Manches neu, macht der Mai

Vorgestern habe ich einen ländlichen Blumengarten gesät. Und weil ich weder die breitwürfige Aussaat wirklich beherrsche noch das Pikieren oder Verziehen der Pflänzchen, sobald sich das erste Grün aus der Erde wagt, habe ich mich für die bequeme Variante entschieden. Ich habe einfach einen Saatteppich ausgelegt. Das ist ein einem Papiertaschentuch ähnliches Material, in das – hoffentlich im richtigen Abstand – diverse Samenkörner eingearbeitet sind. Viel verkehrt machen kann frau dabei eigentlich nicht. Ich musste den Samenteppich nur wässern, mit Erde bedecken, noch einmal gießen – und kann jetzt entspannt  abwaren, bis in ein paar Wochen hoffentlich bunte Sommerblumen sprießen. Welche es sind, verrät die Packung leider nicht, ich lasse mich also überraschen.

Auch mein Hochbeet füllt sich allmählich. In den vergangenen Wochen hatte ich schon ein paar Wurzelballen eingepflanzt, nachdem wir die dazugehörigen Salate verspeist haben, am Donnerstag sind ein paar Kohlrabipflanzen dazugekommen. Die Gurke und der Strauchbasilikum müssen noch ein paar Tagen im Wintergarten ausharren, weil beide keine Temperaturen unter zehn Grad vertragen. Zwar sollen Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und die Kalte Sophie, die nächste Woche durchs Land ziehen, in diesem Jahr recht mild ausfallen. Doch irgendwie traue ich den Eisheiligen nicht – und vertraue lieber dem Rat der Kräuterfrau, bei der ich die Pflänzchen gekauft habe.

Die Dahlien habe ich dagegen schon eingepflanzt: Angeblich dürfen die Knollen in die Erde, wenn die Apfelbäume blühen – und das tut unserer gerade. Bislang hatte ich mit Dahlien kein Glück. Eine gelbe hat im letzten Jahr nicht einmal eine Woche überlebt: Schon nach der ersten Nacht waren die ersten Blüten abgefressen. Und nach ein paar Tagen welkte nur noch ein einsamer Stengel vor sich hin.

Vielleicht mögen die gefräßigen Schnecken rote Dahlie weniger. Und bis die Dahlienknollen anfangen zu blühen, ist ihnen der Appetit auf Dahlien hoffentlich vergangen. Oder die zahlreichen Vögel und Frösche die gleich nebenan im Zaun und im Teich leben, haben die Dahliendiebe gefressen oder vertrieben. Und damit ich den Pflänzchen nicht selbst den Garaus mache, weil sie im Babyalter ganz anders aussehen als ihre erwachsenen Geschwister und ich sie daher nicht erkenne, habe ich die Pflanzorte diesmal  markiert.

Blütenpracht

Chaosgärtnerinnen proudly present: die neuesten Blüten von der Fensterbank und aus dem Wintergarten, die unterschiedlicher kaum sein könnten: prachtvoll die einen, eher unscheinbar, aber nicht weniger schön die anderen.

Die beiden Blüten der Strelitzie sind groß und farbenprächtig – und nicht zu übersehen. Sie erinnern wirklich an die bunten Vögel, denen die Strelitzia reginae ihre deutschen Namen verdankt: Papageien- oder Paradiesvogelblume.

Wie der rosa blühende Kaktus in meinem Arbeitszimmer heißt, weiß ich nicht. Ich vermute, dass er zur Familie der Mammillaria gehört, was netter klingt als die deutsche Bezeichnung Warzenkakteen. Etwa 180 Mitglieder soll diese Großfamilie haben,  die damit zu den artenreichsten Gattungen der Kakteengewächse zählt (https://www.pflanzenfreunde.com/lexika/kakteen/mammillaria.htm). Ursprünglich stammen die Mammillarias aus Mexiko, wie sie von dort auf meine Fensterbank gekommen sind, weiß ich nicht. Ich glaube mich zu erinnern, dass meine Tochter den Kaktus irgendwann gekauft und bei uns zurückgelassen hat, als sie ausgezogen ist.

Von meiner Schwiegermutter stammt die wohl älteste Zimmerpflanze im Haus: Der Osterkaktus ist mit seiner Tochter oder der jüngeren Schwester vor ziemlich genau 30 Jahren, nach dem Tod meiner Schwiegermutter, bei uns eingezogen. Er blüht alle Jahre wieder, auch wenn seine Kraft nachlässt. Jedes Jahr sind es weniger und kleinere Blüten, die Blätter sind nicht mehr so grün und prall wie bei seinen jüngeren Verwandten, sondern verholzen. Aber mir gefällt er: Ich finde, er altert in Würde.

Die beiden Kiwis – eine männliche und eine weibliche – sind erst im vergangenen Sommer zu uns gekommen und über Winter groß geworden. Jetzt blüht die Kiwi-Dame und die vielen beigen Blüten lassen auf reiche Ernte im Sommer hoffen. Wenn die Eisheiligen in gut einem Monat vorbei sind, werden sie und ihr Gefährte wieder nach draußen ziehen. Wir werden sie in aus ihren Töpfen in das kleine Beet an der Terrasse umpflanzen und ernten dann die Früchte für unser Müsli jeden Morgen ganz frisch. Neben den Kiwis sind dann  auch Erd-, Stachel- und Himbeeren in Pflückweite.

Auch Rip van Winkle wartet im Wintergarten auf wärmere Tage. Meine Tochter hat meinen Blogbeitrag über die verschwundene Narzisse gelesen und mir neue geschenkt. Vielen Dank dafür. Diesmal sind es gleich sieben Zwiebeln, die ich einpflanzen kann – und ich hoffe, dass sie spätestens im nächsten Jahr genauso aufblühen wie der Kaktus meiner Tochter auf meiner Fensterbank.

Rip van Winkle bleibt verschwunden

Vor drei Jahren habe ich in den Herrenhäuser Gärten eine Narzisse erstanden: Zum einen hat mir die gefüllte Blüte mit den spitz zulaufenden Blütenblättern gut gefallen. Zum anderen – und das war zugegebenerweise der eigentliche Grund – habe ich die Narzisse wegen ihres Namens gekauft: Rip van Winkle.

Rip van Winkle
Rip van Winkle nach dem Einpflanzen vor drei Jahren

Denen, die sich mit Literatur nicht so gut auskennen, sei’s gesagt: Rip van Winkle ist der Titel eines Hörspiels von Max Frisch, aus dem später sein Roman Stiller entstand.  (https://timetoflyblog.com/gartenerkenntnisse).  Max Frisch war lange Zeit einer meiner Lieblingsautoren, Stiller mein Lieblingsroman. Das Buch, 1974 gekauft, steht immer noch in meinem Regal. „Ich bin nicht Stiller!“ lautet der  erste Satz. An ihn erinnere ich mich auch nach fast 50 Jahren noch ohne nachzuschlagen (was ich dann natürlich doch getan habe, um nichts Falsches zu schreiben).

Doch zurück zu Rip van Winkle. „An zusagenden Standorten ist diese kleine, liebenswert altmodische Narzisse sehr dauerhaft“, steht auf der Webseite https://www.biogartenbedarf.de/blumenzwiebeln/narzissen/narcissus-rip-van-winkle/. Meine Freude an Rip van Winkle währte indes nur kurz: Schon im nächsten Jahr war sie verschwunden. Das verwundert natürlich niemanden, der die Geschichte Rip van Winkles kennt: Sie geht auf eine alte Kyffhäusersage zurück, die dann  den amerikanischen Schriftsteller Washington Irving Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer Erzählung inspirierte. Sie erschien erstmals 1819 und gilt als erste amerikanische Short Story bzw. als erste Kurzgeschichte der Weltliteratur  (https://de.wikipedia.org/wiki/Rip_Van_Winkle).

Hier die Kurzfassung: Der Bauer Rip Van Winkle hatte eine „unüberwindliche Abneigung gegen alle Arten von erklecklicher Arbeit“, wie Washington Irving schreibt; statt zu arbeiten, streifte lieber durch die Gegend – sehr zum Ärger seiner Frau. Bei einem seiner Ausflüge traf er auf eine Gesellschaft, trank etwas und fiel in einen tiefen Schlaf. Als er aufwachte und in sein Dorf zurückkehrte, erkannte er nichts wieder. Niemand erkannte ihn und niemand glaubte seine Geschichte. Man hielt ihn für einen Spion, doch dann erinnerte sich eine alte Frau an den Bauern, der vor 20 Jahren verschwunden war. Seine Frau war längst gestorben und Rip van Winkle lebte fortan im Haushalt seiner Tochter bis an sein glückliches Ende.

Ich hätte es also wissen oder zumindest gewarnt sein müssen. Nomen est omen. Wie ihr menschlicher Namensgeber hält offenbar auch die Narzisse Rip van Winkle wenig von „erklecklicher Arbeit“. Sprich: Sie blüht eben nicht, wie ich es erhofft und erwartet habe, sondern hat sich aus dem Staub gemacht. Oder schläft irgendwo tief unten in der Erde.

Ich bin nicht Rip van Winkle.

Als sich vor ein paar Wochen etwa an der Stelle, an der ich die Zwiebeln gepflanzt habe, das erste Grün und dann die ersten gelben Blüten zeigten, habe ich gehofft, dass Rip van Winkle zurückgekommen ist. Aber selbst eine Florasthenikerin wie ich erkennt, dass diese Pflanze nicht Rip van Winkle ist.

Geschichte(n) wiederholen sich ja bekanntlich manchmal. Vielleicht steht irgendwann in anderthalb Jahrzehnten meine Tochter im Garten  und wundert sich über eine gefüllte Narzisse, die sie nicht gepflanzt und die sie noch nie gesehen hat. Und dann erinnere ich mich,  inzwischen über 80 Jahre alt und eine richtig alte Frau, an die Narzisse, die ich in den Herrenhäuser Gärten gekauft habe – und an die alte Geschichte von Rip van Winkle.

Eins, zwei, drei ganz viele …

Meine Tochter hat von einer Oma – sie war Floristin – einen grünen Daumen geerbt, von der anderen, dazu passend, eine Sansevieria, auch Bogenhanf, Schwiegermutterzunge oder Afrikanischer Sisal genannt . Vor vier Jahren, kurz nach dem Umzug meiner Mutter ins Altersheim, habe ich die Pflanze umgetopft – und dabei auch meiner Tochter einen Ableger überlassen (https://timetoflyblog.com/nachrichten-aus-dem-winter-garten).

Weil Bogenhanf für Haustiere giftig ist, wurde er nach dem Einzug der Katze aus dem Wohnzimmer in die Küche verbannt. Aber während die Katze gelegentlich schmollt, weil sie nicht in die Küche darf, ist die Sansevieria mit ihrem neue Domizil zufrieden: Der kleine Ableger ist inzwischen zu einer stattlichen Pflanze herangewachsen, die den größten Blumentopf im Haushalt zu sprengen drohte. Deshalb war gestern – pünktlich zum Frühlingsbeginn – umtopfen angesagt.

Das Ergebnis übertrifft alle Erwartungen – oder Befürchtungen: Die „Mutterpflanze“ ist auf ihren Platz am Küchenfenster zurückgekehrt, glücklich, dass sie jetzt wieder ein bisschen Platz für sich hat. Und 15 kleine Sansevierias suchen jetzt eine neue Heimat.

Sie müssen draußen bleiben

Unser Wintergarten macht seinem Namen zurzeit alle Ehre: Auch wenn die Sonne scheint, ist es draußen derzeit noch recht kühl. Unter und hinter dem schützenden Glas zeigt das Thermometer dagegen mittags, wenn die Sonne um das Haus der Nachbarn herumgewandert ist,  oft 30 Grad und mehr – gerade richtig für eine Frostbeule wie mich. Vor allem in der Übergangszeit, also im (Vor)frühling und im Herbst, sitze ich gerne dort; der Wintergarten wird von Februar bis November zum Lese-, Schreib-, Arbeits-, Ess- und Wohnzimmer.

Auch die Pflanzen fühlen sich pudelwohl: Die Strelitzie wird bald blühen, die beiden Kiwis haben den Winter gut überstanden und sind schon jetzt größer als im vergangenen Herbst. Und auch meine Zitronenverbene wird wieder grün und duftet intensiv, wenn man an ihren Blättern reibt.

 

Der Osterkaktus, den wir aus einem Ableger großgezogen haben, wirft gerade die letzten rosa Blüten ab. Doch an den Blättern zeigen sich schon wieder kleine Knospen – er blüht diesmal wohl nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern auch, nomen est omen, an Ostern. Seine Mutter oder Tante trägt dagegen rot, wie die Knospen verraten.

Noch ist es im Wintergarten ein wenig eng, aber Anfang Mai, wenn die Eisheiligen vorbei sind, ziehen die meisten Pflanzen und der Mosaik-Tisch wieder auf die Terrasse.

Die Orangen- und Zitronenbäumchen müssen schon heute raus in die Kälte. Denn auf ihnen tummeln sich schon wieder die Blattläuse: Sie stechen die  Pflanzen an und zapfen ihnen einen zuckerhaltige Saft ab. Der wiederum lockt die Ameisen an: Sie melken die Läuse, kneifen ihnen in den Hintern, damit sie einen süßen Nektar, den sogenannten Honigtau, ausscheiden. Damit ernähren sich die Ameisen und füttern ihre Brut.

Das dürfen sie gerne tun, aber bitte draußen, im Garten oder auch auf der Terrasse: In unserem Wintergarten sind Ameisen ebenso wie Blattläuse unerwünscht. Sie müssen draußen bleiben.

Vorfrühling in den Herrenhäuser Gärten

Die Sturmtiefs mit Orkanböen, die in den letzten Tagen übers Land gebraust sind,  haben natürlich auch vor den Herrenhäuser Gärten nicht Halt gemacht. Der Berggarten und der Große Garten waren von Donnerstag bis Montag geschlossen, weil der Aufenthalt dort zu gefährlich war. Nur der Georgengarten, ein öffentlicher Park, konnte auf eigene Gefahr betreten werden.  Ich war vor den Stürmen dort, bei gutem Wetter – zum ersten Mal in diesem Jahr.

Ein Besuch im Berggarten zu jeder Jahreszeit, auch wenn die Schauhäuser leider seit Dezember  wegen Corona  gesperrt sind. Draußen wagen sich erst wenige Arten hervor, doch die legen sich mächtig ins Zeug: Schneeglöckchen, Winterlinge und Krokusse blühen überall und bilden teilweise weiße, gelbe und lila Blütenteppiche. Willkommene Abwechslung im sonst eher noch tristen Wintergrau und -braun.

Im Staudengrund fließt noch kein Wasser; der kleine Bachlauf wird erst in den nächsten Wochen geflutet. Ich liebe es, am plätschernden Bach entlang zu schlendern oder mich an einen der kleinen Teiche zu setzen, zu lesen, zu schreiben oder einfach nur die Ruhe zu genießen.  Noch sind die Ufer kahl, doch schon bald werden hier Wildstauden blühen.

Im Staudengrund steht auch mein Lieblingsbaum, die mächtige Süntelbuche Buche (Fagus sylvatica ‚Tortuosa‘). Was aussieht wie ein kleines Gehölz ist ein einziger Baum. Der Hauptstamm wurde 1880 gepflanzt; durch Absenker sind neue Stämme entstanden. Sie bilden im Sommer eine mehr als 750 Quadratmeter große dichte Krone. Der Weg auf der anderen Seite wird dann zu einem grünen Tunnel.

Die Süntelbuche im Berggarten ist eine der größten Süntelbuchen Niedersachsens; eine ganze Süntelbuchenallee gibt es im Kurpark von Bad Nenndorf. Dem Süntel, einem zum Weserbergland gehörenden Höhenzug zwischen der Kurstadt und Hameln, verdankt der zur Familie der Rotbuchen gehörende Baum seinen Namen. Dort wuchs früher der größte Süntelbuchenwald Europas.

Doch anders als ihre Verwandten wachsen Süntelbuchen nicht brav in die Höhe, sondern in die Breite. Ihre Stämme sind nicht gerade, sondern kurz und verdreht, die Äste miteinander verwachsen.  Deshalb galten sie  als verwunschen, vom Teufel oder von Hexen verdorben. Und weil sie sich weder gut zur Möbelfertigung noch als Brennholz eignen, wurde letzte Süntelbuchenwald vor mehr als hundert Jahren gerodet, das Hexen- oder Teufelsholz wurde verbrannt.

Bei Instagram werde ich jeden Monat ein Foto von „meiner“ Süntelbuche posten, wer mag, findet die Fotos unter chaosgaertnerinnen oder unter #12telblick2022.

Winterlinge

Wir haben vor einer Woche die Gartensaison eröffnet – obwohl noch kein wirklich gutes Gartenwetter ist: meist ist es kalt und regnerisch. Trotzdem habe wir  losgelegt: Wir haben kiloweise altes Laub und abgestorbene Staudenblätter von den Beeten entfernt und dabei Schneeglöckchen, Krokusse, Traubenhyazinthen und Hyazinthen freigelegt, die sich unter der schützenden Schicht schon hervorgewagt haben.

Nach Winterlingen suche ich dagegen auch in diesem Jahr vergeblich. Ich mag die kleinen gelben Blüten, die sich aber offenbar doch nicht so leicht vermehren lassen, wie es auf diversen Gartenseiten im Internet zu lesen ist.

Dass die Knollen, die ich im letzten Jahr gepflanzt habe,  nicht überlebt haben, bedaure ich sehr: Ich habe die sie im vergangenen Jahr von einer Freundin geschenkt bekommen, die ein paar Monate später gestorben ist. Aber vielleicht fahre ich in den nächsten Tagen bei ihrem Mann vorbei – das wollte ich ohnehin – und frage ihn, ob ich mir demnächst ein paar Pflänzchen ausgraben darf, quasi als blühendes Andenken.

Ein paar Winterlinge habe ich schon im Gartencenter gekauft – und sie  just zu der Zeit gepflanzt, als in meinem Heimatort eine frühere Nachbarin beerdigt wurde. Ihre Eltern hatten eine Gärtnerei; auch sie hatte einen grünen Daumen: In ihrem Wintergarten wuchsen wie in einem richtigen Gewächshaus auch Gemüse, Salat und Kräuter. Die Gurken hingen vom Dach hinunter – und sie haben ebenso wie die Tomaten viel besser geschmeckt als ihre Verwandten aus niederländischen Gewächshäusern.

Zur Beerdigung konnte ich leider nicht  an die Mosel fahren – und so habe ich mich mit der kleinen Pflanzaktion von meiner früheren Nachbarin verabschiedet. In den nächsten Jahren wird mich hoffentlich ein gelber Blütenteppich  an sie und meine verstorbene Freundin erinnern. Die beiden sind sich nie begegnet,  für mich sind sie aber trotzdem untrennbar miteinander verbunden – nicht nur, weil beide jahrelang gegen den Krebs gekämpft und dann doch verloren haben.

Als ich meine Freundin im vergangenen Mai in dem Krankenhaus besuchte, in dem sie ein paar Tage später sterben sollte, rief mich eine Freundin aus meinem Heimatort an und sagte mir, dass die Tochter jener Nachbarin gestorben sei: an der Krankheit, gegen die ihre Mutter seit Jahren kämpfte. Die Tochter war nicht einmal 50, als sie starb; ich kannte sie, seit sie ein Kind war. Das Schicksal ist manchmal wirklich ein mieser Verräter.

Nahe Verwandte

Im vergangenen Jahr – oder war es schon im Jahr davor – habe ich mir einen Philodendron und eine Monstera gekauft. Dass es sich um verschiedene Arten handelt, wusste ich nicht: Denn sie ähneln sich sehr und sind ja auch miteinander verwandt. Beide sind in den tropischen Wäldern Mittel- und Südamerikas zu Hause und gehören zu den Aronstabgewächsen (Araceae).

Die Monstera habe ich mir gekauft, weil ich sie für einen Philodendron gehalten habe – und weil mir die Blätter mit den großen Löchern so gut gefallen haben. Dass tief eingeschnittene und gelochte Blätter typisch für Monsteras sind, habe ich erst jetzt, beim Schreiben des Blogbeitrags, erfahren. Vielleicht heißt sie auch deshalb Fensterblatt, weil die großen Löcher an Fenster erinnern: Philodendron-Blätter sind  lanzen- oder  eiförmig, mal sind sie tief eingeschnitten, mal haben sie – wie meine – einen glatten Rand. Aber vielleicht ändert sich das noch, wenn die Pflanzen etwas älter und größer sind.

Philodendrons gibt es als Kletterpflanzen, Sträucher und Bäume, Monsteras sind dagegen immer Kletterpflanzen. Das hat meiner Monstera wahrscheinlich das Leben gerettet. Weil sich ein Trieb am Fensterrahmen hoch und um ein Bild gerankt hatte, durfte sie den vergangenen Sommer auf der Fensterbank verbringen. Dort ist sie munter weiter gewachsen  – der Trieb ist inzwischen mehr als drei Meter lang und hat auch andere Bilder an der Fensterwand erobert.

 

Ihr Cousin, der Philodendron, hatte weniger Glück. Die Sommerfrische auf der Terrasse ist ihm, anders als den anderen Pflanzen, überhaupt nicht bekommen. Dass Philodendren weder pralles Sonnenlicht noch Staunässe vertragen, habe ich erst gelesen, als es zu spät war: Beides gab es im eher verregneten Sommer 2021 abwechselnd.

Am Ende des Sommers war die Mutterpflanze dann leider nicht zu retten, aber immerhin drei Ableger. Die haben jetzt Plätze gefunden, die ihnen hoffentlich besser gedeihen: weder zu hell noch zu dunkel. Zwei stehen am Ostfenster meines Schreibzimmers und sehen morgens die Sonne, die dritte leistet ihrer Cousine Monstera im Schlafzimmer an einem Westfenster Gesellschaft und genießt die Abendsonne. Gemeinsam erfreuen sie mich nicht nur mit ihren grünen Blättern, sondern sie verbessern auch das Raumklima, weil sie Schadstoffe – falls vorhanden – aus der Luft filtern.

Diesmal zur Weihnachtszeit

Morgen ist der vierte Advent, und auch in diesem Jahr sieht unser Adventskranz  ein paar Tage vor Weihnachten noch aus wie neu. Er ist so grün wie am ersten Adventssonntag und er nadelt kaum.

Wer schön sein und jung aussehen will, muss bekanntlich leiden. Diese Weisheit aus dem menschlichen Leben gilt wohl auch für Adventskränze. Und so muss unser armer Adventskranz  einiges erdulden, um sein jugendliches Aussehen zu bewahren.  Mein Mann taucht ihn regelmäßig in unsere Regenwassertonne, damit er frisch bleibt. Außerdem verbannt er ihn während der Woche aus dem gemütlich warmen Wohnzimmer in den sehr kühlen, weil ungeheizten Wintergarten. Erst zu Beginn des Wochenendes  holt er den Kranz für zwei Tage aus seinem kühlen Exil hervor – und ab dem vierten Advent  darf er dann im Wohnzimmer bleiben. Ob er sich darüber freut? Oder ob er ahnt, dass seine Zeit  unaufhaltsam zu Ende geht?  Denn nach Weihnachten braucht niemand mehr einen Adventskranz  – auch wenn er noch so gut erhalten ist. Und bis zum nächsten Advent hält ein echter Adventskranz auch bei bester Pflege nicht durch.

 

Draußen im Garten blühen – passend zur Jahreszeit – die Christrosen in Weiß und in Zartrosa. Die letzte richtige Rose ist dagegen fast verblüht – die Rosenzeit ist ja eigenlich schon längst vorbei.

 

Die Himbeere scheint dagegen völlig aus der Zeit gefallen – sie trägt ihre Früchte in diesem Jahr zur Weihnachtszeit. Vielleicht liegt es daran, dass wir den Strauch erst im Frühsommer gepflanzt haben und er seinen Rhythmus noch nicht gefunden hat. Vielleicht profitiert er auch von dem sehr geschützten Standort auf der Südseite des Hauses, direkt neben den Wintergarten.

Das schlechte Wetter und auch die frostigen Nächte im November haben den Früchten, so scheint es, nichts ausgemacht. Sie sind trotzdem rot und reif geworden, können geerntet und gegessen werden. Und zumindest die Farben – Rot und Grün – passen zur (Vor-)Weihnachtszeit.

Grünes Erbe

Die Orchidee auf meiner Fensterbank versetzt mich zweimal im Jahr in Erstaunen. Das ist natürlich nicht besonders schwer, weil ich mich ja mit Pflanzen im Allgemeinen und Orchideen im Besonderen nicht sonderlich gut auskenne.

Ich habe nur eine einzige Orchidee – und ich weiß nicht einmal genau, wie sie heißt. Ich glaube, es ist eine Schmetterlingsorchidee. Ich hatte sie meiner Mutter kurz vor ihrem Tod geschenkt, weil sie – anders als ich – Orchideen sehr mochte. Als meine Mutter gestorben war, habe ich die Pflanze mit nach Hause genommen; wider Erwarten hat sie die Strapazen des doppelten Umzugs überstanden. Die Orchidee ist widerstandsfähiger, als ich vermutet habe – und erstaunlich pflegeleicht. Ich gebe ihr regelmäßig zu trinken und sorge dafür, dass sie keine nassen Füße hat. Dass Orchideen  das nicht mögen, weiß ich von meiner Mutter.

Sonst beachte ich die Adoptiv-Orchidee wenig, aber vielleicht  gefällt ihr gerade das: Nach einer australisch-neuseeländischen Studie sind Pflanzen extrem berührungsempfindlich; es kannn ihr Wachstum erheblich verzögern, wenn sie ständig berührt  werden.

Viel gewachsen ist die  Orchidee auf meiner Fensterbank zwar nicht, aber kurz vor dem Geburtstag meines Vaters Ende November hat sie wie in den vergangenen beiden Jahren Blüten bekommen. Ein zweites Mal, und das ist für Orchideen keinesfalls selbstverständlich, blüht sie dann im Mai auf, gerade rechtzeitig zum Geburtstag meiner Mutter. Das ist wahrscheinlich Zufall und entspricht wohl ihrem natürlichen Blührhythmus, aber ich freue mich doch jedes Mal darüber. Es ist für mich ein Zeichen, dass sie sich bei mir wohl  fühlt.

Eine anderes blühendes Erbe schwächelt in diesem Jahr – zum ersten Mal seit mehr als drei Jahrzehnten: Als wir die Wohnung meiner Schwiegermutter nach ihrem Tod vor fast 35 Jahren auflösten, haben wir zwei Osterkakteen mitgenommen. Sie waren sicher schon damals  nicht mehr die jüngsten, aber sie haben sich bei uns gut eingelebt.

Eine der beiden Hatiora-Hybriden blühte seither trotz des Namens immer zur Weihnachtszeit, die andere, wie es sich für einen Osterkaktus gehört, an Ostern. Doch in diesem Jahr tragen die beiden keine einzige Blüte. Doch auf die weihnachtliche Blütenpracht müssen wir trotzdem nicht verzichten: Ein Ableger, den wir vor einigen Jahren unter einem Drachenbaum eingepflanzt haben, blüht genauso üppig wie seine Mutter oder Tante es bislang immer getan hat.

Auch die Sansevieria, die ich von meiner Mutter geerbt habe, vermehrt sich prächtig – nicht nur bei mir in Burgwedel. Ein Ableger ist nach Bad Harzburg, ein anderer nach Bruchsal gezogen. Von dort wandert ein Teil des Bogenhanfs jetzt über den Rhein – zurück nach Rheinland-Pfalz: Fast drei Jahre, nachdem die alte Pflanze mit meiner Mutter  Neumagen verlassen hat, findet der Ableger des Ablegers jetzt in Neustadt eine neue Heimat.