. Es ist heute also vieles besser – sicher auch, weil Elisabeth Selbert darum gekämpft hat, dass der heute so selbstverständliche Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz aufgenommen wurde und weil sich nach ihr viele Frauen dafür engagiert haben, dass der Satz auch umgesetzt wird.
Manches, was in dem Film angesprochen wurde, ist noch heute aktuell: So dürfen Frauen in Deutschland zwar seit 1919 wählen – aber nur gut ein Drittel (rund 36 Prozent) der Abgeordneten im Deutschen Bundestag sind derzeit Frauen. In den Landes- und Kommunalparlamenten ist der Frauenanteil – und damit der Einfluss der Frauen – teilweise noch geringer.
Und was die Lohnunterschiede angeht: Im Film erhalten die Frauen pro Woche 17 Schilling Lohn, die Männer 19 Schilling. Das sind 10,5 Prozent weniger (allerdings glaube ich im Film gehört zu haben, dass die Frauen auch länger arbeiten). In Deutschland verdienten Frauen im vergangenen Jahr im Durchschnitt 22 Prozent weniger als Männer. Um ebenso viel zu verdienen wie die Männer in einem Jahr, müssen Frauen 79 Tage länger arbeiten – in diesem Jahr bis zum 19. März, dem Equal pay day. Selbst schuld, heißt es, denn Frauen wählen eben oft die falschen Berufe. Warum es wertvoller oder zumindest besser bezahlt wird, Autos und technische Geräte zu pflegen als Kinder, kranke oder alte Menschen, verstehe ich bis heute nicht. An der (finanziellen) Geringschätzung „weiblicher“ Berufe (und Arbeit) hat sich offenbar noch nichts geändert.
Es gibt also noch viele Gründe zu kämpfen, sich zu engagieren, daran hat mich der Film erinnert. Es lohnt sich, ihn zu anzusehen. Eine gute Filmkritik findet ihr unter http://blog.buecherfrauen.de/suffragetten-100-jahre-und-es-geht-weiter/