… heißt heute die Standardfrage in meinem Bekanntenkreis. Denn viele Freunde und Bekannte haben – oder hatten bis vor Kurzen – Väter, Mütter, Eltern und/oder Schwiegereltern, um die sie sich kümmern oder die sie gar betreuen (lassen) müssen. Das Thema Kinder, lange Zeit Gesprächsthema Nummer 1, ist meist vergleichsweise schnell abgehakt: Unsere Kinder sind groß, haben ihr Studium oder die Ausbildung meist schon abgeschlossen. Sie stehen auf eigenen Füßen und leben ihr eigenes Leben. Und wenn ich früher darüber gestöhnt habe, wie schwierig es ist, Kind und Job unter einen Hut zu bringen, weiß ich heute: Im Vergleich zur Betreuung der alten Eltern war die Betreuung der Kinder ein Kinderspiel.
Kleine Kinder leben bei ihren Eltern, alte Eltern leben dagegen oft weit von ihren erwachsenen Kindern entfernt. Die Fahrt zu meiner Mutter an die Mosel dauert etwa ebenso lang wie ein Flug auf die Kanarischen Inseln oder nach Nordnorwegen. Die Kinder kommen irgendwann in den Kindergarten, dann in die Schule. Für alte Menschen gibt es zu wenige gute Betreuungsangebote – außerdem wollen die meisten von Altenheimen, Tagespflege oder anderen Möglichkeiten nichts wissen. Ein Umzug – ob ins Altenheim, eine betreute Wohnung oder nur in den Wohnort der Kinder kommt für die meisten nicht in Frage: Ein alter Baum lässt sich bekanntlich nicht leicht verpflanzen. Und anders als unsere Kinder, für die wir einfach entscheiden konnten und mussten, entscheiden unsere Eltern selbst über ihr Leben – und damit auch über unseres. Denn wenn die Eltern nicht mehr ganz alleine zurechtkommen und unsere Hilfe brauchen – oder wenn wir das Gefühl haben, dass dies der Fall ist -, werden ihre Probleme (auch) unsere.
Was tun, wenn der demente Vater partout nicht einsieht, dass er nicht mehr Auto fahren kann und er eigentlich Führerschein und Auto abgeben müsste? Wenn die Mutter weiter allein in ihrem Haus leben will, das eigentlich viel zu groß geworden ist. Diese Fragen einen uns alle: Singles und Paare, Eltern und Kinderlose.
Eine Bekannte pendelt derzeit zwischen zwei Altenheimen hin und her, weil für ihre Eltern auf die Schnelle kein Platz in einem Heim zu finden war. Ihr Vater hatte sich jahrelang um seine schon pflegebedürftige Frau gekümmert. Als er irgendwann nach einer Operation selbst pflegebedürftig wurde, war es zu spät. Eine Freundin fuhr jahrelang jedes zweite Wochenende von Berlin, wo sie wohnt und arbeitet, nach Süddeutschland, um ihren Vater bei der Pflege ihrer alzheimerkranken Mutter zu entlasten. Meine Mutter kommt noch gut alleine zurecht: Sie kauft ein, kocht, wäscht und bügelt; nur fürs Putzen hat sie eine Hilfe. Trotzdem fahren meine Schwestern und ich seit Jahren abwechselnd einmal im Monat für mehrere Tage an die Mosel, um ihr Gesellschaft zu leisten, nach dem rechten zu sehen und die Dinge zu erledigen, die mit 92 eben nicht mehr so leicht fallen: Gartenarbeit beispielsweise oder Gardinen waschen.
Früher war das einfacher: Im Haus meiner Eltern lebten meine Oma und zwei Großtanten – in eigenen kleinen Wohnungen, zwei von ihnen weitgehend selbstständig, bis sie über 80-jährig starben. Meine Mutter kümmerte sich um ihre Mutter und ihre Tanten, kaufte ein war im Notfall einfach da. Das war sicher anstrengend, aber es war auch beruhigend, für alle Beteiligten. Und es war machbar, weil alle im gleichen Ort wohnten und in dem Haus genug Platz war. Heute sind die Häuser und Wohnungen kleiner, die Ansprüche und die Entfernungen dafür umso größer.
Meine Schwestern und ich leben eben nicht mehr am gleichen Ort wie meine Mutter, sondern an verschiedenen Orten am anderen Ende der Republik. Vielen meiner Bekannten geht es ähnlich. Und so pendeln wir zwischen unseren Eltern und unserem eigenen Leben und fragen uns gegenseitig: „Wie geht es deinen Eltern?“