2023 einhalb

5. Juli, die zweite Jahreshälfte hat vor ein paar Tagen begonnen, Zeit also, darüber nachzudenken und darüber zu schreiben, was – frei nach Reinhard Mey – „aus all dem geworden (ist), was ich mir am Neujahrsmorgen, ganz fest vorgenommen hab?“

Meine guten Vorsätze für das Jahr 2023 waren, das stelle ich beim Blättern in alten Tagebüchern und beim Scrollen durch alte Blogbeiträge fest, fast die gleichen wie in den vergangenen Jahren. Und wie in den Jahren davor habe ich auch in diesem vieles, was ich mir vorgenommen habe, nicht durchgehalten. „Die zweite Yogaeinheit am Abend beispielsweise oder das tägliche Meditieren sind ebenso hehre Ziele geblieben wie die tägliche Skizze“  – den Satz brauchte ich nicht neu zu formulieren, sondern konnte ihn unverändert aus der Halbjahresbilanz 2021 in diesen Text kopieren (https://timetoflyblog.com/2021-einhalb). Ich trinke immer noch (viel) zu wenig und auch was die tägliche Bewegung angeht, bleibe ich – allerdings nur knapp – hinter meinen Vorsätzen zurück. Durchschnittlich 9.898 Schritte bin ich seit Anfang des Jahres jeden Tag gegangen. Die angestrebten 10.000 Schritte täglich sind also immerhin in Reichweite.

Gelesen habe ich in diesem Jahr nach meiner wahrscheinlich nicht vollständigen Liste 33 Bücher, das sind mehr, als ich mir vorgenommen habe (ein Buch je Woche). Und ich bin erfreulicherweise mehr gereist als in den vergangenen Jahren. Wir waren mit dem Wohnmobil drei Wochen in Italien und ein paar Tage auf Fehmarn.

Dank des 49-Euro-Tickets kann ich es mir leisten, zwischendurch einfach mal mit der Bahn irgendwohin zu fahren– beispielsweise zu meiner Tochter in den Harz, zu den Enkelkindern nach Hamburg, zum Stadtbummel nach Lüneburg oder zu einem Vortrag nach Würzburg. Die Reise nach Franken war irgendwo auch eine Reise in die Vergangenheit: Als ich in den 1980er-Jahren mein Volontariat in einem kleinen Buchverlag machte, war der Bildband über Franken das erste Projekt, für das ich verantwortlich war, für das ich viele Texte geschrieben und auch Fotos gemacht habe – analog natürlich. Damals war ich oft im Juliusspital, in dem der Vortrag stattfand, allerdings nicht im Krankenhaus, sondern im Weingut, das zum Krankenhaus gehört. Oder umgekehrt.

Bei meinen Besuchen in Würzburg habe ich auch den Leiter des Weinguts des Bürgerspitals kennengelernt, das wie das Juliusspital zu den großen Weingütern der Stadt und in Franken gehört. Rudolf Frieß schenkte mir dann zwei Jahre später zwei Bocksbeutel mit Frankenwein: einen zur Geburt meiner Tochter, den anderen zu unserer Hochzeit – ja, in dieser Reihenfolge. Die beiden Flaschen mit meiner fränkischen Lieblingssorte Rieslaner liegen noch im Keller. Vielleicht öffne ich eine, wenn ich demnächst meine beiden letzten beiden Auftragsartikel abgegeben habe und nach fast 40 Jahren aufhöre, als Journalistin zu arbeiten. So schließt sich der Kreis.

In der ersten Jahreshälfte habe ich noch mehr Schreibaufträge angenommen als geplant. Das wird sich ändern. Künftig will ich nur noch für mich schreiben, das habe ich mir fest vorgenommen: Blogbeiträge, Essays und vielleicht auch wieder ein Buch. Vielleicht schaffe ich es ja dann auch, regelmäßig am Ende des Monats Bilanz zu ziehen wie Anke auf ihrem Blog https://www.goingandflowing.de/ oder – Fernziel – wie stancerbn allwöchentlich auf die vergangene Woche zurückzublicken https://alltaeglichesundausgedachtes.com/. Und vielleicht erreiche ich dann ja zumindest in der zweiten Jahreshälfte mein Ziel: zwei Blogartikel vor Woche. Im ersten Halbjahr war es gerade mal ein Post je Woche. Immerhin.

Mehr schreiben, lesen, zeichnen, wandern, reisen – und endlich FreundInnen wiedersehen, die ich schon ewig nicht mehr gesehen, steht auf der Wunschliste, die ich letzte Woche geschrieben habe. Morgen Abend fahre ich zu einem Schreib- und Wanderwochenende in die Alpen und bessere dabei hoffentlich auch meine Schrittebilanz auf. Mein kleines Skizzenbuch nehme ich natürlich auch mit. Ein guter Start also in eine – frei nach Reinhard Mey –

„gute zweite Halbzeit
Und ein gutes altes Jahr
Werde, was Ihr Euch wünscht Wirklichkeit
Bis zum 1. Januar!“
https://www.songtexte.com/songtext/reinhard-mey/71-12-4bda0706.html

In Memoriam: Orlando Orlandi Posti

In meinem Blogbeitrag über die Stadt der Tagebücher im Mai habe ich über die Briefe eines jungen Mannes geschrieben, die mich sehr beeindruckt und an Anne Franks Tagebuch erinnert haben (https://timetoflyblog.com/die-stadt-der-tagebuecher). Seinen Namen hatte ich mir leider nicht gemerkt – es waren wohl einfach zu viele Informationen und Eindrücke an diesem Vormittag. Inzwischen habe ich ihn von Silvia Gennaioli von der Fondazione Archivio Diaristico Nazionale in Pieve Santo Stefano, die mich Anfang Mai durch das Tagebuchmuseum führte, erfahren.

Orlando Orlandi Posti war Student, Mitbegründer der Italienischen Revolutionären Studentenvereinigung (ARSI) und eine der Geiseln, die im Zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten beim Massaker in den Ardeatinischen Höhlen ermordet wurden. Der 17-Jährige wurde Anfang Februar 1944 von der SS verhaftet, als er seine Freunde vor einer geplanten Razzia der deutschen Besatzer im Bezirk Monte Sacro warnen wollte. Während seiner fast zwei monatigen Gefangenschaft in der Via Tasso gelang es ihm, Briefe an seine Mutter zu schreiben und aus dem Gefängnis zu schmuggeln.

Über das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen (Fosse Ardeatine) wissen die meisten Menschen in Deutschland wenig oder gar nichts. Ich gebe zu: Auch ich musste zuerst recherchieren, was dort geschehen war, bevor ich diesen Beitrag schreiben konnte. Dabei habe ich mich immer für Geschichte interessiert und das Fach – allerdings vor sehr langer Zeit – studiert.

Am 24. März 1944 ermordeten deutsche Soldaten 335 Menschen –  als Vergeltungsmaßnahme für den Tod von 33 Südtiroler Polizisten, die am Tag zuvor bei einem Bombenanschlag von italienischen Widerstandskämpfern in der Via Rasella ums Leben gekommen waren (https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_in_den_Ardeatinischen_Höhlen). Die Hinrichtungen dauerten einen ganzen Nachmittag; die jüngste ermordete Geisel war 15 Jahre alt, die älteste 74. Orlando Orlandi Posti starb ein paar Tage nach seinem 18. Geburtstag. Seine Träume, nach dem Krieg und der deutschen Besatzung Medizin zu studieren, zu reisen, in Freiheit zu leben, konnte er nicht verwirklichen.

Seine Mörder durften weiter leben, alt werden und in Freiheit sterben. Herbert Kappler, der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Rom, der das Kriegsverbrechen organisierte und einige Geiseln selbst ermordete, wurde zwar 1948 zu lebenslanger Haft verurteilt. Aber er konnte vor seinem Tod im Februar 1978 aus dem Gefängnis fliehen (https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Kappler). SS-Hauptsturmführer Erich Priebke, der die Erschießungen protokollierte und auch selbst Geiseln erschoss, tauchte nach dem Krieg unter und floh mit seiner Familie nach Südamerika – unterstützt von katholischen Geistlichen. Ein halbes Jahrhundert lebte der Kriegsverbrecher unbehelligt in Argentinien. Erst 1998 wurde er in Italien zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, die jedoch wegen seines Alters in Hausarrest umgewandelt wurde.

„Im Prozess 1996 vor dem Militärgericht berief sich Priebke auf den Befehlsnotstand“, schrieb Malte Herwig in einem Artikel, der im Oktober 2013, kurz nach Priebkes 100. Geburtstag, im Magazin der Süddeutschen Zeitung erschien (https://sz-magazin.sueddeutsche.de/geschichte/der-letzte-fall-79973). Seine Beteiligung am Massaker bereute er auch kurz vor seinem Tod nicht, ein Fehler sei nur gewesen, dass „Leider Gottes … fünfe zu viel erschossen worden“ sind, nämlich 335 Menschen statt 330: für jeden getöteten Polizisten zehn unschuldige Geiseln. Er bemitleidete nur sich selbst und seine Mittäter. „Für uns war das ja furchtbar“, sagte Priebke, der sich selbst als gläubigen Christ bezeichnete. Mögen er und alle seine Helfer und Helfershelfer ewig in der Hölle schmoren.

Als ich den Artikel las, kam mir der Begriff von der „Banalität des Bösen“ in den Sinn, den die Philosophin Hannah Arendt 1963 beim Prozess gegen Adolf Eichmann prägte. Treffender kann man die „massive Gleichgültigkeit, mit der die Verbrechen begangen“ und die moralische Verantwortung dafür abgegeben wurde, wohl nicht beschreiben (https://www.deutschlandfunkkultur.de/outsourcing-moralischer-verantwortung-die-banalitaet-des-100.html).

2004, zum 60. Jahrestag des Massakers in den Adreatinischen Höhlen, wurden Orlando Orlandi Postis Briefe und Tagebuchnotizen aus dem Gefängnis veröffentlicht. Bislang gibt es das Buch* leider nur auf Italienisch. Aber vielleicht findet sich ja ein Verlag, der zum 80. Jahrestag im März 2024 die „Lettere dal carcere di via Tasso“ ins Deutsche übersetzen lässt und herausgibt. Damit sich künftig auch Menschen in Deutschland an das Kriegsverbrechen erinnern und Orlando Orlandi Posti und die anderen Opfer nie vergessen werden.

*Orlando Orlandi Posti: Roma ’44. Lettere dal carcere di via Tasso di un martire delle Fosse Ardeatine  Italienische Ausgabe, Rom, Donzelli 2004, 9,99 Euro

Quer durchs Land

Vor gut einem Monat sind wir von unserer Wohnmobiltour durch die Toskana zurückgekommen. Seitdem reise ich – viel umweltfreundlicher und auch preiswerter – mit dem 49-Euro-Ticket durchs Land.

Dass es das lang angekündigte Ticket nur als Abo gibt, stört mich nicht. Ein bisschen Verbindlichkeit – und Planungssicherheit für die Verkehrsbetriebe – darf’s für mich durchaus sein. Schwerer tue ich mich damit, dass es die Fahrkarte nur als digitale Version gibt. Ich gehöre nämlich zu denen, die gerne etwas in der Hand haben – schließlich habe ich früher mal gelernt, dass ich getrost nach Hause tragen kann, was ich schwarz auf weiß besitze. Und ich frage mich, warum das, was bei Fahrkarten und Bahnkarten problemlos funktioniert, nicht auch beim Deutschlandticket möglich sein soll. Aber was nicht ist, ist nicht. Und so gewöhne ich mich notgedrungen daran, statt meiner Fahrkarte mein Smartphone zu zeigen, wenn ich kontrolliert werde.

Wie oft ich das Ticket im Mai genutzt habe, kann ich nicht genau sagen. Aber ich war ziemlich viel unterwegs. Für meine Fahrten nach Hannover, zum Künstlerhof in Mehrum oder in die Nachbarorte hätte auch das preiswertere Seniorenticket für die Region Hannover ausgereicht. Aber die Mehrkosten für das 49-Euro-Ticket haben sich allein durch die die beiden Fahrten in den Harz zu meiner Kollegin Foe amortisiert.

Die Kosten sind ohnehin nur ein Aspekt. Mindestens ebenso wichtig – oder noch wichtiger – ist für mich die neu gewonnene „Bewegungsfreiheit“. Ohne das Ticket wären wir sicher nicht spontan an einem Samstagvormittag nach Lüneburg gefahren.

Und wahrscheinlich hätte ich mich bei der Suche nach einem „zeitnahen“ Termin bei einem Facharzt auf die ÄrztInnen der Region beschränkt. So habe ich in ganz Niedersachsen nach einem Radiologen gesucht – und ihn in Goslar gefunden. Und ganz nebenbei habe ich auf dem Weg zu der Praxis auch den Romanischen Garten entdeckt.

Bei meinem nächsten Abstecher in den Harz werde ich nicht auf direktem Weg nach Bad Harzburg fahren, sondern über Bad Gandersheim. Dort möchte ich nicht nur die Landesgartenschau besuchen, sondern auch auf den Spuren von Roswitha von Gandersheim wandeln. Sie gilt als erste deutsche Dichterin und hat um 950 in ihrem Epos: „Das Gedicht von dem Gandersheimischen Klosters“ über die Anfänge des Stifts und der Stiftskirche Gandersheim geschrieben.

Bis jetzt bin ich nur durch Niedersachsen gereist, aber die ersten Fahrten quer durchs Land sind geplant. So stehen Hamburg, Lübeck, Leipzig und Potsdam auf meiner Liste. Außerdem möchte ich endlich meine Museumstour durch Süddeutschland starten. Denn ich liebäugle schon lange mit dem Museums-PASS-Musées. Mit diesem Pass kann ich für 119 Euro ein Jahr lang mehr als 300 Museen, Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Frankreich und der Schweiz besichtigen (https://www.museumspass.com/de) . Wenn ich meine Freundin in Süddeutschland besuche, sind viele Museumsorte mit Öffis gut zu erreichen. Es gibt also viel zu entdecken …

Kunst, Kloster, Gärten

Ich mag Kunst und ich mag schöne Gärten: Und so war der Tag der offenen Gartenpforte im Kunsthof Mehrum eine willkommene Gelegenheit, einen alten Landhausgarten und die Werke von drei Künstlern – Arne Stahl (Malerei), Lothar Feige (Metallskulpturen) und Bernd Rutkowski (Glasobjekte) – zu sehen.

Der Kunsthof stand schon lange auf meiner To-visit-Liste, aber bislang hatte mich die ziemlich lange Fahrt abgeschreckt. Denn Mehrum liegt am anderen Ende der Region Hannover, an der Grenze zu den Landkreisen Hildesheim und Peine. Mit Öffis braucht man für eine Strecke gut zwei Stunden und muss mindestens zweimal umsteigen.

Auf der Hinfahrt am Sonntagmorgen waren die Busse und die Straßenbahn glücklicherweise ziemlich leer; auf der Rückfahrt leider nicht, weil die Fans von Hannover 96 zum letzten Heimspiel ihrer Mannschaft fuhren. Hätten sie geahnt, was auf sie zukommt – eine 1:5-Klatsche gegen Holstein Kiel und eine laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung ziemlich unterirdische Leistung – wären einige sicher zu Hause geblieben.

Ich habe die Fahrt dagegen nicht bereut: In dem fast 3.000 Quadratmeter großen Garten des Kunsthofs gibt es neben Obst-, Gemüse-, Kräuter- und Blumenbeeten auch eine Streuobstwiese und andere naturbelassene Bereiche mit Sitzecken und einem Skulpturenpfad. Besonders gut haben mir die Glasarbeiten von Bernd Rutkowski gefallen; die eine oder andere würde sich sicher auch in unserem Garten gut machen. Außer vielen Anregungen und schönen Impressionen habe ich auch die Broschüren mit Informationen über die Offenen Gartenpforten in den Landkreisen Peine und Hildesheim mit nach Hause genommen. Und sicher werde ich auch einmal einen Blick in die Gärten der Nachbarregionen werfen.

Einen Garten am Harzrand hatte ich zwei Tage zuvor auf dem Weg zu einem Arzttermin eher durch Zufall entdeckt: An dem Romanischen Garten in Goslar bin ich bislang immer achtlos vorbeigegangen, obwohl er ganz in der Nähe des Bahnhofs auf dem Weg in die Altstadt liegt. Allerdings versteckt er sich wie die Neuwerkkirche hinter einer hohen Mauer. Die romanische Kirche gehörte früher zum Kloster „St. Maria in horto“, Maria im Garten. Es wurde im 12. Jahrhundert als Benediktinerinnenkloster gegründet, nach der Reformation im Jahr dann 1528 evangelisch und in ein Damenstift umgewandelt, in dem die unverheirateten Töchter wohlhabender Goslarer Familien lebten.

Die Klostergebäude und den Kreuzgang gibt es nicht mehr, in einem Teil des früheren Klostergartens wachsen allerdings heute wieder Pflanzen, die in den mittelalterlichen „Gartenbüchern“ verzeichnet sind – neben heute noch bekannten wie Pfingstrose oder Salbei auch fast vergessene Nutzpflanzen wie die afrikanische Kuhbohne. Schilder an den Beeten verraten nicht nur den deutschen Namen, sondern auch die botanische Bezeichnung und die Herkunft der Pflanzen, in normaler und in Brailleschrift.

Ich werde künftig sicher öfter hier Station machen. Und vielleicht wandere ich auch einmal auf dem Harzer Klosterweg, der an der Neuwerkkirche beginnt und unter anderem über die Klöster Wöltingerode, Ilsenburg und Himmelspforte bis zur Klosterkirche Sankt Marien in Quedlinburg führt.

Umbau in den Herrenhäuser Gärten

Die Herrenhäuser Gärten überraschen mich bei jedem Besuch aufs Neue. Diesmal mit zahlreichen Zitruspflanzen, die rund um den Schmuckhof, zwischen Bibliothekspavillon, Subtropenhof und den Schauhäusern, aufgereiht sind. Zur Citrus-Sammlung der Herrenhäuser Gärten sollen mehr als 70 verschiedene Arten und Sorten gehören – historische ebenso wie Neuzüchtungen.

Die meisten der kälteempfindlichen Zitruspflanzen können Otto-Normal-BesucherInnen wie ich nur im Sommer bewundern. Im Winter verschwinden sie dann wieder in den Überwinterungshäusern, die nicht öffentlich zugänglich sind (https://orangeriekultur.de/pages/orangerien/orangerien-und-glashaeuser-in-deutschland/niedersachsen/orangerie-sammlung-der-herrenhaeuser-gaerten-hannover.php).

Das ändert sich, wenn das neue Schauhaus fertig ist. Es soll das alte Kanarenschauhaus ersetzen, das  – 1984 gebaut – „abgängig und auch viel zu niedrig“ für Phönixpalmen, Kanarische Kiefern und Co. war (https://www.hannover.de/Herrenhausen/Herrenhäuser-Gärten/Berggarten/Neues-Ausstellungshaus/Ein-neues-Schauhaus-für-den-Berggarten).

Das neue Schauhaus wird etwa 1.000 Quadratmeter groß, bis zu 9 Meter hoch und in drei Bereiche gegliedert. Neben den Pflanzen von den Kanarischen Inseln und aus dem Mittelmeerraum finden dort künftig auch Zitrus- und andere Kübelpflanzen sowie – in einem speziellen Warmwasserbecken – die tropische Victoria-Riesenseerose eine neue Heimat. Die Riesenseerose, auch Amazonas-Riesenseerose genannt, gilt mit einem Blattdurchmesser von bis zu drei Metern als größte Seerosen-Art der Welt. Sie war schon Mitte des 19. Jahrhunderts in den Herrenhäuser Gärten zu bewundern, doch das nach ihr benannte Victoriahaus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Das neue Schauhaus ist vermutlich erst 2025 fertig. Eine andere „Baustelle“ gleich nebenan wird hoffentlich schneller beseitigt. Wo im vergangenen Jahr noch Pfingstrosen, Rittersporn und andere Schmuckstauden standen, hatte sich die Ackerwinde ausgebreitet. Winden sehen zwar hübsch aus, überwuchern aber schnell andere Pflanzen. Die Senkwurzeln der Ackerwinde reichen bis zu zwei Meter tief. Um die Schlingpflanzen zu bekämpfen, wurde der Boden in einem Teil des Schmuckstaudenbeets ausgehoben. Doch im nächsten Jahr grünt und blüht es hier hoffentlich wieder.

Die Pfingstrosen halten sich derzeit noch etwas zurück, doch pünktlich zu Pfingsten am kommenden Wochenende werden die meisten Knospen sich wohl öffnen.

Die Akeleien blühen dagegen schon in den verschiedensten Farben, ebenso die Rhododendren im Rhododendronhain.

Im Staudengrund ist der kleine künstliche Bach kaum noch zu sehen; dafür entdecke ich eine Mohnpflanze, die ich bislang noch nicht kannte: Der Marienkäfer-Mohn, eine Zwergmohn-Art, verdankt seinen Namen einem großen schwarzen Fleck auf jedem seiner vier leuchtend roten Blütenblätter. Wie gesagt, die Herrenhäuser Gärten überraschen mich bei jedem Besuch aufs Neue.

Die Stadt der Tagebücher

Überschwemmungen in Italien, viele Dörfer und Städte stehen unter Wasser. Besonders betroffen ist die Emilia Romagna, die Region, durch die wir auf unserer Rückreise aus der Toskana gefahren sind. Auch an jenem Tag regnete es ohne Unterlass – zum ersten Mal, seit wir drei Wochen zuvor den Brenner überquert haben. Der Regen setzte am Nachmittag des Vortags ein, gerade als wir Pieve Santo Stefano, den letzten Ort auf meiner To-visit-Liste, verlassen hatten.

Natürlich frage ich mich, wie es dort aussehen mag. Schließlich liegt Pieve Santo Stefano direkt am Tiber – und schon einmal, im Jahr 1855, hat eine Überschwemmung in dem kleinen toskanischen Ort an der Grenze zur Emilia Romagna große Schäden angerichtet. Damals wurden viele Gebäude und Kunstwerke beschädigt und zerstört, ebenso bei den beiden Erdbeben im April 1917 und im Juni 1919.

Der Tiber fließt durch Pieve Santo Stefano, Anfang Mai ruhig und mit wenig Wasser.

Weit schlimmer aber waren die Zerstörungen durch die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Seit 1943 fanden in der Region schwere Kämpfe statt, Ende August 1944 verminten die Deutschen auf ihrem Rückzug den Ort und sprengten fast alle Gebäude. Nur der Palazzo del Comune und die Kirche blieben erhalten. Fast 99 Prozent der Gebäude und über 100 Kilometer Straßen waren laut Wikipedia zerstört (https://de.wikipedia.org/wiki/Pieve_Santo_Stefano). Als die Bewohner zurückkehrten und ihr Dorf wieder aufbauten, wurden die alten Gebäude im Renaissance-Stil durch moderne Häuser ersetzt.

So schön wie viele andere toskanische Städte ist Pieve Santo Stefano daher nicht. Und vielleicht ist der Ort in Deutschland deshalb fast unbekannt. Doch für mich steht seit 1996 fest, dass ich irgendwann nach Pieve Santo Stefano muss. Damals habe ich, begeisterte Tagebuchschreiberin, Barbara Bronnens Buch* „Die Stadt der Tagebücher. Vom Festhalten des Lebens durch das Schreiben“ gelesen: Die Erzählerin besucht mit ihrer Freundin Eva das Fest der Tagebücher, das alljährlich im September in Pieve Santo Stefano stattfindet. Seit 1984 gibt es in der Stadt der Tagebücher (Città del Diario) das nationale Tagebucharchiv (Archivio Diaristico Nazionale), in dem inzwischen mehrere tausend Tagebücher und andere zeitgeschichtliche Dokumente aufbewahrt werden.

Die Idee, autobiografische Schriften – Tagebücher, Briefwechsel und persönliche Lebenserinnerungen – ganz „normaler“ Menschen zu sammeln und Interessierten zugänglich zu machen, hatte der italienische Journalist Saverio Tutino.. „Das Archiv will nicht nur, wie ein Museum, die persönlichen Texte aufbewahren sondern ihren inneren Reichtum auf verschiedenste Weisen fruchtbar machen“, schreibt er (http://www.archiviodiari.org/index.php/archivio/423-das-tagebucharchiv-von-pievesanto-stefano). Ziel sei es, bislang verborgene Texte zu neuem Leben und neues Interesse an autobiografischen Texten zu wecken. Das ist gelungen: Der Tag der Tagebücher im September ist inzwischen Tradition; alljährlich werden Tagebücher prämiert und von Verlagen veröffentlicht. Und auch in anderen Ländern sind inzwischen Tagebucharchive entstanden, in Deutschland in Emmendingen.  

Meine Italienischkenntnisse reichen leider für einen Besuch im Tagebucharchiv nicht aus, doch zum Glück gibt es seit fast zehn Jahren – seit dem 7. Dezember 2013 – das „piccolo museo del diario“ im ersten Stock des Palazzo Pretorio, einem der wenigen von den deutschen Soldaten nicht zerstörten Gebäude.

Das Museum ist wirklich klein, es besteht nur aus vier Räumen. Original-Tagebücher und -Dokumente gibt es hier leider nur wenige – die meisten im zweiten Raum, in dem eine Ecke an Saverio Tutino, den Gründer des Archivs der Tagebücher, erinnert. Aber man kann mithilfe von Multimedia-Tools die Tagebücher und Briefe aus drei Jahrhunderten ansehen und anhören. Bekannte Schauspieler lesen Auszüge aus den Dokumenten vor.

Im ersten Raum verstecken sich die virtuellen Dokumente – wie manche echte Tagebücher – in Schränken und Schubladen. Öffnet man sie, werden sie lebendig und geben ihre Geheimnisse preis. Besonders beeindruckt haben mich die Auszüge aus Tagebüchern und Briefen, die ein junger Mann geschrieben hat, der im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern gefangen genommen wurde. Er träumte von einem Leben nach dem Krieg, wollte reisen, studieren – wie Anne Frank. Doch wie sie konnte er seine Wünsche nicht verwirklichen. Auch er wurde ermordet. Aber das Tagebucharchiv und das Tagebuchmuseum verhindern, dass das, was er in der Zeit vor seinem Tod gefühlt, gedacht und gehofft hat, in Vergessenheit gerät.

Sein Landsmann Vincenzo Rabito, geboren 1899, hat den Krieg überlebt, sich das Schreiben selbst beigebracht – und seit Ende der 60er-Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1981 seine Erinnerungen und die Geschichte des Jahrhunderts aufgeschrieben. Entdeckt wurden die Aufzeichnungen erst nach Rabitos Tod durch das Nationale Tagebucharchiv; 2007 wurden sie unter dem Titel „Terra Matta“ teilweise veröffentlicht und mit dem Literaturpreis Racalmare Leonardo Sciascia ausgezeichnet. Fotos aus dem Leben des Autors und von Manuskriptseiten werden im dritten Raum des kleinen Museums an die Wand projiziert, Auszüge aus dem mehr als tausendseitigen Text sind zu hören.

Im letzten Raum ist schließlich das größte und wohl ungewöhnlichste „Tagebuch“ der Sammlung zu sehen. Nach dem Tod ihres Mannes schrieb die Bäuerin Clelia Marchi ihre Erinnerung an das Leben mit ihm nieder – zuerst auf Papier, dann, als sie kein Papier mehr hatte, auf einem Betttuch. Ein Abdruck des Tuchs ziert auch das Cover des Buches von Barbara Bronnen, das leider vergriffen ist. Aber mein Exemplar hat mich auf unserer Reise durch die Toskana natürlich begleitet.

Besichtigungen des kleinen Museums sind nur mit Führung möglich. Weil ich an diesem Morgen die einzige Nicht-Italienerin war, führte mich Silvia Gennaioli durch die Räume, erklärte mir alles und beantwortete meine Fragen auf Englisch. Die gesprochenen Tagebuch-Texte konnte ich auf einem Audio-Guide auf Englisch hören. Ganz herzlichen Dank noch einmal dafür.

Das piccolo museo del diario ist täglich geöffnet. Wer es besuchen möchte, sollte sein Ticket vorher buchen, weil die Zahl der TeilnehmerInnen an den Führungen begrenzt ist. Es lohnt sich wirklich. Mehr Informationen und Tickets unter

www.piccolomuseodeldiario.it 

*Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung

Barbara Bronnen: Die Stadt der Tagebücher. Vom Festhalten des Lebens durch Schreiben. Krüger Verlag, 1996

Wechsel im Wintergarten

Die Eisheiligen sind vorbei, aber schon vor dem Besuch der kalten Dame Sofie hatten wir fast alle Blumen aus ihrem Winterquartier im Wintergarten auf die Terrasse gebracht. Nur die Yucca darf in diesem Jahr drinnen bleiben: Sie ist einfach zu groß und schwer, um sie rauszutragen – und mit dem Seitenast passt sie kaum mehr durch die Wintergartentür.

Die anderen Pflanzen haben die ersten Nächte draußen recht gut überstanden, obwohl es noch ziemlich frisch ist. Aber unter null sind die Temperaturen hier nicht mehr gesunken; außerdem stehen zumindest Zitruspflanzen, Strelitzie, Osterkaktus und Drachenbaum an der Hauswand recht geschützt.

Zu den Zimmerpflanzen haben sich gestern die Kräuter gesellt, die ich bei „meiner“ Kräuterfrau auf dem Markt gekauft habe. Ananassalbei und Strauchbasilikum leisten der Olive Gesellschaft. Ihre Vorgänger haben, wie auch der große Salbeistrauch im runden Kräuterbeet, den Winter nicht überstanden. Ich hoffe, dass sein noch junger Nachfolger an der gleichen Stelle genauso gut wächst und gedeiht.

Den Knoblauch hat mein Mann zu den Tomaten in sein Hochbeet gepflanzt, die essbaren Blüten stehen jetzt neben der Künstlerrose im Beet vor dem Wintergarten, wo wir Anfang des Jahres den vom Buchsbaumzünsler befallenen Buchsbaumstier ausgraben mussten. Vielleicht werde ich die ersten blauen Blüten schon heute pflücken und über den Salat streuen. Sie schmecken lecker und wachsen immer wieder nach, hat die Kräuterfrau versprochen, und auf ihren Rat ist eigentlich immer Verlass.  

Nach dem Auszug der Pflanzen gehört der Wintergarten wieder uns. Aber so aufgeräumt wie jetzt wird er wohl nicht lange bleiben. Meine Kiste mit Büchern, Schreib- und Zeichenutensilien steht schon bereit; und auch mein Mann wird seine Hobbyutensilien schon bald hier ausbreiten. Denn vom Mai bis in den Herbst hinein wird der Wintergarten zum viel genutzten Schreib-, Mal-, Lese-, Arbeits-, Ess-, Wohn- und Hobbyzimmer.

Hauptsache Lesen

E-Book oder richtiges Buch, das war für mich lange keine Frage. Ich bin ein großer Fan gedruckter Bücher – und ich werde es sicher auch bleiben. Digitale Bücher waren für mich eigentlich immer nur Notlösungen. Ich habe sie gekauft oder geliehen, wenn ich verreist bin und sicher gehen wollte, dass mir der Lesestoff nicht ausgeht. Oder wenn mir die Printversion eines Buchs zu teuer war.

Doch meine Einstellung ändert sich allmählich. Immer häufiger entscheide ich mich aus Überzeugung bzw. aus ganz praktischen Gründen für die digitale Variante. Ich gehöre nämlich zu den Menschen, die in den Büchern, die sie lesen, Spuren hinterlassen. Ich unterstreiche Dinge, die mir wichtig sind, notiere Anmerkungen am Rand oder Zitate auf Karteikarten, die dann leider manchmal verloren gehen.

Markieren und Notieren geht bei E-Books natürlich auch – aber im E-Book kann ich alles wieder spurlos löschen, wenn ich möchte. Was aber viel entscheidender ist: Seit ich einen neuen E-Book-Reader habe, kann ich Markierungen und Notizen mit wenigen Befehlen an meinen Computer senden und die Datei weiterbearbeiten. Weil ich mir einen Arbeitsgang spare, sind E-Books für mich immer öfter erste Wahl, wenn ich ein Buch nicht nur lesen, sondern auch darüber schreiben möchte, wie zum Beispiel letztens über „Ein Zimmer für sich allein“ von Virginia Woolf.

Weit über 100 Bücher im handlichen Taschenbuchformat

Einmal gekauft und abgespeichert, habe ich die Bücher immer dabei – im handlichen Tachenbuchformat, ohne zentnerweise Papier mit mir rumschleppen zu müssen. Und während ich manchmal gefühlt stundenlang in meinen Bücherregalen nach einem bestimmten Buch suche, finde ich meine E-Books problemlos wieder. Das liegt nicht nur daran, dass meine digitale Bibliothek noch recht überschaubar ist. Mein E-Book-Reader ist zugegebenerweise einfach viel ordentlicher und systematischer als ich. Er ordnet Bücher nie falsch ein und auf Knopfdruck sortiert er sie in Sekundenschnelle neu – wahlweise nach Titel, Autor, Aktualität oder vielleicht auch nach anderen Kriterien, die ich bislang nicht entdeckt habe.

Dass ich E-Books im Dunkeln lesen kann, ohne Licht zu machen, ist – gerade wenn wir mit dem Wohnmobil unterwegs sind und auf engem Raum zusammenleben – ein weiterer Vorteil. Wenn ich wach werde, kann ich lesen, ohne Licht zu machen und meinen Mann zu stören. Außerdem sind die elektronischen Buchläden rund um die Uhr geöffnet – auch an Sonn- und Feiertagen. Und so kann ich mir heute, am Welttag des Buches, selbst ein Buch schenken. Schließlich geht der 1995 von der UNESCO eingerichtete Aktionstag für das Lesen, für Bücher und für die Rechte von Autoren auf die katalanische Tradition zurück, am Namenstag des Heiligen St. Georg Rosen und Bücher zu verschenken. Der 23. April ist übrigens nicht nur der Georgstag, sondern laut Wikipedia auch das (vermutete) Geburts- sowie das Todesdatum von William Shakespeare, von Miguel de Cervantes sowie der Geburtstag des isländischen Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness (https://de.wikipedia.org/wiki/Welttag_des_Buches).

Welches Buch ich mir herunterladen werde, weiß ich noch nicht. Vielleicht eines meiner Lieblingsbücher, Fahrenheit 451 von Ray Bradbury. Der Roman spielt in einer totalitären Gesellschaft, in der Lesen verboten ist und Bücher, wenn sie entdeckt werden, verbrannt werden. Eine fürchterliche Vorstellung. Denn die Geschichte hat gezeigt, dass Heinrich Heine recht hatte, als er sagte: „Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man irgendwann auch Menschen.“

Was für ein Glück, dass ich in einem Land lebe, in dem ich jedes Buch kaufen und lesen darf, das ich möchte. Ob digital oder ganz klassisch auf Papier ist eigentlich egal – Hauptsache Lesen.

Sind Nomen Omen?

Ist er wieder da? habe ich Ende März in einem Blogbeitrag gefragt. Inzwischen kenne ich die Antwort. Ja, er ist! Rip van Winkle, die Narzisse mit dem literarischen Namen, ist wieder aufgetaucht. Und zwar nicht nur eine, sondern sogar zwei Blüten. Allerdings nicht dort, wo ich sie vermutet habe, sondern etwa zwei Meter von der Stelle entfernt, an der ich die Zwiebeln eingepflanzt habe.

Natürlich wundert es mich nicht wirklich, denn schließlich ist die Narzisse nach einem bekannten Herumtreiber benannt: Nach Rip van Winkle, einem Bauern mit einer „unüberwindlichen Abneigung gegen alle Arten von erklecklicher Arbeit“, über den der amerikanische Schriftsteller Washington Irving eine Kurzgeschichte geschrieben hat (https://de.wikipedia.org/wiki/Rip_Van_Winkle).

Sind Nomen, also Namen, wirklich Omen, also Zeichen oder Programm, wie schon der römische Komödiendichter Plautus (um 250–184 v. Chr.) behauptet hat?

Davon, dass Namen etwas über die Persönlichkeit der TrägerInnen aussagen oder ihr Leben, zum Beispiel die Berufswahl, beeinflussen, sind manche NamensforscherInnen und PsycholgInnen überzeugt. So fand der Sozialpsychologe Brett Pelham laut Süddeutsche Zeitung bei der Auswertung von Namenslisten, Berufsverzeichnissen und Melderegistern heraus. dass Amerikaner, die George oder Geoffrey heißen, auffallend oft Geowissenschaflter werden. Dennis, Denise und Denny arbeiten angeblich überproportional häufig als Dentisten, also Zahnärzte; Lawrence und Laurie g in Rechtsberufen, wie es schon in ihren Namen (Law = Recht) anklingt (https://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-wie-der-name-unser-schicksal-praegt-1.691365-0).

Es soll sogar einen sogenannten Name-Letter-Effekt geben. Der wurde laut Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik 1985 vom belgischen Sozialpsychologen Joseph Nuttin definiert. Er behauptete, „dass der Anfangsbuchstabe des Vornamens eines Menschen allerlei Entscheidungen seines Lebens unbewusst beeinflussen würde. In seiner extremen Interpretation besagt der Name-letter-effect, dass selbst die Wahl des Wohnorts und von Lieblingsgetränkemarken, aber auch die Wahl von Freunden durch eine solche Sympathie für den Anfangsbuchstaben des Vornamens mitbestimmt wird“ (https://lexikon.stangl.eu/21573/name-letter-effekt). Allerdings ist umstritten, dass es den Effekt wirklich gibt; es könnte sich auch um eine statistische Fehlinterpretation handeln.

Mindestens ebenso fraglich ist, ob Eltern ihrem Kind mit dem ausgewählten Namen auch bestimmte Eigenschaften übertragen können, ob Felix oder Beate also besonders glücklich, Yilmaz besonders furchtlos ist. Nachgewiesen ist allerdings, dass bestimmte Namen bestimmte Assoziationen hervorrufen und Vorurteile erzeugen – positive wie negative. Vor allem Kevins haben es schwer. So stand in einem Fragebogen für eine Studie der Uni Oldenburg der Kommentar: „Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose!“ (https://www.presse.uni-oldenburg.de/mit/2009/390.html). Aber auch SchülerInnen, die Justin, Chantal oder Mandy heißen, gelten der Studie zufolge als verhaltensauffälliger und leistungsschwächer als beispielsweise Simon, Hannah oder Marie.

Apropos Marie: Auch ich heiße mit zweitem Namen Maria – wie (fast) alle Evas, die ich kenne. Es scheint, als hätten unsere Eltern mit diesem Zweitnamen ein positives Gegengewicht zum ersten schaffen wollen, der zumindest mit Blick auf die Geschichte von Adam und Eva nichts Gutes verhieß. Schließlich war Evas Ungehorsam der Grund (oder der Vorwand), warum die Menschen aus dem Paradies vertrieben wurden. Sie ließ sich von der Schlange verführen, pflückte und aß den Apfel vom Baum der Erkenntnis (wer würde das nicht), obwohl Gott es ausdrücklich verboten hatte. Und sie überredete auch Adam, gegen Gottes Gebot zu verstoßen.

Maria, die Mutter Jesus, tat dagegen, so erzählt es die Bibel, was Gott von ihr verlangte. Sie bekam ihren Sohn, obwohl sie nicht verheiratet war. Mit ihrem Gehorsam riskierte sie als ledige Mutter sicher Schimpf und Schande, und auch Josef, ihr Verlobter, hätte sie ja bekanntlich fast verlassen.

Einer Bekannten, die wie ich Eva Maria heißt, erzählten ihre Eltern, dass man sie Maria gerufen hätte, wenn sie eine ganz Brave gewesen sei. Das war sie wohl nicht, und so blieb sie Eva – ebenso wie ich. Und das ist gut so.

Betrachtet man die hebräische Bedeutungen der Namen, taugt Maria als braves Gegengewicht zur Eva im Übrigen nur bedingt. Denn Maria bedeutet nicht nur „Meeresstern“, „die Geliebte“ und „die Fruchtbare“, sondern auch „die Widerspenstige“ (https://www.vorname.com/name,Maria.html). Und neben der eher braven Gottesmutter Maria gibt es in der Bibel noch Maria Magdalena: Sie zählte laut Lukasevangelium zu den Frauen, die Jesus „von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt hatte“. Sieben Dämonen sollen aus ihr ausgefahren sein, bevor sie dann treue Anhängerin Jesus wurde, für seinen Lebensunterhalt und den seiner Jünger sorgte und erste Zeugin seiner Auferstehung wurde (https://www.katholisch.de/artikel/14103-apostelin-mit-verruchtem-image). Und Eva heißt übersetzt „die das Leben gebende“ – eine durchaus positive Bedeutung also. So kann man sich irren.

Auch ich habe mich im März übrigens geirrt. Die unaufgeblühte Pflanze, die ich in meinem Blogbeitrag zeigt, war zwar eine Narzisse, aber sie war eben nicht Rip van Winkle. Vor ein paar Tagen sind endlich die Blüten zum Vorschein gekommen. Ihr Geheimnis hat sie allerdings nicht enthüllt. Denn ich habe sie gewiss nicht gepflanzt. Ich weiß also weder, woher sie kommt noch wie sie heißt.  Aber irgendwann werde ich es vielleicht erfahren. Und darüber berichten. 

Thema verfehlt?

Ich fürchte, ich bin ein ziemlich langweiliger, fantasieloser Mensch. Das ist mir wieder einmal bewusst geworden, als ich vergangene Woche die Fastenmail von Frank Muchlinsky gelesen habe. „Tun Sie etwas Unvernünftiges!“, lautete die Wochenaufgabe. Ich habe lange nachgedacht, was ich tun könnte und wollte, und ich muss gestehen, dass mir dazu nicht viel – um nicht zu sagen nichts Vernünftiges – eingefallen ist.

Einfach spontan irgendwohin fahren, war mein erster und nicht sonderlich origineller Gedanke. Doch das kam nicht infrage. Denn während mein Mann in Schweden Nordlichtern nachjagte, habe ich das Haus und danach die Katze von Bekannten gehütet. Und außerdem waren da noch zwei Aufträge, die ich – pflichtbewusst wie ich bin – pünktlich abarbeiten wollte. Um einen Bungeesprung zu buchen, bin ich zu feige, um nackt im nächsten See zu baden, ist es mir einfach zu kalt. Bei besserem Wetter gerne – aber nicht, wenn es so regnerisch, grau und trist ist wie zurzeit.

Vielleicht kam mir wegen des schlechten Wetters das Holifest in den Sinn. Das aus der hinduistischen Überlieferung stammende Frühlingsfest wird in Indien traditionell am ersten Vollmondtag des Monats Phalgun, dem 12. hinduistischen Kalendermonat, gefeiert. Bei diesem Fest besprengen und bestreuen sich die Menschen gegenseitig mit gefärbtem Wasser und gefärbtem Puder, dem Gulal.

Das indische Frühlingsfest war in diesem Jahr schon am 8. März, die westlichen Epigonen, die „Holi Festivals of Colours“ mit viel Musik, dafür aber ohne religiösen Hintergrund, finden erst im Sommer in verschiedenen deutschen Städten statt. Ich werde mir sicher kein Ticket kaufen. Denn ich mag weder Menschenmassen noch Elektro, Minimal und House, also die Musik, die im August beim Festival in Hildesheim gespielt wird.

Aber die Idee, die Welt und das Leben etwas bunter zu machen, gefällt mir. Und so habe ich statt mich selbst mit Farbe zu bemalen, eine Buddha-Statue gefärbt. Mit den neuen Farben erinnert mich die Statue ein wenig an die Grüne Tara oder Shyama-Tara (wörtlich: „grüne Befreierin“). Sie ist laut Wikipedia „ein weiblicher, friedvoller Buddha und Bodhisattva des tibetischen Buddhismus“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Grüne_Tara) und wird „verehrt wie kaum ein anderer Bodhisattva“.

Die Grüne Tara soll vor acht Arten der Angst und vor Gefahren schützen, die Weisheit vermehren, zur Erleuchtung führen und Wünsche – auch weltliche – besonders schnell erfüllen. Diese Bereitschaft wird „durch ihre zum Aufstehen bereite Sitzhaltung symbolisiert“. Letzteres passt gut, zu mir: immer auf dem Sprung, allzeit bereit, das zu tun, was man von mir erwartet. Aber es ist ja angeblich nie zu spät, Dinge zu ändern

Meinen Buddha stören meine Farbspiele nicht: Er sitzt und lächelt, ruht in sich – und passt wirklich gut zum Motto der Fastenwoche: Sieben Wochen unverzagt.

PS 1: Allen, die sich wie ich nicht wirklich gut mit Buddhismus auskennen, sei’s gesagt. Als Bodhisattva (sanskrit, der das Wesen der Erleuchtung hat) wird laut Metzler Lexikon Philosophie „ein auf dem Heilsweg Fortgeschrittener bezeichnet, der aus Mitleid (karuṇā) mit den Lebewesen auf die endgültige Buddhaschaft – das Eingehen in das Nirvāṇa – verzichtet, bis er auch ihnen Erlösung verschafft hat“ (https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/bodhisattva/340).

PS 2: Die Wochenaufgabe habe ich zugegebenerweise nicht wirklich erfüllt, das Thema ist wohl verfehlt. Aber ich habe einen Blogbeitrag geschrieben, mehr Farbe in mein Leben gebracht und eine neue Figur. Manchmal muss frau ihre Prioritäten einfach anders setzen und das tun, was ihr in den Sinn kommt – und was ihr gefällt.