Von Trauminseln und Inselträumen

Raus aus dem Februarregen, reif für die Insel. Ein bisschen Wärme tanken, Sonne genießen, um für die zweite Hälfte des Winters gewappnet zu sein, die sich hierzulande gefühlt bis Mitte Mai hinziehen kann.

Ziel: die Kanarischen Inseln. Dort ist es selbst für bekennende Frostbeulen schon im Februar warm genug, um (kurz) im Meer zu baden und in der Sonne zu sitzen. Und sie sind nah genug: fünf Stunden Flugzeit ohne Zwischenlandung, das überstehen auch Flugmuffel wie ich.

Auf Lanzarote waren wir im letzten Jahr – einmal zum Kennenlernen ja, aber …: Zu viel Stein, zu wenig Grün – das brauche ich so schnell nicht wieder. Das war auf La Palma ganz anders. Irgendwie war es Liebe auf den ersten Blick. Ganz schnell war klar: Diese Insel hat das Zeug, meine Lieblingsinsel zu werden. Und seit mir eine deutsche Rentnerin vor dem Rückflug erzählt hat, dass sie in Tazacorte in einer Wohnung mit Dachterrasse und Blick aufs Meer lebt, denke ich immer wieder: Das wär‘s.

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Über den Dächern von Tazacorte

La Palma also. Ich wollte wandern, mein Mann wollte Sterne sehen. Für beides ist La Palma optimal: Auf dem Roque de los Muchachos steht – 2.400 m über dem Meer – das größte Teleskop Europas. Das dürfen Besucher zwar nur am Tag besichtigen, nachts wird der Gipfel gesperrt. Aber auch sonst sind die Sterne wirklich sehr gut zu sehen. Auf der Insel leben wenige Menschen, der Himmel ist meist klar und die Nächte sind lang – es wird früh dunkel und spät hell. Überall auf der Insel gibt es Miradores Astronomiquos, also astronomische Aussichtspunkte, unser Hotel hatte sogar eine eigene kleine Sternwarte (unter der leider Lampen brannten, eine astronomische Todsünde, denn Astronomen lieben es dunkel, selbst der Mond ist ihnen zu viel).

Unser Hotel – das Sol la Palma in Puerto Naos – ist mit mehr als tausend Betten wahrscheinlich eines der größten Hotels auf der Insel. Für meinen Geschmack war es eigentlich zu groß, aber für eine Woche wirklich ok: Service, Zimmer und Essen prima und die Lage direkt auf einer Klippe über dem Meer einfach traumhaft.

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Blick aus dem Hotelfenster

Das Meer sieht man auf La Palma fast überall, auch wenn man irgendwo im Landesinnern wandert. Das Zentrum der Insel wurde zum Nationalpark erklärt. Dort, im Parque Nacional Caldera de Taburiente, ist die Natur noch ziemlich unberührt. Wandern kann man auf La Palma wirklich gut, zumindest so weit ich es als Wanderneuling beurteilen kann. Es gibt sehr viele Wanderwege – gut markiert (wenn man weiß, wo man nach den Markierungen suchen muss). Und sie sind oft so, wie ich mir Wanderwege vorstelle: schmale, verschlungene Pfade und keine Wanderautobahnen, auf denen man zu viert oder fünft nebeneinander hergehen kann. Die Landschaft sehr abwechslungsreich – wir sind auf der Ruta de los Vulcanos durch schwarze Lavafelder gewandert, direkt am Meer lang, durch Bananenfelder und durch Pinienwälder. Langweilig war’s nie, fast immer geht es auf und ab – La Palma ist angeblich die gebirgigste Insel der Welt. Die Wanderstöcke, die wir uns noch kurz vor unserem Urlaub bestellt haben, bewährten sich wirklich. Und ich werde sie sicher wieder benutzen, denn ich will wiederkommen und noch einiges erwandern. Den Cumbrecita zum Beispiel gehen, der sich dieses Mal vor unseren Blicken in den Wolken versteckt hat. Und auch die Wanderung vom Roque de los Muchachos zum El Time steht auf meiner Wanderwunschliste weit oben.

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Ruta de Volcano
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Auf dem Weg zum Cumbrecita
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Über den Wolken – auf dem Roque de los Muchachos

Und dann natürlich Tazacorte – irgendwie (m)ein Sehnsuchtsort.  Es ist der sonnenreichste Ort der Insel und ein sehr hübscher dazu. Weil die schmalen (autofreien) Gassen offenbar ein bisschen an den Montmartre erinnern, heißt Tazacorte auch Paris chiquito – Klein Paris. Sehr gut gefallen hat mir auch Puerto Tazacorte, die Siedlung am Hafen. Dort schien die Zeit irgendwie stehen geblieben. Ein bisschen fühlte mich wie in die 70er-Jahre zurückversetzt. Viele Leute mit Rucksäcken, Hippies, hätte man früher gesagt, Aussteiger wohl heute, die meisten jung, aber manche auch schon älter, in meinem Alter.

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zurück in die 70er

Eine deutsche Aussteigerin habe ich in der Sauna des Hotels kennen gelernt: Sie kommt aus München, war ihr halbes Erwachsenenleben unterwegs und lebt seit ein paar Jahren auf La Palma – zurzeit in La Bombilla, der „wilden“ Strandsiedlung bei Puerto Naos. La Bombilla ist eine bunte Mischung aus gut ausgebauten Häusern und winzigen, halb verfallenen Hütten. Selbst ein paar Hochhäuser gibt es dort. Eigentlich sollen alle Strandsiedlungen auf La Palma abgerissen werden – nach dem 1988 verabschiedeten Küstenschutzgesetz darf die Uferzone außerhalb von Urbanisationen nicht bebaut werden. Aber die Bewohner von La Bombilla kämpfen um ihre Siedlung, offenbar mit Erfolg. In La Bombilla wird viel gebaut, erzählte die Frau mir, in El Remo, einer anderen Strandsiedlung, habe man jetzt sogar die Straßen asphaltiert.

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Minimalistisch – Hütte in La Bombilla

Um dort zu leben, ganz auszusteigen, fehlt mir der Mut, aber die Rentnerin vom Flughafen und ihre Wohnung in Tazacorte gehen mir nicht aus dem Sinn: Und zurück im noch kalten, oft regnerischen Deutschland stelle ich mir vor, wie es wäre, in Tazacorte auf einer Dachterrasse zu sitzen, mit einer Tasse Cafe con leche, das Meer im Blick. Und dann denke ich: Warum eigentlich nicht?

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In der Eremita – einer kleinen Kapelle auf dem Weg zum Cumbrecita.

Vier auf einen Streich

Das nenne ich effektiv: Ich habe drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, sprich drei gute Vorsätze gleichzeitig erfüllt.  Jetzt fühle ich mich fast wie eine Anfängerversion des tapferen Schneiderleins, das  ja bekanntlich sieben auf einen Streich geschafft hat (Fliegen, nicht Vorsätze).

Gut, ich gebe zu, es war nicht wirklich geplant: Erst als es schon dunkel war, habe ich daran gedacht, dass ich eigentlich, weil ich noch nicht laufen kann, jeden Tag zumindest eine halbe Stunde gehen oder Radfahren wollte. Da war es schon zu spät für einen Spaziergang zum See und auch eine Runde mit dem Fahrrad war bei Schneefall und bei Dunkelheit keine wirklich kluge Option. Deshalb bin ich zu Fuß in die Stadt gegangen, die eigentlich ein Dorf ist. Weil ich auf dem Weg ohnehin am Briefkasten vorbeikomme, habe ich schnell noch den Fragebogen meiner Berufshaftpflichtversicherung ausgefüllt. Der ist wie in jedem Jahr kurz vor Weihnachten gekommen  und meiner Meinung nach überflüssig wie ein Kropf (siehe https://timetoflyblog.com/2015/12/25/gut-versichert/). Denn ich habe auch im Jahr 2016 – wie in den vergangenen 30 Jahren – weder einen Gabelstapler noch einen Tankwagen angeschafft  und gedenke es auch in diesem und den kommenden Jahren nicht zu tun. Bislang musste meine Versicherung immer bis zur Jahresmitte auf meine Antwort warten und mich mahnen; wahrscheinlich hat ein Sachbearbeiter schlaflose Nächte ob der potenziellen Gefahren erlebt. In diesem Jahr habe ich deshalb meine Pflicht, Auskunft über die versicherten Risiken zu erteilen, schon am ersten Werktag des Jahres erfüllt – und damit einen weiteren guten Vorsatz: Dinge nicht aufzuschieben.

Und auch mein persönliches Projekt „Fliegende Wörter“ habe ich gestartet bei meinem Spaziergang zum Briefkasten auf den Weg gebracht (dritter guter Vorsatz): Ich möchte in diesem Jahr jede Woche ein Gedicht verschicken (nein, kein selbst geschriebenes). Das ist dank des gleichnamigen, im Daedalus Verlag erschienenen Postkartenkalenders nicht so schwierig:  Er enthält 53 „Qualitätsgedichte zum Verschreiben und Verbleiben“, eins also für jede Woche des Jahres. Ich habe den Kalender, der schon zum 23. Mal erscheint, erst kürzlich durch den Hinweis einer Mit-Bücherfrau entdeckt. Und ich finde, die Gedichte von Rilke, Ulla Hahn, Hilde Domin und Co sind viel zu schade, um in meiner Schreibtischschublade zu verbleiben. Ich verleihe ihnen zwar keine Flügel, sondern verpasse ihnen eine Briefmarke und helfe ihnen so zum Fliegen: Ich schicke sie im Lauf des Jahres an Freunde und Bekannte, auch an einige Abonnentinnen dieses Blogs. Die seien auf diesem Weg (vor)gewarnt: Nicht immer passt das Gedicht genau zum /zur Empfänger/in, auch wenn ich mir bei der Auswahl Mühe gebe.

Mit dem Schreiben dieses Beitrags gehe ich einen vierten guten Vorsatz an: regelmäßiger als im vergangenen Jahr Blogbeiträge zu schreiben und zu veröffentlichen. Wirklich effektiv.

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Copyright Daedalus Verlag, Münster, www.daedalus-verlag.de 

Schöne Weihnachten

Eine Freundin von mir versendet jedes Jahr mehr als 20 (oft seitenlange) Weihnachtsbriefe. Andere erfreuen mich und alle ihre Bekannten und Freunde alle Jahre wieder mit wunderschönen Weihnachtskarten. Ich schaffe das nie. Auch in diesem Jahr ist es mir wieder mal nicht gelungen, (rechtzeitig) Weihnachtsgrüße zu verschicken.

Dabei war ich wirklich guten Willens. Tagelang stand „Weihnachtspost erledigen“ auf meinen To-do-Listen. Immer wieder  habe ich den Punkt von der alten auf die neue Liste übertragen. Ohne Erfolg. Dabei habe ich schon Anfang Dezember vor diversen Kartenständern gestanden und mir Weihnachtskarten angesehen. Doch die meisten haben mir nicht wirklich gefallen. Eine fand ich wirklich originell (Maria zu Josef: „Eigentlich wollte ich ihn nicht so früh in die Krippe geben“). Doch die Schlange an der Kasse war so lang, dass  ich mich zwischen Karte und Zug entscheiden musste. Als ich das nächste Mal in dem Laden vorbeikam, war die Karte leider ausverkauft. Manche Karten waren mir auch einfach zu teuer und ich habe gehofft, dass ich bis Weihnachten noch andere mit einem günstigeren Preis-Leistungs-Verhältnis finde.

Am Ende ist es wie so oft: Wenn man zu lange zögert, steht man mit leeren Händen da – oder eben ohne Karten. Und so beschränke ich mich mal wieder –wie fast alle Jahre wieder – damit, auf den letzten Drücker Weihnachtsgrüße per Mail zu versenden oder wie jetzt kurz vor der Bescherung auf meinem Blog zu posten.

Natürlich sind richtige Postkarten persönlicher. Und mich plagt das schlechte Gewissen gegenüber denjenigen, die auf ihre wunderschönen handgeschriebenen Grüße – wenn überhaupt – nur eine Antwort per Mail erhalten (besondere Grüße an G. und D.).

Aber die schnöden elektronischen Grüße haben auch unbestreitbare Vorteile: Sie erreichen die Empfänger selbst dann, wenn sie nicht zu Hause sind. Sie kommen rechtzeitig an (was man von vielen Karten und Briefen, die mit der klassischen Schneckenpost verschickt werden, nicht behaupten kann) Und man hat sie auf Smartphone, Tablet und Notebook überall dabei. Dann freue ich mich noch Wochen später, wenn ich mein Mail-Postfach durchstöbere darüber, dass die eine oder der andere Weihnachten an mich gedacht hat.

In diesem Sinne – schöne Weihnachten, eine stressfreie Zeit zwischen den Jahren und einen guten Start ins neue Jahr.

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Schöne Weihnachten    Nele Schmidtko (C)

Bericht vom anderen Ende der Welt

Ich bin wieder da. Drei Wochen war ich mit Mann und Tochter in Neuseeland – mit einem Wohnmobil haben wir eine Rundreise über die Südinsel gemacht – von Christchurch nach Christchurch. Rund zweieinhalbtausend Kilometer sind wir – genauer gesagt Utz – gefahren und das war sicher nicht immer einfach. Denn Straßen können die Neuseeländer nicht wirklich gut. Daran, dass sich hinter einem Highway eine Straße versteckt, die gelegentlich auch mal einspurig werden kann, muss man sich als autobahnverwöhnter Mitteleuropäer zuerst mal gewöhnen. Manchmal war es so steil und kurvig, dass ich lieber nicht hingeschaut habe – was nicht gut kommt, wenn man am Steuer sitzt. Und die Gravelroads, die unbefestigten Straßen, sind ohnehin eine Sache für sich. Gravelroads gibt es in Neuseeland überall – leider durften wir sie mit unserem gemieteten Wohnmobil nicht benutzen – ein Riesennachteil bei dieser Art, Urlaub zu machen (Anmerkung am Rande: es macht auch nicht wirklich Spaß, bei einer Fahrt über eine Gravelroad hinten in einem Wohnmobil zu sitzen, die Bootsfahrt bei Regen und doch recht kräftigem Wind auf dem Milford Sound war ruhiger).

Neuseeland ist, zumindest auf der Südinsel, Natur pur. Die Landschaft ist wirklich beeindruckend, die Ausblicke – und die Gegensätze – oft atemberaubend. Hohe, schneebedeckte Berge neben riesigen Yuccas und blühenden Lavendelfeldern und Lupinen, tiefe Schluchten, Wasserfälle, die von hohen Felsen zu Tal stürzen – und am nächsten Tag wieder spurlos verschwinden, wenn die Sonne scheint. Farne so hoch wie Palmen – und es hätte mich nicht verwundert, wenn mir plötzlich bei Milford Sound  aus dem Regenwald ein Dinosaurier entgegen gekommen wäre. Oder ein Hobbit. Denn in der Nähe des Mount Cook haben wir eine Stelle entdeckt, wo bestimmt wilde Hobbits wohnen. Die Hobbits aus den Tolkien-Filmen leben meist auf der Nordinsel, in Hobbiton, das ich leider nur Fotos von Fotos kenne.

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Wo die wilden Hobbits wohnen

Der Aoraki/Mount Cook, mit über 3.700 m der höchste Berg Neuseelands, machte bei unserem Besuch seinem Maori-Namen alle Ehre: Er hüllte sich in Wolken. Einige der über 3.000 m hohen Gipfel haben bei unserem Besuch im Nationalpark trotzdem gesehen – zumindest die unteren Hälften. Wir sind den Hooker Valley Track gewandert –über drei Hängebrücken kamen wir zum Gletschersee am Ende des Tracks. Das Eis auf dem See war reiner und klarer als jedes Eis, das ich bislang gesehen habe.

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Schmelzende Gletscher

Das Gletscherwasser fließt in den Lake Pukaki und gibt ihm, ebenso wie dem Nachbarsee Lake Tekapo, ihre typische türkis-blaue Farbe. Sie ist wirklich so, wie sie auf Postkarten scheint, und entsteht – laut Wikipedia – durch feine Partikel aus dem Abrieb des Gletscheruntergrunds.

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Lake Pukaki

Seen gibt es unendlich viele, oft sind sie sehr groß: Der Lake Wakatipu ist mit fast 300 Quadratkilometern der drittgrößte und mit 80 km der längste der neuseeländischen Seen. Er erstreckt sich von Kingston nach Glenorchy, zwei fast 90-Grad Kurven bei Queenstown verleihen ihm seine unverwechselbare S-Form. Eine Besonderheit: Der See liegt zwar 310 Meter über dem Meeresspiegel, die tiefste Stelle liegt aber rund 70 m darunter. Mit fast  Mein Liebling ist der nördliche der beiden Mavora Lakes. Um ihn zu erreichen, mussten wir einen Wagen mieten, weil er – ungeheuer ruhig und friedlich am Ende einer 40 km langen Gravelroad lag. Aber die Fahrt hat sich gelohnt. Die Schuhe meiner Tochter haben da ein neues Zuhause gefunden. Wir haben sie nach einem Fotoshooting unterm Wagen vergessen.

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Mavora Lakes

Gelohnt hat sich auch die Fahrt nach Glenorchy. Dort habe ich zum ersten Mal auf einem Pferd gesessen. Bryan war sehr hoch, sehr eigenwillig und sehr verfressen. Während seine vierbeinigen Kollegen brav hintereinander weg marschierten, wollte Bryan lieber Gras und junge Sträucher abfressen. Aufgehört hat er nur, wenn ich seine Zügel angezogen und ihm meine Hacken in die Seiten gerammt habe. Das ist mir zunächst schwer gefallen, aber dass ich am Anfang die Zügel locker gelassen habe, hat er gründlich missverstanden. Vielleicht habe ich bei dem Ritt ja doch auch was fürs Leben gelernt.

Apropos leben. Das Leben ist in Neuseeland ziemlich teuer – auch Produkte, die im Land hergestellt werden und nicht importiert werden müssen wie Milch, Brot, Mineralwasser oder Lachs. Extras wie Eis und Schokolade gewöhnt man sich besser direkt ab. In Te Anau kostete eine (winzige) Eiskugel 4,5 Dollar, also etwas mehr als drei Euro. Sie war also fast zweieinhalb Mal so teuer wie eine Eiskugel im Colosseum in Hannover, dafür aber nicht einmal halb so groß und längst nicht so gut. Ausgesprochen gut ist der Service: In Supermärkten packen die Kassiererinnen die Ware in Tüten und verstauen die noch im Wagen. Sehr angenehm, doch der Service hat eben seinen Preis.

Ach ja, zwei Erdbeben haben wir in Neuseeland auch erlebt. Gut, das zweite haben wir eigentlich  am Ufer des Lake Wakatipu friedlich verschlafen. Dass  100 km nördlich die Erde bebte, erfuhren wir erst durchs Internet und die besorgten Mails aus Deutschland. Weil die Fähren und Busse gen Norden auch eine Woche später noch nicht wieder planmäßig fuhren, mussten Mann und Tochter ihre Pläne ändern und nach Wellington fliegen. Schlimmer ist das politische Beben, das nicht nur die USA erschütterte. Donald Trump wird wohl neuer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Gegen den drohenden Tsunami  ist die Ein-Meter-Welle an Neuseelands Küsten ein Kinderspiel. God bless not only America.

Von Buchmenschen und Büchern

Als ich vor Jahren Ray Bradburys Fahrenheit 451 gelesen habe, haben mich vor allem die Buchmenschen fasziniert. Für alle, die das Buch nicht kennen: Es spielt in einem totalitären Staat, in dem Bücher – und damit auch selbstständig denken – verboten sind. Die Feuerwehr löscht keine Brände, sondern verbrennt Bücher, wenn welche entdeckt und die Besitzer verhaftet werden. Fahrenheit 451 ist die Temperatur, bei der Papier brennt. Die Buchmenschen sind aus dieser Gesellschaft geflohen und leben irgendwo versteckt im  Wald. Um zu verhindern, dass mit den Büchern die Inhalte der Bücher unwiederbringlich vernichtet werden, lernt jede/r ein Buch auswendig.

(K)ein Ort für Bücher?

Bei unserer Reise nach Schweden habe ich jetzt den Ort entdeckt, wo die Buchmenschen leben. Nicht wirklich natürlich, aber so etwa habe ich mir ihren Zufluchtsort vorgestellt. Der Campingplatz, das Älvkarleby Fiske & Famil jecamping, liegt auf einer kleinen Insel, die Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile stehen versteckt unter Bäumen, so, als gehörten sie irgendwie dahin. Die meisten wurden  vermutlich seit Jahren nicht mehr bewegt  und haben  schon Wurzeln geschlagen, wie die Bäume, unter denen sie stehen.

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In Wirklichkeit ist der Campingplatz natürlich keine Zuflucht für Buchmenschen, sondern – wie der Name schon sagt – ein Eldorado für Angler. Und wahrscheinlich waren wir die einzigen Gäste, die mehr Bücher als Angeln dabei hatten – Angeln: keine, ich für zwölf Tage zehn richtige Bücher und meinen Kindle, mein Mann nur seinen Kindle, er ist ein absoluter E-Book-Fan, aber das ist ein anderes Thema.

Lieblingsbuch gesucht

Seither überlege ich, welches Buch ich auswendig lernen würde, wenn ich mich denn für eins entscheiden müsste, dass ich vor dem Vergessenwerden retten wollte. Das Ergebnis: Ich weiß es nicht. Meine Lieblingsbücher wechseln. Eine Zeitlang wäre es wahrscheinlich „Nachtzug nach Lissabon“ gewesen, aber auch Siri Hustvedts „Was ich liebte“, „Hannas Töchter“, die Memoiren von Simone de Beauvoir, die Tagebücher von Victor Klemperer und natürlich das Tagebuch der Anne Frank stehen ganz oben auf der Shortlist. Es gibt so viele Bücher, das fällt die Auswahl schwer.

Apropos Shortlist. Die richtigen Büchermenschen treffen sich zurzeit in Frankfurt auf der Buchmesse. Ich fahre in diesem Jahr nicht hin, obwohl mich die Messe immer wieder fasziniert. Und zugegebenerweise ein bisschen erschlägt: So viele Bücher, wer kann, wer soll die alle lesen. Und es werden immer mehr. Denn immer mehr Menschen schreiben Bücher. Irgendwie hat Reither, der Ex-Verleger in Bodo Kirchhoffs Novelle Widerfahrnis, recht mit seiner Einschätzung, dass es allmählich mehr Schreibende als Lesende gibt.

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Alle schreiben, ich natürlich auch. Ein schöner Ort zum Lesen und Schreiben.

 

Auf der Jagd nach Northernlights

Hinweis: Nordlichter können süchtig machen …

Andere fahren nach Skandinavien, um die Mitternachtssonne zu sehen. Uns – oder besser gesagt meinen Mann – zieht es hin, wenn die hellen Nächte vorbei sind, wenn es wieder früher dunkel wird. Auf der Jagd nach den Polarlichtern. Die sind, ich gebe es zu, faszinierend: Irrlichtern gleich tauchen sie auf und verschwinden wieder.

Früher galten die „Götterfackeln“ als Vorboten des Unglücks oder als Zeichen der Toten. Auf Finnisch heißen die Polarlichter nach einer alten lappischen Sage revontulet, also Fuchsfeuer, und die dazu passende Sage gefällt mir. Wenn der Feuerfuchs den Fjellrücken entlangläuft, schlägt sein Schwanz gegen die Schneewehen, so dass Funken auf den Himmel sprühen.

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Der Himmel brennt grün …  (Foto: Utz Schmidtko)

Die Wahrheit ist viel prosaischer – nix ist mit Göttern und Feuerfüchsen: Polarlichter entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen von der Sonne auf das Magnetfeld der Erde treffen. Die Luftmoleküle geben dann einen Teil der erhaltenen Energie als sichtbares Licht weiter. In welcher Farbe wir sie wahrnehmen. hängt von der Höhe ab. Grün sind die Polarlichter, wenn Sauerstoffatome in etwa 100 km Höhe angeregt werden, rot, wenn dies in etwa 200 km Höhe geschieht. Seltener sind violette und blaue Polarlichter: Sie werden durch Stickstoffatome verursacht.

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(Foto: Utz Schmidtko)

Weil statistisch die meisten Nordlichter innerhalb des sogenannten Nordlichtovals in Nordwest-Lappland zu sehen sind, hieß unser Ziel Tromsö: Von dort ging‘s für mich nach zwölf Tagen nach Deutschland zurück, Mann und Wohnmobil blieben in Nordnorwegen, hauptsächlich der Nordlichter wegen. Utz ist süchtig nach Northernlights; er verbringt halbe Nächte draußen – ich schaue mir das Spektakel am Himmel meist nur durch die Scheibe aus dem Schlafsack an. Ich genieße mehr die Tage: Indian Summer mit milden Temperaturen, strahlend blauem Himmel und leuchtenden Herbstfarben. Und viel Wasser. Schön für die Augen – und gut für die Seele.

Die Orte auf der Hinreise durch Schweden waren leider nur Zwischenstationen: Gränna, die zuckersüße Stadt am Vättern ebenso wie das Fiskecamp mitten im Wald, die Campingplätze in Byske und bei der Stadt mit dem unaussprechlichen Namen: Ösköndsvik – schade, ich wäre gerne auf einigen Campingplätzen und an manchen Orten noch länger geblieben.

Wer je Nordlichter sehen will, sollte mit meinem Mann auf die Jagd gehen: Denn es gibt keine Nordlicht-Garantie – aber Utz hat wirklich Talent, am richtigen Ort zu sein, wenn der Himmel grün glüht. Und auch sein Draht zum Wettergott ist überaus gut. Das ist wichtig, denn Nordlichter sieht man nur, wenn der Himmel klar ist. Der Österreicher, den ich kurz vor meinem Rückflug auf dem Campingplatz in Tromsö traf, hatte in drei Wochen auf Nordlichtjagd in Nordnorwegen nur eine Nordlichtnacht erlebt – wir in den ersten fünf Tagen im Bereich des Nordlichtovals schon drei. Die ersten hat Utz bereits in Byske gesehen, zwar nur schwach und nur für geübte Augen bzw. für das viel empfindlichere Auge der Kamera sichtbar, richtig kräftige mit Beamern und einer Corona dann in Jokkmokk am Ufer des Lulealven.

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Morgen im Arcticcamp am Lulealven

In Norwegen und Schweden gibt es das sogenannte Allemansrätten, also eine Art Jedermannsrecht. Man kann überall eine oder mehrere Nächte zelten oder mit dem Wohnmobil stehen, außer auf landwirtschaftlichen genutzten Flächen und in der Nähe von Wohnhäusern. Außerdem darf man im Meer und in Fjorden angeln (kommt für uns nicht in Frage: Wir haben keine Angel, nur kiloweise Fotogepäck) und Pilze pflücken (ist für uns seit Tschernobyl auch nicht mehr angesagt, schon gar nicht in Nordskandinavien, das einen Großteil des nuklearen Fallouts abbekommen hat).

Frei campen ist eigentlich nicht mein Ding. Aber weil der Campingplatz Tromsö weitab vom Fjord liegt und alle anderen Campingplätze in der Umgebung bereits geschlossen waren, fuhren wir weiter. Auf Hillesoy, einer kleinen Insel vor Tromsoya, entdeckten wir einen kleinen Stellplatz – direkt am Wasser, an einem kleinen Sandstrand. Zum Baden war‘s entschieden zu kalt, aber der Blick aufs Meer war genial. Und weil für die Nacht zum Sonntag Polarlichter der Stufe 4 angekündigt waren, blieben wir ein paar Nächte. Als ich wieder in Deutschland war, kehrte Utz wieder auf die Insel zurück.

Ein Highlight für mich: die Wanderung auf den höchsten Berg der Insel. Der ist nicht gerade imposant hoch, aber der Aufstieg ist so steil, dass er durch ein Seil markiert und abgesichert ist. Unterwegs kamen mir Bedenken, aber weil vor mir drei Frauen kletterten – die älteste sicher an die 80, die jüngste in Turnschuhen, die nicht sonderlich trittfest aussahen – kletterte ich weiter. Wo die hoch- und runterkommen, schaffe ich es auch.

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Bergsteigen auf Hillesoy

Es lohnte sich, die Aussicht war beeindruckend: Meer und Himmel unendlich blau, ringsum Wasser, in verschiedenen Farben schimmernd. Hier wäre ich gerne geblieben, in einer kleinen Hütte im typischen Rot. Doch das geht natürlich nicht. Schade eigentlich. Genau genommen ist‘s auch eine Schnapsidee: Ich bin bekennende Frostbeule und brauche nicht nur viel Wärme, sondern ebenso viel Licht. Hier, nördlich des Polarkreises, wird’s im Winter richtig kalt, dunkel und ungemütlich, erzählten mir die drei Frauen, mit denen ich oben auf dem Berg ins Gespräch kam. Die Jüngste studiert in Tromsö, will aber nach dem Studium wieder zurück nach Oslo. Und auch ihre Oma, die eigentlich auf der Nachbarinsel Sommeroy lebt, verbringt als „Klimaflüchtling“ die langen Wintermonate lieber in Südnorwegen.

Indian Summer auf Hillesoy

Schwimmen – jein bitte

Vorab: Ich liebe Wasser. Von außen. Aber Wasser ist nicht mein Element. Ich vertraue darauf, dass Gott wusste, was er tat, als er uns Menschen erschaffen hat. Wenn er gewollt hätte, dass ich schwimme, hätte er mir Kiemen gegeben oder zumindest Schwimmhäute oder Flossen.

Natürlich weiß ich, dass es Menschen gibt, die scheinbar mühelos durchs Wasser gleiten. Ich bewundere sie, aber ich gehöre leider nicht dazu. Schwimmen gehört zu den Sportarten, die ich nie beherrschen werde. Ich schwimme eher unorthodox: Es gibt Menschen die behaupten, es sehe aus wie eine Mischung aus Kaulquappe und Schaufelbagger, wenn ich kraule. Brustschwimmen klappt einigermaßen, ist aber derzeit wegen meiner Knieprobleme nicht so angesagt.

Weil ich nicht laufen kann und schwimmen angeblich gut für die Gesundheit sein soll, bin ich in diesem Sommer, der ja kein wirklicher Sommer war, trotzdem manchmal morgens zum Schwimmbad gefahren, wenn keine schwerwiegenden Gründe dagegen sprachen:  zu viel Arbeit beispielsweise, zu kalt, Wasser zu nass oder keine Lust. Inzwischen habe ich auch die fast perfekte Zeit gefunden: irgendwann kurz nach sieben, wenn die Hardcore-Frühschwimmer schon weg und die Schüler aus dem nahegelegenen Schulzentrum noch nicht da sind.

Oles Kampf mit dem Wasser oder die Erfindung des Aquajoggings

Dann schwimme ich meine Bahnen oder genauer gesagt: Ich kämpfe mit dem Wasser. Dabei denke ich oft an einen Jungen – nennen wir ihn Ole –, den ich vor über 20 Jahren kennenlernte, als meine eigene Tochter noch klein war und irgendwelche Schwimmabzeichen machte. Ole war jünger als die anderen Kinder im Seepferdchen-Kurs, aber er machte mit, vielleicht weil er mit seinem großen Bruder schwimmen lernen wollte – oder weil seine Mutter  wollte, dass er früh schwimmen lernte.

Mit  klassischem Schwimmen hatte Oles Schwimmstil wenig zu tun. Er strampelte heftig mit Armen und Beinen und hielt sich irgendwie über Wasser. Aber nie habe ich vorher und nachher jemanden gesehen, der sich so heftig im Wasser bewegte, ohne vorwärts zu kommen. Für die fürs Seepferdchen vorgeschriebenen 25 Meter brauchte er gefühlte Stunden. Aber aufgegeben hat er nicht. Nicht nur bei mir hinterließ Ole einen bleibenden Eindruck. Auch meine Nachbarin erinnert sich genau an ihn – vor allem daran, dass er den Kopf krampfhaft in den Nacken legte, damit sein Gesicht nicht unter Wasser kam. Der Wasserlage war das natürlich eher abträglich. Seine Beine hingen nach unten, er lief mehr, als er schwamm. Wahrscheinlich haben wir die Erfindung des Aquajoggings erlebt, ohne es zu wissen.

Ole ist längst erwachsen und – weil sich ja bekanntlich früh übt, wer ein Meister werden will – wahrscheinlich ein ausgezeichneter Schwimmer. Ich leider nicht. Mein Kampf mit dem Wasser endet meist mit einem für mich schmeichelhaften unentschieden. Unentschieden, weil ich bislang noch nicht ertrunken bin und weil ich je nach Lust und Laune ja 600 bis 1000 m schaffe (für mehr als 1000 m reicht meine Lust nie). Schmeichelhaft, weil ich weiß, dass das Wasser eigentlich stärker ist: Es könnte mich verschlingen, wenn es nur wollte. Will es aber nicht. Aber ganz sicher bin ich nie.

Wie gesagt: Schwimmen ist nicht mein Sport. Dennoch werde ich es vermissen, wenn das  Schwimmbad in ein paar Tagen schließt. Das liegt vielleicht an meinem Ururururahn Tiktaalik. Wenn nämlich Darwin recht hat, stammen wir alle von den Fischen ab. Vor x-Millionen Jahren verließ der  „lange Frischwasserfisch“ das Wasser und ging an Land. Verdenken kann ich es ihm nicht. Nur seine Kiemen hätte er vielleicht für mich mitnehmen sollen.

Lieber Dritte/r?

Nein, ich habe mir den Wecker nicht gestellt. Da ich aber ohnehin wach war, habe ich mir heute Morgen ab 5 Uhr das Finale der Frauen im Beachvolleyball angesehen. Ich habe keine Ahnung von Volleyball und bin kein Volleyballfan, aber die Spiele von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst bei den Olympischen Spielen von Rio haben mich wirklich begeistert. Sie haben sich so souverän und beeindruckend ins Finale gespielt – und verdient gewonnen. Wie sie es schaffen, in dem großen Sandkasten die Bälle anzunehmen und dann noch kontrolliert über das hohe Netz im gegnerischen Feld zu platzieren, ist mir ein Rätsel. Weder vom heftigen Wind noch von den Buhrufen des brasilianischen Publikums haben sie sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Chapeau.

Die Siegerehrung hat wieder einmal bewiesen, dass die Dritten meist zufriedener mit ihrem Platz und ihrer Medaille sind als die Silbermedaillengewinner/innen. Die Amerikanerin Misty May-Treanor und Kerri Walsh freuten sich richtig über ihren dritten Platz, obwohl sie schon dreimal – in Athen, Peking und London – Olympiasiegerinnen waren und es diesmal „nur“ Bronze war. Aber sie hatten das  kleinen Finale und damit die Medaille  gewonnen, für die Brasilianerinnen endete das Turnier mit einer Niederlage. Und natürlich hatten die Amerikanerinnen mehr Zeit, sich an ihre Platzierung zu gewöhnen, als Barbara und Agatha, die ja noch anderthalb Stunden vorher auf den Olympiasieg gehofft hatten. Eine der beiden Brasilianerinnen – Agatha glaube ich – weinte noch bei der Siegerehrung. Nicht vor Freude über die Silbermedaille, sondern weil sie das Filiale verloren und Gold verpasst hatte. Es ist eben doch alles relativ.

Keine Treuepunkte bei der Bahn

Treue lohnt sich nicht. Zumindest nicht in geschäftlichen Beziehungen. Das merkt man beispielsweise, wenn man einen (Bau-)Kredit verlängern will. Die Konditionen von fremden Banken, bei denen man anfragt, sind meist wesentlich günstiger als die der Hausbank – obwohl die weiß, dass man seit Jahren die Raten immer pünktlich bezahlt hat. Und die günstigen Strom- und Gastarife bekommt man bei Energieversorgern nur im ersten und zweiten Jahr nach Vertragsabschluss. Dann geht die Schnäppchen-Jagd von Neuem los, wenn’s billig bleiben soll.

Finanziert werden die Super-Rabatte für Neukunden von altmodischen Deppen wie mir, die – ich gebe es zu teilweise aus Bequemlichkeit – jahrelang bei den gleichen Unternehmen bleiben. So bin ich in meine Krankenkasse quasi hineingeboren – ich bin im Großen und Ganzen zufrieden und wechsle auch nicht, nur weil der Zusatzbeitrag jetzt vielleicht ein bisschen höher ist als bei anderen Kassen und die Sonderleistungen nicht ganz so hoch. Bäumchen-wechsel-dich- und Geiz-ist-geil-Mentalität sind nicht mein Ding – und feilschen kann ich nicht einmal auf dem Flohmarkt.

Als überzeugte Bahnfahrerin habe ich natürlich auch eine Bahncard, die sich alle Jahre wieder um ein weiteres Jahr verlängert. Bequem für die Bahn, teuer für mich, weil ich die neue Bahncard ja nicht immer gleich im Anschluss an die alte brauche. Und von Sonderaktionen zu diversen (Sport-)Großereignissen, bei denen es nicht nur Bahncards zu sehr günstigen Preisen, sondern auch Zusatzgewinne gibt, profitiere  ich natürlich auch nicht: Denn warum soll ich mir die EM-Bahncard für drei Monate kaufen, wenn ich schon eine habe. Bei anderen Sonderaktionen werden wohl auch ausschließlich oder überwiegend Gelegenheits-Bahncardkäufer berücksichtigt, um sie zu ködern. So flatterte einer Freundin unlängst ein aufwendig aufgemachtes Angebot ins Haus: Sie konnte zwischen einer Bahncard 25 für 10 Euro für ein Jahr und einer Bahncard 50 für 100 Euro und noch ein paar Gequetschte wählen.

Die vergünstigte Bahncard 50 hätte ich auch gerne und wenn ich demnächst 60 werde, werde ich sie auch kaufen. Leider läuft meine alte Bahncard 25 schon einen Monat vor meinem Geburtstag aus – mir die vergünstigte Bahncard quasi als Treuerabatt schon mit 59 Jahren und elf Monaten und ein paar Tagen zu verkaufen, ist – anders als Super-Sonderangebote für Gelegenheitsfahrer – leider nicht möglich.

Dem Mitarbeiter des Bahncard-Services tat es zwar sehr leid, dass ich „nicht in den Genuss unserer Sonderaktion gekommen“ bin (glaub ich ihm nicht). Er versteht zwar meine Sichtweise (wirklich nett), aber „die Möglichkeit Ihnen vor dem ersten Geltungstag eine ermäßigte BahnCard auszustellen haben wir leider nicht.“ Könnte man aber vielleicht ändern, um treue Kunden nicht zu verärgern.

Hierfür bittet er um Verständnis – bekommt er aber nicht. Denn das mögliche Upgrade von der Bahncard 25 auf die Bahncard 50 nach meinem Geburtstag ist mit erheblichem Aufwand verbunden: ich muss ins Reisezentrum (und dazu in die nächste Großstadt fahren), eine Erstattungsantrag ausfüllen … Und dass die Auswahl der Kunden für solche Aktionen ausschließlich nach dem Zufallsprinzip erfolgt und dass alle Kunden die gleichen Erfolgsaussichten haben, halte ich ebenso für ein Gerücht wie die Behauptung, dass Züge pünktlich, Zugtoiletten sauber und die Renten sicher sind. Oder dass Treue sich lohnt.

Meer und Feuerberge

Eine Woche Lanzarote, zum ersten Mal auf den Kanarischen Inseln, zum ersten Mal überhaupt außerhalb von Europa, zumindest geografisch. Wir landen nach vier Stunden Flug am Abend in einer anderen Welt. Schwarze Berge, riesige Steinfelder, in denen bizarre Felsen noch genauso aussehen wie vor fast 300 Jahren, als die Erde fünf Jahre Feuer spuckte und glühendes Magma über fast die ganze Insel floss, Menschenleben, Dörfer und fruchtbare Landstriche zerstörte. Ein Viertel der Insel war – und ist, so scheint es noch heute – mit Lava bedeckt.

Es gibt auf Lanzarote mehr als 300 Feuerberge (Montanas del Fuego), die je nach Gestein und Licht rot oder schwarz aussehen. Im Nationalpark Timanfaya soll der Film „Planet der Affen“ gedreht worden sein; die NASA testete hier vor der Landung auf dem Mond das Mondfahrzeug, verrät mein Reiseführer. An eine Mondlandschaft erinnern die schwarzen, kargen Geröllfelder wirklich – und daran, wie wenig Menschen im Ernstfall gegen die Natur  ausrichten können. Mein Mann, Amateur-Astronom, Weltraum- und Science-Fiction-Fan ist von der Landschaft begeistert; ich bin beeindruckt: Zum ersten Mal stehen wir in einem echten Vulkan.

Im Vulkan DSC_6928
Im Vulkan

Aber mir fehlt schon bald das Grün. Pflanzen  und Tiere sind auf Lanzarote rar. Auf dem kargen Boden wachsen offenbar nicht einmal „Unkräuter“ freiwillig. Kanarienvögel, die ja von den Kanarischen Inseln stammen, haben  wir nur ein einziges Mal gesehen und gehört – in einem Käfig vor einem Café auf der Plaza Leon y Castillo in Haria.

Hier, im Tal der tausend Palmen im Norden der Insel, ist es grüner als an dem meisten anderen Orten: Es gibt nicht nur viele Palmen, die dem Tal seinen Namen gaben, in den Gärten blühen Bougainvilleen und Hibiskus. Gärtnern und Landwirtschaft sind hier eine mühsame Angelegenheit: Um einzelne Pflanzen werden runde Mäuerchen aus Lavagestein aufgeschichtet, um sie vor dem Wind und dem Austrocknen zu schützen. Steine gibt es auf der Insel zu Genüge. Wein wird auf Lanzarote auch angebaut, vor allem rund um La Geria im Süden der Insel. Die Rebstöcke werden oft nicht nur ummauert, sondern  in trichterförmigen Gruben gepflanzt. Welch ein Gegensatz zu den Weinfeldern und Weinbergen in Deutschland, Festlandspanien, Italien und Frankreich.

Reben DSC_7033
Ummauert: Reben auf Lanzarote

Vom Mirador de Guinate in der Nähe von Haria hat man einen wunderschönen Blick auf die kleine Nachbarinsel la Graciosa. Und anders als beim berühmten, ein paar Kilometer nördlich gelegenen Mirador del Rio sind wir hier allein: Nur ein anderes deutsches Paar taucht kurz auf, schaut, fotografiert und verschwindet wieder. Der von César Manrique gestaltete Mirador del Rio gehört zu den größten Touristenattraktionen der Insel: Ein Besuch lohnt wirklich: des Ausblicks und der Architektur wegen.

Kaffeepause im Mirador del Rios DSC_6837
Kaffeepause mit grandiosem Ausblick auf La Graciosa.

Ein weiteres Highlight: die Jameos del Agua im Nordosten der Insel. In einem Lavastollen, angeblich dem längsten der Welt, ist an zwei Stellen die Decke eingestürzt. Dazwischen liegt ein mit Salzwasser gefüllter See, der smaragdgrün schimmert, wenn die Sonne durch das Loch in der Decke fällt. In das Schwimmbecken im  Jameo grande, dem größeren „Schornstein“, wäre ich am liebsten reingesprungen, doch das ist ebenso verboten wie Münzen in den unterirdischen See zu werfen. Das verträgt nämlich der weiße Mönch gar nicht, der im Lagunensee lebt. Für alle, die sich mit Fauna ebenso wenig auskennen wie ich: Der weiße Mönch ist ein blinder Höhlenkrebs, der nur noch auf Lanzarote lebt. Gesehen haben wir ihn nicht – und ich bedaure das nicht wirklich, denn er sieht angeblich eher aus wie eine Spinne und ist gerade mal zwei Zentimeter groß. Gestaltet wurde die Grotte übrigens ebenfalls von César Manrique – dem Maler, Bildhauer und Architekten, an dem auf Lanzarote kein Weg vorbeiführt.

Unterirdische Lagune DSC_6801
Die unterirdische Heimat des weißen Mönchs

Mit seiner Malerei kann ich zugegebenerweise nicht  viel anfangen, auch seine Skulpturen und das Haus in Haria, in dem Manrique  in den letzten Jahren vor seinem Tod gelebt hat, fand ich nicht so toll. Als Architekt hat  mich Manrique eher überzeugt. Das von ihm gestaltete  Haus in Tahiche ist wirklich sehenswert (wenn es auch nicht an Dalis Haus in Cadaques heranreicht, an das es mich erinnert hat). Es steht auf einem Grundstück, das beim Vulkanausbruch von 1730 mit Lavaströmen bedeckt wurde. Die untere Etage besteht aus fünf Höhlen, durch unterirdische, teilweise weiß gekalkte Stollen gelangt man von einer Vulkanblase in die andere. Die Einrichtung und die Kunstwerke passen einfach, es ist toll anzusehen: Kunst, Architektur  und Natur verschmelzen wirklich gekonnt – aber leben möchte ich unter der Erde sicher nicht.

Wohnen im Vulkan DSC_7077
Wohnen im Vulkan

Ein echter Gegensatz:  Der letzte Abend in der Bar des Gran Hotels in Arrecife. Die liegt im 17. Stock und man genießt einen tollen Blick über die Stadt. Das Gran Hotel ist übrigens das einzige richtige Hochhaus in der Inselhauptstadt. Das ist sicher auch Cesar Manrique zu verdanken, der sich beispielsweise dafür eingesetzt hat, dass in Puerto del Carmen, dem größten Touristenort der Insel, seit den 70er-Jahren nur noch ein- und zweigeschossig gebaut werden durfte.

Ach ja, gewohnt haben wir im Hotel Lancelot in Arrecife. Eine gute Entscheidung, auch wenn wir am am ersten Tag Probleme hatten, es zu finden. Weil die Straße vor dem Hotel gesperrt war, sind wir mehrmals im Kreis gefahren. Später hat uns dann das Navi sicher aus der Stadt raus und über die Insel gelenkt – und uns dabei viel Spaß bereitet. Unser Smartphone-Navi spricht nämlich noch schlechter Spanisch als ich, aus Calle Leon y Castillo wurde dann beispielsweise Calle Leon ypsilon Castillo.

Unser Hotel lag übrigens direkt am Strand. Vom Balkon im dritten Stock hatten wir einen tollen Blick aufs Meer. Einfach zwischendurch mal zu schwimmen war deshalb kein Problem. Der Service war prima, Abend- und Frühstücksbuffet auch (ein bisschen mehr Käse beim Frühstück wäre allerdings gut).

Insgesamt: ein schöner Urlaub, tolles Wetter, viele Impressionen. Wir haben viel gesehen, auch dank Jeanette, einer Freundin, die seit über 20 Jahren auf der Insel lebt und uns viele gute Tipps gegeben hat. Ob ich wiederkomme: Irgendwann vielleicht. Es war interessant, aber Lanzarote ist nicht meine Insel: zu karg, zu viele Steine, zu wenig grün. Aber im Winter, wenn es in Deutschland kalt und ungemütlich ist, sicher eine Alternative.